Buber und Ben Gurion. Ein Streit über den Zionismus


Hausarbeit (Hauptseminar), 2018

13 Seiten, Note: 2,0

Moritz Härtel (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Ben Gurions politischer Zionismus

3. Martin Bubers Kulturzionismus

4. Streitigkeiten zwischen Ben Gurion und Martin Buber

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Wir haben zwei B’s in Israel- Buber und Ben Gurion. Wir wünschten, ersterer würde bei der Philosophie bleiben und letzterer bei der Politik!“ (Friedman, Maurice: Begegnung auf dem schmalen Grat: Martin Buber-Ein Leben, Münster 1999,503.)

Diesen Satz sagte 1960 ein Arzt im Hadassah-Krankenhaus zu dem Autor Maurice Friedman, der später eine Biographie über Martin Buber verfassen sollte. Dieser eine Satz spiegelt das widersprüchliche Verhältnis der beiden Persönlichkeiten Martin Buber und David Ben Gurion wider.

Seit den Jahren der Tempelzerstörung ca. 800 v. Chr. in Jerusalem waren die Juden in einer Situation, in der sie über kein eigenes Land verfügten, sondern stehts in Diaspora Gemeinschaften zusammenlebten. Von der Antike bis zum Ende des 19. Jahrhunderts sahen sich die jüdischen Gemeinschaften immer wieder mit den Situationen konfrontiert vertrieben, geduldet oder, je nach politischer Situation, zeitweise gebraucht zu werden. Es entwickelte sich hierbei der Wunsch zurückzukehren nach Jerusalem und das damit verbundene Ende der Diaspora. Dieser gipfelte in der Strömung des sogenannten Zionismus, zu dessen Vertretern sowohl Martin Buber als auch David Ben Gurion gehörten. Auch, wenn beide ihn unterschiedlich auffassten. So kämpfte Ben Gurion für die Schaffung eines Staates Israel und einer „Heimstätte für das jüdische Volk“. Für Martin Buber ging es lediglich darum zum heiligen Berg Zion zurückzukehren und in einer Koexistenz mit den dortigen arabischen Nachbarn zu siedeln und zu leben.

Schon allein an diesen beiden Personen und ihren Auffassungen des Zionismus wird deutlich, dass es nach wie vor ein heiß diskutiertes und sowohl gesellschaftlich, als auch religiös und politisch heiß umstrittenes Thema ist, welches viel Zündstoff in sich birgt.

In den folgenden Kapiteln werden die unterschiedlichen Standpunkte der beiden „Kontrahenten“ in der innerzionistischen Debatte dargestellt.

Weiterhin soll geklärt werden, in wieweit der hebräische Humanist Buber auf den Realpolitiker Ben Gurion, und anders herum, reagiert hat und welche persönlichen Dimensionen der Streit um die Verwirklichung des Zionismus annahm.

2. Ben Gurions politischer Zionismus

Wer über Zionismus spricht kommt um die Persönlichkeit Ben Gurion, den Staatsgründer Israels, nicht drum herum. Um Ben Gurions Zionismus und die Handlungen zu verstehen, die auf diesem beruhen, ist es wichtig, sich zunächst seinen Hintergrund anzusehen.

Geboren wurde er am 16. Oktober 1886 in Plonsk in Polen als Sohn eines Rechtsanwalts mit dem Namen David Grün. In den Jahren seines Erwachsenwerdens entwickelte er unter anderem durch Schriften Theodor Herzls und den Einfluss seines Vaters, den das jüdische Schicksal stets beschäftigte und mit Freunden diskutierte, ein reges Interesse an zionistischen Ideen. Weiterhin kam er auch mit dem Sozialismus in Berührung, der ihn tief prägte.[1] [2] Er hatte zu späteren Zeitpunkten versucht diesen mit dem Zionismus in Einklang zu bringen, jedoch scheiterte er.

Er übte sich in diesen frühen Jahren als Redner und setzte sich für die Pflege der hebräischen Kultur ein.

Durch Herzl und dem von ihm einberufenen 6. zionistischen Kongress 1903 stellte Ben Gurion zwei Erkenntnisse fest: Zum einen war die zionistische Bewegung stark zersplittert und zum anderen mussten Veränderungen aus dem Inneren des Landes, aus dem die Juden einst vertrieben wurden, geschehen. Generell reagierte er negativ auf den Entwurf, die Heimstätte des jüdischen Volkes in Kenia, der sogenannte „Uganda-Plan“, zu sehen.[3] [4]

1906 war es dann soweit: erstmals setzte er einen Fuß nach Palästina und auf den Boden des Landes, was ihm so verheißungsvoll und als seine wahre Heimat erschien.

In den nachfolgenden Jahren arbeitete er unter anderem auf den Feldern, um sein Auskommen zu finanzieren. Schnell legte er die träumerische Sicht ab, dass in Palästina paradiesische Zustände herrschen würden.

Es war harte Arbeit hier zu leben und obendrein sehr gefährlich, wie Ben Gurion schnell feststellte. Überfälle durch Araber waren in manchen Gegenden zu dieser Zeit keine Seltenheit, außer man hatte Arabische Wächter die sich um den Schutz kümmerten und hohe Preise verlangten.[5] Ben Gurion war sichtlich erbost über die Zustände. Obwohl Palästina offiziell vom Osmanischen Reich regiert wurde, herrschte in der Realität das „Gesetz der Wüste“. Dieses Gesetz ist gleichzusetzen mit dem Recht des Stärkeren und war in Ben Gurions Augen etwas, das so nicht hingenommen werden konnte. Für ihn stand fest, dass, wenn man auf etwas Anspruch in einer rauen Gegend, wie dieser erheben wollte, man darum kämpfen musste. Warum sollten nicht jüdische Wächter, jüdisches Land verteidigen?[6]

An dieser Stelle kristallisiert sich erstmals heraus was für Ben Gurion zentrale Punkte des Zionismus sind: Eigenes Land, eigene Verteidigung, beginnende Souveränität und Respekt.

Er stritt dafür das sich die Dinge verändern mussten und engagierte sich zunehmend politisch. Allerdings waren diese Ansichten noch in einem recht kleinen Rahmen gedacht. Es ging schließlich zunächst nur um das Schützen jüdischer Gemeinden oder Eigentums, aber noch nicht um die konkrete Verwirklichung eines Staates. Geschweige denn, dies aus eigener Kraft zu erreichen.

Die Umstände änderten sich mit dem ersten Weltkrieg in zwei wesentlichen Punkten. Zum einen gab es 1917 die Balfour-Deklaration, in der Großbritannien zur Mandatsmacht in Palästina erklärt wurde. Weiterhin erklärte Großbritannien sich bereit, zu helfen bei der Umsetzung des zionistischen Ziels eine „nationale Heimstätte des jüdischen Volkes“ zu errichten. Auch sollte die Einwanderung von Juden nach Palästina erleichtert werden und war erlaubt.[7] [8] Zum anderen war die Hoffnung, dass Großbritannien Ordnung bringen würde und Konflikte mit den Arabischen Einwohnern friedlich beigelegt werden könnten. Ben Gurion reagierte seltenerweise verhalten auf die Beschlüsse. Im Gegensatz zu vielen seiner Mitstreiter.

Schließlich war man gerade erst von der Osmanischen Herrschaft befreit und fiel nun unter britische. Die Balfour Deklaration markiert darüber hinaus den Punkt, an dem der Zionismus hochpolitisch wird. Verdeutlich heißt dies, das religiöse oder soziale Elemente des Zionismus in den Hintergrund rückten. An dieser Stelle sei hervorgehoben, das von dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der Balfour Deklaration bis zur tatsächlichen Staatsgründung Israels 1948 insgesamt drei politische Phasen erkennbar sind. Jene zeigen die Entwicklung der Ansichten Ben Gurions und des Zionismus.[9]

Die erste Phase von der Balfour Deklaration bis ca. 1929 demonstrierte eindrucksvoll eine Phase voller Hoffnung und letzten Endes Naivität. Auch wenn Ben Gurions Reaktion zurückhaltend war in Bezug auf die Briten, so lässt sich feststellen das auch er eine sehr zügige Umsetzung der Deklaration wünschte. Die Enttäuschung ließ nicht lange auf sich warten.

Zwar hatte Großbritannien versprochen die Einwanderung zu erlauben und zu erleichtern, allerdings konnte man ohne Visum nicht nach Palästina reisen und in der Vergabe war man äußerst sparsam.[10] Auch die Hilfe, die versprochen wurde um eine jüdische Heimstätte zu errichten, erfolgte nicht.

Weiterhin ließ Großbritannien ein ausgehandeltes Abkommen zwischen seinem Kollegen Chaim Weizmann und dem arabischen König Faisal I. platzen. Hintergrund war eine zuvor erfolgte Einigung zwischen Briten und Franzosen über Einflussgebiete.[11]

Als Konsequenz folgten 1920 schwere arabische Aufstände, da man sich von der arabischen Seite ungerecht behandelt fühlte. Dies und die Tatsache, dass eine Mandatsherrschaft nicht im Geringsten dasselbe, wie eine richtige Regierung war, veranlasste Ben Gurion an seiner bisherigen Sicht zur Verwirklichung des Zionismus festzuhalten. Er unterstützte die Haganah, die es sich als eine paramilitärische Untergrundorganisation zur Aufgabe gemacht hat jüdische Siedlungen zu verteidigen.[12] Auch untergrub er bei jeder Gelegenheit die britische Autorität.

Hierbei zeigen sich abermals die wichtigsten Punkte in Ben Gurions Ansichten und seinem Verständnis von Zionismus: eigenes Land, eigene militärische Armee, wachsende Souveränität und Respekt.

Die zweite Phase von 1929-1937 war geprägt von einem Realpolitischen Kurs, sowie die Abneigung und die Enttäuschung, über die britische Mandatsherrschaft und die vorangegangenen Ereignisse. Im Zuge dieser Phase begrenzten die Briten die Einwanderung um die Araber in Palästina, um auch die Nachbarstaaten milde zu stimmen. Dies erzeugte wiederum Unfrieden auf jüdischer Seite. Ben Gurion und andere nahmen das zum Anlass, der britischen Seite Vorhaltungen zu machen und bei Gelegenheit aufs Schärfste zu kritisieren.

An dieser Stelle sei angemerkt, dass Ben Gurion immer noch auf Balfour und deren Umsetzung pochte. Zudem wurde die arabische Frage aufgeworfen und thematisiert. Ben Gurion verfolgte, wie sein Kollege Weizman, weitestgehend das Konzept, das die jüdische Einwanderung solange vorangetrieben würde, bis zwischen jüdischen und arabischen Bevölkerungsteilen ein Gleichgewicht entsteht.[13] [14] Ab diesem Zeitpunkt hätte man nach seiner Ansicht auf Augenhöhe verhandeln und zwei Staaten schaffen können.

Die arabische Frage spielte bei genauerer Betrachtung beim politischen Zionismus eine eher untergeordnete Rolle statt der Erschaffung eines jüdischen Gebietes bzw. Staates in Palästina. Die Peel Kommission die 1937 einen konkreten Teilungsplan zwischen Juden und Arabern, mit einem britischen Korridor vorschlug, scheiterte.[15] An diesem Punkt hätte noch die Möglichkeit bestanden sich friedlich einigen zu können. Da dies abgelehnt wurde bereitete man sich zunehmend auf einen Konflikt mit den Arabern vor, welchen man noch in den 1920er Jahren zu vermeiden gesucht hatte.

In der dritten Phase von 1937-1947, die, die Verwirklichung eines Staates beschreibt, verschärften sich Ben Gurions Ansichten zusehends. Den Stein des Anstoßes gab das Weißbuch von 1939. Es besagte konkret das Landkauf durch Juden eingeschränkt wäre. Des Weiteren ist die jüdische Einwanderung 5 Jahre lang auf ca. 15.000 Menschen im Jahr, und letztlich nicht mehr als 75.000 insgesamt, begrenzt. Anschließend bedürfe es der Erlaubnis der arabischen Mehrheit.[16] [17] Ben Gurion prangerte diesen klaren Verstoß gegen Balfour und die Untragbarkeit der britischen Mandatsmacht an. Die Briten hatten mit dem Weißbuch die Juden in Palästina übergangen und den Plan, zwei separate Staaten zu bilden verworfen.

Die weiterführenden Konsequenzen leiteten bis 1947 das Ende britischer Mandatsmacht ein. Während manche jüdische Gruppen hauptsächlich auf Terror und Gewalt gegen die Briten setzten, nutzte das Lager um Ben Gurion und Weizman eher die politische Weltbühne. Dabei übergingen sie ihrerseits die Briten und wendeten sich bei der Biltmore Konferenz (1942) an die Amerikaner. Hierbei war vor allem Ben Gurion bereit aufs Ganze zu gehen und sich jeder List zu bedienen um seinen Traum von einem richtigen Staat der Juden wahr werden zu lassen.

Die Gräuel des Zweiten Weltkriegs unter anderem gaben geschickten Rednern, wie Ben Gurion, genügend Überzeugungskraft. Am 29. November 1947 verabschiedete die UN- Generalvollversammlung eine Resolution, welche endgültig die Teilung Palästinas in zwei separate Staaten vorsah.[18]

Mit der Verkündung der Gründung Israels am 14. Mai 1948 hatten Ben Gurion und der politische Zionismus sein Ziel erreicht. Das Erreichte musste noch in einem Unabhängigkeitskrieg, gegen die attackierenden arabischen Nachbarn, verteidigt und damit bestätigt werden.

[...]


[1] St.John,Robert: Ben Gurion.Biographie,München 1961. Seite 7-17.

[2] Teveth,Shabtai: Ben Gurion and the Palestinian Arabs. From Peace to War, New York, 1985, Seite 3-5.

[3] Hazony,Yoram: The Jewish State. The Struggle for Israels Soul, New York, 2001. Seite 149-152.

[4] St.John,Robert: Ben Gurion.Biographie,München 1961. Seite 14.

[5] Shapira, Anita: Ben Gurion. Father of Modern Israel, (Yale University Press), London, 2014. Seite 17-29.

[6] St.John,Robert: Ben Gurion.Biographie,München 1961. Seite 26-30.

[7] Shapira, Anita: Ben Gurion. Father of Modern Israel, (Yale University Press), London, 2014. Seite 50-51.

[8] St.John,Robert: Ben Gurion.Biographie,München 1961. Seite 53-55.

[9] Heller, Joseph: The Birth of Israel 1945-1949. Ben Gurion and his Critics, Florida 2000, Seite 73-87.

[10] St.John,Robert: Ben Gurion.Biographie,München 1961. Seite 69-70.

[11] Fürtig, Prof. Dr. Henner: Zwischen Kolonialismus und Nationenbildung, http://www.bpb.de/156593/zwischen-kolonialismus-und-nationenbildung (Stand: 11.4.2018).

[12] Hazony,Yoram: The Jewish State. The Struggle for Israels Soul, New York, 2001. Seite 192-193.

[13] Teveth,Shabtai: Ben Gurion and the Palestinian Arabs. From Peace to War, New York, 1985, Seite 164-169.

[14] Siegemund, Anja: Der Zionismus und die arabische Frage. Das Lager um Ben Gurion und Chaim Weizmann, http://www.bpb.de/internationales/asien/israel/44982/arabische-frage (Stand: 11.4.2018).

[15] St.John,Robert: Ben Gurion.Biographie,München 1961. Seite 75-78.

[16] Teveth,Shabtai: Ben Gurion and the Palestinian Arabs. From Peace to War, New York, 1985, Seite 193-196.

[17] St.John,Robert: Ben Gurion.Biographie,München 1961. Seite 87-89.

[18] Heller, Joseph: The Birth of Israel 1945-1949. Ben Gurion and his Critics, Florida 2000, Seite 87-93.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Buber und Ben Gurion. Ein Streit über den Zionismus
Hochschule
Universität Erfurt
Note
2,0
Autor
Jahr
2018
Seiten
13
Katalognummer
V430255
ISBN (eBook)
9783668736467
ISBN (Buch)
9783668736474
Dateigröße
499 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
buber, gurion, streit, zionismus
Arbeit zitieren
Moritz Härtel (Autor:in), 2018, Buber und Ben Gurion. Ein Streit über den Zionismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/430255

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