Die Grundzüge des Gott-Welt-Mensch-Verhältnisses im Eckhartschen Denken


Seminararbeit, 2001

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Die Eigenart des Eckhartschen Denkens in Gegenüberstellung zu Thomas von Aquin

2. Die unio mystica – Ein Weg, ein Nicht-Weg, ein Weg als zu Hause sein
2.1 Resümee

3. Gottheit, Gott und Kreatürlichkeit, oder: Sein und Nichts
3.1 Exkurs zur Unterscheidung von Gott und Gottheit
3.2 Resümee

4. Zum Motiv der Eckhartschen Ethik

Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Einleitung

„Hat man sein warum? des Lebens,

so verträgt man sich fast mit jedem wie?

(Friedrich Nietzsche)

Diese einleitenden Worte beschreiben trefflich die Motivation, die mich an der Auseinandersetzung mit Meister Eckhart festhält. In diesen Eckhartschen Gedanken und Anleitungen wittere ich eine Kraft, die meiner sonst sehr leisen inneren Ahnung einer religiösen Wahrheit - welche jenseits der Begrenzungen unserer greif- und messbaren Wirklichkeit liegt und die stark überlagert wird von bestechend einleuchtenden wissenschaftlichen „Aufklärungen“ und geschwächt wird von rational nicht begründeten oder begründbaren amtskirchlicher Manifestationen – neue Impulse verleiht und mich, im Hinblick auf die Sinnfrage, die sich immer wieder aufdrängt, zu neuen, konstruktiven Auseinandersetzungen führt.

Indes begreife ich mein bevorstehendes Bemühen, die Grundzüge des Gott-Welt-Mensch-Verhältnisses im Eckhartschen Denken herauszuschälen als Chance, um die Reflexionen über die Sinnhaftigkeit der (eigenen) Existenz zu befruchten...

Die Predigten Eckharts betreffen die Ausgestaltung der Beziehung des Menschen zu Gott und beschreiben somit eine religiös-spirtituelle Dimension. Fernerhin richten sich Eckharts Predigten auch auf einen ethisch-zwischenmenschlichen Bereich. In der nun folgenden Arbeit will ich mich vorwiegend dem religiös-spirituellen Bereich in den Eckhartschen Predigten zuwenden, um daraus ableitend die Bedeutung des ethischen Handelns im Eckhartschen Welt- und Menschenbild zu skizzieren.

Bevor ich jedoch in den hier kurz vorgestellten Ablauf der Arbeit einsteige, will ich die Bedeutung der Grundannahmen des Meister Eckhart deutlich werden lassen, indem ich diese denen des Thomas von Aquin gegenüberstelle.

Die Grundlage dieser Arbeit bietet das im Sommersemester 2000 stattgefundene Seminar „Meiser Eckhart, Sein Seinsbegriff“. Ferner greife ich auf die im Literaturverzeichnis aufgeführten Schriften zurück.

1. Die Eigenart des Eckhartschen Denkens in Gegenüberstellung zu Thomas von Aquin.

Um wesentliche Grundannahmen des Eckhartschen Gott-Mensch-Welt-Verständnisses deutlich zu machen erscheint es mir, in Anlehnung an N. Winkler, sinnvoll, diese, in aller Kürze, den weitaus populäreren Grundannahmen des Thomas von Aquin gegenüberzustellen. Indes dann auch klarer wird, worin Kühnheit und Folgenschwere der Darstellungen Eckharts beruhen.

Bei Thomas v. Aq. bleibt Gott, in Abgrenzung von jeglichem Sein, immer sein eigenes Sein. So sind bei Thomas das göttliche Sein und das geschöpfliche Sein zwei verschiedene Arten von Sein, somit Gottes Wesen göttliches Sein hat; die Dinge hingegen nur eine unvollkommene Ähnlichkeit mit dem göttlichen Sein besitzen.[1]

Ferner bildet bei Thomas das Sein die Grundlage für das Erkennen Gottes, womit er die Existenz Gottes vor das Erkennen gesetzt hat.

Wohingegen Eckhart das Verhältnis umkehrt und konstatiert, dass es ihm nicht so scheint, dass Gott deswegen erkennt, weil er ist, sondern deswegen ist, weil er erkennt; und ferner formuliert Eckhart: „Gott ist Intellekt und Denken, und das Denken selbst ist die Grundlage seines Seins.“[2]

Bei Eckhart ist somit das Denken konstitutiv für das Sein. Die Ursache der Dinge liegt folglich im Denken des Seienden. Der Intellekt denkt die Dinge nicht von ihrer erscheinenden Wirkung her (wie bei Thomas), um zu ihrer Ursache vorzustoßen, sondern den Wesenheiten kommt nur Sein zu, wenn sie im Denken sind.

Wesen und Sein erscheinen bei Eckhart also als reine Denkbestimmungen, die den binnenreflexiven Gesetzen des Intellekts unterworfen sind. Der Intellekt gründet wesentlich aus sich selbst heraus alles Seiende. Er tritt als wesentliche Ursache (causa essentialis) seiner selbst und des Seins in Erscheinung. Damit ist bei Eckhart ein Subjektverständnis fundiert, das seinen Grund in der sich selbst reflektierenden Vernunft sieht und diese wiederum in Gottes Vernunft gründet.[3]

Kernpunkt des Eckhartschen Gesamtkonzeptes ist es also, dass Gott nicht zum Wirklichen hinzutritt, um sein Sein dem geschöpflichen Sein zu vermitteln, sondern, dass das absolute Denken Gottes alles geschöpflich Mögliche mit sich und in sich selbst realisiert, womit Gottes Seinsvermittlung über jeglicher Subjekt-Objekt-Vorstellung steht.[4] Und damit geht ein komplexer Aufhebungsvorgang des Gott-Welt-Mensch-Verhältnisses des Thomas einher, indem Eckhart in ein qualitativ neuartiges Gottesverständnis einmündet.[5] Was nun aber dieses Gott-Welt-Mensch-Verhältnis im Eckhartschen Denken näherhin bedeutet und welche Folgerungen daraus Eckhart seinen Zuhörern nahelegt, dem will ich mich im weiteren Verlauf der Arbeit zuwenden.

2. Die unio mystica

Ein Weg, ein Nicht-Weg, ein Weg als zu Hause sein

Die Eckhartschen Predigten, die wir im Folgenden betrachten, können als Empfehlungen verstanden werden, die das religiöse Wirken des Menschen betreffen und dieses religiöse Wirken auf ein religiöses Ziel hin auszurichten beabsichtigen. Somit kommt bei Eckhart der Beschreibung eines religiösen Weges im Hinblick auf Gott und im Verhältnis zur Um- und Mitwelt, unter dem Leitgedanken der Vereinigung mit Gott, der unio mystica, eine zentrale Bedeutung zu. Was im Eckhartschen Gedankensystem Weg und unio mystica bedeuten, in das will ich im Folgenden versuchen einen etwas tieferen Einblick zu erheischen. Hierzu will ich einige Textstellen aus den Predigten Eckharts voranstellen, um besser erfassen zu können, was für Eckhart Weg bzw. Nicht-Weg bedeuten und welcher metaphorischen Hilfsmittel er sich bedient, um diese zu beschreiben.

Die unio mystica gilt als höchster Zustand des Heils. Der Weg dorthin ist ein Weg, der ein Nicht-Weg ist, ein Weg, der sich selbst als Weg auflöst. Er wird von Eckhart als dreifachen Tod der Seele (oder: Obsein aller Leiblichkeit, Entfremden aller Bildlichkeit, bloßes Verstehen ohne Mittel) zusammengefasst.[6] Die dritte Befreiung, der dritte Tod der Selbstsucht sei bei Eckhart, so schreibt Hecker, die unio mystica.[7]

Zu diesen drei Wegen predigt Eckhart: „Der eine [Weg] ist dies: mit mannigfachem ´Gewerbe´, mit brennender Liebe in allen Kreaturen Gott zu suchen. [...] Der zweite Weg ist ein wegloser Weg, frei und doch gebunden, wo man willen- und bildlos über sich und alle Dinge weithin erhaben und entrückt ist [...]. Der dritte Weg heißt zwar ´Weg´ und ist doch ein ´Zuhause-Sein´, er ist: Gott zu schauen unmittelbar in seinem eigenen Sein. Nun sagt der liebe Christus: Ich bin (der) Weg, (die) Wahrheit und (das) Leben´ (Joh.. 14,6): ein Christus in der Person, ein Christus im Vater, ein Christus im Geist als Drei: Wahrheit und Leben, Eins als der liebe Jesus, in dem dies alles ist. Außerhalb dieses Weges bilden alle Kreaturen Umringung und (trennendes) ´Mittel´. Auf diesem Wege (aber) in Gott (-Vater) hineingeleitet vom Lichte seines ´Wortes´ und umfangen von der Liebe des (Heiligen) ´Geistes´ ihrer beider: das geht über alles, was man in Worte fassen kann.“[8]

Und weiter führt Eckhart aus: „Lausche (denn) auf das Wunder! Wie wunderbar: draußen stehen wie drinnen, begreifen und umgriffen werden, schauen und (zugleich) das Geschaute selbst sein, halten und gehalten werden – das ist das Ziel, wo der Geist in Ruhe verharrt, der lieben Ewigkeit vereint.“[9]

Um diese schlechterdings kaum fassbaren Umschreibungen seinen Zuhörern näher zu bringen unterzieht sich Eckhart in den Predigten[10] über das Kapitel 10,38-42 des Lukas-Evangeliums weiteren Bemühungen, dieses Erleben der unio mystica auszudrücken. Er bedient sich hierbei verschiedener Begriffe, die ihm dienlich scheinen seine Zuhörer an ebendieses an sich Nichtsagbare heranzuführen:[11]

Eckhart formuliert in Anlehnung an den Evangelientext:

„Unser Herr Jesus Christus ging hinauf in ein Burgstädtchen und ward empfangen von einer Jungfrau, die ein Weib war.“[12]

Zwar ist im Evangelientext[13] weder von einer Jungfrau noch von einem Weib die Rede, aber dennoch benutzt Eckhart diese Metaphern, um das, wie er sagt, was über alles geht, das man in Worte fassen kann, in irgendeiner Weise auszudrücken, wobei ihm der Evangelientext sozusagen lediglich als Aufhänger für Weiteres dient, um die von ihm gemachten Erfahrungen und Erkenntnisse darzutun.[14] Erklärend fügt Eckhart dann auch zu seiner Auslegung hinzu: „Jungfrau besagt soviel wie ein Mensch, der von allen fremden Bildern ledig ist, so ledig, wie er war, da er noch nicht war. [...] Wäre ich von so umfassender Vernunft, dass alle Bilder, die sämtliche Menschen je (in sich) aufnahmen und (zudem) die, die in Gott selbst sind, in meiner Vernunft stünden, doch so, dass ich so frei von Ich-Bindung an sie wäre, daß ich vielmehr in diesem gegenwärtigen Nun frei und ledig stünde für den liebsten Willen Gottes und ihn zu erfüllen ohne Unterlaß, - wahrlich, so wäre ich Jungfrau ohne Behinderung durch alle Bilder...“[15]

[...]


[1] Vgl. Winkler, N.: !997, S. 40.

[2] Quaestio Parisiensis I, n. 4; LW V, S.40, 5f. Zit. nach: N. Winkler: 1997. S.35.

[3] Vgl. Winkler, 1997. S. 47.

[4] Vgl. ebd. S. 49.

[5] Vgl. ebd. S. 47.

[6] Vgl. ebd. S. 222.

[7] Vgl. Hecker, H.: 2001. S.223.

[8] Pred. 28. In: Meister Eckhart. Deutsche Predigten und Traktate. 1979. S. 284f.

[9] Pred. 28. In: Ebd. S. 285

[10] Predigten 2 u. 28. In: Josef Quint: Meister Eckhart. Deutsche Predigten und Traktate. 1979. S. 159.

[11] Überhaupt scheint mir die etwas genauere Betrachtung dieser Texte (die auch im o. g. Seminar einen Schwerpunkt bildeten) als sehr hilfreich, um etwas mehr über das Gott-Mensch-Welt-Verständnis des Meister Eckhart zu erfahren.

[12] Ebd. Predigt 2.

[13] « Intravit Jesus in quoddam castellum et mulier quaedam, Martha nomine, excepit illum in domum suam.“ (Luc. 10,38)

[14] Gerhard Wehr schreibt zu dieser Eckhartschen Gestaltung des Evangelientextes: „Denn nicht die historische Dimension des Berichteten interessiert ihn. Vorrang hat für den Mystiker Eckhart, was ´jetzt und hier´ geschieht. Entscheidend bleibt, was sich in der Seele des heutigen Menschen ereignet.“ Wehr, G.: 1997. S. 82.

[15] Predigt 2. In: Meister Eckhart. Deutsche Predigten und Traktate. 1979. S. 159.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Die Grundzüge des Gott-Welt-Mensch-Verhältnisses im Eckhartschen Denken
Hochschule
Universität Wien  (Philosophie)
Veranstaltung
Meister Eckhart, Sein Seinsbegriff
Note
1,0
Autor
Jahr
2001
Seiten
19
Katalognummer
V43244
ISBN (eBook)
9783638410885
ISBN (Buch)
9783640894284
Dateigröße
492 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Grundzüge, Gott-Welt-Mensch-Verhältnisses, Eckhartschen, Denken, Meister, Eckhart, Sein, Seinsbegriff
Arbeit zitieren
Klaus Itta (Autor:in), 2001, Die Grundzüge des Gott-Welt-Mensch-Verhältnisses im Eckhartschen Denken, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43244

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