Digitalisierung als Einflussfaktor des sozioökonomischen Wandels der Musikindustrie

Eine Untersuchung der Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitsbedingungen Musikschaffender des Musiksektors


Bachelorarbeit, 2018

131 Seiten, Note: 2,0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Theoretische Grundlagen
2.1 Digitalisierung und sektoraler Wandel nach Dolata
2.2 Wertschöpfungskette nach Gereffi
2.3 Generelle Charakteristika des Arbeitsmarktsegments als Bestandteil des Kultur- und Kreativsektors

3 Der Musikmarkt in der Krise
3.1 Musikmarktakteure
3.1.1 Musikschaffende
3.1.2 Musikunternehmen als Arbeitgeber
3.2 Ökonomie des Musikmarkts
3.3 Traditionelle Wertschöpfungsarchitektur

4 Einfluss der Digitalisierung auf Musikmarkt und Wertschöpfungskette
4.1 Einfluss der Digitalisierung auf den Musikmarkt
4.1.1 Digitalisierung im Musikmarkt
4.1.2 Disruption im Musikmarkt
4.1.3 Neujustierung und Reorganisation des Musiksektors
4.2 Einfluss der Digitalisierung auf die Wertschöpfungskette
4.2.1 Einfluss der Digitalisierung auf die Wertschöpfungsstufen der Wertschöpfungskette
4.2.2 Restrukturierung der traditionellen Wertschöpfungskette

5 Einfluss der Digitalisierung und Restrukturierung auf die Arbeitsbedingungen von Musikschaffenden
5.1 Arbeit
5.1.1 Die Arbeit als Musikschaffender
5.1.2 Digitaler Wettbewerb
5.1.3 Lizensierung durch Digitalisierung
5.2 Einnahmen
5.2.1 Einnahmesituation in Deutschland
5.2.2 Einnahmequellen
5.3 Vermarktungsaktivitäten
5.3.1 Selbstvermarktung
5.3.2 Social Media
5.4 Produktion
5.4.1 Die Folgen der technologischen Entwicklung
5.4.2 Kreativität
5.5 Machtasymmetrie
5.5.1 Die Bedeutung der Plattenfirmen aus Sicht der Musikschaffenden
5.5.2 Auswirkungen der Digitalisierung auf die Verhandlungsmacht der Musikschaffenden
5.6 Zwischendiskussion

6 Experteninterviews zur Bedeutung der Digitalisierung für Musikschaffende
6.1 Interviewform: Qualitative Forschungsmethodik
6.2 Abgrenzung zur quantitativen Forschungsmethode
6.2.1 Wahl des Leitfadeninterviews als Experteninterview
6.2.2 Aufbau des Leitfadens
6.3 Durchführung und Datengewinnung
6.3.1 Sampling
6.3.2 Vorgehensweise
6.3.3 Zugangsprobleme
6.4 Vorgehensweise der Auswertung
6.5 Datenauswertung

7 Konklusion

Anhänge
Anhang 1 Experteninterview Nr. 1: 15.01.2018
Anhang 2 Experteninterview Nr. 2: 17.01.2018
Anhang 3 Experteninterview Nr. 3: 17.01.2018
Anhang 4 Experteninterview Nr.4: 19.01.2018
Anhang 5 Leitfrageninterview Deutsch & Englisch

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Umsatzanteile der Musikindustrie weltweit nach Segmenten in den Jahren 2014 bis 2016

Abbildung 2 Digitaler und physischer Umsatz mit Musik in Deutschland in den Jahr 2010 und Prognose für 2015 und 2019

Abbildung 3 Anteile der Teilsektoren an der Bruttowertschöpfung der Musikwirtschaft

Abbildung 4 Weltweite Absatz- und Umsatzentwicklung der Musikindustrie 1981-2006

Abbildung 5 Umsatzentwicklung der deutschen Musikindustrie 1984-201626

Abbildung 6 Streamingzahlen im Vergleich bis 1 US-Dollar verdient wird

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 Key Technological Innovations in the Record Music Industry

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

"Musik nimmt in jeder menschlichen Gesellschaft eine zentrale Position ein. Sie ist ein Medium für den Austausch persönlicher Erlebnisse, sozialer Beziehungen und kultureller Identität." (Gensch; Bruhn 2008: 3)

Heute ist die Rede von einer Krise der Musik, genauer der Musikindustrie. Aus sozioökonomischer Sicht.

„Seit dem Übergang von den siebziger zu den achtziger Jahren befinden sich die hoch entwickelten kapitalistischen Gesellschaften in einer Phase signifikanter wissenschaftlicher und technologischer Veränderungen. Sie wird vor allem anderen geprägt durch die Verbreitung einer Vielzahl neuer Informations- und Kommunikationstechnologien, die als Technologiecluster dem seltenen Typ technologischer Revolutionen mit einschneidenden, die gesamte Ökonomie und Gesellschaft erfassenden Wirkungen zuzurechnen sind.“ (Dolata 2007a: 5)

Mittlerweile ist sie überall spürbar, die Krise und der Wandel der Musikindustrie - ver- ursacht durch die Digitalisierung. Dies ist unumstritten und kann als Gemeinplatz gel- ten.

Der Umgang mit der Krise ist unterschiedlich. Es gibt Stimmen, die von einem Zugewinn sprechen im Sinne einer Demokratisierung. Wiederum andere sprechen von einem „krisenhaften Management“ der Musikindustrie (vgl. Kropf 2017: 1).

Der Begriff der Digitalisierung impliziert einen Wandel der Vernetzungen von Werkstoffen, Produkten, Betriebsmitteln, Personen und Wertschöpfungsketten. Letzteres, vor allem die Wertschöpfungskette, ist entscheidend für die Musikindustrie. Die durch die Digitalisierung geschaffenen neuen technischen Optionen haben zur Folge, dass unternehmensinterne Abläufe eine Veränderung erfahren und sich neue Geschäftsmodelle entwickeln (vgl. Wöhe; Döring; Brösel 2016: 357).

Nach Dolata findet sich in der Literatur thematisch viel zum Musikmarkt und den wirtschaftlichen Folgen der Digitalisierung und die Literatur bemühe sich lediglich um einen wirtschaftssoziologischen Ansatz.

Aktuell hingegen gibt es eine Forschungslücke und kaum analytisch fundierte, empiri- sche gewonnene Antworten auf die für die Arbeit interessierende Forschungsfrage:

Welchen Einfluss haben die Digitalisierung und die daraus resultierende Restrukturierung der Wertschöpfungskette auf die Arbeitsbedingungen der Musikschaffenden des Musiksektors?

Dolata resümiert in diesem Zusammenhang:

„Es mangelt sowohl an theoretisch orientierten Konzeptualisierungen als auch an em- pirischen Fallstudien, die explizit den Einfluss bestimmter Techniken auf soziales Han- deln, gesellschaftliche Strukturen und Institutionen untersuchen.“ (Dolata; Werle 2007b: 16)

Es ist nicht nur die Musikindustrie im Kontext eines Marktes betroffen, sondern auch „artists, musicians, jobs, consumers, and the wider creative sector’’ (Bacache-Beau- vallet; Bourreau; Moreaus 2012: 246). Deshalb setzt diese Arbeit den Fokus auf den soziologischen Aspekt und jene Musikschaffenden, die als Akteure im Musiksektor noch nicht stark im Rampenlicht der öffentlichen Forschung stehen. Pointiert formuliert geht es darum, die mit technischem Wandel durch die Digitalisierung einhergehenden sozioökonomischen Veränderungen der Musikschaffenden zu analysieren und zu er- klären.

Dabei hat die Arbeit im Besonderen die Zielsetzung, welche Gefahren, Herausforderungen und Möglichkeiten die digitale Revolution für Musikschaffende bringt (vgl. Poort et al. 2015: 669).

Der Musiksektor befindet sich international in einer Krise und die Musikindustrie und ihre Akteure agieren global, weshalb keine starke regionale Eingrenzung erfolgt (vgl. Dolata 2008b: 9). Dennoch soll versucht werden, spezifische Realitäten und Parallelen für Musikschaffende in Deutschland darzustellen. Auch ist die Literatur selten regional eingrenzend.

Um die Forschungsfrage dieser Arbeit systematisch zu beantworten, werden in einem orientierenden Überblick zunächst im zweiten Kapitel theoretische Grundlagen zum Thema der Digitalisierung, der Wertschöpfungskette und generelle Charakteristika des Arbeitsmarktsegments als Bestandteil des Kultur- und Kreativsektors hinzugezogen.

Daran anschließend wird in Kapitel drei kurz die Krise des Musikmarktes veranschau- licht, um dann weiter im vierten Kapitel den Einfluss der Digitalisierung auf den Musik- markt und die Wertschöpfungskette zu beleuchten. In Kapitel fünf wird der Schwer- punkt der Arbeit und Fokus auf die Musikschaffenden gesetzt. Es wird der Frage nach- gegangen, welchen Einfluss die Digitalisierung und die Restrukturierung der Wert- schöpfungskette auf die Arbeitsbedingungen der Musikschaffenden hat. Es wird bis zu diesem Punkt Literatur in Form von Sekundärquellen, wie Fachbücher, Fachzeitschrif- ten, Studien, Internetquellen und wissenschaftliche Arbeiten verwendet und diskutiert. Die Thesen aus Kapitel fünf und der Zwischendiskussion der Ergebnisse aus 5.6 die- nen als Grundlage für Kapitel sechs und die Experteninterviews, die als Praxisbei- spiele der Vervollständigung eines aussagekräftigen Bildes dienen sollen. Die Ergeb- nisse aus Kapitel fünf und sechs werden dann in Kapitel sieben der Konklusion zu- sammengetragen.

Es steht außer Frage, dass aufgrund des begrenzten Umfangs der Arbeit, nicht auf jede einzelne Phase der Digitalisierung (u.a. Piraterie etc.) explizit eingegangen wer- den kann. Es wird versucht den Prozess des digitalen Wandels als Ganzes zu betrach- ten.

Die vorliegende Arbeit inklusive der Experteninterviews kann als Grundlage für weitere Forschungen mit gesellschaftlichem und politischen Fokus von Kreativsektoren dienen. Besonders relevant sind für den Kreativsektor Themen wie Prekariat im Zusammenhang mit dem Bedingungslosen Grundeinkommen. Ferner noch bedeutend ist der Konflikt der Musik als geistiges Eigentum von Musikschaffenden und im Kontext der zu bestimmende Wert der Musik in einem kapitalistischen System.

2 Theoretische Grundlagen

Für den thematischen Einstieg in die Arbeit werden theoretische Grundlagen zu den Themen Digitalisierung und Wertschöpfungskette herangezogen. Außerdem sollen generelle Charakteristika des Arbeitsmarktsegments als Bestandteil des Kultur- und Kreativsektors aufgezeigt werden, die als Hintergrund für die vorliegende Arbeit die- nen.

2.1 Digitalisierung und sektoraler Wandel nach Dolata

Dolata stellt fest:

„Seit Ende der 1970er Jahre befinden wir uns in einer Periode eines grundlegenden soziotechnischen Umbruchs, in der die wissenschaftliche und technologische Basis der entwickelten kapitalistischen Gesellschaften in weiten Bereichen neu definiert wird.“ (Dolata 2011: 266)

Hauptbestandteil dieses Umbruchs ist u.a. die Digitalisierung und damit verbundene

„gesellschaftsweite Verbreitung und anhaltend radikale Weiterentwicklung digitaler Informations,- Kommunikations- und Vernetzungstechnologien. Die durch Digitali- sierung als neue Technik vorangetriebenen Prozesse des sozioökonomischen und sektoralen Wandels als Umbruch verlaufen auf der Meso- und Makroebene.“ (Dolata; Werle 2007b: 17; ebd.)

Sie versteht sich allerdings „als tiefgreifender Wandel der über längere Zeit vergleichsweise stabilen soziotechnischen Strukturen und Regeln“, die tief ihre Zeichen in Gesellschaft und Wirtschaft hinterlässt und einen sukzessiven Prozess der Neustrukturierung in Gang setzt (Dolata 2011: 266).

Ein sektoraler Wandel durch Technik ist nach Dolata kein radikaler Umbruch in Form einer „Sprengung, […eines] Zusammenbruch[s]oder eine[s] radikalen Austausch[s] der bestehenden Technologien, Strukturen, Institutionen und Akteure“, sondern viel- mehr ein andauernder Prozess in Form einer graduellen Transformation (vgl. ebd.: 272f.).

Solche graduellen Transformationen lassen sich als soziotechnischer Wandel konkretisieren. Eine Art längerer Prozess organisatorischer, struktureller und institutioneller Neujustierungen „im weiten Zwischenbereich zwischen pfadgeprägten Kontinuitäten und radikalen Brüchen“ (Dolata; Werle 2007b: 36).

Eine zweite wesentliche Eigenschaft des Wandels ist, dass diese Transformation in kapitalistischen Gesellschaften zu einer tiefgreifenden längerfristigen Neugestaltung der institutionellen Grundlagen durch „zahlreiche Transformationsimpulse“ geführt hat (vgl. Dolata 2011: 273, 287; ebd.: 34).

Solche Transformationen u.a. angestoßen durch neue Technologien wie die Digitalisierung, besitzen laut Dolata folgende Eigenschaften:

- Das Kristallisieren und die Entstehung neuer Beziehungen, Strukturen und Machtverhältnissen zwischen sektorexternen und sektoralen Akteuren
- Im Verlauf des Transformationsprozesses können sich Eigenschaften bei der Durchmischung neuer Technologien noch teils stark verändern (vgl. ebd.: 287)

Neue Technologien müssen nicht zwangsläufig zur Ablöse alter Technologien führen. Dennoch manifestieren sie sich zumindest als unausweichliche neue Realität im Sek- tor.

Lediglich der Grad der Auswirkung der Technologie kann verschiedenartig schwach bis stark ausgeprägt sein:

- Die neuen Technologien haben sich etabliert in Bereichen neuer Forschungs- methoden, Produktionsverfahren oder Vertriebsstrukturen. Die Reproduktion des Sektors kann nur mit der neuen Technologie garantiert werden.
- Die neuen Technologien haben sich in den Bereichen von Nischen bewährt und sind dadurch auch zu einem festen Bestandteil des Marktes geworden.
- Die neuen Technologien haben einen immensen Einfluss auf den Konsumen- ten, auf die Strukturierung seiner Nachfrage, Konsummuster und im weiteren Alltag.

Die Kompatibilität zwischen Technik, sozioökonomische Strukturen und Einheiten des Sektors sind ein ‚match‘, der als Effizienzerfordernis beschrieben wird (vgl. Dolata; Werle 2007b: 23).

Prinzipiell sind dabei verschiedene Entwicklungen denkbar. Nicht nur eine Richtung der Kompatibilität, sondern auch Hürden des Kompatiblen. Es ist ein Prozess wechselseitiger Anpassung der Techniken, sozioökonomischen Strukturen und Einheiten eines Sektors (vgl. ebd.: 24).

Ferner müssen unausweichliche bindende sozioökonomische Rahmenbedingungen im Sektor geschaffen worden sein, die zunächst ein dafür entsprechendes Organisations-, Interaktions- und Regelungsmuster erfordern.

Formen können dort wieder differierend ausfallen:

- Die Etablierung neuer sektoraler Kernakteure, die sich als feste Größe des neu strukturierten organisationalen Feldes behauptet haben und weiter als Verant- wortliche des Innovationsprozesses gestalten.
- Die traditionellen Akteure haben ihre Organisationsmuster und somit auch ihren Neuorientierungs- und Umstrukturierungsprozess an neue Technologien ange- passt.
- Die Entstehung interaktiver konstitutiver Beziehungen zwischen allen Akteuren
- Weitere Regeln, wie Recht, Normen, Standards, werden institutionalisiert und gelten als neue Basis des Handelns (vgl. Dolata 2011: 280f., 289f.)

Entscheidend ist, dass neue Technologien - soweit sie in der graduellen Transformation in punkto Nutzung und Entwicklungsstand bereits bis zu einem gewissen Punkt vorgedrungen sind und damit folglich auch die damit verbundenen sozioökonomischen Restrukturierungsleistungen eintreten - dazu führen, dass im Sektor die Handlungsbedingungen und Entwicklungsdynamiken bestimmt werden.

Diese Dynamiken im technologischen Wandel müssen allerdings nicht direkt in einer Phase der dauerhaften Stabilisierung enden. Sie können auch nur von kurzer Dauer sein und schließlich in eine weitere graduelle Transformation münden, da auch die entwickelte Technologie nicht immer direkt einsatzbereit ist, sondern auch diese sich wiederum substanziell weiterentwickelt und verändert. In anderen Worten: Die Digita- lisierung in Form von Informations- und Kommunikationstechnik (I&K) stellt sich nicht als einmaliger Schließungsvorgang dar, sondern als einer, der über die Zeit hinweg einen neuen und stabilen technologischen Standard konstituiert (vgl. end.: 277f., 290). Solche Perioden einer graduellen Transformation verlangen eine strategische Reposi- tionierung des Sektors und dessen Akteuren (vgl. Dolata 2007a: 19).

Am Beispiel des Musiksektors lässt sich festhalten, dass dieser eine graduelle Trans- formation und sukzessive Verschiebung, wie eingangs beschrieben, der bestehenden Technologien, Strukturen, Akteuren und Beziehungen erfährt. Vor allem vorangetrie- ben wird dies durch den Wechsel von physischen Tonträgern zu digitalen Musikda- teien, die wiederum über das Internet vertrieben werden. Dies geschieht allerdings nicht schlagartig, sondern sukzessive. Viele Wirtschaftssektoren entwickeln allerdings solche Innovationen nicht selbst und deshalb kommt der Anstoß zum Wandel von sek- torexternen Akteuren. Dies ist auch der Fall in der Musikindustrie (vgl. ebd.: 11, 25).

Digitalisierung, Datenkomprimierung und das Internet haben eine den gesamten Sek- tor erfassende Restrukturierungsdynamik angefacht. Dies haben in der Musikindustrie, wie genannt, sektorexterne Akteure (wie Computer- und Softwareunternehmen, Tele- kommunikations- und Mobilfunkkonzerne) zu verantworten. Weitreichende Neujustie- rungen sind die Folge, wie rechtlich-regulativer Rahmenbedingungen, strategische Ausrichtungen und Geschäftsmodelle (vgl. ebd.: 31; Dolata; Werle 2007b: 25, 28).

Zur Neujustierung des Musiksektors allerdings mehr im Punkt 4.1.3 - Neujustierung und Reorganisation des Musiksektors.

Wie ein Sektor auf einen durch Technik angetriebene Transformation reagiert und wie stark sich der Druck auf diesen Sektor ausübt, lässt sich wie folgt erfassen:

- die spezifische sektorale Eingriffstiefe der neuen Technologien. Die sektorale Eingriffstiefe beschreibt den ausgeübten Anpassungs- und Veränderungsdruck beschreibt auf einen Sektor
- die sektorale Antizipations- und Adaptionsfähigkeit dagegen beschreibt die sektorale Aufnahmebereitschaft und Verarbeitungskapazität dieses Drucks neuer Technologien (vgl. ebd.: 28f.)

In der Musikindustrie findet sich seit Ende der 1990er Jahre beispielsweise eine vergleichsweise geringe Antizipations- und Adaptionsfähigkeit auf eine große sektorale Eingriffstiefe (vgl. ebd.: 36f.; Dolata; Werle 2007b: 30). Beschreiben lässt sich das mit der anfänglichen Ignoranz der Musikindustrie gegenüber der Internet-Herausforderung (vgl. Dolata; Werle 2007b: 30).

Dazu mehr im Punkt 4.1.1 - Digitalisierung im Musikmarkt.

Die großen Musikkonzerne, Major-Labels oder Majors genannt, die Musik in den eige- nen Studios produzieren lassen und diese anschließend promoten und über eng posi- tionierte Handelspartner vertreiben, befinden sich in einer graduellen Transformation. Bislang verfügten sie z.B. über eine strenge Urheberrechtssetzung, was jedoch in der Auflösung begriffen ist.

Drei komplementäre technologische Entwicklungen bringen diese graduelle Transformation voran.

1. Musik ein digitales Gut. Sie lässt sich nach Belieben und ohne jeglichen Quali- tätsverlust duplizieren.

2. Das Internet hat sich als perfektes Medium für den weltweiten Austausch der digitalen Musik bewährt.

3. Zusätzlich neue Standards der Datenkomprimierung machen einen einfachen Austausch und Download auch datenintensiver Musikdateien möglich (vgl. ebd.: 36f.).

Der durch das Internet ausgelöste sektorale Veränderungs- und Anpassungsdruck ist im Musiksektor weitaus größer als z.B. in der Automobilindustrie (vgl. ebd.: 28). Das Internet als schnell wachsendes neues Informations-, Kommunikations-, und Dis- tributionsmedium stellte den Sektor seit Mitte der 1990er Jahre vor neue Herausforde- rungen. So sah sich die Musikindustrie mit zunehmend digitalisierten Inhalten im Netz konfrontiert (vgl. Dolata 2011: 270f., 277). Darüber hinaus bietet das Internet in „seiner Struktureigentümlichkeit als lose gekoppeltes global integriertes technisches Kommu- nikationsnetz eine Plattform für vielfältige kommerzielle und nicht kommerzielle Ange- bote“ und kann sich somit „oftmals hierarchischen Koordinations- und Kontrolleingrif- fen auf nationaler, aber auch supranationaler Ebene entziehen“ (vgl. Dolata; Werle 2007b: 20).

Der zunehmend unter Druck geratene Musiksektor macht es sich schwer mit der Findung neuer Handlungsstrategien, da neue Prozesse immer risikobehaftet sind. Als Beispiel dafür gilt der um die 1990er Jahre begonnene, lange und schwierige Aushandlungsprozess der Neuformulierung urheberrechtlicher Bestimmungen in Zeiten von Digitalisierung und Internet (vgl. Dolata 2011: 279).

Auf den weiteren Einfluss der Digitalisierung auf den Musiksektor wird genauer im Ab- schnitt 4 - Einfluss der Digitalisierung auf Musikmarkt und Wertschöpfungskette einge- gangen.

2.2 Wertschöpfungskette nach Gereffi

Auch Gereffi sah die Zeichen der Zeit und erkannte einen Wandel. „Nothing remotely like this economic behavior has happened before.” (Gereffi; Luo 2015: 51) Zwei der wichtigsten Eigenschaften der Gegenwart und seiner Wirtschaft sind die Pro- duktion und der Handel auf globaler Ebene, was wiederum Einfluss auf viele Formen der Wertschöpfung hat und diese auch neu definiert. Um auch weiter zu verstehen, wie dieser Wandel im internationalen Handel sich vollzieht wird aus globaler Perspektive vermehrt auf die Wertschöpfung und ihren Prozess geschaut (vgl. Gereffi; Humphrey; Sturgeon 2005: 78f.).

Seit der industriellen Revolution wurden - im Kontext von Integration und Modernisierung - die Grenzen der Produktion durch technologische Innovationsimpulse letztendlich sukzessive überwunden (vgl. Gereffi; Luo 2015: 51).

In der Forschung auf diesem Gebiet wird oftmals versucht herauszufinden, in welcher Art und Weise globale Produktions- und Verteilungssysteme in der Wertschöpfungs- kette integriert sind und welche Möglichkeiten es für Unternehmen gibt, ihre Position im globalen Markt in der Wertschöpfung zu finden (vgl. Gereffi; Humphrey; Sturgeon 2005: 78f.).

In der einfachsten Form ist die Wertschöpfungskette nach Gereffi „the process by which technology is combined with material and labor inputs, and then processed in- puts are assembled, marketed, and distributed”. Dabei kann ein einzelnes Unterneh- men einem Glied dieser Kette zugeordnet oder auch komplett vertikal integriert sein (vgl. ebd.: 79).

Eine der zentralen Fragen, die sich für Firmen im Zusammenhang mit der Wertschöpfungskette stellt, ist: Welche Prozesse und Technologien sollen in- welche outgesourced werden?

Im Kontext der Wertschöpfungskette werden die einzelnen Prozesse bzw. Stufen als „fragmentation“ bezeichnet (vgl. ebd.: 79). Diese sind nicht notwendigerweise lokal ge- bunden, sondern vielmehr ein länderübergreifendes „Netzwerk“, welches innerhalb o- der zwischen mehreren Unternehmen bestehen kann. Dabei lässt sich eine Verbin- dung zwischen „integration of trade“ und „disintegration of production“ feststellen: der wachsende bzw. sich öffnende globale Markt hat die “integration of trade” begünstigt, was zur Folge haben kann, dass viele Unternehmen sich dafür entscheiden, Teile oder ganze Produktionen outzusourcen, was die „disintergration of production“ darstellt (vgl. ebd.: 79f.).

Die technologische Revolution durch die I&K begünstigte derartige Vorgehensweisen. Zeit und räumliche Distanz wurden zu einem neuen Faktor und neu interpretiert. Milliarden von Aktivitäten finden mit einem Klick statt; Lieferungen erfolgen just in time. Folglich ist die globale Welt stark vernetzt (vgl. Gereffi; Luo 2015: 52).

Einer der zentralen Aspekte ist, dass für die Organisationsstruktur bei länderübergrei- fender Produktion die “separability of ownership“ entscheidend ist. Dabei geht es auch um wichtige externe Machtverhältnisse oder Einflussnahmen und somit auch um stra- tegische Vorteile aus Sicht des Unternehmens. Denn wo eine „separability of ow- nership“ nicht möglich ist, eröffnet das Unternehmen multinationalen Investoren, also externen Playern, die Chance, eine dominante Rolle zu ergreifen, da das Unterneh- men keinen Fremdvergleich hat (vgl. Gereffi; Humphrey; Sturgeon 2005: 80).

Weiter wird versucht die binäre Ansicht, wie globale Produktion organisiert sein kann, (durch Märkte oder zwischen multinationalen Unternehmen) durch „transaction costs economics“ zu bewerten. Damit soll die Komplexität der Beziehungen zwischen Unter- nehmen skizziert werden. Dieser Transaktionskostenansatz wird als Wertungsmaß- stab benutzt.

Über Koordination wird versucht, den Verlauf der Wertschöpfungskette optimal zu gestalten, vor allem übersichtlich und möglichst wenig komplex. Dafür ist der Transaktionskostenansatz gedacht, um immer abwägen zu können, welche Aktivitäten weiterhin intern durchzuführen sind.

Je spezifischer und komplexer ein Produkt ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass transaktionsspezifische Investitionen anfallen. Dies birgt die Gefahr, dass auf Outsourcing komplett verzichtet wird oder insgesamt die Kosten steigen, da z.B. Sicherheitsvorkehrungen an Ort und Stelle umgesetzt werden müssen.

Weiterhin können auch ohne diesen opportunistischen Gedanken die Transaktionskosten steigen, wenn unternehmensinterne Beziehungen eine stärkere Koordination erfordern bei u.a. nicht-standardisierten Verfahren (vgl. ebd.).

Doch diese Situation muss nicht zwangsläufig in eine Sackgasse führen. Mit Transak- tionskosten müssen komplexe und eng koordinierte Produktionssysteme nicht zu einer vertikalen Integration führen. Entlang der Wertschöpfungskette wird versucht gegen diese Form des Opportunismus vorzugehen. Netzwerkakteure beobachten und kon- trollieren in vielen Fällen den Opportunismus durch die Auswirkungen wiederkehren- der Transaktionen, Reputation und sozialer Normen, die in bestimmte geografische Standorte oder soziale Gruppen eingebettet sind. Netzwerktheoretiker argumentieren, dass Eigenschaften, wie Vertrauen, Reputation und gegenseitige Abhängigkeit oppor- tunistisches Verhalten dämpfen. Dies ist für den Prozess an der Wertschöpfungskette von Vorteil, da dadurch komplexere zwischenbetriebliche Trennungen von Arbeit und Interdependenz möglich sind (vgl. ebd.: 81).

Weitergedacht, können Unternehmen sich auch dadurch einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, wenn sie es erreichen, durch Generierung und Aufrechterhaltung von Kompetenzen als Ressource Werte zu erzielen. Dies ist für die Konkurrenz schwer zu replizieren. Es findet sich selten eine Konzentration von technologischer Versiertheit und Managementfähigkeit in einem einzigen Unternehmen, selbst bei stark vertikal in- tegrierten Unternehmen. So werden beispielsweise auch Technologien, die selten be- nötigt werden, extern erworben. Unternehmen müssen also in bestimmten Fällen von externen Ressourcen Gebrauch machen. Für viele Unternehmen ist es ein Ding der Unmöglichkeit ihre Wertschöpfungskette zu optimieren, d.h. sich das Know-how anzu- eignen. Es fehlen schlicht die finanziellen und personellen Kapazitäten. Dennoch bleibt die Erkenntnis, dass die Koordination und Kontrolle globaler Produktionssysteme trotz ihrer Komplexität ohne direkten Besitz erzielt werden kann (vgl. ebd.).

Doch die Regel oder „norm for survival“ bleibt. Wer konkurrenzfähig sein und sich Wettbewerbsvorteile entlang der Wertschöpfungskette verschaffen möchte, muss sich mit ständigen technologischen Wandel und Produktionsverlagerung anfreunden, um schließlich effizientere Produktionsmaßstäbe zu erreichen (vgl. Gereffi; Luo 2015: 51f.).

Für die Bewertung entlang der Wertschöpfungskette lässt sich zusammenfassend sagen, dass drei Modi der industriellen Organisation entscheidend sind: Markt, Hierarchie und Netzwerk (vgl. Gereffi; Humphrey; Sturgeon 2005: 82).

Dies entscheidet auch letztlich über die Frage, welche Beteiligten und zwar Unternehmen, Arbeiter und Staat am Ende beim globalen Prozess der Wertschöpfung erfolgreich sein können.

Unternehmen profitieren am meisten, wenn sie relativ groß aufgestellt, technologisch fortgeschritten und professionell geführt sind und Exportmärkte diagnostiziert sind. Im gleichen Maße profitieren Zulieferer von engen Beziehungen mit Auftraggebern, um von Unternehmen zu lernen.

Arbeiter können sich am meisten durch höhere Qualifizierung in der Wertschöpfung profilieren und für sich und ihre Arbeitsbedingungen eintreten, wie u.a. Arbeitszeiten. Arbeiter können ihre Arbeitsbedingungen damit selbst besser gestalten. Der Staat kann eine essentielle Rolle spielen, indem er für Rahmenbedingungen sorgt

- so bei der Bekämpfung von Abwärtsrisiken für Arbeitnehmer (z.B. Krankheitsfall oder Entlassung) oder beim Arbeitnehmerschutz (Arbeitsbedingungen oder Vorkehrungen wie Lärmschutzvorschriften).

Des Weiteren kann der Staat Maßnahmen treffen, die sich günstig auf die Wirtschaft auswirken - zu nennen sind hierbei die Erhaltung und der Ausbau der Infrastruktur, hilfreich für auch für den Export, die Förderung lokaler Gemeinschaften und kleiner Produzenten, die den Zugang zu nationalen Ressourcen erhalten, um für internatio- nale Märkte gewappnet zu sein. Ferner sichert der Staat durch Bildung und Ausbildung den Nachschub von qualifizierten Arbeitskräften (vgl. Gereffi; Luo 2015: 58ff.; Newsome et al. 2015: 2-3).

Durch den Faktor der Globalisierung und den technologischen Fortschritt hat der Musiksektor einen maßgeblichen Wandel und Verschiebungen entlang der Wertschöpfungskette erfahren, denn nach Gereffi beinhaltet die Wertschöpfungskette „the process by which technology is combined with material and labor inputs...“ (vgl. Gereffi; Humphrey; Sturgeon 2005: 79). Die Digitalisierung als technologischer Fortschritt hat diesen Prozess maßgeblich herausgefordert.

Es kamen nach Dolata im vorigen Abschnitt erörtert externe Akteure dazu, die den Wandel durch technologische Innovationen eingeleitet haben.

Eine der zentralen Fragen bei Entscheidungsfindungen bei Wertschöpfungsketten ist, was ‚Insource‘ und ‚Outsource‘ produziert wird und welchen Zugriff auf externe Res- sourcen dabei benötigt werden - auch im Kontext der Technologie. Der Musiksektor verfügte nicht über das technische Know-how und hat sogar wie im vorherigen Ab- schnitt gezeigt, eine geringe Antizipations- und Adaptionsfähigkeit an den Tag gelegt. Durch diese Abwehrhaltung gegenüber neuen Technologien hat sie sich erst recht in eine Abhängigkeit externen Entwicklern von Technologie begeben und musste folglich auch Machtverluste verzeichnen. Sie ist somit nach der „norm of survival“ eben nicht konkurrenzfähig geblieben, da diese besagt, sich technologischen Wandel zu öffnen. In Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung überleben meist nur Unternehmen bzw. profitieren jene, die relativ groß aufgestellt sind, technologisch fortgeschritten, professionell geführt und mit diagnostizierten Exportmärkten. Davon bleibt auch der Musiksektor nicht unberücksichtigt.

2.3 Generelle Charakteristika des Arbeitsmarktsegments als Bestandteil des Kultur- und Kreativsektors

Generelle Charakteristika des Kultur- und Kreativsektor lassen sich schwer erfassen, da dieser Sektor sich im ständigen Wandel durch stetige Veränderung von Kultur be- findet:

„Jede Untersuchung zur Kultur- und Kreativwirtschaft muss sich um eine möglichst präzise Absteckung und Definition der Kultur- und Kreativwirtschaft bemühen. Denn das ständige Anwachsen kultureller und kreativer Inhalte hat weltweit eine breite Diskussion um die „Creative Industries“ ausgelöst, die zu ebenso vielfältigen Perspektiven geführt hat.“ (Söndermann et al. 2009: 258)

Rundum den Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft kursieren Begriffe wie Kreativ- branche, Kreativ- und Kulturszenen, im Englischen spricht man von „creative indust- ries“, „cultural industries“, „creative cities“ oder auch „creative scenes“. „Mittlerweile ist „kreativ“ zu einem neuen Schlagwort aufgestiegen, das die unterschiedlichsten Dimen- sionen der gesellschaftlichen Spätmoderne unter einer gleichzeitigen Postulierung und Feststellung der Relevanz von Kreativität neujustiert und beschreibt: Kreativarbeit, kre- ative Städte, Kreativmärkte, […] denn Menschen sind hier vor allem eines: Kreative.“ (Kühn 2017: 73)

Die Kultur-und Kreativwirtschaft als Ganzes wird als Querschnittsbranche verstanden; folgende Charakteristika werden als branchentypisch wahrgenommen:

- Unter Kultur- und Kreativwirtschaft werden diejenigen Kulturen und Kreativun- ternehmen erfasst, die ihr operatives Geschäft und erwerbswirtschaftliche Cha- rakter in der Schaffung, Produktion, Distribution und/oder medialen Verbreitung von kulturellen und/oder kreativen Gütern und Dienstleistungen sehen
- Folgende Teilmärkte werden der Kultur- und Kreativwirtschaft zugeordnet:
Musikwirtschaft, Buchmarkt, Kunstmarkt, Filmwirtschaft, Rundfunkwirtschaft, Darstellende Kunst, Designwirtschaft, Architekturmarkt, Pressemarkt, Werbe- markt, sowie Software und Games-Industrie (vgl. Söndermann et al. 2009: 10, 22f.).
Alle diese Teilmärkte verbindet die Eigenschaft und das Handeln im schöpferi- schem Sinne; die Tätigkeiten werden definiert über einen „schöpferischen Akt“
- Aktivitäten, die sich künstlerischen, literarischen, kulturellen, musischen, ar- chitektonischen oder kreativen Gütern widmen und über Dienstleistungen mit Kunst, Kultur und Kreativität Umsatz generieren. Der schöpferische Akt kann im weiteren Sinne urheberrechtlich (Patent-, Urheber-, Marken-, Designrechte) geschützt sein. Er ist ein nicht-haptischer Begriff, der zur immateriellen Wirtschaft gehört. „Es bleibt zu betonen, dass im Mittelpunkt der Kulturwirtschaft nicht der Beruf, sondern dessen Ausübung steht, also der schöpferische Akt der künstlerisch und kreativ Tätigen...“ (ebd.: 22ff., 24f.)
- Laut OECD setzt der Kultur- und Kreativsektor „spezifische Produktionsbedin- gungen voraus, die durch Ausbildung, durch Aufbau von Vertriebsnetzwerken oder durch Regelung im Bereich der Urheberrechte entwickelt werden können“ und bildet damit mit seinen Produkten und Dienstleistungen ein wichtiges Ent- wicklungspotenzial für ganze Regionen (vgl. ebd.: 10, 22f.).
- Zum Teil wird im Kultur- und Kreativsektor mit speziellen, in klassischen Bran- chen unüblichen Arbeitsmodellen gearbeitet, wie z.B. hybride Arbeitsformen, contentorientierte Produktion (vgl. ebd.: 140f.).

Der Produktionsfaktor „Kreativität“, gewinnt in allen hoch entwickelten Volkswirtschaften immer mehr an Bedeutung. Die Kreativbranche wird deswegen mitunter als eine der Zukunftsbranchen betitelt, da Kreativität gerade in Volkswirtschaften mit hohem Einkommen zunehmend gefragt ist, weil diese auf die „individuellen Bedürfnisse und Präferenzen im Markt zugeschnitten sind“ (ebd.: XI, 248).

Weiterhin hat die Kultur- und Kreativbranche einen zukunftsweisenden und innovati- ven Modellcharakter in Hinblick auf Arbeits- und Lebensformen zukunftsorientierter Ar- beitsmodelle, wie z.B. bei hybriden Arbeitsformen. Darüber hinaus ist sie innovativ im Sinne von impulsgebend für Technologiehersteller und -entwickler mit neuen Techno- logievarianten. Die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien ist unter den meisten Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft weit verbreitet (vgl. ebd.: 250f.).

Die volkswirtschaftliche Relevanz der Kultur- und Kreativwirtschaft in Deutschland übertrifft z.T. jene der traditionellen Industriebranchen, und zwar im Hinblick auf die Anzahl der Unternehmen, die Zahl der Beschäftigten und insgesamt auf die Brutto- wertschöpfung.

Im Jahr 2008 gab es in diesem Sektor rund 238.000 Unternehmen mit rund 763.000 abhängig Beschäftigten. Im Sektor arbeiten ca. 16%, somit 219.376 Menschen, aller Erwerbstätigen als Selbstständige.

Gemeinsam mit den Selbstständigen sind es in der Kultur- und Kreativwirtschaft in Deutschland damit rund eine Million Erwerbstätige, die ein Umsatzvolumen von insgesamt 132 Milliarden Euro erzielten (vgl. ebd.: 57f., 249f.).

Dies ist vom besonderen Interesse, da in den letzten zwei Jahrzehnten entwickelte Volkswirtschaften in zunehmendem Maße auf kreative Arbeit und Geschäftsvorhaben in der Kulturindustrie angewiesen sind (vgl. Hoedemaekers 2017: 2).

Es zeichnet sich beim Arbeitsmarkt allerdings folgendes Phänomen ab: Es gibt eine wachsende Zahl freier Mitarbeiter und eine stetige Flexibilisierung des Arbeitsmarkts. Sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze, die für viele Jahre als existenzsichernde Arbeitsplätze galten, auch wenn es sich dabei u.a. um Teilzeitarbeitsplätze handelt, werden durch flexible und projektorientierte Arbeitsplätze bzw. eine wachsende Zahl von freien Mitarbeitern in Form von Freiberuflern und Selbstständigen ersetzt (vgl. Söndermann et al. 2009: 52).

Im Hinblick darauf ist es ratsam, sich die Beschäftigungsverhältnisse genauer anzuschauen, um festzustellen um welche Art von Arbeit es sich beim Kultur- und Kreativsektor handelt.

Demnach sind mindestens 162.000, rund 12%, Freiberufler mit einer Nebenerwerbstätigkeit und einem Jahresumsatz von weniger als 17.500 Euro in der Kultur- und Kreativwirtschaft tätig. Rechnet man alle Selbstständigen zusammen, kommt der Sektor auf knapp 28% unter allen Erwerbstätigen.

Neben der wachsenden Zahl von freien Mitarbeitern gibt es auch eine große Anzahl an geringfügig Beschäftigten. In Zahlen waren das 2006 ca. 223.000, somit ca. 16%. Darunter fallen zum einen Minijobs ohne jegliche weitere Art von Beschäftigung und zum anderen noch weitere 79.400 (ca. 6%) geringfügig Beschäftigte im Nebenjob. Die zweite Gruppe geht noch einem anderen Hauptberuf nach innerhalb oder außerhalb des Sektors. Zusammen sind dies 22% (vgl. Sebd.: XII, 55, 57f.).

Im Vergleich zur Gesamtwirtschaft erweisen sich in der Struktur der Erwerbstätigkeit dabei folgende Unterschiede:

Die Anteilswerte: 8 % aller Erwerbstätigen sind Selbstständige mit ca. 3,1 Millionen Menschen. Weitere 3% ca. 1,0 Millionen Menschen, die einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen. Zusammen liegt die Zahl der Selbstständigen demnach in der Gesamtwirtschaft bei ca. 11%.

Folglich ergibt sich ein Selbstständigenanteil im Kultur- und Kreativsektor, der beinahe dreimal so hoch im Vergleich zur Gesamtwirtschaft ist.

Bei den abhängig Beschäftigten erreicht der Anteil in der Gesamtwirtschaft 71%im Gegensatz zu den 51% im Kultur- und Kreativsektor. Der Beschäftigtenanteil in der Gesamtwirtschaft ist somit wesentlich höher.

Umgekehrt liegen die Vergleichswerte wiederum in der Gruppe der geringfügig Beschäftigten im Kultur- und Kreativsektor mit 16% und 6 % Beschäftigten im Nebenjob bei 22 % gegenüber Gesamtwirtschaft mit 18 %, ca. 6,8 Millionen Menschen im leichten Plus (vgl. ebd.: 57f.).

Auch was den Erwerbsanteil der Frauen betrifft hat die Branche Vorbildcharakter.

Das arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitische Ziel vom Bund der Erhöhung der Frauen- erwerbstätigkeit wurde hier bereits erreicht. Der Beitrag der Frauen an der Beschäfti- gung im Jahr 2007 in der Kultur- und Kreativwirtschaft in der gesamten Erwerbstätig- keit ist mit einem Wert von 53% überdurchschnittlich hoch (vgl. ebd.: 69, 248ff.).

Einfluss auf das Arbeitsmarktsegment des Kultur- und Kreativsektors haben die Digi- talisierung und Internetwirtschaft, die zu einer rasanten und permanenten Neugestal- tung von Geschäftsmodellen, Wertschöpfungsbeziehungen und somit auch letztlich auf den Arbeitsmarkt (des Kultur- und Kreativsektors) geführt haben. Die selbstständi- gen Künstlerberufe stehen in einem komplexen Wirtschaftsumfeld. Dies hat zur Folge, dass es eine steigende Anzahl an flexiblen Arbeitspraktiken gibt, die u.a. zusätzlich durch niedrige Bezahlung prekär ist (vgl. ebd.: 35ff.; Hoedemaekers 2017: 2f.).

Der Kultur- und Kreativsektor zeichnet sich durch eine schnell wandelnde Beschäftigungsstruktur mit sich ständig verändernden Tätigkeitsfeldern und Berufsbildern aus (vgl. ebd.: 141).

Ein weiteres hervorstechendes Charakteristikum der kreativen Arbeit ist die spezifi- sche Funktionsweise der dazugehörigen Arbeitsmärkte, die zu einem gewissen Grad von Reputation und Vernetzung abhängen. Dies wird als Sozialkapital bezeichnet (vgl. Hoedemaekers 2017: 2).

Beim Thema Bezahlung sehen sich große Teile der Kultur- und Kreativwirtschaft einem gewissen Kostendruck gegenüber, was teilweise durch die Auftragsstruktur in Form von Projekten, die häufig periodisch sind, bedingt ist. Infolgedessen wird ein Teil dieses Risikos der unsicheren Auftragslage auf den Arbeitsalltag übertragen und somit letztlich auch an die im Arbeitsmarkt des Kultur- und Kreativsektors Tätigen. Dies ist auch ein Argument für die vergleichsweise zu anderen Branchen niedrigere Entlohnung, da keine stabilen Verhältnisse herrschen. “Power struggle between firms in the value chain and the subsequent cost pressures have significant effects on and in the workflow” (Thompson; Parker; Cox 2015: 59).

Die Projektstruktur führt auch zu einem erhöhten Grad an Stress für die Tätigen im Sektor. Durch häufige Deadlines wächst der Druck; besonders konzentriert er sich am Ende eines Projektes (vgl. ebd.: 59f.).

Aus diesem Selbstzweck und -schutz wurde die „Initiative Kultur- und Kreativwirt- schaft“ gegründet, die das Ziel verfolgt Künstler und Kreative die Selbstvermarktung und auch Entrepreneurship beizubringen. Sie werden somit selbst zu „kulturellen Un- ternehmern“ und generieren Einnahmen nicht nur über die Rechten ihrer geschaffenen Produkte. Den Künstlern soll ein gewisses Know-how angeeignet werden - von be- triebswirtschaftlichem Hintergrundwissen über Tipps für den Start ins Business und Beratung darüber, ob bestimmte Geschäftsideen tauglich sind. Daraus hervor geht auch ein Netzwerk von Kreativschaffenden, an dem jeder partizipieren kann (vgl. Braun 2014: 48ff.).

Auch die Debatte um das bedingungslose Grundeinkommen wird oft in Verbindung gebracht mit dem Kultur- und Kreativsektor. Denn häufig scheint es, dass kreative Ar- beit und finanzielle Stabilität nicht miteinander einhergehen. Hierbei ist der Ansatz ei- nes Mindestlohns zu kurz gedacht, da die Bemessungsgrundlage eines Mindestlohns die Arbeitszeit ist und die Grundlage der Schöpfung hingegen die kreative Arbeit (vgl. ebd.: 169ff.).

Es lässt sich für den ganzen Abschnitt zusammenfassend festhalten, dass es „[o]hne die Werke und Leistungen der Schriftsteller, Komponisten, Musiker, Bühnenkünstler, Filmemacher oder/und bildenden Künstler […] keine Kultur- und Kreativwirtschaft

[gäbe]. Sie sind Urheber, Originärproduzenten oder Dienstleister, ohne die keine Filmfirma, kein Musikkonzern, kein Buchverlag und ebenso kein Galerist etwas zu verwerten und zu verbreiten hätte“ (Söndermann et al. 2009: XIV).

Besonders hervorzuheben ist die berufliche Autonomie als definierendes Merkmal der Kreativen Arbeit. Autonomie gibt der Kunst Freiheit vom Kommerz, weil man dadurch selbststimmt ist in seiner künstlerischen Tätigkeit. Kreative Arbeit bedient sich nicht der klassischen industriellen Produktionsmethoden. Häufig basiert sie auf starkem En- gagement für alternative Methoden und Ästhetik, die Selbstbestimmtheit bieten; denn am Ende zählt eine starke eigene Identifikation des Künstlers mit dem Endprodukt (vgl. Hoedemaekers 2017: 2f.).

Viele der hier aufgezählten Aspekte der Kultur- und Kreativbranche haben über die Branche hinaus auch Bedeutung für Entwicklungen der Arbeitswelt. So hält Hoedamaekers fest: „Commentators have picked up on a variety of different aspects of creative work that have wider significance for current developments in the world of work.“ (ebd.: 2)

3 Der Musikmarkt in der Krise

In diesem Abschnitt wird der Musikmarkt mit Hilfe der Musikmarktakteure, der Ökonomie des Musikmarktes und die traditionelle Wertschöpfungsarchitektur im Hinblick auf die Krise des Musikmarktes beschrieben.

Zunächst in Bezug auf den vorigen Abschnitt gelten die Charakteristikas des Kulturund Kreativmarkt bzw. hier für den Musikmarkt bzw. Sektor in ähnlicher Art und Weise, da dieser auch dem Kultur- und Kreativmarkt zugeordnet werden kann (vgl. Söndermann et al. 2009: 72).

„Die Marktstrukturen haben sich radikal geändert, das Ergebnis der Veränderungen ist bisher keineswegs abzuschätzen.“ (Gensch; Bruhn 2008: 3) Auch wenn mittlerweile die Veränderungen durch die Digitalisierung sich besser abschätzen lassen, waren die Veränderungen radikal. Noch bis Mitte der 1990er Jahre standen für den Musikmarkt noch alle Zeichen auf grün. Der Wandel von Vinyl zu CD und der Vorteil des Spei- cherns des gesamten Backkatalogs brachten der weltweiten Musikindustrie einen Um- satzzuwachs von 12,3 Mrd. US-Dollar auf 39,7 Mrd. US-Dollar im Zeitraum von 1985- 1995, was eine Verdreifachung des Umsatzes darstellt. Über 80% dieses Umsatzes konnten fünf Musikkonzerne für sich deklarieren, nämlich Sony Music Entertainment, Bertelsmann Music Group (BMG), Warner Music Group, Universal/Polygram und EMI (vgl. Dolata 2008a: 348).

Ende der 1990er Jahre ist die Musikindustrie bereits eine krisengeschüttelte Branche. Konstant fallen die Umsätze weltweit, von 1990 bis 2006 von 40,5 Mrd. US-Dollar auf 31,8 Mrd. US-Dollar. Ein ähnliches Ausmaß erreicht der Abfall in Deutschland von 2000 bis 2007, nämlich von 2,63 Mrd. Euro auf 1,65 Mrd. Euro (vgl. ebd.). Bis in die Gegenwart reichend sinken weiterhin die weltweiten Umsätze mit physischen Tonträgern.

Siehe Abbildung 1 die ersten drei linken Säulen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 Umsatzanteile der Musikindustrie weltweit nach Segmenten in den Jahren 2014 bis 2016

Quelle: IFPI, zit. nach Statista 2017

Den Anstieg der digitalen Nachfrage kann derzeit noch nicht den physischen Umsatz generieren. Auch wenn Abbildung 2 prognostiziert, dass in naher Zukunft der Wendepunkt von physisch auf digital erreicht sein kann. Die digitale Nachfrage auf vermehrt auf einzelne Titel von Alben gerichtet ist. Dies hält zusätzlich die Umsätze im digitalen Geschäft vergleichsweise (vgl. ebd.: 349).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2 Digitaler und physischer Umsatz mit Musik in Deutschland in den Jahr 2010 und Prognose für 2015 und 2019

Quelle: PwC, zit. nach Statista 2017

Doch auch der Gesamtumsatz befand sich trotz des Anstieges der digitalen Nachfrage in den Jahren zuvor, um 2007, zunächst in der Abwärtsspirale. In den USA sanken die Umsätze 11,8 % und in Deutschland um 3,2 % im Vergleich zum Vorjahr (vgl. ebd.: 348f.).

Der Hauptgrund, der mit dem Ende der 1990er Jahre einhergehenden Umsatzrück- gang in Verbindung gebracht wird, ist der technologische Wandel, dabei vornehmlich die Digitalisierung: Musik in Form von digitalen Gütern und der vereinfachte Tausch und Download von Musik durch Datenkomprimierung. Hinzukommt das Internet, das als schneller werdendes Medium die günstigen Bedingungen dafür bietet z.B. für die Datenübertragung. Dies hat eine Zwangsrestrukturierung des Musiksektors zur Folge. Diese Zwangsrestrukturierung geht mit unkontrollierten Krisen des Musiksektors ein- her. Die bislang erfolgsverwöhnten Musikkonzerne sahen sich zunächst nicht in Zug- zwang bei der Annahme neuer Technologien und waren somit für die neuen sozioökonomischen Herausforderungen nicht gewappnet. Zunächst kamen sektorfremde, externe Akteure zum Zuge (vgl. ebd.: 347ff.). Dazu mehr im Abschnitt 4 - Einfluss der Digitalisierung auf Musikmarkt und Wertschöpfungskette.

3.1 Musikmarktakteure

Zu den für diese Arbeit relevanten Musikmarktakteure zählen die Musikschaffenden auf der einen Seite und Musikunternehmen als Arbeitgeber auf der anderen Seite, wenn man sich das Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmer und Arbeitgeber im klassischen Sinne vorstellt.

Der Musiksektor ist von der Präsenz von multinationalen Korporationen (Musikkonzer- nen), kleineren Playern (Independent Labels) und Musikern (vgl. Hoedemaekers 2017:

5). Mehr zu den einzelnen Akteuren in diesem Abschnitt.

3.1.1 Musikschaffende

Die Umformung im Musikmarkt hat auch den Typus des Musikschaffenden neu geprägt. Ein Musikschaffender vereint die Tätigkeiten eines Musikers, Technikers, Produzenten und Distributeurs. Er kann als Allrounder verstanden werden. Dieser weist nun „künstlerisch-kreative Fähigkeiten mit produktionstechnischen, ökonomischen, rechtlichen, kommunikativen und managementbezogenen Kompetenzen“ auf (vgl. Gensch; Bruhn 2008: 3f.; vgl. Sperlich 2007: 115, 257).

Die Aufgabe eines Musikschaffenden ist die „Schaffung bzw. Interpretation eines Werkes der Tonkunst.“ (Ehrenhöfer et al. 2006: 12f.)

Das Berufsbild des Musikschaffenden hat sich durch die Digitalisierung somit erweitert. „Die Grenzen zwischen professionellem und AmateurInnenbereich einerseits sowie zwischen E(-rnster)-Musik und U(-nterhaltungs)-Musik andererseits verschwimmen.“ (Sperlich 2007: 114)

Weiterhin zählen die Kreativen der Musikbranche auch zur Gruppe der Musikschaffenden. „Die Kreativen der Musikbranche sind das wirtschaftliche Fundament für alle anderen Musikunternehmen“ (Gorny; Michow; Budde 2015: 23)

Laut der Studie - Studie zur volkswirtschaftlichen Bedeutung von Musikunternehmen unter Berücksichtigung aller Teilsektoren und Ausstrahlungseffekte - sind zwei Grup- pen von Selbständigen diesem Teilsektor der Kreativen des Musiksektors zugeordnet:

Komponisten, Textdichter (Songschreiber) und Musikbearbeiter, also auch Produzen- ten, die schöpferisch tätig sind und neue Musikstücke kreieren zum einen oder alte Songtexte und Kompositionen/Musikstücke überarbeiten oder interpretieren zum an- deren. Diese zwei Gruppen können sich allerdings auch überschneiden (vgl. ebd.).

Der Musikschaffende per se kann die Form eines Selbstständigen oder eines Arbeitnehmers annehmen (vgl. ebd.: 14).

Viele Musikschaffende, wie z.B. selbstständige Künstler, verfügen nur über ein gerin- ges Nettoeinkommen. Ihr Anteil an der Bruttowertschöpfung liegt bei ca. 31.000 € und somit in etwa bei der Hälfte des Wertes der Gesamtwirtschaft mit rund 61.000 €. Die Bruttowertschöpfungen der Bereiche mit den Teilsektoren der Musikveranstaltun- gen (Live Musik), Musikaufnahmen, also Produktion und Musikinstrumente machen den größten prozentualen Anteil aus. Zusammen machen sie einen Anteil von 68% aus. Siehe Abb.2-3. (vgl. ebd.).

Nimmt man die Musikschaffenden mit den Teilsektoren ‚Kreative’, ‚Live music’, und ‚recorded music’ kommen sie auf fast genau so viel mit 64%. Siehe Abbildung 3.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3 Anteile der Teilsektoren an der Bruttowertschöpfung der Musikwirt- schaft

Quelle: Musikwirtschaftsstudie 2015, zit. nach Gorny; Michow; Budde 2015: 16

3.1.2 Musikunternehmen als Arbeitgeber

Als Musikunternehmen im klassischen Sinne werden Tonträger- oder Plattenfirmen bezeichnet. Dabei unterscheidet man zwei Gruppen: Major-Labels, kurz Majors, die global tätig sind und Independent-Labels, kurz Indies, oder Minors, die zu den sonsti- gen restlichen Plattenfirmen gehören, die nicht unter die Majors fallen. Seit den 1980er Jahren erfährt der Musikmarkt mit den Majors eine Oligopolisierungsverdichtung durch Fusionen von einmal 13 Majors auf gerade nur noch vier Majors. Genauer gesprochen sind Labels selbst Marken von Plattenfirmen. Sie stehen für eine bestimmte Musikrich- tung, die dem Konsumenten die musikalische Orientierung geben (vgl. Ehrenhöfer et al. 2006: 14; Kühn 2017: 61).

Plattenfirmen mittlerer Größe, die zwischen den Majors und den meisten Independent- Labels stehen, sind kaum vorhanden. Gerade auch deshalb haben Majors einen gro- ßen Einfluss und besitzen viel Macht (vgl. Hoedemaekers 2017: 5). In 2009 lag der Marktanteil der 4 Majors bei 76,1 % und Indies bei 23,9 % (vgl. Moreau 2013: 20).

Dadurch, dass Majors den Markt zu großen Teilen bedienen, setzen sie vermehrt ihren Fokus auf Genres, die für den Massenmarkt bestimmt sind und damit auch auf Musik- schaffende, die bereits einen gewissen Popularitätsgrad besitzen. Deshalb tendieren die Majors auch dazu, weniger in das Potential und Entwicklung von Musikschaffenden zu investieren, da aus ihrer Sicht das Risiko des Experimentierens zu groß ist; die Förderung von Musikschaffenden liegt daher mehr bei den Indies (vgl. Kühn 2017: 61ff.).

Auch wenn Musikschaffenden durch das Internet die Selbstvermarktung ermöglicht wird, führt noch kaum ein Weg an Plattenfirmen vorbei. Kulturgüter, wie Musik, sind Erfahrungsgüter und werden deshalb als risikobehaftet eingestuft - anders als z.B. Grundnahrungsmittel, deren Bedarf man besser kalkulieren kann. Aus diesem Grunde sind gerade bei den Majors nur ca. ein bis zwei von zehn Musik-Produkten erfolgreich. In dem Sinne, dass die Kosten der restlichen unrentablen Musikproduktionen gedeckt werden und zugleich gewinnerbringend sind (vgl. ebd.: 62)

Aufgrund der geringen Größe der Independent Labels sind diese in vieler Hinsicht flexibler, u.a. begründet durch geringeren Kostendruck. Das macht sie zugleich experimentierfreudiger, sie sind „näher an der Musik dran und haben ein alternatives Verständnis für die Entwicklung ihrer Künstlerinnen.“ (ebd.: 63)

3.2 Ökonomie des Musikmarkts

Lange dominierten die Meinungen, dass der Musikmarkt nur eine Richtung kenne. Den Abwärtstrend. Die Abbildung 4 macht deutlich, dass ab 1999 die weltweiten Umsatzzahlen sich in einer Abwärtsspirale befanden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4 Weltweite Absatz- und Umsatzentwicklung der Musikindustrie 1981- 2006

Quelle: IFPI; Hertz, zit. nach Dolata 2008b: 9

Ab 2012 scheint ein Wendepunkt erreicht. Parallel mit der beginnenden Ausbreitung des Musikstreamings stieg der weltweite Umsatz wieder um 0,3 Prozent. 2013 mit et- was Verzögerung erreichte der Wendepunkt auch Deutschland. Der Trend hält weiter- hin an. 2015 waren es bereits 4,6 Prozent in Deutschland und 3,2 Prozent weltweit. Damit gilt die Musikwirtschaft nun als Beispiel des erfolgreichen Gestaltens des digita- len Wandels (vgl. Kropf 2017: 8f.). Der Aufwärtstrend ist lediglich nur mit der Steige- rung des digitalen Geschäfts und dem leichten Anstieg von Vinyl zu begründen. Siehe Abbildung 5.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5 Umsatzentwicklung der deutschen Musikindustrie 1984-2016

Quelle: BMVI 2017: 5

Noch einige wenige Zahlen zur volkswirtschaftlichen Bedeutung des Musiksektors für Deutschland.

Im Jahr 2014 gaben Konsumenten insgesamt ca. 6,7 Milliarden Euro für die Musikwirtschaft aus, darunter Tonträger, digitale Musikdateien, Musikveranstaltungen, Musikunterricht etc. Dies übertrifft alle Ausgaben für andere Medienprodukte (vgl. Gorny; Michow; Budde 2015: 9).

Im Jahr 2014 betrug die Bruttowertschöpfung (Summe aus Unternehmens- und Arbeitnehmereinkommen) der Unternehmen aus der Musikwirtschaft ca. 3,9 Milliarden Euro, immer noch mehr als jene der Radioveranstalter, der Filmwirtschaft, der Buch- oder der Zeitschriftenverlage. Lediglich Fernsehveranstalter und Zeitungsverlage liegen darüber. Mit 127.500 beschäftigten Erwerbstätigen arbeiten in der Musikwirtschaft mehr Menschen als in allen anderen Medienbranchen. Darunter fallen auch ausübende Künstler (vgl. ebd.: 8ff.).

Zu den Teilsektoren der Bruttowertschöpfung für Musikschaffende zählen die Teilsektoren Kreative mit 15%, Recorded music mit 22% und Live music mit 27%. Somit kommen sie auf einen Gesamtprozentanteil von 64% (vgl. ebd.: 11).

Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Musikindustrie und des Produktes Musik von Musikschaffenden lässt sich u.a. dadurch bemessen, wie sehr andere Branchen an der Musikbranche partizipieren. Ein Umsatz von 15 Milliarden Euro wird beispielsweise durch Musikinhalte in anderen Branchen erzielt, wie in der Unterhaltungselektronik z.B. durch Filme und Games (vgl. ebd.: 9)

Auch mit Musikveranstaltungen und dem verbundenen Tourismus durch z.B. Konzertbesuche werden ca. 5 Milliarden Euro generiert. (vgl. ebd.)

Allerdings übertrifft die Musikwirtschaft im Punkt der Erwerbstätigenzahlen mit 127.000 Selbständigen und Arbeitnehmern alle anderen Medienbranchen (vgl. ebd.: 16).

Trotz des Marktvolumens und der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Musikbranche ist die öffentliche Wahrnehmung verglichen zu anderen Medienbranchen weniger stark ausgeprägt. Dies liegt zum Teil an den Strukturen mit größtenteils selbstständig Arbei- tenden und kleineren bis mittelständigen Unternehmen. Sofern die Musikbranche ge- fördert werden soll, müsse diesen Strukturen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden (vgl. ebd.: 2).

3.3 Traditionelle Wertschöpfungsarchitektur

Durch eine vertikale Integration der Musikkonzerne hatten diese fast nahezu die gesamte Kontrolle über die Wertschöpfungskette. Angefangen mit der Auswahl der Künstler und ihrer Repertoires, kurz Artist & Repertoire (A&R), über die Lizensierung und die Distribution (vgl. Dolata 2008a: 348). Auch dadurch, dass die Musikkonzerne alle Schritte der Wertschöpfungskette vereinen. Zu dieser zählen die Produktion, Tonträgerherstellung, Distribution und Marketing (vgl. Kühn 2017: 61). Somit galten die Musikkonzerne oder eben auch Plattenfirmen als das zentrale Organ der Wertschöpfungskette (vgl. Ehrenhöfer et al. 2006: 14).

Ziel jeden unternehmerischen Handelns ist die Schaffung und Multiplizieren von Werten. Eine traditionelle Wertschöpfungskette (oder Teile dieser Wertschöpfungskette) verfolgt das Ziel einen wertsteigenden Produktionsfaktor für das erzeugte Produkt darzustellen oder auch lediglich die Erstellung eines Wertes, so ein Produkt.

Dabei werden entlang des Wertschöpfungsprozesses verschiedene Stufen durchlau- fen. Jede dieser Stufen besitzt einen eigenen Organisationsablauf. Dazu gehören Pri- märaktivitäten wie Produktion, Beschaffung, Vertrieb, Logistik sowie Kundendienst und Unterstützungsaktivitäten, wozu sich Infrastruktur, Personalwirtschaft, Forschung und Entwicklung hinzurechnen lassen. Die Verkettung aller Aktivitäten in Verbindung der Wertsteigerung auf jeder Stufe macht letztlich die Wertschöpfungskette aus. Auf den Musikmarkt übertragen wäre das: Akquisition von Künstlern, Produktion von Mu- sik, Vertrieb, Abrechnung. Technologien werden in die Wertschöpfungskette mit inte- griert und stellen u.a. das Kommunikationsmedium dar. Neue Technologien können auf die verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette erheblichen Einfluss nehmen (vgl. Van Dyk 2008: 197f.) Das wird genauer im Abschnitt 4 - Einfluss der Digitalisie- rung auf Musikmarkt und Wertschöpfungskette - dargestellt.

Die klassische bzw. traditionelle Wertschöpfungskette der Musikindustrie ist nicht mehr zeitgemäß und zu statisch, da sie äußere Einflüsse wie neue Technologien tendenziell ablehnt (vgl. Reinke 2009a: 19).

In der Musikbranche kann man „traditionell“ mit „analog“ gleichsetzen, also der Gebrauch von physischen Tonträgern wie Vinylplatten, Tonband oder CDs statt Computer, Musikproduktionssoftware und digitale komprimierte Speichermöglichkeit im Bereich der Musikproduktion bzw. Aufnahmen. Der Vertrieb läuft noch über Plattenhändler und das Vermarkten über Massenmedien, wie TV, Presse und Rundfunk (vgl. Bürkner 2013: 48f.; Ehrenhöfer et al. 2006: 12; Smudits 2008: 264).

[...]

Ende der Leseprobe aus 131 Seiten

Details

Titel
Digitalisierung als Einflussfaktor des sozioökonomischen Wandels der Musikindustrie
Untertitel
Eine Untersuchung der Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitsbedingungen Musikschaffender des Musiksektors
Hochschule
Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin
Note
2,0
Jahr
2018
Seiten
131
Katalognummer
V432876
ISBN (eBook)
9783668751224
ISBN (Buch)
9783668751231
Dateigröße
1877 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Digitalisierung, Soziologie, BWL, Musikindustrie, Musiksektor, Musikschaffende, Sozioökonomischer Wandel, Arbeitsbedingungen
Arbeit zitieren
Anonym, 2018, Digitalisierung als Einflussfaktor des sozioökonomischen Wandels der Musikindustrie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/432876

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