Marguerite Duras' "La Douleur". Ein Werk der Ecriture Féminine


Hausarbeit, 2012

14 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Ecriture Féminine
2.1 Charakteristik der Ecriture Féminine
2.2 Weibliche und Männliche Erzählstrategien
2.3 Formen und Funktionen der Bewusstseinsdarstellung aus Geschlechterkritischer Perspektive

3. La Douleur von Marguerite Duras als Werk der Ecriture Féminine
3.1 Syntax und Wortschatz
3.2 Weibliches Schreiben in La Douleur
3.3 Weibliches Erinnern in La Douleur

4. Schlussteil

5. Bibliographie

1. Einleitung

Im Rahmen meiner Hausarbeit befasse ich mit dem Thema der é criture f é minine. Es gibt verschiedene Möglichkeiten einen Text, wie zum Beispiel die Autobiographie La Douleur von Marguerite Duras auf verschiedene Aspekte hin zu untersuchen. So zum Beispiel kann man Duras' Autobiographie aus geschlechterkritischer Perspektive analysieren. Bis heute gibt es Versuche Erzählstrategien einem Geschlecht zuzuordnen und so unterscheidet man innerhalb der Gender Studies unter anderem zwischen männlichen und weiblichen Erzählstrategien. Einen literarischen Text kann man nicht nur inhaltlich analysieren, sondern in erster Linie auch sprachlich. Indem man sich mit der Oberfläche eines literarischen Textes befasst, kann man Unterschiede zwischen männlichem und weiblichem Schreiben in der Sprache herausarbeiten.

Die é criture f é minine als literarisches Konzept wurde vor allem Anfang der siebziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts von Hélène Cixous, einer führenden Theoretikerin des französischen Feminismus, geprägt. Neben dem Konzept der é criture f é minine gibt es das Modell des parler femme, in dessen Zentrum der Überlegungen die Einteilung in zwei Geschlechter steht und der Auffassung, dass es trotz allem das männliche Geschlecht ist, welches als universeller Bezugspunkt diene.

Was ich zum jetzigen Zeitpunkt schon vorwegnehmen möchte, ist, dass sich in La Douleur von Marguerite Duras eine besondere Form des weiblichen Schreibens wiederfindet, was speziell durch die Art und Weise, wie Marguerite Duras von ihren traumatischen Erlebnissen in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg, in der sie darauf wartet, dass ihr Mann Robert L. aus dem deutschen Konzentrationslager zurückkehrt, zum Ausdruck gebracht wird. Wie sich diese besondere Form des weiblichen Schreibens auf einer sprachlichen Ebene, zum Beispiel in Syntax und Wortschatz widerspiegelt erläutere ich einem praktischen Teil meiner Hausarbeit. Ferner stelle ich mir die Fragen welche weiblichen Erzählstrategien sich in La Douleur wiederfinden und was das weibliche Erinnern in dieser Autobiographie kennzeichnet.

2. Ecriture Féminine

2.1 Charakteristik der Ecriture Féminine

Der Begriff der é criture f é minine impliziert ein feministisches literarisches Konzept welches Anfang der siebziger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts in Frankreich durch führende Theoretikerinnen des französischen Feminismus geprägt wurde. Zu diesen führenden Theoretikerinnen gehört vor allem Hélène Cixous, die mit ihrem theoretischen Text 'The Laugh of the Medusa' den Begriff der é criture f é minine erstmals in Spiel brachte. Dort erklärt sie: „Woman must write her self: must write about women and bring women to writing, from which they have been driven away as violently as from their bodies”.1 Damit verdeutlicht Hélène Cixous, dass sie die symbolische Ordnung, in der man als Frau keinen Platz hat, überwinden und das Imaginäre wiederendecken möchte. Um dies zu erreichen erklärt Cixous, kehrt man zu der Phase zurück, in der man noch nicht Teil der symbolischen Ordnung gewesen ist. Es findet ein Prozess weiblicher Selbstfindung statt, durch welchen man den Weg zurück zum weiblichen Körper findet. Das Konzept der é criture f é minine steht somit in klarem Kontrast zu der strukturalistischen Narratologie, bei der das Ordnungssystem im Zentrum der Überlegungen steht.2

Das Modell der é criture f é minine versucht sich von Klassifizierungen und hierarchischen Strukturen abzuwenden, womit auch hier erneut der Kontrast zum Struksturalismus deutlich wird. Charakteristisch für die é criture f é minine ist folglich, dass im Mittelpunkt dieses Konzeptes weder eine Kategorisierung, noch eine Grenzziehung steht, sondern das Prinzip der Entgrenzung. Des Weiteren betont Cixous die Konstrukthaftigkeit des Geschlechts.3 Sie spricht von einem sozialen Geschlecht und unterscheidet zwischen einer économie féminine und einer économie masucline, welches nach Auffassung von Cixous nicht an das biologische Geschlecht gebunden ist.4

Ein verwandtes Konzept der é criture f é minine ist das parler femme, welches durch Luce Irigary5 geprägt wurde. Luce Irigary ist eine französische feministische Psychoanalyterikerin, die davon ausgeht, dass trotz der Einteilung in zwei Geschlechter nur das männliche Geschlecht als universeller Bezugspunkt diene. Sowohl beim Konzept der é criture f é minine als auch bei dem des parler femme stehen textuelle Strukturen im Mittelpunkt. Um sich den textuellen Strukturen zu nähern, versucht man sich von einem strukturierenden Begriff abzuwenden.

Neben Cixous und Irigary versuchte auch Marguerite Duras, eine französische Schriftstellerin, Drehbuchautorin und Filmregisseurin, den Begriff der é criture f é minine für andere transparent zu machen und definiert die é criture f é minine als:

[...] an organic, translated writing... translated from blackness, from darkness. Women have been in darkness for centuries. They don't know themselves. Or only poorly. And when women write, they translate this darkness. [...] Men don't translate. They begin from a theoretical platform that is already in place, already elaborated. The writing of women is really translated from the unknown, like a new way of communicating rather than an already formed language.6

Hier wird deutlich, dass Duras versucht, ähnlich wie Irigary und Cixous die Unterschiede zum männlichen Schreiben zu verdeutlichen. Auch zeigt sie hier kurz und prägnant die Charakterisitiken der é criture f é minine auf und erläutert was ihrer Auffassung nach im Zentrum der Überlegungen dieses theoretischen Modells steht. Dieses Modell wende ich im Hauptteil meiner Hausarbeit auf die Autobiographie La Douleur von Marguerite Duras an.

2.2 Weibliche und Männliche Erzählstrategien

Bis heute gibt es zahlreiche Versuche, Erzählstrategien einem Geschlecht zuzuordnen. So unterscheidet man innerhalb der feministischen iteraturwissenschaft zum Beispiel bezüglich narrativer Texte zwischen männlichen und heterosexuellen Ausdrucksformen. Im Gegensatz dazu soll nach Ansicht vieler feministischer Theoretiker und Theoretikerinnen lyrisches Schreiben dazu dienen, weiblicher Erfahrung Ausdruck zu verleihen.7 So ist zum Beispiel Marilyn R.

Farwell, Professorin an der Universität von Oregon der Meinung, dass man solche Erzählungen als „a system that constructs rather than reflects experience and that […] is already constituted as male and heterosexual“8 auffassen könne.

Es gibt zwei wesentliche Funktionen des Modells des gendering von Erzählstrategien. So zum Beispiel werden durch Robyn R. Warhol die beiden Begriffe feminine - gendered narrative strategy und masculine - gendered narrative strategy geprägt. Mit diesen beiden wichtigen Termini beschreibt Warhol Techniken, die primär in Romanen männlicher und weiblicher Autoren und Autorinnen eingesetzt werden. Ina Schabert, die ebenfalls wie Warhol zwischen männlichem und weiblichem Schreiben unterscheidet, geht davon aus, dass Erzählstrategien von dem jeweilig anderen Geschlecht übernommen werden können, ähnlich wie bei kulturell motivierten Handlungen. So zum Beispiel könne man die Kleidung des anderen Geschlechts übernehmen oder Verhaltensmuster des jeweils anderen Geschlechts kopieren.9

Alison Case verwendet im Gegensatz zu Warhol und Schabert den Begriff der feminine narration, mit dem sie Erzählstrategien beschreibt, von welchen Erzähler und Erzählerinnen Gebrauch machen ohne sich darauf zu beziehen, ob sie von männlichen oder weiblichen Schriftstellern und Schriftstellerinnen geprägt wurden. Ferner ist sie der Auffassung, dass derartige weibliche Erzählinstanzen veranschaulichen, dass man seine eigenen Erfahrungen umgeformt wiedergibt, wobei man sich der Bedeutung seiner Erzählung aber nicht bewusst ist. Dieses Modell einer weiblichen Erzählweise beschreibt Case als witnessing, welches sie einem männlichen plotting gegenüberstellt. Mit einem männlichen 'plotting' meint Case ein Erzählverfahren, in welchem im Gegensatz zum weiblichen Erzählverfahren die Ausgestaltung der Form und Bedeutung einer Erzählung durch den Erzähler im Mittelpunkt der Überlegungen steht. Case bringt demnach das gendering von Erzählverfahren in Zusammenhang mit dem Geschlecht der Erzählinstanz, verdeutlicht aber, wie auch schon Warhol, dass dieser Prozess der Geschlechtszuschreibung durchbrochen werden kann10:

Certainly not all female narrators in this period are consistently feminine, nor are all feminine narrators female. But […] feminine narration represents the unmarked case for a female narrator, just as narrative confidence, competence, and control do for the male narrator.11

Man kann festhalten, dass sich Warhol mit heterodiegetischen Erzählinstanzen befasst, welche sich dadurch äußern, dass das Geschlecht der Erzählerin unbekannt bleibt und dass sich das gender aufgrund der Art und Weise, wie erzählt wird, manifestiert. Im Gegensatz zu Warhol setzt sich Case mit homodiegetischen Erzählinstanzen auseinander, die sich dadurch erkennbar machen, dass man vorab schon, zum Beispiel durch den Paratext darauf hingewiesen wird, um welches Geschlecht es sich handelt.12

2.3 Formen und Funktionen der Bewusstseinsdarstellung aus Geschlechterkritischer Perspektive

In Frauenromanen findet man oft das Phänomen „einer Abkehr von rein handlungsorientierten Plots und einer Verlagerung hin zur vermehrten Darstellung von Wahrnehmungsprozessen und Bewusstseinsinhalten.“13 Durch eine dem weiblichen Blick entsprechende Perspektivenführung, die mit einem konkreten Frauenschicksal einhergeht, wird weibliches Erleben aufgewertet und der Leser oder die Leserin sieht die Geschehnisse und Erlebnisse mit den Augen einer Frau. Während Frauen häufig als Objekte der Darstellung betrachtet werden, bekommen sie durch das Modell des weiblichen Schreibens eine größere Eigenständigkeit und wachsen oft über die passive Rolle, die ihnen zugeschrieben wird, hinaus, was wiederum zur Folge hat, dass weibliche Subjektivität mit ihren besonderen Erfahrungen in den Vordergrund rückt.

[...]


1 Hélène Cixous: „The Laugh of the Medusa.“ In: Signs 1.4 (1976), S.875-893

2 cf. Vera Nünning und Ansgar Nünning (Hrsg.): Erz ä hltextanalyse und Gender Studies. Stuttgart: J.B. Metzler 2004, S.44

3 Ebd,. S.44

4 cf. Hélène Cixous: „Extrem Fidelity“. In: Susan Sellers (Hg.): The H é l è ne Cixous Reader. London: Routledge 1995, S.131-137.

5 cf. Nünning (Hrsg.) 2004, S.45

6 Leslie Hill: Marguerite Duras: Apocalyptic Desires. London: New York, 1993, S.29

7 cf. Nünning (Hrsg.) 2004, S.152

8 Marilyn R. Farwell: Heterosexual Plots and Lesbian Narratives. New York/London: New York UP 1996, S. 12

9 cf. Ina Schabert: Englische Literaturgeschichte. Eine neue Darstellung aus der Sicht der Geschlechterforschung. Stuttgart: Kröner 1997, S.483

10 cf. Alison Case: Plotting Women. Gender and Narration in the Eighteenth- and Nineteenth Century British Novel. Charlottesville, VA/London: UP of Virginia 1999. S.4-14

11 Ebd., S.6

12 cf. Nünning (Hrsg.) 2004, S.154

13 Nünning (Hrsg.) 2004, S.170

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Marguerite Duras' "La Douleur". Ein Werk der Ecriture Féminine
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (FB 05: Philosophie und Philologie – Romanisches Seminar)
Veranstaltung
Proseminar 2: Trauma und Gewalt, Erinnern und Vergessen in Literatur und Film „d'après-guerre“
Note
2,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
14
Katalognummer
V431059
ISBN (eBook)
9783668739475
ISBN (Buch)
9783668739482
Dateigröße
496 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Marguerite Duras, La Douleur, Ecriture Féminine
Arbeit zitieren
M.Ed. Christopher Domke (Autor:in), 2012, Marguerite Duras' "La Douleur". Ein Werk der Ecriture Féminine, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/431059

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