Sokrates als Inbegriff des Philosophen


Seminararbeit, 2005

14 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Sokrates als Inbegriff des Philosophen
2.1. Probleme beim Versuch einer Annäherung an Sokrates
2.2. An wen sich wenden?
2.3. Der historische Sokrates
2.4. Was macht einen Philosophen aus? – Der Eros der Diotima Rede
2.5. Sokrates Methodik: Dialog, Maieutik, Frage und Elenktik
2.6. Die sokratische Ironie

3. Schlussbemerkung

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Sokrates – für Karl Jaspers eine der vier größten, maßgebendsten Personen in der Geschichte der Menschheit (neben Buddha, Konfuzius und Jesus). Ein Mensch, dessen „geschichtliche Wirkung von unvergleichlichem Umfang und Tiefengang“[1] war und ist. Von ihm nimmt die attische Philosophie ihren Ausgang. Seine Schüler nahmen seine Lehren zum Fundament, entwickelten diese selbständig weiter und gründeten eigene philosophische Schulen der verschiedensten Richtungen. Trotz ihrer Feindschaft untereinander konnten fast alle Philosophen der Antike in Sokrates die Inkarnation des Ideals des Philosophen sehen[2]. Auf ihn geht eine eigene literarische Gattung zurück: das „sokratische Gespräch“[3]. Und nach Platon ist Sokrates sogar der Begründer der Philosophie überhaupt[4].

Was aber macht diesen Sokrates zu solch einer bedeutungsschweren Person? Was macht ihn zum Inbegriff des Philosophen?

2. Sokrates als Inbegriff des Philosophen

2.1. Probleme beim Versuch einer Annäherung an Sokrates

Sokrates hat keinerlei Schriften hinterlassen, er hat überhaupt nichts geschrieben, vielmehr lehrte er nur mündlich oder anders gesagt, da lehren vielleicht nicht das richtige Wort ist: er entwickelte seine Philosophie nur aus dem Gespräch heraus. Will man sich daher mit Sokrates und seiner Philosophie auseinandersetzen, so ist man auf die sekundären Quellen seiner Schüler – hauptsächlich auf die des Platon und Xenophon[5] – angewiesen. Es ist also keineswegs unzweifelhaft klar, ob oder in wie weit etwa der Sokrates, der in den platonischen Dialogen auftritt, seine eigene, also die Meinung des historischen Sokrates verficht und Platon dabei lediglich die Rolle des Sprachrohrs einnimmt, oder ob er von Platon – in guter oder böser Absicht – benutzt, verfälscht, ja vielleicht sogar missbraucht wird[6]. Um mit Jaspers zu sprechen: „Die Bilder des Sokrates haben sich vor seine Wirklichkeit gelegt, die nur durch sie hindurch schimmert“[7].

2.2. An wen sich wenden?

Wenn Xenophon Sokrates in seinen Schriften als „[…] geradezu penibel rechtschaffenen, höchst konservativen und schulmeisterlichen […]“ Menschen darstellt, wenn Aristophanes ihn als blasphemischen Spötter einerseits und spitzfindigen Wortverdreher, als „Erz- und Obersophist[en]“[8] zeichnet, wenn man sich die von Sokrates ausgehenden philosophischen Schulen ansieht, so wird klar, wie schwer es ist, sich ein einheitliches Bild dieses vielschichtigen Mannes zu machen. Da Platons Darstellung des Sokrates den maßgeblichsten Anteil an dessen Stilisierung zum Urbild des Philosophen hatte und da in seinen Dialogen diese Ambivalenz der sokratischen Persönlichkeit am deutlichsten zum Ausdruck kommt[9], soll – ausgehend vom Symposion – vor allem Platons Meinung von dem, was einen Philosophen ausmacht, dargestellt werden. Zunächst jedoch soll Sokrates als historische Person etwas nähertreten.

2.3. Der historische Sokrates

Über Sokrates als historische Person ist recht wenig bekannt. Geboren wurde er 469 v. Chr. als Sohn eines Steinmetzen und einer Hebamme. Gehörte somit also nicht der vornehmen Athener Oberschicht an, genoss aber dennoch die Bürgerrechte. Seine Jugend liegt im Dunkel und erst im Zusammenhang mit den Peloponnesischen Kriegen ab 431 wird er in Kriegsberichten erwähnt. Ab diesem Zeitpunkt beginnt auch sein öffentliches Wirken. Über sein äußeres Erscheinungsbild machte er sich keine Gedanken: gekleidet in einen schlichten, abgeschabten Mantel und sommers wie winters barfuß durchstreifte er die Straßen Athens. Auch war er äußerst hässlich; sein gedrungener Körper, seine stieren Augen, seine Stupsnase und seine aufgeworfenen Lippen entsprachen keineswegs dem griechischen Schönheitsideal seiner Zeit[10]. Nichts desto trotz war er mit beißendem Spott begabt, der auch nicht vor sich selbst haltmachte und er war ein Virtuose im Fragenstellen. Dieses ständige, für seine selbstzufriedenen Mitbürger unangenehme Infragestellen war es letztlich auch, was ihm den Vorwurf der Gotteslästerung und der Verführung der Jugend einbrachte und 399 dann zu seiner Verurteilung zum Tod durch den Schierlingsbecher führte.[11]

2.4. Was macht einen Philosophen aus? – Der Eros der Diotima Rede

Es wird von Platon nicht eindeutig klargestellt, welche der sechs Reden über den Eros im Symposion seine eigene bzw. Sokrates Meinung enthält, oder ob sie überhaupt nur in einer oder nicht vielleicht sogar in mehreren, allen oder gar keiner vertreten wird. Da Sokrates jedoch die zentrale Gestalt in Platons gesamtem Werk ist[12] und er, im Gegensatz zu seinen Vorrednern, die alle nur Lobreden hielten, betont, nur die Wahrheit über den Eros sagen zu wollen, gehe ich hier – in Anlehnung an Steffen Graefe – davon aus, dass Platons Erosbegriff in der von Sokrates wiedergegebenen Diotima Rede vertreten wird. Bei den fünf vorangehenden Reden handelt es sich Graefe zufolge nur um sophistische Rhetorik, die das subjektive Glück in den Vordergrund rückt und nicht das „Sein“, sondern vielmehr nur den „Schein“ des Eros zum Ausdruck bringt.[13]

Wenn Sokrates für Platon der Inbegriff des Philosophen ist und wenn Diotima auf Sokrates Frage, wer „denn nun die Weisheitsliebenden [die „Philosophen“]“[14] seien, antwortet, dass Eros einer von ihnen sei, so muss Sokrates vom Eros erfüllt sein. Auch Steffen Graefe stellt die These auf: „Dasjenige, was einen Menschen für Platon zum Philosophen macht, ist der Eros […]“[15]. Um zu verstehen, was einen Philosophen zum Philosophen macht, ist es daher notwendig, die ihn antreibende Kraft, den Eros näher zu erläutern.

Der Eros wird in der Sokrates/Diotima Rede nicht einfach definiert, er wird im Gespräch zwischen Sokrates und Diotima eher forschend und suchend umkreist, denn zunächst gilt noch: Eros ist das Begehren zu etwas, er ist stets auf etwas gerichtet. Dieses Etwas darf er nicht schon besitzen, es muss ihm daran mangeln. Das, was der Eros begehrt, wonach er strebt und was ihm demnach auch fehlt, ist die Schönheit (im Fortgang der Rede erweist sich diese Definition des Eros aber noch als unzureichend). Da Sokrates rein äußerlich betrachtet ja auch kein Schönling ist, könnte dieser Mangel als Hinweis auf sein Erfülltsein vom Eros hindeuten. Andererseits wird er in Alkibiades Lobrede mit von Bildhauern erschaffenen, aufklappbaren Silenen verglichen, die zwar von außen betrachtet ebenfalls unansehnlich waren, deren Inneres jedoch Götterbilder zum Vorschein brachte. Obwohl selbst kein Gott, so wird Sokrates damit dennoch über körperliche Schönheit erhoben und dem Göttlichen angenähert.

Es stellt sich nun natürlich die Frage, was Diotima – und damit auch Platon – mit Schönheit eigentlich meint. Darauf gibt sie keine einfache Antwort, vielmehr erweist sich, dass Schönheit sich an einer ganzen Reihe von Dingen ausmachen lässt. Dabei ergibt sich eine aufsteigende Hierarchie von Schönem: an allem Anfang erblickt der von Eros ergriffene Mensch die Schönheit an einem einzelnen Leib. Irgendwann erkennt er aber, dass diese körperliche Schönheit nicht nur einem, sondern allen Körpern innewohnt. Daraufhin wird er sich von der körperlichen der seelischen Schönheit zuwenden, er wird diese höher schätzen lernen. Dann wird ihm klar, dass auch in Handlungen, Sitten und Gesetzen das Schöne wohnt. Aber auch hier bleibt er im Idealfall nicht stehen; weiter zu der Schönheit in den Erkenntnissen streift sein Blick. Dort wird er sich endgültig von der Schönheit in einzelnen Dingen abwenden, und sich „dem weiten Meer des Schönen[…]“zuwenden. Schließlich dann landet er in seinem erotischen Streben bei der einen Erkenntnis des Schönen. Hier wird das Streben nach Schönheit und das nach Weisheit gleichgesetzt.[16] Weisheit ist für Platon ja unbestritten etwas Gutes und bereits zu Beginn der Diotima Rede wird das Gute als schön bezeichnet.

[...]


[1] Karl Jaspers, Die großen Philosophen, S. 105

[2] vgl. Jaspers, S. 122

[3] Christoph Kniest, Sokrates zur Einführung, S. 12

[4] Kniest, S. 8

[5] vgl. etwa ebd., S. 8

[6] vgl. dazu Kniest, S. 14ff. oder Graefe, S. 111

[7] Jaspers, S. 122

[8] Gernot Böhme, Der Typ Sokrates, S. 27ff.

[9] Böhme, S. 32

[10] Böhme, S. 20

[11] Kniest, S. 8ff.

[12] Graefe, S. 111

[13] vgl. dazu Graefe, S. 106ff.

[14] Platon, Das Trinkgelage, 204 a-b

[15] Graefe, S. 104

[16] Platon, 210d

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Sokrates als Inbegriff des Philosophen
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Veranstaltung
Proseminar: Platon, Symposion
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
14
Katalognummer
V43304
ISBN (eBook)
9783638411318
Dateigröße
478 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sokrates, Inbegriff, Philosophen, Proseminar, Platon, Symposion
Arbeit zitieren
Joachim Waldmann (Autor:in), 2005, Sokrates als Inbegriff des Philosophen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43304

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