Die gesetzliche Regelung von Unternehmensübernahmen in Deutschland unter besonderer Berücksichtigung von Abwehrmaßnahmen

Analyse der Interessengruppen und deren Einflussnahme auf Maßnahmen zur Abwehr feindlicher Übernahmen


Seminararbeit, 2004

24 Seiten, Note: 2,0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Ökonomische Analyse der Interessengruppen im Übernahmeangebot
2.1. Auswirkungen auf die Zielgesellschaft
2.1.1. Aktionäre
2.1.2. Manager
2.1.3. Sonstige Stakeholder
2.2. Auswirkungen auf die Bietergesellschaft
2.2.1. Aktionäre und Manager
2.2.2. Sonstige Stakeholder

3. Untersuchung möglicher Maßnahmen zur Abwehr feindlicher Übernahmen unter besonderer Berücksichtigung der Interessengruppen
3.1. Mögliche Maßnahmen zur Abwehr feindlicher Übernahmen
3.1.1. Präventivmaßnahmen
3.1.2. Abwehrmaßnahmen während des Übernahmeverfahrens
3.2. Mögliche Maßnahmen zur Abwehr feindlicher Übernahmen in Deutschland
3.2.1. Vorratsermächtigung und die Stellung von Vorstand und Aufsichtsrat
3.2.2. Präventivmaßnahmen
3.2.3. Abwehrmaßnahmen während des Übernahmeverfahrens

4. Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Feindliche Übernahmen haben sich Mitte der achtziger Jahre in Großbritannien und vor allem in den USA entwickelt. In der Vergangenheit hat es auch in Deutschland immer wieder Versuche feindlicher Übernahmen gegeben, von denen bspw. Pirelli/Continental, Hochtief/Holzmann und T&N/Kolbenschmidt erfolglos blieben, während Metro/Asko, Krupp/Hoesch,Veba/Feldmühle erfolgreich abgeschlossen werden konnten. Einen Meilenstein in der Entwicklung von deutschen Übernahmen stellt die „Übernahmeschlacht“ von Vodafone und Mannesmann dar. In Deutschland scheinen feindliche Übernahmen allerdings gesellschaftlich weitaus weniger akzeptiert zu sein. Sie gelten vielfach als ein unmoralisches und verwerfliches Instrument und enden häufig auch in einem Politikum.[1] Eine repräsentative Umfrage im Jahr 2002 unter deutschen Aktiengesellschaften zeigte, dass 81 % der Befragten ein Notfallkonzept und 45 % eine konkrete Abwehrstrategie „in der Schublade“ haben.[2] Nach herrschender Meinung geht man in Deutschland von einem einflussreichen stakeholder-orientierten System aus.[3] Ist dies auch in den von deutschen Unternehmen anwendbaren Abwehrmaßnahmen zu erkennen?

Grundsätzlich werden bei einem Übernahmeangebot die Aktionäre eines Unternehmens (Zielgesellschaft) von einem potentiellen Käufer (Bietergesellschaft) zum Verkauf ihrer Aktien aufgefordert. Als feindlich wird dabei ein Übernahmeangebot bezeichnet, wenn das Angebot nicht mit dem Management der Zielgesellschaft abgesprochen wurde und bei diesem auf Widerstand stößt.[4] Auch wenn feindliche Übernahmen nicht an eine bestimmte Rechtsform gebunden sind, steht in dieser Arbeit ausschließlich die börsennotierte Aktiengesellschaft im Mittelpunkt des Interesses, da bei dieser Rechtsform der Interessenkonflikt zwischen Aktionären und Stakeholdern besonders deutlich wird.[5]

Ziel dieser Seminararbeit ist es, die unterschiedlichen Vorstellungen und Ziele der Interessengruppen bei feindlichen Übernahmen aufzuzeigen, sowie einen Überblick über mögliche Abwehrmaßnahmen zu geben. Dabei sollen die Abwehmaßnahmen dahingehend untersucht werden, inwieweit die verschiedenen Interessen Berücksichtigung finden.

2. Ökonomische Analyse der Interessengruppen im Übernahme- angebot

2.1. Auswirkungen auf die Zielgesellschaft

2.1.1. Aktionäre

Die Situation der Aktionäre als Angebotsempfänger steht am Anfang der Analyse, da entscheidend ist, ob sie bereit sind ihre Anteile zu verkaufen. Die Aktionäre sind grundsätzlich als Anteilseigner die Eigentümer des Unternehmens. Sie haben unterschiedliche Vorstellungen über die zeitliche Struktur eines für sie optimalen Konsumstroms. Ihre Risikopräferenzen und Erwartungen hinsichtlich des zukünftigen Zahlungsstroms weichen voneinander ab.[6] Daher kann aus diesen Variablen noch kein einheitliches Aktionärsinteresse gewonnen werden. Es ist nötig die verschiedenen Anlegerinteressen zu analysieren.

So gibt es die Gruppe von Aktionären, die an kurzfristigen Spekulations­gewinnen interessiert ist. Diese Anleger tauschen ihre Investmentpositionen von Zeit zu Zeit aus und spekulieren je nach ihren wirtschaftlichen Erwartungen. Andere Anleger verstehen ihr Aktieninvestment als langfristige Kapitalanlage mit der Zielsetzung einer stetig steigenden Rendite. Wiederum andere sind an einer möglichst hohen und kontinuierlichen Dividendenzahlung interessiert.[7] Doch wie lassen sich die unterschiedlichen Interessen der Aktionärsgruppen auf einen gemeinsamen Nenner bringen?

Das gemeinsame Interesse der Anleger ist auf den Erhalt und die Vermehrung des Vermögens gerichtet. Die Verbindung der unterschiedlichen Anlegerinteressen wird durch die Anwendung des Profitmaximierungsansatzes erreicht. Erhöht sich dadurch der Unternehmenswert, ist dies i.S. des Shareholder Value-Ansatzes.[8] Ist nun die Differenz zwischen aktuellem Marktwert (Second best) und potentiellem Unternehmenswert (First best) groß genug, kann ein Bieter den Aktionären ein Übernahmeangebot machen und die Unternehmenspolitik entsprechend verändern. Durch ein Management mit einer den Marktwert maximierenden Politik lassen sich in Höhe der Differenz Früchte aus der Übernahme ernten. Von einer solchen Übernahme mit einer optimalen Verwendung der zur Verfügung stehenden Ressourcen profitieren die Aktionäre.

Kleinaktionäre einer börsennotierten Aktiengesellschaft machen i.d.R. keinen Gebrauch von den ihnen zustehenden Kontrollrechten (insbesondere Auskunftsrecht und Anfechtungsrecht). Sie nehmen eine passive Rolle ein und verfolgen i.d.R. lediglich finanzielle Ziele. Dies wird dadurch deutlich, dass sie den Kontrollwert ihrer Beteiligung nur schwer beurteilen können, da ihnen der Schutz vor unzureichender und fehlender Information, sowie opportunistischem Verhalten von Bieter- und Zielgesellschaft fehlt.[9] Das Protestmittel der Kleinaktionäre ist nicht die Einflussnahme auf das Management, sondern die „Abstimmung mit den Füßen“, indem sie ihre Anteile verkaufen und das freigewordene Kapital in eine andere Aktiengesellschaft investieren.[10] Aktionäre können durch die zeitliche Limitierung des Übernahmeangebots unter einem Entscheidungsdruck stehen. Dabei sind sie einem sog. Preisrisiko ausgesetzt, das im tatsächlichen Angebotspreis besteht.[11] Für die Aktionäre der Zielgesellschaft liegt die Attraktivität des Übernahmeangebots in einem den aktuellen Marktpreis übersteigenden Angebotspreis. Da der Aktienmarkt durch eine mittelstrenge Informationseffizienz charakterisiert ist, kann bei den Aktionären die Befürchtung entstehen, die Kontrollmehrheit zu schnell und zu einem zu geringen Preis zu verkaufen. Andererseits kann den Aktionären mit dem Verbleib in der neuen Gesellschaft die Möglichkeit eröffnet werden, an einer optimalen Ressourcenallokation zu partizipieren.[12]

Mit dem Grad an eingeleiteten Abwehrmaßnahmen können zusätzlich die Kosten für die Durchführung der Abwehr, die häufig durch Investmentbanken und externe Rechtsberatung vollzogen wird, steigen. Der Unternehmenswert sinkt folglich mit der erkauften Dienstleistung und äußert sich in einer niedrigeren Marktbewertung. Aktionäre, die sich für eine Übernahme ausgesprochen haben, erfahren so einen zusätzlichen Verlust gegenüber dem Zustand im Status quo.

2.1.2. Manager

Unter Stakeholdern ist die Interessengruppe zu verstehen, deren ökonomische Situation davon abhängt, wie sich die wirtschaftliche Lage des Unternehmens entwickelt. Hierunter fallen u.a. Manager der Gesellschaft, Arbeitnehmer, Gläubiger und Banken, sowie die Allgemeinheit, zu der neben der Gesellschaft auch der Staat gehört.[13] Nachfolgend wird die Position des Managers gesondert untersucht, da dieser auf Grund seiner Leitungsbefugnis einen direkten Einfluss auf die anderen Interessengruppen und den Unternehmenserfolg hat.

Beim Vorstand[14] einer Aktiengesellschaft kann davon ausgegangen werden, dass dieser am Erhalt seiner Organstellung interessiert ist. Dieses Interesse kann durch ein Übernahmeangebot stark gefährdet werden, da er befürchten muss, seinen Posten für Personal der Bietergesellschaft räumen zu müssen. Bei der Rechtsform der Kapitalgesellschaft kommt es zu einer ausgeprägten Trennung von Eigentum und der Leitungsmacht über das Eigentum. Der Manager hat naturgemäß einen Informationsvorsprung gegenüber den außen stehenden Aktionären. Er kann demnach einen Anreiz haben, eigenen Interessen durch eine opportunistische Unternehmenspolitik nachzugehen, die sich aber in einem geringeren Unternehmenswert niederschlagen.[15] Dies kann auch als Grund für eine Übernahme mit dem Austausch des Managements angesehen werden.

Das Management kann sich aber auch gegen eine Übernahme i.S. des Shareholder Value-Ansatzes aussprechen, wenn es der Auffassung ist, dass der Angebotspreis zu niedrig ist. Dem Management kann folglich eine grundsätzliche Ablehnung gegenüber einer feindlichen Übernahme der „eigenen“ Zielgesellschaft unterstellt werden.[16] Die feindliche Übernahme ist also ein ideales Instrument, um dem Machtmissbrauch von Managern entgegen zu wirken. Sie entspricht einem externen Kontrollmechanismus. Alle Abwehrmaßnahmen des Managements können einen Verlust an Marktwert­maximierung bedeuten.

2.1.3. Sonstige Stakeholder

Arbeitnehmer

Durch einen ausgeprägten Kündigungsschutz, ein gewerkschaftlich flächendeckendes Tarifsystem und einem hohen Grad an Arbeitnehmermitbestimmung haben deutsche Arbeitnehmer eine bedeutende Stellung in der Gesellschaft. Bei börsennotierten Aktiengesellschaften besteht der Aufsichtsrat je zur Hälfte aus Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern. Entsprechend der Anzahl an Arbeitnehmern wird die genaue Zusammensetzung des Aufsichtsrats aus Anteilseignern, Arbeitnehmern und Gewerkschaftsvertretern vorgegeben.[17] Das Interesse der Arbeitnehmer ist auf den Erhalt der Arbeitsplätze und den Anstieg der Löhne gerichtet. In vereinzelten Fällen macht die eigene Arbeitnehmerschaft selbst einen großen Anteil der Aktionärsstruktur aus. Nach einer Übernahme ist davon auszugehen, dass die Unternehmens­politik der Bietergesellschaft durchgesetzt wird. Darüber hinaus kann eine Anpassung der Unternehmenskultur an die Bietergesellschaft erwartet werden. Dies hat einen direkten Einfluss auf die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer der Zielgesellschaft. Wenn der Grund für die Übernahmeabsicht auf Synergieeffekten basiert, kann von einer Rationalisierung und Stilllegungen bestimmter Unternehmensbereiche ausgegangen werden.[18] So kann es zu Änderungen oder sogar zur Rationierung von Arbeitsplätzen kommen. Es kann angenommen werden, dass Restrukturierungsmaßnahmen am stärksten bei der Zielgesellschaft durchgeführt werden. Begründet werden könnte dies mit einer opportunistischen Unternehmenspolitik. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird das übernehmende Management der Bietergesellschaft durch die Kontrollübernahme strategische Positionen in der Zielgesellschaft durch ihr in der Arbeitsweise bekanntes Personal ersetzen.[19]

Zusätzlich kann es zu einem Bruch von impliziten, nicht vertraglich kodifizierten Verträgen zwischen alter Unternehmensleitung und Arbeitnehmern kommen, wenn bspw. von üblichen Treueprämien oder späteren betrieblichen Pensionsansprüchen ausgegangen wird.[20] Es kann i.d.R. davon ausgegangen werden, dass die Bietergesellschaft das Humankapital der Zielgesellschaft für eine erfolgreiche Übernahme benötigt und somit selbst in gewisser Weise von der Arbeitnehmerschaft der Zielgesellschaft abhängig ist.[21]

Die Bietergesellschaft hat folglich ein großes Interesse daran, den Arbeitnehmern die Unsicherheit über ihre Zukunft zu nehmen. So können Vereinbarungen, die bspw. eine ordentliche Kündigung für eine bestimmte Zeit ausschließen[22] oder den Erhalt von bestimmten Unternehmensbereichen sichern, vereinbart werden.

[...]


[1] Vgl. bspw. Blachowski (2004), S. 24-25.

[2] Vgl. FAZ (2002), S. 23.

[3] Vgl. bspw. Schmidt/Weiß (2003), S. 2; Wentges (2002), S. 135-140.

[4] Der Begriff „ Feindliche Übernahme“ geht zurück auf die englischsprachige Übersetzung „hostile takeover“. Zwischen einer freundlichen und feindlichen Übernahme kann nur idealtypisch eine Trennlinie gezogen werden, da eine zunächst feindliche Übernahme freundlich enden kann (vgl. Bästlein (1997), S. 34-36; Röhrich (1992), S. 16-17; Reutter (2002), S. 3-4).

[5] Für den spezifischen Interessenkonflikt in Familienkonzernen vgl. bspw. Oetker (1999).

[6] Vgl. Schuster (2002), S. 94-95; Hens (2004), S. 140.

[7] Vgl. Hens (2004), S. 141-142; Röhrich (1992), S. 33-35.

[8] Unter dem Begriff Shareholder Value ist der Marktwert der Eigentumsanteile an einem Unternehmen zu verstehen, die bei Aktiengesellschaften in Form von Aktien verbrieft sind (vgl. Terberger (2004), S. 5).

[9] Vgl. Engenhardt (1995), S. 101-105; Röhrich (1992), S. 34.

[10] Vgl. Schuster (2002), S. 96.

[11] Vgl. Röhrich (1992), S. 35-36.

[12] Vgl. Röhrich (1992), S. 33-35; Büschgen (1998), S. 461.

[13] Vgl. Schmidt/Weiß (2003), S. 3.

[14] Manager und Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften werden in dieser Arbeit synonym verwendet. Der Ausdruck Manager unterstreicht die theoretische Bedeutung in der neo-institutionellen Theorie, wohingegen der Ausdruck Vorstand die gesetzliche Organstellung deutlich macht.

[15] Ferner würde ein funktionierender Arbeitsmarkt für Manager über deren öffentlich bekannte Reputation disziplinierend wirken und die Manager-Eigner-Problematik stark abschwächen (vgl. Schmidt/Terberger (1997), S. 468).

[16] Die ablehnende Haltung des Vorstands der Zielgesellschaft verursacht regelmäßig einen über das Übernahmeangebot steigenden Aktienkurs der Zielgesellschaft, da eine Abwehrschlacht mit Nachbesserungen des Angebots erwartet wird. Für Praxisbeispiele wie Barilla/Kamps und Vodafone/Mannesmann vgl. Hens (2004), S. 213-214.

[17] Vgl. § 7 MitbestG i.V.m. § 96 AktG.

[18] Vgl. Hens (2004), S. 142-143; Bauer/von Steinau-Steinbrück (2002), S. 324.

[19] Vgl. Frigge (2004), S. 66-67.

[20] Vgl. Schmidt/Terberger (1997), S. 471.

[21] Vgl. Schnitzler (1994). S. 38-39.

[22] Zu den Möglichkeiten der Vereinbarungen zwischen Bietergesellschaft und Arbeitnehmern der Zielgesellschaft vgl. Hens (2004), S. 161-162. Zur Gestaltung des Übergangs von Arbeitsverhältnissen vgl. Bauer/von Steinau-Steinrück (2002), S. 333-427.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Die gesetzliche Regelung von Unternehmensübernahmen in Deutschland unter besonderer Berücksichtigung von Abwehrmaßnahmen
Untertitel
Analyse der Interessengruppen und deren Einflussnahme auf Maßnahmen zur Abwehr feindlicher Übernahmen
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Note
2,0
Jahr
2004
Seiten
24
Katalognummer
V43181
ISBN (eBook)
9783638410441
Dateigröße
415 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Regelung, Unternehmensübernahmen, Deutschland, Berücksichtigung, Abwehrmaßnahmen, Analyse, Interessengruppen, Einflussnahme, Maßnahmen, Abwehr
Arbeit zitieren
Anonym, 2004, Die gesetzliche Regelung von Unternehmensübernahmen in Deutschland unter besonderer Berücksichtigung von Abwehrmaßnahmen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43181

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