Berliner Schule vs. Mumblecore. Ein Vergleich


Hausarbeit (Hauptseminar), 2012

14 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


1. Einleitung

Jeder von uns möchte gelegentlich allein sein und seine Freiheit genießen können. Sich im Gegenzug jedoch einsam fühlen, unter Egoismus und fehlender Geborgenheit leiden und dabei gleichzeitig selbst egoistisch handeln, möchte wiederum niemand. Das Leben in der heutigen modernen Gesellschaft birgt in dieser Hinsicht vielerlei Widersprüche sowie Zwiespalt, mit dem es umzugehen heißt.1

Ähnlich verhält es sich in den Filmen der beiden sich in dieser schriftlichen Ausarbeitung gegenüberstehenden Filmstile: dem US-amerikanischen Independentfilm entsprungenen Mumblecore und der in Deutschland entstandenen Berliner Schule. Ziel der vorliegenden Hausarbeit ist der ausführliche Vergleich des Mumblecore mit der Berliner Schule sowie der Herausarbeitung derer Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten. Ihren Abschluss wird diese Hausarbeit in einem Ausblick über die zukünftige Entwicklung des jeweiligen Stils finden.

Den Beginn bildet die eingehende Auseinandersetzung mit der Berliner Schule. Anhand Thomas Arslans an dieser Stelle als Beispiel dienenden Films Der schöne Tag sowie Henner Wincklers darauffolgender Klassenfahrt finden die vorab definierten Punkte „Hintergrund/Entstehung“, „Merkmale“ und „Protagonisten“ ihre Verfestigung. Parallel verhält es sich anschließend zu den Unterpunkten des Mumblecore. Als filmische Beispiele dienen hierbei Andrew Bujalskis Funny Ha Ha sowie Joe Swanbergs Hannah T akes the Stairs. Es folgt die Herausarbeitung der Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten der beiden Stile. Abschließend erfolgt eine kurze Zusammenfassung mit persönlichem Ausblick.

2. Berliner Schule

Einleitend hierzu eintreffendes Zitat des deutschen Filmkritikers Rüdiger Suchslands zur Berliner Schule: „Man schaut den Menschen beim Leben zu. Es ist zumeist nichts Besonderes oder Ungewöhnliches, was da passiert. Entscheidender als das, was passiert, ist, wie es passiert.“

2.1 Hintergrund und Entstehung

Die Berliner Schule gründete sich aus Filmemachern, welche während der 1990er Jahre gemeinsam an der Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin (dffb) studierten und dort ebenso ihre ersten Filme realisierten. Der Begriff „Berliner Schule“ wurde hierbei nicht von den Filmschaffenden selbst, sondern von der Filmkritik geprägt. Zu ihren „Exponenten“ zählen Christian Petzold, Thomas Arslan und Angela Schanelec. Mittlerweile werden auch weitere Filmemacher zur Berliner Schule gezählt, welche zwar nicht in Berlin studierten, jedoch in dieser Stadt arbeiten und zahlreiche ihrer Filme in und um Berlin entstanden ließen. Entgegen anderer prämierter, deutscher Filme setzen sie sich nicht mit geschichtlichen Themen, sondern mit dem Hier und Jetzt, dem Zustand der zeitgenössischen deutschen Gesellschaft auseinander. Die Berliner Schule kann somit auch als Gegenzug sowie Abgrenzung zu den zum damaligen Zeitpunkt im deutschen Film dominierenden Strömungen gesehen werden. Hierzu zählten insbesondere Mitte der 1990er die „kommerzielle Vermarktbarkeit von Spielfilmen“ sowie Beziehungskomödien. Seitens der Anhänger der Berliner Schule fungierte der Film jedoch als Kunst sowie Transportmittel des persönlichen Ausdrucks, losgelöst von jeglicher kommerzieller Absicht. 2

2.2 Merkmale

Der Verzicht auf Dramatik sowie das Erzählen weniger spektakulärer Geschichten bildet das oberste Merkmal der Berliner Schule. Der inhaltliche Schwerpunkt liegt hierbei viel mehr im Alltäglichen, Beziehungen und Glück. Wie zuvor in dem Zitat Suchslands erwähnt, geht es nicht darum was sondern wie etwas im Leben der dargestellten Menschen in den Filmen geschieht. Der Zuschauer nimmt hierbei die Beobachterposition ein und bekommt durch die Darstellung von Alltäglichkeiten die Möglichkeit geboten, sich in vielen Situationen wieder zu finden.

Gespräche, Blicke und Emotionen lenken das Geschehen des oftmals durch die ungewöhnliche, elliptische Erzählweise als „langsam, verkopft oder langweilig“3 wahrgenommenen Filmes. Charakteristisch sind hierbei zudem die episodischen Stationen in den Tagesabläufen der dargestellten Personen, Sprünge, fragmentarische Handlungen sowie das Nicht-Zeigen von Dingen, welche zwar für den Protagonisten sichtbar, für den Zuschauer jedoch im Verborgenen bleiben. Stilistisch zeichnen sich die Filme der Berliner Schule insbesondere durch ihre visuelle Kühle, Nüchternheit sowie Disziplin aus. Im Vordergrund steht die realistische Wiedergabe sowie Authentizität des vom Zuschauer sorgfältig beobachteten Geschehenen.4

Anstelle der Handkamera bedient sich die Berliner Schule einer statischen Kamera zur Gestaltung langer Einstellungen, „die ihren Figuren Raum geben, Aufmerksamkeit schärfen, wie von selbst für Spannung sorgen“5. Die fehlende Bewegung auf der Ebene der Handlung bildet ein weiteres Merkmal für die Filme der Berliner Schule, da sie dem Zuschauer keine klaren Ziele oder Probleme der Protagonisten niederlegt. Gesprochen wird hierbei von einem „Stillstand in Bewegung“6.7

2.3 Protagonisten 6

Die in den Filmen der Berliner Schule auftretenden Protagonisten zeichnen sich vor allem durch ihre fehlende Figurenposition aus. Dem Zuschauer wird jegliches Hintergrundwissen vorenthalten. Ebenso die Ziele oder Probleme der Protagonisten bleiben unausgesprochen. Lediglich durch beiläufige Gespräche oder Handlungen baut sich das Wissen hierüber langsam auf. Vieles bleibt jedoch durch fehlende Dialoge und die für die Berliner Schule charakteristische „Große Ruhe“ bis zum Schluss im Unklaren. Eine Charakterisierung der Protagonisten erfolgt oftmals auch durch deren äußerliches Erscheinungsbild.8 Besetzt sind die Rollen in den Filmen der Berliner Schule von weitestgehend unbekannten Schauspielern oder Laiendarstellern.

2.4 Beispiel: Der schöne Tag

Der schöne Tag aus dem Jahr 2001 stammt von einem der Hauptvertreter der Berliner Schule,Thomas Arslan, und wurde in Deutschland produziert. Auf der Suche nach Liebe, einer verlässlichen Partnerschaft und Ruhe bedient sich Der schöne Tag der Berliner Schule entsprechend keiner allzu großen Dramatik. Er spielt in Berlin, die bekannte „Weltstadt-Ikonographie“9 sucht man hier jedoch vergebens, es herrscht Tristesse. Anstelle des Konstrukts einer Geschichte tritt die „schlüssige Dramaturgie eines Moments“10. Die innere Suche sowie Rastlosigkeit der Hauptprotagonistin Deniz findet sich in deren äußeren Bewegungen durch Berlin während ihrer alltäglichen Verrichtungen wieder und unterstreicht neben derer Flüchtigkeit die Einsamkeit und Anonymität des Einzelnen in der Masse.11

[...]


1 vgl. SCHICK, Thomas: Stillstand in Bewegung, S.100

2 vgl. SCHICK, Thomas: Stillstand in Bewegung, S.100

3, 4, 6, 7 vgl. SCHICK, Thomas: Stillstand in Bewegung, S.100

5 vgl. SUCHSLAND, 2005

8 vgl. KIRSTEN, Guido: Fiktionale Authentizität und die Unterklausel im Zuschauervertrag

9, 10, 11 vgl. http://www.filmportal.de/thema/berlin-in-echtzeit-die-berliner-schule-und-neue- perspektiven-richtung-osten

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Berliner Schule vs. Mumblecore. Ein Vergleich
Hochschule
Hochschule für Bildende Künste Braunschweig  (Institut für Medienwissenschaften)
Veranstaltung
Filmstil
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
14
Katalognummer
V433152
ISBN (eBook)
9783668751743
ISBN (Buch)
9783668751750
Dateigröße
468 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Berliner Schule, Mumblecore, Klassenfahrt, Funny Ha Ha, Hannah takes the Stairs, Der schöne Tag, Henner Winckler, Thomas Arslan, Andrew Bujalskis, Florian Krautkrämer
Arbeit zitieren
Lena Röttger (Autor:in), 2012, Berliner Schule vs. Mumblecore. Ein Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/433152

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