Die perforierte Stadt als neues städtebauliches Leitbild in Ostdeutschland?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

29 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Ursachen und Folgen des Wohnungsleerstandes ostdeutscher Städte
2.1 Stadtentwicklung in Ostdeutschland
2.2 Theoretische Überlegungen zur Nachfrageorientierung am Wohnungsmarkt
2.3 Die Situation des Wohnungsmarktes ostdeutscher Städte
2.4 Folgen des Leerstandes

3. Die „perforierte Stadt
3.1. Stadtstruktur der „europäischen Stadt“
3.2 Definition „perforierte Stadt“ – Wie stellt sich die „perforierte Stadt“ in Ostdeutschland dar?
3.3 Das Konzept der „perforierte Stadt“ als Leitbild für Städte in Ostdeutschland?
3.4 Konkrete Überlegungen zum Stadtumbau

4. Abschließende Bemerkungen unter Berücksichtigung möglicher Vorgehensweisen zur Umsetzung von Stadtentwicklungskonzepten

Literatur

1. Einleitung

Die ostdeutschen Städte stehen nach zehn Jahren des Neu- und Umbaus und der Sanierung vor neuen Herausforderungen. Das Problem des Wohnungsleerstandes betrifft die Mehrzahl der Städte in den neuen Bundesländern. An Stadtplaner und Städtebauer richtet sich die Forderung, der Leerstandsproblematik heilsam und nachhaltig entgegenzuwirken. Dabei bietet das Konzept der „perforierten Stadt“ ein interessantes Beispiel für eine städtebauliche Leit- und Zielvorstellung.

Bevor jedoch in dieser Arbeit auf die „perforierte Stadt“ eingegangen wird, möchte ich in einem ersten Teil den Problemhintergrund - die Entwicklung der Städte und die derzeitige Situation – darstellen. Der erste große Abschnitt der Arbeit (Ursachen und Folgen des Wohnungsleerstandes ostdeutscher Städte) ist grundsätzlich als Fundament für den anschließenden Teil (Die perforierte Stadt) zu verstehen jeweils unter Berücksichtigung der Fragestellung „Kann das Konzept der „perforierten Stadt“ als städtebauliches Leitbild für Ostdeutschland gelten?“. Wichtig erscheint es mir dabei auch, kurz einige theoretische Überlegungen zur Nachfrageorientierung am Wohnungsmarkt zu beleuchten, um die Ursachen für fehlendes Nachfrageverhalten der Bevölkerung an Wohnungen zu verstehen. Die Situation des Wohnungsmarktes ostdeutscher Städte derzeit sowie die Folgen des Leerstandes, durch die städtebauliche Konzepte, wie das der „perforierten Stadt“, notwendig werden, werden in den anschließenden Teilkapiteln veranschaulicht.

Im zweiten Teil der Arbeit (Die perforierte Stadt) gehe ich zunächst auf den Begriff der „Europäischen Stadt“ ein, um eine grundsätzliche Zielvorstellung über die gewünschte und angestrebte Stadtstruktur vorzugeben. Daran schließt sich die Definition des Begriffs „perforierte Stadt“ sowie eine Darstellung der „perforierten Stadt“ im Sinne stadtplanerischer und städtebaulicher Vorstellungen an. Wie geht dieses Konzept mit der Leerstandsproblematik um, bietet es einen realistischen Lösungsvorschlag, ein Leitbild, das ostdeutsche Städte anwenden können, um einen sinnvollen Stadtumbau zu gestalten? Diese Fragen sollen unter Berücksichtigung der Wohnungsmarktprobleme im Folgenden beantwortet werden. In einem letzten Teilkapitel wird auf den Stadtumbau eingegangen, der eine dauerhaft hohen Wohn- und Lebensqualität in den ostdeutschen Städten schaffen bzw. wiederherstellen soll.

Im Rahmen abschließender Bemerkungen werden mögliche Vorgehensweisen zur Umsetzung von Stadtentwicklungskonzepten dargestellt. Dabei möchte ich versuchen, die Frage nach der Tragfähigkeit und Umsetzungsfähigkeit des Konzeptes der „perforierten Stadt“ als neues städtebauliches Leitbild in Ostdeutschland zu beantworten.

2. Ursachen und Folgen des Wohnungsleerstandes ostdeutscher Städte

2.1 Stadtentwicklung in Ostdeutschland

Im Kontext des Transformationsprozesses standen ostdeutsche Städte und Gemeinden nach dem Zusammenbruch der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) auch im Bereich der Stadtentwicklung, Stadtplanung und Wohnungswirtschaft vor großen Herausforderungen. Zu Zeiten der DDR waren Immobilien weitestgehend in staatlichem Besitz, Kapitalanlagen wurden staatlich kontrolliert und kommunale Unabhängigkeit blieb ausschließlich eine formale Regelung, die allerdings faktisch nicht gewährleistet war (vlg. Häussermann 1996, S.214). Die Regierung der DDR verfolgte das Ziel, Stadtstrukturen sowie städtische Lebens- und Wohnbedingungen zu standardisieren und zu homogenisieren.

Nach der deutschen Wiedervereinigung stellte man schnell fest, dass sich im Rahmen des Transformationsprozesses bisher aus der Bundesrepublik bekannte stadtplanerische und städtebauliche Bedingungen und Leitlinien nicht ohne weiteres in die Städte der ehemaligen DDR übertragen ließen. In der sozialistischen DDR resultierten Stadtstrukturen aus zentral beschlossenen politischen Entscheidungen, die im Gegensatz zu städtischen Entwicklungsprozessen stehen, welche von Interessen gewinnorientierter (Städtebau- und Wohnungsbau-)Unternehmen sowie Privateigentümer geprägt waren. Somit stellten sich Stadtentwicklungen in kapitalistischen und marktwirtschaftlichen Systemen als ein Ergebnis von Kompromissen zwischen privaten und öffentlichen Interessen dar – im sozialistischen System wurden Investitionen allein durch staatliche Interessen der Zentralregierung geprägt. In diesem Zusammenhang fällt es schwer, hinsichtlich ostdeutscher Städte überhaupt von Stadtentwicklung zu sprechen, da dieser Begriff normalerweise einen Prozess impliziert, in dem die Handlungen unterschiedlicher, voneinander unabhängiger Akteure nur teilweise oder kaum von staatlicher Seite aus lenkt werden (vgl. Häussermann 1996, S.216).

Als Schlüsselmerkmale lassen sich folgende Aspekte zusammenfassen: Eine sozialistische Stadt wird durch ein geplantes Stadtzentrum dominiert, in dem öffentliche Einrichtungen konzentriert angesiedelt sind. Die Bevölkerung lebt zumeist in der Stadt, so dass sie eine kompakte Einheit bildet und nur geringfügig durch Wanderungen in Stadtrandsiedlungen betroffen ist[1]. Quartiere, deren Gebäude noch aus der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg stammen, zeigen sichtbare Spuren des Verfalls – oftmals bleiben Kriegszerstörungen unbeseitigt. Segregationsprozesse, die in marktwirtschaftlich funktionierenden Städten zu beobachten sind, bleiben in der sozialistischen Stadt aus; jedoch findet eine Diskriminierung hinsichtlich politischer Gegner statt. Im Entscheidungsprozess auf lokaler Eben wirken lediglich die (eine) Partei, die zentrale Regierung und die staatlich gelenkte Industrie zusammen. Lokale und kommunale Selbstverwaltung findet nicht statt (vgl. Häussermann 1996, S.222).

Seit der Wiedervereinigung werden ostdeutsche Städte besonders mit dem großen Problem des Wohnungsleerstandes konfrontiert. Der Leerstand von Wohnungen ist jedoch kein grundsätzlich neues Phänomen – bereits in den achtziger Jahren wurde der in der DDR herrschende Wohnungsmangel von Wohnungsleerstand begleitet, der vorrangig aus schweren baulichen und somit qualitativen Mängeln resultierte, die zum Teil sogar zur Unbewohnbarkeit führten. (vgl. Empirica 2001, S.42). Bereits 1990 waren etwa 400.000 Wohnungen in den ostdeutschen Bundesländern unbewohnbar. Derzeit wird der Wohnungsleerstand mit einer Million Wohnungen angegeben, von denen nur noch ca. die Hälfte am Wohnungsmarkt angeboten werden (vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen 2000: S.3).

Das Problem betrifft besonders die Altbaubestände in Innenstädten sowie den zu DDR-Zeiten industriell gefertigten Wohnungsbestand („Plattenbauten“).

2.2 Theoretische Überlegungen zur Nachfrageorientierung am Wohnungsmarkt

Bevor nun auf die maßgeblichen Ursachen des Wohnungsleerstandes in ostdeutschen Städten eingegangen wird, werden zunächst einige wesentliche, generelle Aspekte im Hinblick auf den Vermarktungsprozess von Wohnungen angeführt. Zum einen sind Wohnungen für eine lange Zeit potentiell marktwirksam. Nutzerwechsel sowie die Existenz von Gebrauchsmärkten resultieren aus dieser kontinuierlichen Präsenz am Wohnungsmarkt. In einem kurzen, überschaubaren Zeitabschnitt verändern Zu- und Abgänge den Gesamtbestand nur geringfügig. Änderungen der Nachfrage schlagen sich quantitativ wie qualitativ erst verzögert auf den Bestand nieder. Relativ ermöglichen sowohl lange Nutzungsdauern als auch hohe Produktionskosten nur einen geringen Kapitalumschlag. Aufgrund eines in Relation zum Kapitaleinsatz geringen niedrigen Nutzungsentgeltes erhöht sich das Investitionsrisiko; eine rasche Reaktion auf Marktveränderungen ist kaum möglich. Um die Vermietbarkeit zu sichern, sind Anpassungen des Produktes notwendig, da sich im Zeitablauf Nachfragekriterien sowie das Nachfrageverhalten verändern (vgl. Jenkis 1994, S.23).

Die Nachfrage der Mietsuchenden wiederum hängt zum einen von der Entwicklung der Haushaltszahlen, zum anderen von der Haushaltsstruktur ab. Aufgrund demographischer Entwicklungen und Veränderungen hinsichtlich der Formen des Zusammenlebens[2] verändern sich Nachfragegruppen, auch Einzelpersonen treten als Nachfrager auf. Das Einkommenswachstum wirkt sich einscheidend auf die Nachfrageentwicklung aus, sobald die wohnungssuchende Person über eine entsprechende Kaufkraft verfügt. Sowohl Haushaltbildungen und –auflösungen schlagen sich im Kontext haushaltinterner Nachfragegründe nieder als auch familienzyklische Vorgänge, wie Familiengründungen, Familienwachstum und schließlich in der Degressionsphase das Verlassen des elterlichen Haushalts durch die Kinder. Räumliche Veränderungen, die z.B. durch die Annahme eines neuen Arbeitsplatzes bedingt sind, spielen eine zusätzliche Rolle im Hinblick auf Nachfrageentwicklungen am Wohnungsmarkt. Hinsichtlich der Wohnkosten beeinflussen zum einen die Wohnkostenbelastung zum anderen mögliche Einkommenserhöhungen oder auch –einbußen das Verhalten bei der Wohnungsnachfrage. Die Qualität der angebotenen bzw. bewohnten Objekte führt zu einer subjektiven Wahrnehmung des Wohnwertes, die eine Veränderung der Nachfrage am Wohnungsmarkt auslösen kann (vgl. Jenkis 1994, S. 30f.).

Wohnungsnachfrage und Stadtentwicklung stehen in direkter Wechselwirkung: „Das Image ganzer Stadtteile kann sich in kurzer Zeit verändern, sowohl verbessern, z.B. durch Aufwertung der Bausubstanz, Wohnumfeldverbesserung, Funktionsanreicherung, Verbesserung der Infrastruktur, Grünanlagen oder Umweltschutzmaßnahmen, als auch verschlechtern, z.B. durch Verkehrsbauten, Lärmbelastung, Vernachlässigung der Modernisierung, Verlust an Funktionen, soziale Segregation usw.“ (Petzold 2001, S.4). Die Zusammenhänge zwischen den theoretischen Grundlagen im Bereich des Wohnungsmarktes bzw. der -nachfrage und Stadtentwicklungskonzepten sollen im Folgenden vor dem Hintergrund der Leerstandsproblematik in Ostdeutschland veranschaulicht und erläutert werden. Die beispielhaft angeführten Faktoren, die das Stadt(teil)image beeinflussen geben einen Ausblick auf Herausforderungen an Stadtplaner und Entscheidungsträger in betroffenen Städten.

2.3 Die Situation des Wohnungsmarktes ostdeutscher Städte

In Ostdeutschland stehen insgesamt etwa 1 Mio. Wohnungen leer. In den 140 Städten mit einer Bevölkerungszahl von über 15.000 sind mehr als zwei Drittel des Leerstands vorzufinden. Die ostdeutschen Städte lassen sich in drei Kategorien einteilen:

[...]


[1] Suburbanisierung fand zumeist nur in Folge der Neuerrichtung einer Plattenbausiedlung statt.

[2] in Richtung von Einpersonen (Single) -Haushalten

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Die perforierte Stadt als neues städtebauliches Leitbild in Ostdeutschland?
Hochschule
Universität Osnabrück  (Fachbereich Geographie)
Veranstaltung
Hauptseminar: Wohnungsmarktprobleme in Ostdeutschland
Note
1,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
29
Katalognummer
V4311
ISBN (eBook)
9783638126748
Dateigröße
556 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die ostdeutschen Städte sind von dem Problem des Wohnungsleerstandes sehr stark betroffen. Das Konzept der perforierten Stadt bietet einen Weg, offensiv und realistisch mit der Situation umzugehen und einen zukunftsfähigen Stadtumbau zu betreiben. 362 KB
Schlagworte
Ostdeutschland, Wohnungsleerstand, Stadtumbau, Stadtplanung
Arbeit zitieren
Kathrin Woltering (Autor:in), 2002, Die perforierte Stadt als neues städtebauliches Leitbild in Ostdeutschland?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/4311

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