Die Gründung Rigas


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

23 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Gliederung und Inhalt:

1. Einleitung
1.1. Forschungsstand
1.2. Quellen

2. Ausgangslage
2.1. Die Rigaer Bucht - Ethnische Verhältnisse und Fernhandel
2.2. Die ersten Siedlungszentren Livlands
2.3. Der „locus Rige“
2.4. Ostkolonisation und Missionierung Livlands

3. Der Akt der Gründung Rigas

4. Die Entwicklung Rigas zur Stadt
4.1. Ausbau zum geistlichen Zentrum
4.2. Entwicklung zu einem Siedlungsschwerpunkt
4.3. Ausbau zum Herrschaftszentrum
4.4. Entwicklung einer städtischen Schutzfunktion
4.5. Ausbau zum Handelszentrum
4.6. Ausblick

5. Städtelandschaften an Ostsee und Adria
5.1. Riga und Ragusa (Dubrovnik) - Zwei Städte im Vergleich
5.2. Fazit

6. Quellen und Literatur
6.1. Quellen
6.2. Literatur

1. Einleitung

Diese Arbeit entstand im Rahmen eines Hauptseminars, in dessen Mittelpunkt der Vergleich zweier mittelalterlicher Stadtlandschaften stand. Sie widmet sich dem chronologisch ersten Themenkomplex, dem Zeitpunkt der Gründung und der frühen städtischen Entwicklung. Als Vertreter des Städtewesens der Ostseeküste steht im Zentrum der folgenden Ausführungen Riga. Nach der Darstellung des Forschungstandes und der wichtigsten Quelle zum Thema, wird zunächst die Ausgangslage beschrieben, wie sie sich den Gründern der Stadt darbot. Dem folgt die Schilderung des Gründungsaktes. Die weitere Entwicklung Rigas wird dann nicht mehr chronologisch dargelegt werden, sondern gegliedert nach den Faktoren, die eine Stadt definieren.

Mit diesem Vorgehen soll die Basis gelegt werden, die dann im letzten Abschnitt den Vergleich mit der Stadtlandschaft der Adriaküste ermöglicht. Als Musterbeispiel dient hier die dalmatinische Küstenstadt Dubrovnik. Dabei soll zunächst ihre frühe Entwicklung in aller Kürze dargestellt werden, bevor in einem Fazit Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu Riga beleuchtet werden.

1.1 Forschungsstand

Die Anfangsjahre Rigas sind außergewöhnlich gut durch die Forschung dokumentiert worden. Schon in den 60er Jahren erschien die sehr umfassende Arbeit Friedrich Benninghovens1, die noch immer grundlegenden Charakter hat, wenn sie auch an manchen Stellen an Aktualität eingebüsst hat. Insbesondere durch die archäologischen Forschungen der 90er Jahre, die Andris Caune2 in zwei Artikeln zusammenfasst, erscheinen einige Aspekte der Frühgeschichte in neuem Licht. Einige Thesen der Arbeit Benninghovens, v.a. bezüglich der frühesten Stadttopographie und der Funktion des Rigehafens, werden auch von Bernhart Jähnig3 und Clara Redlich4 in Frage gestellt. Für einen schnellen, kompakten

Einstieg in das Thema bietet sich die aktuelle Studie Raoul Zühlkes5 an, in der Riga der Hansestadt Bremen gegenüberstellt wird.

1.2 Quellen

Die bedeutendste Quelle für die Frühzeit der Stadt Riga, die auch im Folgenden miteinbezogen werden wird, stellt die „Livländische Chronik“ Heinrichs von Lettland („Heinrici Chronicon Livoniae“)6 dar. Der Verfasser wurde 1188 in der Gegend von Magdeburg geboren und begleitete 1205 Abt Rotmar von Segeberg, dem Bruder Alberts, des damaligen Bischofs von Riga, nach Livland. Dort wirkte er als Missionar und Dolmetscher und stand in dieser Tätigkeit u.a. dem päpstlichen Legaten Wilhelm von Modena 1225/26 zur Seite. 1208 wurde Heinrich von Bischof Albert zum Priester im lettischen Papendorf, im Grenzgebiet zu Estland gelegen, geweiht. In den 20er Jahren des 13.Jahrhunderts verfasste er seine Chronik, die er um die Anfangsjahre der livländischen Mission unter den Bischöfen Meinhard und Bertold ergänzte und bis zum Jahr 1227 fortführte. Zu diesem Zeitpunkt ist die Christianisierung im Missionsgebiet Heinrichs als abgeschlossen zu betrachten und hier findet sich auch ein Anknüpfungspunkt an die Motive, die den Papendorfer Priester zur Abfassung des Werkes trieben. Im Zentrum der Chronik stehen Schilderungen vom Kampf und Sieg des Christentums über die Heiden, wobei - durchaus nachvollziehbar mit Blick auf Heinrichs Wirkungsfeld - die Bekehrung der Esten einen Schwerpunkt bildet. Daher spielen die Ereignisse in der Stadt Riga spätestens seit 1208, der Priesterweihe Heinrichs, nur am Rande eine Rolle7.

Die Erzählungen beruhen einerseits auf persönlichen Erinnerungen, Erfahrungen und Erlebnisberichten der Zeitgenossen, andererseits ist an einigen Stellen die Verwendung von Urkunden und anderen Dokumenten nachzuweisen8. Die Glaubwürdigkeit der „Livländischen Chronik“ wurde mithilfe anderer Quellen überprüft und durchweg positiv beurteilt9.

Zur Rekonstruktion der Gründungs- und Frühgeschichte Rigas kann die Forschung neben dem Werk Heinrichs von Lettland, abgesehen von einzelnen erhaltenen Urkunden, v.a. auf archäologische Befunde zurückgreifen. Im historischen Zentrum der heutigen Hauptstadt Lettlands wurden umfangreiche Grabungen durchgeführt, die einen gewichtigen Beitrag zur Nachbildung der Stadttopographie leisteten10. Andere für das Mittelalter übliche Quellen sind für Riga erst in späteren Jahren überliefert, so u.a. ab 1286 das Schuldbuch11.

2. Ausgangslage

2.1. Die Rigaer Bucht - Ethnische Verhältnisse und Fernhandel

Rund um die Rigaer Bucht lebte im 11.Jahrhundert eine Vielzahl verschiedenartiger Stämme und Völker: Im Norden die Esten, an der Ostküste die Liven, in deren Rücken die Lettgaller12 und südlich der Düna Selen und Semgaller13, deren Gebiete im Westen an die der Kuren grenzten. Ihr Zusammenleben gestaltete sich nicht immer friedlich14 und keines dieser Völker konnte bis zum Ausgang des 11.Jahrhunderts eine wirklich solide Herrschaft aufbauen. Ganz im Gegensatz zu den frühen Staatsbildungen der Litauer im Süden und der Russen im Osten, die immer wieder versuchten, die Gebiete entlang der Düna und an der Rigaer Bucht zu unterwerfen. Inwieweit es litauischen und russischen Fürsten gelang, in einigen Teilen Liv-, Kur- und Estlands eine Anerkennung der Oberherrschaft oder der Tributpflicht zu erreichen, ist aufgrund der schwachen Quellenlage in der Forschung umstritten15. Die hier vereinfachte räumliche Differenzierung der Völker spiegelt natürlich keinesfalls die tatsächliche damalige Konstellation wider. Die Territorien waren ethnisch heterogen, was auch archäologische Forschungen, insbesondere die Untersuchung von Grabstätten, nicht zuletzt auf dem Gebiet Rigas16, bewiesen haben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2 : Die ethnischen Verhältnisse der Rigaer Bucht; aus Garleff, S.17.

Schon im 9.Jahrhundert erlangte die östliche Ostseeküste Bedeutung für den Fernhandel. Die skandinavischen Waräger, die auch an der ersten ostslawischen Herrschaftsbildung mit dem Zentrum in Kiew beteiligt waren, gelangten von der Ostsee über den Ladogasee, Wolchow, Ilmensee, Lowat, über die Düna bei Witebsk in den Dnjepr und weiter nach Konstantinopel17.

Neben dem Teilabschnitt bei Witebsk war die Düna auch in ihrem weiteren Verlauf für den Fernhandel erschlossen worden. Der 1020 Kilometer lange Fluss schuf eine Verbindung von der Ostsee zu den bedeutenden Wirtschaftszentren von Polozk und

Sommer brach der Fürst von Polozk mit einem Heer unerwartet in Livland ein und griff die Burg Üxküll an. Die Liven... wagten nicht, ihm Widerstand zu leisten, und versprachen ihm Geld.“

Witebsk, von wo der Übergang in das Dnjepr-Stromgebiet möglich war und das Fürstentum Smolensk erreicht werden konnte. Für die Kaufleute aus dem Westen, aus Skandinavien und dem Deutschen Reich, war die Insel Gotland der wichtigste Stützpunkt des Russlandhandels. Ende des 12.Jahrhunderts begaben sich von dort aus die ersten deutschen Händler in das Dünamündungsgebiet.

2.2 Die ersten Siedlungszentren Livlands

Schon immer prägten zahlreiche kleine Inseln und Flussarme das Gebiet der Dünamündung, die damit ideale Bedingungen für Piraterie bot, welche bis zur Etablierung der Stadt Riga und zur Sicherung des Christentums eine ernstzunehmende Bedrohung für die Schifffahrt darstellte. Im weiteren Flussverlauf zwangen die „Rummelstromschnellen“ bei der Insel Dahlen zur Vorsicht und zu umsichtigem Manövrieren. Von dieser Stelle stromaufwärts bis nach Üxküll erstreckte sich vom 10. bis 12.Jahrhundert das Siedlungszentrum der Liven. Die Gegend bestand im Gegensatz zur stromabwärts gelegenen „Wildnis“18 aus sehr fruchtbaren Böden, die landwirtschaftlich genutzt werden konnten. Archäologische Forschungen belegten an diesem frühmittelalterlichen Siedlungsschwerpunkt die Existenz von 13 livischen Dörfern, die geprägt waren von Ackerbau, Viehzucht und Fischerei, aber auch von Handel und Handwerk. Brambergshof (Daugmale), 20 Kilometer von Riga entfernt, bildete den Hauptort und bestand aus einem befestigten Burgberg und zwei Siedlungen19. Das Vorhandensein eines regen Warenaustausches an diesem Ort bewiesen umfangreiche Münzfunde, von byzantinischen bis hin zu dänischen oder deutschen Geldstücken. Ferner erlauben die Grabungen Rückschlüsse über die Zusammensetzung der Bevölkerung zu ziehen: Liven, Semgaller, Wikinger, Russen und weitere Nationalitäten scheinen hier in friedlicher Koexistenz gelebt zu haben20. Wie oben erwähnt, steckte die Herrschaftsbildung der Völker und Stämme Livlands noch in ihren Anfängen21. Eine Art Oberschicht, die „Ältesten“ („seniores“), erwähnt Heinrich von Lettland und hebt einen der „seniores“, Caupo, als „quasi rex“ hervor.22

[...]


1 Friedrich Benninghoven, Rigas Entstehung und der frühhansische Kaufmann, Hamburg 1961.

2 Andris Caune., Die Rolle Rigas im Dünamündungsgebiet während des 10.-12.Jahrhunderts, in: Zeitschrift für Ostforschung, Jg. 41, H. 4, 1992, S.489-500; ders. , Archäologische Zeugnisseüber dieälteste Siedlung am Ort der heutigen Domkirche zu Riga, in: Zeitschrift für Ostforschung, Jg. 42, H. 4, 1993, S.481-505.

3 Bernhart Jähnig, Die Anfänge der Sakraltopographie in Riga, in: Manfred Hellmann (Hg.), Studienüber die Anfänge der Mission in Livland, Sigmaringen 1989, S.123-158.

4 Clara Redlich, Zur frühesten Besiedlungsgeschichte Rigas, in: Zeitschrift für Ostforschung, 33.Jg., H. 4, 1984, S.491-507; dies., Dasälteste Riga und die Stuben zu Münster und Soest, in: Zeitschrift für Ostforschung, Jg.37, H.4, 1988, S.555-580.

5 Raoul Zühlke, Stadt - Land - Fluß: Bremen und Riga - Zwei mittelalterlichen Metropolen im Vergleich, Münster 2002.

6 Vgl. zum Folgenden Albert Bauer, Einleitung, in: Heinrich von Lettland, Livländische Chronik,übers. Albert Bauer (=Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters - Freiherr vom SteinGedächtnisausgabe, Bd. XXIV), Darmstadt 1959, S.IX-XXXVI; Manfred Hellmann, Heinrich von Lettland, in: Lexikon des Mittelalters, Bd.4, München 1989, S.2096f.

7 Hellmann 1985, S.2097: „Heinrich schreibt... Missionsgeschichte, die auf weite Strecken die Geschichte von Kämpfen ist.“

8 Vgl. Bauer, S.XXIII-XXV.

9 Vgl. Bauer, S.XXI-XXIII.

10 Vgl. Arbeiten von Andris Caune.

11 Eine Übersicht über die Eintragungen findet sich bei Benninghoven 1961, S.149ff.

12 Die Lettgaller werden auch als „Hochletten“ bezeichnet.

13 Die Semgaller werden auch als „Niederletten“ bezeichnet. Gemeinsam mit Selenern, Kuren und Lettgallern verschmolzen sie allmählich zum Volk der Letten, assimilierten auch die Liven; vgl. Michael Garleff, Die Baltischen Länder - Estland, Lettland, Litauen vom Mittelalter bis zur Gegenwart, München 2001, S.16.

14 Von zahlreichen Scharmützeln der baltischen Stämme untereinander berichtet auch Heinrich von Lettland, Livländische Chronik,übers. Albert Bauer (=Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters - Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe, Bd. XXIV), Darmstadt 1959.

15 Vgl. Zühlke, S.30. Die Erzählung Heinrichs von Lettland stützt die These, dass die livischen Stämme teil- oder zeitweise unter der Tributherrschaft der russischen Fürsten gestanden haben: „In demselben

16 Siehe dazu Caune 1993, S.481-505.

17 Vom Weg „von den Warägern zu den Griechen“ berichtet die „Nestorchronik“, benannt nach dem ersten bekannten Redakteur der altrussischen Chronik, einem Mönch des Kiever Höhenklosters um 1110-1112; vgl. dazu Christian Hannick, Povest ‘ vremennych let, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 7, München 1995, S.137f.

18 Benninghoven 1961, S.19.

19 Die eine Siedlung befand sich am Fuße des Burgberges, die andere, Laukskola, am gegenüberliegenden Dünaufer; vgl. Abbildung bei Caune 1992, S.493.

20 Zu den archäologischen Funden in Baumbergshof vgl. Caune 1992, S.492ff.

21 Vgl. Zühlke, S.29.

22 Heinrich VII, 3: „Post hec frater Theodericus cum peregrinis ... in Theuthoniam abiens quendam Lyvonem, Cauponem nomine, qui quasi rex et senior Lyvonum de Thoreyda, secum assumit...“

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Details

Titel
Die Gründung Rigas
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel  (Historisches Seminar)
Veranstaltung
Mittelalterliches Staedtewesen an Ostsee und Adria
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
23
Katalognummer
V43343
ISBN (eBook)
9783638411646
Dateigröße
2516 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gründung, Rigas, Mittelalterliches, Staedtewesen, Ostsee, Adria
Arbeit zitieren
Benjamin Schäfer (Autor:in), 2004, Die Gründung Rigas, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43343

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