Diskursanalyse


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

33 Seiten, Note: 2

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Aufbau der Proseminararbeit

2. Diskursanalyse
2.1 Definition Diskurs
2.2 Sprecher
2.3 Hörer
2.4 Missglückte Kommunikation

3. Diskursanalyse anhand eines Ausschnitts aus Edward Albees „Wer hat Angst vor Virginia Woolfe“

4. Schluss

5. Literatur

1. Aufbau der Proseminararbeit

Die Diskursanalyse als Gesprächsanalyse ist eine relativ junge Disziplin der Sprachwissenschaft, die sich erst in den 70er Jahren in Deutschland etablierte. In dieser Arbeit möchte ich zuerst versuchen, den Begriff Gesprächsanalyse zu definieren und anschließend die Rollen von Sprecher und Hörer genauer herausarbeiten. Ebenso eingehen möchte ich auf Kommunikationsversuche, die scheitern und die dafür notwendigen Voraussetzungen. In allen theoretischen Punkten möchte ich mich auf die Dialoganalyse[1] beschränken, da das Gebiet der Gesprächsanalyse nahezu unübersichtlich ist, es gibt Hunderte von Veröffentlichungen, die zu diesem Thema gelesen werden könnten, was den Rahmen einer Proseminararbeit eindeutig sprengt. Zudem werde ich einen Ausschnitt aus Edward Albees „Wer hat Angst vor Virginia Wolf?“ untersuchen, der einen Dialog von nur zwei Personen wiedergibt. Deshalb möchte ich mich bereits im theoretischen Teil der Arbeit darauf beziehen.

2. Diskursanalyse

Wann immer wir mit anderen Menschen zusammentreffen, wird kommuniziert. „Man kann sich nicht nicht verhalten. Wenn man also akzeptiert, daß alles Verhalten in einer zwischenpersönlichen Situation Mitteilungscharakter hat, d.h. Kommunikation ist, so folgt daraus, daß man, wie immer man es auch versuchen mag, nicht nicht kommunizieren kann.“ (Watzlawick/Beavin/Jackson 1980, 51). Kommunikation kann in einem Gespräch bestehen, bei dem sowohl Sprecher als auch Hörer gewisse Regeln einhalten müssen, damit die Kommunikation funktioniert. Kommunikation findet aber auch statt, wenn einer oder beide Gesprächsteilnehmer schweigen. Auch hier wird eine Botschaft vermittelt, z.B. „Lass mich in Ruhe!“ oder „Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“ Nicht-Kommunikation gibt es nicht. Doch zuerst möchte ich klären, was genau Kommunikation ist und worin eine Gesprächsanalyse besteht, um dann einzelne Teilgebiete herauszugreifen und näher darauf einzugehen.

a. Definition Kommunikation

„Mit Kommunikation hat jeder im Alltag zu tun. Ohne Kommunikation ist der Alltag nicht zu bewältigen.“ (Lenke/Lutz/Sprenger 1995, 15). Doch was genau Kommunikation ist, ist nicht so einfach zu definieren. Für Lenke/Lutz/Sprenger ist „Kommunikation [...] Wissensvermittlung.“ (1995, 15), das ist für sie der zentrale Aspekt von Kommunikation. Schiffrin (1994, 31) beschreibt Kommunikation noch allgemeiner. Da es für sie nicht selbstverständlich ist, dass Kommunikation immer zu einem Ergebnis (Wissensvermittlung) führt, beschreibt sie Kommunikation einfach als „ language use“. Außerdem könne Kommunikation nicht “be restricted to the description of linguistic forms independent of the purposes or functions which these forms are designed to serve in human affairs.” (Schiffrin 1994, 31). Kommunikation kann nicht unabhängig von den Zielen und Funktionen der Sprache im menschlichen Alltag untersucht werden.

„ Im Alltag bedeutet Sprache und sprachliche Kommunikation aber mehr: Kommunikation ist ein wichtiger Bestandteil unsere sozialen Beziehungen; ohne sie wird es schwierig, wenn nicht gar unmöglich, berufliche und freundschaftliche Beziehungen aufrecht zu erhalten bzw. zu vertiefen; sie ist notwendig, um berufliche oder private Positionen zu erreichen oder zu bewahren. Kommunikation bedeutet auch Identität, etwa wenn wir uns durch bestimmte Sprechweisen, z.B. Dialekt oder Sprachstil, bestimmten Gruppen zugehörig fühlen. Kommunikation heißt auch Handlungsbeeinflussung, wenn wir im Alltag andere Menschen dazu bringen wollen, etwas für uns zu tun, beispielsweise im Büro oder beim Einkauf im Geschäft. Dabei ist Kommunikation immer situationsabhängig. Mit Kollegen reden wir anders als mit Freunden oder unseren Kindern. Schließlich bedeutet Kommunikation auch Kultur: Unsere technischen und kulturellen Errungenschaften wären ohne Sprache, vor allem ohne Schrift, nicht möglich.“ (Lenke/Lutz/Sprenger 1995, 15)

Wie wichtig menschliche Kommunikation ist, zeigen grausame Versuche wie z.B. an Kaspar Hauser, der jahrelang fast ohne menschlichen Kontakt, und ohne dass mit ihm gesprochen wurde, in einem Kerker gefangen saß. Ziel des Versuchs war es herauszufinden, welche Ur-Sprache der Mensch beherrscht. Doch ohne Kommunikation beherrscht der Mensch überhaupt keine Sprache. “Kinder im Alter von 3 ½ bis 15 Jahren sprechen täglich etwa 20.000 [...] Wörter“ (Wagner 2001, 19), aber die Sprache und die Regeln der Sprachbeherrschung müssen ihnen erst beigebracht werden. Der Gebrauch von Sprache hilft, die Menschen „zu einer sozialen Gemeinschaft zu verbinden.“ (Zimbardo 1996, 386). Ohne Sprache gibt es nur schwer Kommunikation und ohne Kommunikation kann der Mensch nicht überleben. Wenn ich niemandem mitteilen kann, welche Bedürfnisse ich habe, werden meine Bedürfnisse auch nicht erfüllt und es kann sein, dass ich z.B. verhungere. Auch kann ich niemandem mein Wissen mitteilen, so dass folgende Generationen nicht überleben können. Kommunikation ist also mehr als „nur“ „ language use“ (Schiffrin 1994, 31). Kommunikation bedeutet Überleben.

Um eine gelungene Kommunikation zu gewährleisten, gibt es gewisse Regeln, die eingehalten werden müssen. Die Gesprächsanalyse befasst sich unter anderem mit der Untersuchung dieser Regeln, die meist ohne großen Lernaufwand von den Menschen beherrscht werden. Kommunikation scheint zwar frei zu sein, aber das Beachten gewisser Grundregeln ist unablässig. „In aller Regel sind wir aber alles andere als frei, sowohl was die Wahl der Stilmittel betrifft, als auch den Inhalt des von uns Gesagten. Ein großer Teil (wenn nicht der weitaus größere Teil) alltagsweltlicher Kommunikation ist INSTITUTIONALISIERT oder RITUALISIERT.“ (Lenke/Lutz/Sprenger 1995, 125). Dies ist auch notwendig, um die Auswahlmöglichkeiten unter den verschiedenen denkbaren, beinahe unendlichen, Auswahlmöglichkeiten einzuschränken. Es gibt auch extreme Einschränkungen, z.B. ist in einem Gottesdienst genau 1 Formulierung richtig. Erstaunlicherweise schaffen die Menschen es in den meisten Situationen, ohne großes Nachdenken, korrekt zu kommunizieren. „Die Menschen, die kommunizieren, haben nämlich selber eine Vorstellung davon, wie Kommunikation funktioniert! Diese Vorstellung beeinflußt aber in erheblichem Maße, wie kommuniziert wird. So beispielsweise, wenn es darum geht herauszufinden, ob ich als Sprecher beim Hörer mein Ziel erreicht habe.“ (Lenke/Lutz/Sprenger 1995, 67). Bei jedem Kommunikationsakt gibt es einen „Sender“, eine „Botschaft“, ein „Medium“ (der Kode in dem die Botschaft übertragen wird) und einen „Empfänger“ (Martinich 1984, 17). Darüber hinaus ist jede Kommunikation situationsabhängig.

Wenn gesellschaftliche Regeln und Erwartungen also ein Filter für menschliches Handeln im allgemeinen sind, kann auch erwartet werden, daß sie die Kommunikationshandlungen im besonderen erheblich beeinflussen. [...] Die jeweilige Situation bestimmt, wie kommuniziert werden kann und ob überhaupt kommuniziert werden darf. (Lenke/Lutz/Sprenger 1995, 124)

Menschliche Kommunikation wird nicht nur durch linguistische Regularitäten beschränkt, sondern auch durch soziale Regelungen. Die Art und Weise, in der eine Person mir gegenübersitzt, sendet eine Botschaft an mich. Wenn jemand sich in den Stuhl lümmelt, signalisiert das eher Desinteresse als eine Person, die aufrecht und mit überschlagenen Beinen vor mir sitzt. Kommunikation kann sich in verschiedenen Ländern unterscheiden (Macdonell 1986, 1). In England z.B. grüßt der Vorgesetzte den Untergebenen zuerst, die umgekehrt Reihenfolge wird als äußerst unhöflich empfunden, es sendet also eine negative Botschaft, während in Deutschland das genaue Gegenteil der Fall ist. Ist man in einem bestimmten Land aufgewachsen, hat man diese Art der Kommunikation aber verinnerlicht und muss sie nicht mehr bewusst anwenden. “Sprechen in der normalen und zentralen Form spontaner Sprechsprache verläuft nicht reflektiert bewußt.“ (Wagner 2001, 46). Man weiß einfach, wie man sich in einer bestimmten Situation zu verhalten hat, z.B., dass man mit Freunden anders kommuniziert als mit Vorgesetzten oder Fremden.

Watzlawick/Beavin/Jackson (1980, 51) betonen, “daß das <Material> jeglicher Kommunikation keineswegs nur Worte sind, sondern alle paralinguistischen Phänomene (wie z.B. Tonfall, Schnelligkeit oder Langsamkeit der Sprache, Pausen, Lachen, Seufzen), Körperhaltung, Ausdrucksbewegungen (Körpersprache) usw. innerhalb eines bestimmten Kontextes umfaßt – kurz, Verhalten jeglicher Art.“ All dies kann auch bewusst eingesetzt werden, um ein Gespräch zu steuern. „Nichtverbale Handlungen werden nicht zufällig ausgeführt. Sie treten zu bestimmten Zeiten im sozialen Prozeß der Interaktion mit einem Partner oder einer Gruppe auf.“ (Zimbardo 2001, 387). Darunter fallen zum Beispiel Zeigegesten. Wenn ich in einer Metzgerei den Namen einer bestimmten Wurstsorte nicht weiß, hilft mir meist das Deuten auf die entsprechende Stelle weiter. Es kann also in einem begrenzten Umfang auch ohne sprachliche Äußerungen kommuniziert werden.

Ein Gespräch unterscheidet sich in einigen Punkten von schriftlicher Kommunikation. Es zeichnet sich meist aus durch Spontaneität (Ausnahme: Rede). Typisch dafür sind Versprecher, manchmal fehlen einem Sprecher Wörter und er muss paraphrasieren, es werden falsche oder unzureichende Bezeichnungen verwendet, usw. In einem Gespräch muss meist schnell reagieren werden und es gibt keine Möglichkeit der Überarbeitung. Einmal Gesagtes kann nicht zurückgenommen werden.

Eine weitere Möglichkeit der Kommunikation sind Schilder und Zeichen. Sieht man vor einer Kreuzung ein Stop-Schild, so weiß jede Person mit einem Führerschein, dass das Auto angehalten werden muss. Gleiches gilt für Ampeln oder andere Straßenschilder. Fast jeder Mensch weiß, wie man sich an einer Ampel zu verhalten hat. Allerdings müssen diese Konventionen irgendwann gelernt werden.

Eine Sonderform der Kommunikation ist die Gebärdensprache. Gehörlose, vor allem wenn sie von Geburt an gehörlos sind, haben oft keine andere Möglichkeit der Kommunikation. Es ist eine Form der Verständigung, die allein auf festgelegten Gesten[2] und Mimik beruht. Im Gegensatz zu einer „normalen“ Kommunikation müssen alle diese Gesten bewusst gelernt werden, um eine Kommunikation zu ermöglichen. Sie werden nicht, wie die meisten Gesten von Menschen mit Hörfähigkeit automatisch gelernt, sondern müssen, wie Sprache auch, gelehrt werden.

Wie etwas gesagt wird hängt nach Schiffrin (1994, 416) von mehreren Punkten ab, z.B. davon, welche Absichten der Sprecher hat, welche Strategien er beherrscht, um seine Absichten deutlich machen zu können, welche Bedeutung eine bestimmte linguistische Form in dem verwendeten Kontext aufweist (z.B. Rad = Fahrrad oder Autoreifen), in welchem Kontext sich der Sprecher befindet (Situation, Teilnehmer, ...) und vor allem auch, welche Ideen und Meinungen der Sprecher hat. „What is said, meant, and done is sequentially situated, i.e. utterances are produces and interpreted in the local contexts of other utterances.” (Schiffrin 1994, 416). All dies ist Gegenstand einer Gesprächsanalyse. Ein großes Problem ist allerdings, dass die Situation, in der sich die Sprecher und Hörer der analysierten Gesprächseinheit kaum mehr nachvollzogen werden kann. Auch Tonbandaufnahmen und Transkriptionen liefern keinen umfassenden Überblick. Selbst Filmaufnahmen können die Forscher in dir Irre führen. Auch ist es nicht möglich, eine umfassende Gesprächsanalyse während eines Gesprächs durchzuführen. Die Forscher sind zu einem gewissen Teil auf ihre Interpretation angewiesen, genauso wie Kommunikation an sich immer eine Teil Interpretation erfordert. Doch dazu mehr bei einer genaueren Untersuchung der Rollen von Sprecher und Hörer in einem Gespräch.

b. Sprecher

Das große Ziel von Kommunikation ist Verstehen. Doch findet natürlich auch Kommunikation statt, wenn das Ergebnis keine Verstehen unter den beteiligten Personen ist. Auf jeden Fall ist das Verstehen abhängig von verschiedenen Faktoren, z.B. den beteiligten Personen (Hörer, Sprecher, evtl. weitere Personen, die im Wahrnehmungsfeld von Sprecher und Hörer sind), vom wahrnehmbaren Raum (Zimmer, Straße, Bahnhof), von der Biographie der beteiligten Personen, ihren Einstellungen, ihrer Einschätzung der Situation (Lenke/Lutz/Sprenger 1995, 28) usw. All dies ist unterschiedlich bei verschiedenen Personen und in jeder Sprechsituation. In diesem Abschnitt möchte ich mich mit dem Teilnehmer eines Dialogs beschäftigen, der spricht, d.h., mit demjenigen, der Äußerungen von sich gibt und sich mit diesen Äußerungen an jemanden wendet. Edmonson (1981, 54) meint,

“that if in discourse analysis we wish to relate conversational structure to linguistic behaviour, we appear to require a prespective whereby a conversational unit is seen as both illocution and interaction. This would suggest that incontributing to an ongoing conversation a speaker is in the unmarked case both communicating his own wishes, feelings, beliefs and desires, and interacting with a fellow member, eliciting and giving responses in a dynamic process of negotiation.”

[...]


[1] Der Begriff wird häufig synonym zu Gesprächs- oder Diskursanalyse verwendet. Forschungsgegenstand der Gesprächsanalyse kann aber auch ein Gespräch unter mehreren Personen sein, wogegen ich mich hier auf ein Gespräch mit nur zwei Beteiligten beschränken möchte (Soweit möglich).

[2] Es gibt aber verschiedene „Gebärdensprachen“.

Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
Diskursanalyse
Hochschule
Universität Duisburg-Essen
Note
2
Jahr
2003
Seiten
33
Katalognummer
V43252
ISBN (eBook)
9783638410946
Dateigröße
459 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Diskursanalyse, Thema Diskursanalyse
Arbeit zitieren
Anonym, 2003, Diskursanalyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43252

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