Körperbilder in Gunther von Hagens "Körperwelten". Produkte und Produzenten gesellschaftlicher Ansichten über Körper oder gar Erziehung der Besucher?


Hausarbeit, 2011

18 Seiten, Note: 1,0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1) Einführung

2) Die Ausstellung ״Körperwelten“
2.1 Begründerund Entstehung
2.2 Der Prozess der Plastination des Körpers

3) Körperbilder- und Konzepte in der Ausstellung
3.1 Der ״unsterbliche, authentische“ Körper
3.2 Der ״idealisierte, ästhetische“ Körper
3.3 Der ״sexualisierte, geschlechtliche“ Körper
3.4 Der ״funktionale, lehrreiche“ Körper

4) Zur Wirkung der Ausstellung
4.1 Gesellschaftliche Voraussetzungen
4.1 Erziehung zu bestimmten Ansichten über ,Körper’

5) Fazit/Ausblick

1) Einführung

Vielseitig diskutiert und kritisiert, gerät die Ausstellung ״Körperwelten“, welche von Gunther von Hagens erschaffen wurde, immer wieder in den Fokus der Aufmerksamkeit. Das umstrittene Thema des Verfahrens der Plastination des menschlichen Körpers, welches in der Ausstellung Bedeutung findet, beschäftigt seit seiner Entwicklung und der beginnenden Ausstellung von Leichen in der Öffentlichkeit sowohl Interessenten, als auch Laien.

Denn erstmals ist jedem, der sich für den eigenen Körper interessiert, durch die Ausstellung gestattet, einen Einblick in die Anatomie zu gewinnen und menschliche Leichen ganz aus der Nähe zu betrachten. Diese sind vom Aussteller künstlerisch in Szene gesetzt und für den Betrachter in den verschiedensten Positionen zu bestaunen. Der tote Mensch als lebendig dargestellter Akteur, beispielsweise als Basketballspieler, wirft jedoch auch so manche Frage nach der in Artikel 1 im Grundgesetz verankerten Würde des menschlichen Körpers auf und lässt sogar einige Kritiker von einer Degradierung des Körpers zu einem Objekt urteilen.

Vor dem Hintergrund der künstlerischen Inszenierung der toten Körper gewinnt die Frage an Bedeutung, welche Bilder oder Konzepte von Körper der Ausstellung zugrunde liegen und welche erzieherische Absicht eine solche Aufbahrung von Leichen in der Gesellschaft verfolgt. Es gilt zu klären, wie die Körper in ihren einzelnen Positionen auf den Besucher wirken, was sie bei diesem für Gefühle auslösen und welches Ziel damit verfolgt wird.

Ist die Ausstellung wirklich nur auf Informationsvermittlung über die Anatomie des Menschen ausgelegt, wie es von Hagens oftmals betont, und was sind unvermeidbare Nebenwirkungen einer solchen Ausstellung? Vor allem aber: Wie viel ist von diesen ,Nebenwirkungen’ beabsichtigt?

In meiner Hausarbeit möchte ich versuchen, mich der Klärung dieser Fragen anzunähren und die Ausstellung somit aus einem kritischen Blickwinkel betrachten. Dazu werde ich zunächst auf den Begründer und die Entstehung von ,Körperwelten’ eingehen, um vorerst einen kurzen Überblick zu verschaffen; außerdem möchte ich den Prozess der Plastination darstellen, um dem Leser einen Eindruck davon zu verleihen, wie es dem Aussteller gelingt, den Leichnam eines toten Körpers dennoch zu gestalten und für den Besucher in Szene zu setzen.

In einem weiterführenden Teil der Hausarbeit sind mir besonders die Körperbilder- und Konzepte, die sich in der Ausstellung finden, wichtig: Hier soll die Frage beantwortet werden, wie die toten Körper dargestellt sind, wie sie durch diese Darstellung auf die Gesellschaft wirken oder ob die Darstellungen nicht sogar gesellschaftlich beeinflusst sind.

Im letzten Teil der Hausarbeit möchte ich noch einmal besonders auf die Auswirkungen von ,Körperwelten’ eingehen und diskutieren, wie bzw. ob die Ausstellung das Individuum erzieht. Hier werde ich unter Bezug auf die Soziologie Gesellschaftliche Veränderungen darstellen, die sich in der Ausstellung widerspiegeln, sowie auf die Frage eingehen, ob in der Ausstellung vielleicht sogar schon Erziehung stattflndet. Abschließend möchte ich meine Ergebnisse in einem Fazit festhalten.

2) Die Ausstellung ,Körperwelten’

״Das Plastinat unterscheidet sich von der Leiche durch drei Dinge: Zunächst einmal ist es die Anonymisierung. Die Personalität wird abgetrennt von der individuellen Anatomie. (...) Das zweite ist die physikalische Verwandlung der Leiche in ein Plastinat. Die Verwesung wird gestoppt; das Wasser durch gehärteten Kunststoff ersetzt. Wir machen keinen Leichenkult. Und drittens ist es die Zweckbestimmung. Der Spender verfügt zu Lebzeiten, dass er einem besonderen Zweck, nämlich dem Zweck der anatomischen Wissensvermittlung, dienen will“ (von Hagens, 1998)1

2.1 Begründer und Entstehung

Die Ausstellung ,Körperwelten’ begründet sich auf den Anatom Gunther von Hagens, welcher am 10.01.1945 in Alt-Skalden im polnischen Posen als Gunther Liebchen geboren wurde und von welchem auch das vorangestellte Zitat zur Plastination stammt.

In Jena begann er im Jahr 1965 mit seinem Medizinstudium an der Friedrich­Schiller-Universität, welches jedoch schon 1968 wieder beendet war, da von Hagens bei einem Fluchtversuch aus der DDR in den Westen inhaftiert wurde. Erst zwei Jahre später wurde er von der Bundesrepublik Deutschland freigekauft, was es ihm ermöglichte, sein Studium in Lübeck fortzusetzen. 1975 promovierte er an der Universität Heidelberg, wo er sich auch als wissenschaftlicher Mitarbeiter niederließ. 1977 gelang ihm die Einführung des Verfahrens der Plastination, eine Konservierung von Leichen mit bestimmten Kunststoffen, welches ihm schnell einen Vertrag mit der Universität Heidelberg einbrachte. Dieser erlaubte ihm, nach Belieben zu plastini eren und seine revolutionären Forschungen frei fortzuführen. 1992 heiratete von Hagens seine zweite Frau, Angelina Whalley, welche später zusätzliche Geschäftsführerin für die ,Körperwelten’-Ausstellung wurde.

Überzeugt von seinem Verfahren, durch welches der tote Körper des Menschen ewig existent ist und somit die Anatomie revolutionieren sollte, gründete Gunther von Hagens ein Jahr nach seiner Hochzeit das Heidelberger Institut für Plastination.

Zuvor schon hatte von Hagens plastinierte Körper an anatomische Institute im In­und Ausland verkauft, was zunächst der Universität Heidelberg, und von da an seinem neu gegründeten Institut zu Gute kam.2

Mit seinem eigenen Institut ging er nun auch Verbindungen zu zwei weiteren anatomischen Instituten ein, einem im Ort Dalian in China, und einem weiteren in Bischkek in Kirgisien. Im Jahr 2001 gründete er selbst die ״Von Hagens Dalian Plastination Ltd“3 in China, in der er etwa 250 Mitarbeiter anstellte, um Leichen zu plastinieren.

1997 entstand Gunther von Hagens ,Körperwelten’- Ausstellung, welche in Deutschland in Mannheim erstmals präsentiert wurde und erstaunlicherweise gleich 774.000 Besucher anlockte. Sein Erfolg führte dazu, dass von Hagens seine Tätigkeiten ausweiten konnte und nun neben dem Institut in China auch eines in Kirgisien errichten konnte. Neben der erweiterten Produktion von Plastinaten, stellte er auch in anderen Orten wie Berlin, Köln oder Offenbach sein ,Körperwelten’ zur Schau und führte damit seinen Erfolg fort. Für die Ausstellungen, welche nicht nur in Deutschland, sondern auch in Asien und Amerika zu sehen sind, wählte er zudem verschiedene Schwerpunkte wie ״Der Zyklus des Lebens“, ״Körperwelten der Tiere“ oder ״Herzenssache“. Zusammen mit seiner Frau Dr. Angelina Whalley verwaltet er heute sowohl die Ausstellungen als auch die Institute.4

2.2 Der Prozess der Plastination des Körpers

Im Folgenden soll die von Gunther von Hagens wei ter entwickelte Technik der Plastination erläutert werden, um den Umgang mit dem Körper in der Ausstellung ,Körperwelten ’ für den Leser verständlich zu machen und ihm eine Urteilsbasis über dessen Behandlung zu geben.

Der Plastinationsprozess geschieht in mehreren Schritten und ermöglicht eine vollständige Konservierung des Leichnams für Ausstellungs- und Forschungszwecke. Neben kleineren Körperausschnitten wie Organen oder Gewebe, kann durch das Verfahren erstmals auch der gesamte Körper konserviert und aufbewahrt werden.

Sobald die toten Körper Gunther von Hagens Institut erreichen, werden sie zunächst in einer Kühlung gelagert und danach fixiert. Dies geschieht durch das Einführen von Formalin in den Körper, welches Bakterien abtötet und sämtliche chemische Vorgänge im Körper aufhält.

Nach diesem Vorgang kommen von Hagens Mitarbeiter zum Einsatz: Mit Hilfe von Skalpellen und anderen chirurgischen Instrumenten entfernen sie die Haut, das Fett- und das Bindegewebe und arbeiten die Strukturen des Leichnams heraus, die für die Ausstellung interessant sind.

Auf diese Prozedur, welche mehrere hundert Stunden dauern kann, folgt die Entwässerung und Entfettung der Leiche. Diese wird dazu in ein Acetonbad gelegt, welches das körpereigene Wasser entfernt und durch das chemische Aceton ersetzt. Die Körperteile oder die gesamte Leiche müssen in diesem Bad etwa zwei Wochen bis drei Monate lagern, bis sie herausgenommen werden können.

In einem zweiten Austauschprozess, der ,Forcierten Imprägnierung’, wird das zuvor in den Körper eingeführte Aceton durch Kunststoff ersetzt. In einer Vakuumkammer beginnt das Aceton zu sieden, wird abgesaugt und ermöglicht somit dem zuvor in die Kammer eingeführten flüssigen Kunststoff, in den Körper einzudringen. Dieser Schritt kann bis zu zwei bis fünf Wochen dauern. Das Kunststoffpräparat ist zu dieser Zeit noch beweglich und wird nun in die richtige Position gebracht, zum Beispiel in den bereits zuvor erwähnten Basketballspieler. Um die Leiche unbeweglich zu machen, wird sie mithilfe von speziellen Gasen, Licht oder Wärme gehärtet und somit schließlich vollkommen vor Verwesung geschützt.5 Von diesem Zeitpunkt an ״verwesen oder riechen [die Plastinate] nicht und sie erhalten die Struktur, Farbe und Beschaffenheit der ursprünglichen Gewebe und Organe bis in ihre mikroskopische Tiefe“.6

3) Körperbilder- und Konzepte in der Ausstellung

Ausgehend von dieser neuartig entwickelten Methode der Plastination des toten Körpers, wird immer wieder, besonders von Gunther von Hagens selbst, darauf hingewiesen, die Ausstellung diene hauptsächlich der anatomischen Aufklärung und dem daraus resultierenden medizinischen Fortschritt. Dabei darf jedoch die künstlerische Inszenierung der Körper nicht aus dem Blick gelassen werden, welcher ebenfalls ein großer Anteil beigemessen werden kann und worauf vor allem Kritiker immer wieder verweisen.

Der künstlerischen Aufbereitung und Positionierung der Leichname liegen meist besondere, vielleicht sogar gesellschaftlich geprägte Körperbilder- und Konzepte zugrunde, nach denen die Aussteller operieren, welche ich im Folgenden erörtern möchte.

3.1 Der ״unsterbliche, authentische“ Körper

Die Plastination des Körpers bietet erstmals in der Geschichte die Möglichkeit, den menschlichen Körper über den Tod hinaus in seiner Beschaffenheit zu bewahren wie ihn die Natur gemacht hat, ohne dass der Vorgang der Verwesung eintritt.

Die Faszination für die Besucher liegt vor allem in der Echtheit des Körpers und somit der Ausstellungsstü align="left">Die ersten ,Körperwelten’-Ausstellungen wurden von Gunther von Hagens zu diesem Zweck mit dem Beinamen der ״Faszination des Echten“7 bezeichnet, welches deutlich diesen Anspruch hervorheben soll.

Gegenüber Körperspendem bezeichnet der Plastinator denselbigen immer wieder als ״Körperschatz“8, welcher durch die Technik der Plastination in seinen ״Naturzustand“9, also den Zustand des Nicht-Benutztwerdens zurückgeführt werden soll, um die Echtheit und Natürlichkeit dessen beizubehalten.

Diese neu gewonnene Unsterblichkeit des Körpers, lässt den Tod somit nicht mehr als ״Abbruch des Lebens“10 erscheinen: Körper und Mensch bleiben weiterhin beständig und durch die Positionierung der Leichen in lebendigen Situationen, verliert der Tod sogar an Dramatik. Säuberlich bearbeitete Oberflächenstrukturen der Leichname, Ausbesserungen und die richtige Belichtung bedecken jegliches Alterungs- oder Todesanzeichen auf den ausgestellten Körpern.11

Hier klingt auch ein gewisses ästhetisches Idealbild des Körpers mit an, das neben seiner authentischen Darstellung in der Ausstellung auftritt. Inwiefern jedoch können Leichname Ästhetik widerspiegeln?

3.2 Der ״idealisierte, ästhetische“ Körper

Das neuartige Plastinationsverfahren dient nicht nur der ewigen Erhaltung des menschlichen Körpers, es bietet zudem auch eine Möglichkeit für den Aussteller, den toten Körper für die künstlerische Komponente besonders ästhetisch zu gestalten und in Szene zu setzen. Gerade die perfekt drapierten, ins richtige Licht gerückten Körper sind meist für den Besucher der ,Körperwelten ’ der nicht außer Acht zu lassende Reiz. ״Die Ausstellung wird von einer Ästhetik beherrscht, die Leichen als Skulpturen, als künstlerische Gestalten zu vermarkten sucht.“12 Die Menschenmenge dürstet geradezu nach der perfekten Aufbereitung der Ausstellungsstücke.

Besonders durch die Plastination fehlt jeglicher Verwesungshinweis, es besteht weder auffälliger Geruch, noch Zerfall durch die vorherige Entfernung der Haut. Alle Hinweise auf Alterung verfallen, es finden selbst Nachbesserungen mit Speziallack statt.Von Hagens ist dem Interesse nach Perfektion und Anmut der Körper in seiner Ausstellung somit zielorientiert nachgegangen.

Hinzu kommt, dass die meisten Leichname in sportlicher Aktion zu betrachten sind, lebendig, leistungsorientiert,

[...]


1 Hermes da Fonseca et al., 2006, S.189

2 http://www.spiegel.de/spiege Fprint/d-29725567.html

3 http://www.koerperwelten.com/de/gunther_von_hagens/leben_wissenschaft.html, Gelesen am 11.03.2011

4 vgl. http://www.spiegel.de/spiegel/prin Fd-29725567.html, Gelesen am 11.03.2011

5 vgl. http://www.koerperwelten.com/de/plastination/teclmik_plastination.html, Gelesen am 111)3.2011

6 Herscovitch in Hermes da Fonseca и. Kliche, 2006, s. 155

7 Hermes da Fonseca и. Kliche, 2006, s. 19

8 ebet. S. 14

9 ebd., S.18

10 Klie, 2008, S.85

11 Hermes da Fonseca и. Kliche, 2006, s. 155

12 Hermes da Fonseca и. Kliche, 2006, s. 162 ebd., S. 155

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Körperbilder in Gunther von Hagens "Körperwelten". Produkte und Produzenten gesellschaftlicher Ansichten über Körper oder gar Erziehung der Besucher?
Note
1,0
Jahr
2011
Seiten
18
Katalognummer
V432185
ISBN (eBook)
9783668746411
ISBN (Buch)
9783668746428
Dateigröße
1339 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Körperbilder, Körperwelten, Gesellschaft, Körper, Plastination
Arbeit zitieren
Anonym, 2011, Körperbilder in Gunther von Hagens "Körperwelten". Produkte und Produzenten gesellschaftlicher Ansichten über Körper oder gar Erziehung der Besucher?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/432185

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