Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
A. Einleitung
B. Grundlagen
I. Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen
1. Horizontale Wettbewerbsbeschränkungen
2. Vertikale Wettbewerbsbeschränkungen
II. Vertikale Preisbindungen
1. Höchstpreisbindungen
2. Fest- oder Mindestpreisbindungen
3. Preisbindungen durch Rabattaktionen
a) Charakter und Merkmale von Rabattaktionen
b) Möglicher Einfluss auf die Preisbindung
III. Bezweckte oder bewirkte Wettbewerbsbeschränkungen
IV. Spürbarkeit von Wettbewerbsbeschränkungen
V. Freistellung von vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen
1. Freistellung durch die Vertikal-GVO
2. Einzelfreistellung
VI. Rechtsfolgen
C. Analyse
I. Einführung
1. Sachverhalt
2. Urteilsbegründung
II. Entwicklung und aktueller Stand der Rechtsprechung
1. Europäische Rechtsprechung
2. Nationale Rechtsprechung
III. Bagatellbekanntmachungen der Kartellbehörden
IV. Internationale Tendenzen und Literatur
V. Zusammenfassung
VI. Eigener Lösungsansatz
1. Tatbestandliche Restriktion des Art. 101 I AEUV bzw. § 1 GWB
a) Bezwecken einer Wettbewerbsbeschränkung
b) Nachweis der spürbaren Auswirkung
2. Freistellung gemäß Art. 101 III AEUV bzw. § 2 GWB
D. Fazit
Literaturverzeichnis
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A. Einleitung
Das Kartellrecht in Deutschland ist, im Vergleich zu anderen Rechtsgebieten, eine relativjunge Materie.1 Die wesentlichen Regelungen zum Schutz des Wettbewerbs sind im Ge-setz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (nachfolgend: GWB) verankert. Die Regelun-gen des GWB lassen sich in die Bereiche Kartellverbot, Missbrauchs- und Fusionskon-trolle aufteilen. Im Hinblick auf das Kartellverbot, werden seit der 7. GWB-Novelle nichtnur horizontale, sondern auch vertikale Wettbewerbsbeschränkungen von § 1 GWB er-fasst. Auch wenn horizontale Kartelle primär in der öffentlichen Wahrnehmung stehen,sind vertikale Preisabsprachen immer häufiger Gegenstand der kartellrechtlichen Dis-kussion. Insbesondere vertikale Preisbindungen stellen einen kontroversen Bereich des Wettbewerbsrechts dar. Hierbei dreht sich die immer wieder aufflammende Diskussionum die Notwendigkeit einer stärkeren Berücksichtigung von ökonomischen Erwägungenbei der Beurteilung von Kartellverstößen. Trotz der von Ökonomen bestätigten pro-kom-petitiven Auswirkungen solcher Vereinbarungen, nehmen die meisten Rechtsordnungen - historisch und aktuell - eine ablehnende Haltung gegenüber Mindest- und Festpreis-bindungen ein. 2 In diesem Kontext wird häufig auch die Frage einer möglichen Aus-nahme von vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen vom Kartellverbot diskutiert. Dabeisteht immer wieder auch das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Spürbarkeit im Fokus.
Gegenstand der vorliegenden Seminararbeit ist die Beurteilung der Spürbarkeit von ver-tikalen Preisbindungen. Dabei geht es insbesondere um die spezifische Konstellationvon vertikalen Preisbindungen - im Zusammenhang mit einer Rabatt- bzw. Verkaufsför-deraktion - und deren potentielle Auswirkungen auf den Wettbewerb. Hierzu erfolgt zu-nächst eine Hinführung zur Kernproblematik dieser Arbeit. Dies erfolgt durch eine ziel-gerichtete Erläuterung der für die Thematik notwendigen Grundbegriffe. Im anschließen-den „Analyseteil“ werden dann die verschiedenen Positionen und Meinungen, im Hin-blick auf die kartellrechtliche Beurteilung der Spürbarkeit von Preisbindungen durch Ra-battaktionen, dargestellt. Nach einer entsprechenden Bewertung der verschiedenen Po-sitionen erfolgt abschließend die Entwicklung eines eigenen Lösungsansatzes. Ziel die-ser Arbeit ist es, einen geeigneten Maßstab für eine zielgerichtete und nachvollziehbare Beurteilung spezifischer Vertikalstrukturen, vor dem Hintergrund des nationalen und eu-ropäischen Kartellrechts, zu finden.
B. Grundlagen
In diesem Abschnitt werden zunächst die wesentlichen Begrifflichkeiten, die im Zusam-menhang mit dem Thema dieser Arbeit stehen, vorgestellt. Dies soll, neben der gezielten Hinführung zum Hauptteil der Arbeit, ebenfalls zur besseren Einordnung der Thematikin den Gesamtkontext des Kartellrechts dienen. Konkret erfolgt die Darstellung der we-sentlichen Tatbestandsmerkmale im Hinblick auf das Vorliegen eines Kartellverbots unddie damit verbundenen Rechtsfolgen, sowie der Voraussetzungen für eine potentielle Freistellung einer kartellrechtlich ansonsten verbotenen Maßnahme. Durch die stetige Anpassung des deutschen Rechts an die europäischen Regelungen und des aktuell an-nähernden Gleichlaufs derselben, wird im weiteren Verlauf sowohl auf nationale als aucheuropäische Normen Bezug genommen.3 Gemäß Art. 101 I AEUV bzw. § 1 GWB sind,vereinfacht ausgedrückt, Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die eine Beschrän-kung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, verboten. Nachfolgend soll zunächstder Tatbestand einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung näher erläutert wer-den.
I. Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen
Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen zwischen Unternehmen i.S.d. Art. 101 IAEUV bzw. § 1 GWB können in den verschiedensten Formen auftreten. Eine grundle-gende Differenzierung basiert auf der Unterscheidung zwischen horizontalen und verti-kalen Vereinbarungen. Der Begriff der Vereinbarung geht dabei über den Begriff deszivilrechtlichen Vertrags hinaus, da es hier nicht auf den Rechtsbindungswillen der Par-teien ankommt.4 Ausschlaggebend ist vielmehr der, zum Ausdruck gebrachte, überein-stimmende Wille der Parteien, hinsichtlich Ihres wettbewerbsrelevanten Verhaltens.5 Der Begriff der Wettbewerbsbeschränkung ist dagegen viel diskutiert. Im Kern stehen sichhier zwei grundverschiedene Betrachtungsweisen gegenüber. Aus Sicht des Eu GH, undauch auf Ebene der deutschen Gerichte, ist ein funktionierender Wettbewerb maßgeb-lich dadurch gekennzeichnet, dass ein Unternehmen seine Marktparameter (z.B. den Preis) autonom festlegen kann (Selbständigkeitspostulat).6 Demnach liegt die wettbe-werbsbeschränkende Wirkung einer Vereinbarung nach dieser Auffassung immer dannvor, wenn die Handlungsfreiheit eines Marktteilnehmers eingeschränkt wird und sichdies spürbar nachteilig auf die Marktverhältnisse auswirkt.7 Demgegenüber ist eine neu-ere Ansicht eher auf die Erreichung von bestimmten Marktergebnissen, und damit eherauf den Schutz Dritter, fokussiert (more economic approach). Nach dieser Ansicht solldas Wettbewerbsrecht unmittelbar auf das Ziel einer verbraucherorientierten Steigerung wirtschaftlicher Effizienz ausgerichtet werden.8 Die EU-Kommission verfolgt dagegen eine vermittelnde Auffassung. Danach liegt der Fokus auf der eingeschränkten Hand-lungsfreiheit der Beteiligten Unternehmen lediglich bei sogenannten Kernbeschränkun-gen. Bei allen anderen Konstellationen steht die Beurteilung der, mit der fraglichen Maß-nahme verbundenen, Auswirkungen auf Dritte im Mittelpunkt.9 Im Anschluss soll nun die Unterscheidung zwischen horizontalen und vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen nä-her betrachtet werden.
1. Horizontale Wettbewerbsbeschränkungen
Unter horizontalen Wettbewerbsbeschränkungen versteht man wettbewerbsschädliche Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die miteinander im Wettbewerb stehen, mithinalso auf demselben Markt tätig sind. Die Bandbreite von horizontalen Wettbewerbsbe-schränkungen ist sehr hoch, angefangen vom Preiskartell bis hin zur Forschungs- und Entwicklungskooperation. In jedem Fall verboten gemäß Art. 101 I AEUV bzw. § 1 GWBsind Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern, die ausschließlich eine Festsetzung ein-heitlicher Preise oder Kunden- und Gebietsaufteilungen zum Gegenstand haben.10
2. Vertikale Wettbewerbsbeschränkungen
Als vertikale Vereinbarungen werden dagegen Vereinbarungen zwischen Unternehmenbezeichnet, die in aufeinander vorgelagerten beziehungsweise nachgelagerten Wirt-schaftsstufen tätig sind. Der Standardfall einer vertikalen Vereinbarung ist der Lieferver-trag zwischen Hersteller und Abnehmer. Vertikale Vereinbarungen werden im Allgemei-nen weniger streng beurteilt, weil Sie oftmals für den Wettbewerb zwischen den Marken(Inter-brand-Wettbewerb) auch förderlich sein können.11 Enthalten diese, kartellrechtlichgrundsätzlich unbedenklichen, Vereinbarungen jedoch Klauseln, durch die eine Partei in Ihrer wettbewerblichen Handlungsfreiheit beschränkt wird, wird diese als wettbewerbs-beschränkende Vereinbarung vom Anwendungsbereich des Art. 101 I AEUV bzw. § 1GWB erfasst. Eine prominente Fallgruppe von vertikalen Wettbewerbsbeschränkungenstellen, in diesem Zusammenhang, vertikale Preisbindungen in den unterschiedlichsten Ausprägungen dar. Hier spricht man auch von einer Preisbindung der zweiten Hand.Nachfolgend soll diese Untergruppe von vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen nocheinmal genauer erläutert werden.
II. Vertikale Preisbindungen
Die Preisbindung der zweiten Hand ist ein klassischer Anwendungsfall im Hinblick aufdas Vorliegen einer vertikalen Wettbewerbsbeschränkung. Hierdurch wird eine Vertrags-partei in einem Erstvertrag dazu verpflichtet, bestimmte Preisvorgaben in Zweitverträgen mit Dritten (z.B. Verbraucher) zu beachten. Solche Vereinbarungen können beispiels- weise die Festsetzung von Höchstpreisen oder auch die Vorgabe von Fest- oder Mindestpreisen beinhalten. Der Begriff des Preises ist, im Rahmen einer solchen Vereinbarung, sehr weit auszulegen. Erfasst wird hier auch jegliche direkte oder indirekte Einwirkung auf das Preisniveau.12 Eine potentielle Folge derartiger Preisvorgaben ist die Ausschaltung des Preiswettbewerbs innerhalb derselben Marke (intra-brand Wettbewerb).13 Nachfolgend soll noch einmal genauer auf die Differenzierung zwischen Höchstpreisund Mindest- bzw. Festpreisbindungen eingegangen werden.
1. Höchstpreisbindungen
Durch eine Höchstpreisbindung verpflichtet sich eine beteiligte Partei, bei der Veräuße-rung der Waren, bestimmte Verkaufspreise nicht zu überschreiten. Diese Variante der Preisbindung stellt zwar regelmäßig eine Wettbewerbsbeschränkung nach Art. 101 IAEUV bzw. § 1 GWB dar, wird aber in aller Regel über die Anwendung von Art. 101 IIIAEUV bzw. § 2 II GWB i.V.m. der Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung (nachfol-gend: Vertikal-GVO) vom Kartellverbot freigestellt. Der Hauptgrund für die Möglichkeitder Freistellung liegt darin, dass sich Höchstpreisbindungen in aller Regel zum Vorteildes Endverbrauchers auswirken.14 Umstritten ist jedoch, ob es bei sehr niedrig ange-setzten Höchstpreisen, welche bei realistischer Betrachtung nicht unterschritten werdenkönnen, nicht auch um faktische Fest- oder Mindestpreisbindungen handelt.15
2. Fest- oder Mindestpreisbindungen
Liegt eine Fest- oder Mindestpreisbindung vor, so verpflichtet sich der Abnehmer gegen-über dem Lieferanten bzw. dem Hersteller einen bestimmten Veräußerungspreis z.B.gegenüber dem Endkunden nicht zu unterschreiten. Dies ist häufig bei Vertriebsstruktu-ren im Bereich von Markenartikeln zu beobachten. Hierdurch soll, in gewisser Hinsicht,eine Art Qualitätsstandard gesichert werden.16 Fest- oder Mindestpreisbindungen derzweiten Hand stellen ebenfalls grundsätzlich eine vertikale Wettbewerbsbeschränkungi.S.v. Art. 101 I AEUV bzw. § 1 GWB dar. Im Gegensatz zur Höchstpreisbindung, sindvertikale Mindest- und Festpreisbindungen nicht gemäß Art. 101 III AEUV bzw. § 2 IIGWB i.V.m. der Vertikal-GVO vom Kartellverbot freigestellt. Eine alternative Einzelfrei-stellung der betroffenen Vereinbarung bleibt dennoch möglich. Im weiteren Verlauf die-ser Arbeit wird es insbesondere um die kartellrechtliche Beurteilung von vertikalen Preis-bindungen von Händlern, im Zusammenhang mit Rabattaktionen des Herstellers, gehen.
3. Preisbindungen durch Rabattaktionen
Die Vereinbarung von Preisbindungen, im Zusammenhang mit Rabatt- oder spezifischen Verkaufsförderaktionen, ist zwar eine spezielle Sub-Kategorie einer vertikalen Preisbindung, jedoch für die vorliegende Arbeit von hoher Relevanz.
a) Charakter und Merkmale von Rabattaktionen
Unter einem Rabatt wird üblicherweise ein, sofort von der Ware bzw. Dienstleistung ab-zuziehender, Preisnachlass verstanden.17 Neben hohen Einkaufsmengen kann z.B.auch die Übernahme bestimmter Aufgaben in der Vertriebskette durch den Händler An-lass für die Gewährung eines Rabatts sein. Im Rahmen von vertikalen Preisbindungen,sind beispielsweise sogenannte Funktionsrabatte zu erwähnen. Hier wird dem Abneh-mer eine implizite Vergütung für die Übernahme eines Teils der Handelsfunktionen im Distributionssystem gewährt. Darüber hinaus zeichnet sich eine Rabattaktion in der Re-gel durch die Gewährung von Rabatten innerhalb eines beschränkten Zeitraums aus.Dies geschieht oft auch in Kombination mit einer Limitierung des privilegierten Produktsoder der privilegierten Dienstleistung. Rabatte und Boni unterliegen in gleicher Weisedem europäischen und deutschen Kartellrecht, wie die Preise selbst. Somit kann esdurchaus auch zu einer Preisbindung der zweiten Hand, aufgrund der reinen Gewährungvon Rabatten, kommen.18 Jedoch sind sogenannte Funktionsrabatte, die als Kompen-sation bzw. Gegenleistung für die Erbringung einer bestimmten qualitativen Leistung des Vertragspartners gewährt werden, kartellrechtlich grundsätzlich unbedenklich.19
b) Möglicher Einfluss auf die Preisbindung
Je nach Ausprägung des gewährten Rabatts, kann es zu unterschiedlichen Ausprägun-gen einer vertikalen Preisbindung kommen. Eine Rabattaktion kann einerseits zu einer Fest- oder Mindestpreisbindung führen. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn der Hersteller mit dem Abnehmer, unter Gewährung eines Funktionsrabatts, vereinbart, ei-nen spezifischen Fest- oder Mindestpreis nicht zu unterschreiten.20 Der entsprechende Funktionsrabatt wird dabei nicht an den Endverbraucher weitergegeben. Auf der ande-ren Seite gibt es Fälle, wo der Hersteller mit dem Händler vereinbart eine erhöhte Mengedes gleichen Produkts zum gleichen Preis wie die Normalmenge zu verkaufen. Hier wirktdie vertikale Vereinbarung wie eine Höchstpreisbindung. In diesem Fall wird der entspre-chende Rabatt letzten Endes an den Verbraucher weitergegeben.21
III. Bezweckte oder bewirkte Wettbewerbsbeschränkungen
Kartellrechtlich ist des Weiteren von Bedeutung, ob eine Wettbewerbsbeschränkung be-zweckt oder bewirkt wird. Für die Unterscheidung kommt es dabei maßgeblich auf den Inhalt der in Frage stehenden Vereinbarung an. Es ist nicht erforderlich, dass die ent-sprechende Maßnahme auch bereits in die Praxis umgesetzt wurde.22 Eine Wettbe-werbsbeschränkung gilt als bezweckt, wenn der entsprechenden Vereinbarung objektiveine wettbewerbsbeschränkende Tendenz inne wohnt.23 Das sind in der Regel Verein-barungen, die Ihrem Wesen nach typischerweise schädlich für den Wettbewerb sind.24 Auf die Vorstellungen und den Willen der beteiligten Parteien kommt es dabei grund-sätzlich nicht an.25 Wird einer bestimmten Vereinbarung kein wettbewerbsbeschränken-der Zweck beigemessen, muss eine Prüfung erfolgen, ob diese eine Wettbewerbsbe-schränkung bewirkt hat. Hierbei kommt es alleine auf die tatsächlichen bzw. potentiellen Effekte der Vereinbarung auf den Wettbewerb an. Diesbezüglich wird das Bewirken an-hand der fiktiven Wettbewerbsverhältnisse, die ohne die entsprechende Vereinbarungbestünden, geprüft. Der Eu GH bezieht sich, in seiner Definition von einer bewirkten Wett-bewerbsbeschränkung, vor allem auf das Wettbewerbsergebnis.26
IV. Spürbarkeit von Wettbewerbsbeschränkungen
Neben den weiter oben beschriebenen, normierten Tatbestandsmerkmalen zur Prüfungeines Kartellverbots, ist, nach ständiger Rechtsprechung, zusätzlich das ungeschrie-bene Tatbestandsmerkmal der Spürbarkeit einer Wettbewerbsbeschränkung zu prü-fen.27 Somit stellt die Spürbarkeit einer Wettbewerbsbeschränkung ein materiell-rechtli-ches Tatbestandsmerkmal dar, welches zwingend erfüllt werden muss.28 Hierbei handeltes sich um eine sogenannte De-minimis-Regel mit der in erster Linie Bagatellkartellevom Kartellverbot ausgenommen werden sollen.29 Primär soll damit eine unangemessenweite Ausdehnung des Anwendungsbereichs von Art. 101 I AEUV bzw. § 1 GWB ver-mieden werden.30 Spürbarkeit bedeutet in diesem Zusammenhang, dass von der Wett-bewerbsbeschränkung erkennbare Auswirkungen auf Dritte ausgehen müssen.31 Hier-bei werden vergleichsweise die Handlungsalternativen betrachtet, die den Betroffenenbei uneingeschränktem Wettbewerb offen stehen würden.
[...]
1 Kling/Thomas, Kartellrecht, § 12, Rn. 1
2 Walter, Die Preisbindung der zweiten Hand, S. 4
3 Kling/Thomas, Kartellrecht, § 12, Rn. 8; Lettl, WRP 2011, 710, 712
4 Krauß/Langen/Bunte, Deutsches Kart R, § 1 GWB, Rn. 64 ff.
5 Kling/Thomas, Kartellrecht, § 5, Rn. 54
6 Emmerich, Kartellrecht, S. 54, Rn. 29
7 Emmerich, Kartellrecht, S. 57, Rn. 36
8 Emmerich, Kartellrecht, S. 57, Rn. 36
9 Emmerich, Kartellrecht, S. 57, Rn. 36
10 Kling/Thomas, Kartellrecht, § 19, Rn. 97
11 Kling/Thomas, Kartellrecht, § 5, Rn. 95
12 Lettl, Kartellrecht, § 2, Rn. 77
13 Walter, Die Preisbindung der zweiten Hand, S. 1
14 Braun/Langen/Bunte, EU-Kart R, Nach Art. 101 Fallgruppen, Rn. 450
15 Braun/Langen/Bunte, EU-Kart R, Nach Art. 101 Fallgruppen Rn. 451; a.A. Ellger/Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbs R, Art. 4 Vertikal-GVO, Rn. 23
16 Lettl, WRP 2011, 710,735
17 Meßmer/Bernhard, BB 2014, 2499
18 Meßmer/Bernhard, BB 2014, 2499
19 Meßmer/Bernhard, BB 2014, 2499, 2500
20 OLG Celle, 13 U 124/15 (Kart) v. 07.04.2016 - „Almased Vitalkost“
21 BGH KZR 3/02 v. 08.04.2003 - „1 Riegel extra“
22 Krauß/Langen/Bunte, Deutsches Kart R, § 1 GWB, Rn. 183
23 Zimmer/Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbs R, § 1 GWB, Rn. 131
24 Kuhn, ZWe R 2014, 143, 144
25 Eu GH Wu W/E EU-R 2696 Rn. 37 - „Allianz Hungaria“
26 Eu GH C-382/12 P v. 11.09.2014 - „Master Card“
27 Ständige Rechtsprechung z.B. Eu GH, Urt. V. 9.7.1969, C-5/69, Rn. 7 - Völk/Verwaecke; Krauß/Lan-gen/Bunte, Deutsches Kart R, § 1 GWB, Rn. 184
28 Grave/Nyberg/LMRKM, Kart R, Art. 101 I AEUV, Rn. 290
29 Emmerich/Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbs R, Art. 101 I AEUV, Rn. 142
30 Grave/Nyberg/LMRKM, Kart R, Art. 101 I AEUV, Rn. 288
31 Lettl, WRP 2011, 710, 716
- Arbeit zitieren
- Jörg Beschoner (Autor:in), 2018, Spürbarkeit vertikaler Preisbindungen durch Rabattaktionen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/431127
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