Aufsatzkorrektur im traditionellen Aufsatzunterricht vs. Textüberarbeitung in der aktuellen kind- und prozessorientierten Schreibdidaktik


Hausarbeit, 2003

18 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Klassischer Aufsatzunterricht

3 Kritik am traditionellen Aufsatzunterricht
3.1 Verlust der eigenen Identität
3.2 Bewertung des Aufsatzes

4 Alternative Konzepte

5 Das Textschreiben
5.1 Der Schreibprozess
5.2 Entwicklung von Schreibkompetenz
5.3 Das Textprofil

6 Textanalyse anhand eines Beispiels
6.1 Die Textanalyse als Beobachtungselement
6.2 Textkompetenzen

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Schon immer wurde die Korrektur von Schüleraufsätzen kritisiert. Etliche Kinder und Jugendliche fühlen sich ungerecht behandelt. Das Schreiben von Aufsätzen macht ihnen keinen Spaß, weil sie nicht über die Themen schreiben dürfen, sie bewegt. Und wenn doch, dann gibt es genügend andere Mängel, welche die Lehrkräfte ihnen negativ anrechnen.

Damit die Schulkinder wieder mehr Freude am Schreiben haben, versucht man seit einiger Zeit eine andere Schreibdidaktik anzuwenden. Diese hat aber das Problem, dass etliche Lehrer und Lehrerinnen nicht recht wissen, wie sie die Aufsätze ihrer Schützlinge korrigieren sollen.

2 Klassischer Aufsatzunterricht

Der „klassische“ Aufsatzunterricht wurde in den 20er-Jahren entwickelt und im Dritten Reich eingeführt. In den 50er und 60er-Jahren wurde das Konzept zur Grundlage des Schreib- und Aufsatzunterrichts in der Bundesrepublik Deutschland.

Demzufolge werden den Schülern und Schülerinnen die fünf Aufsatzgrundforvorgestellt, welche von der Textorganisation so unterschiedlich sind, dass sich die Kinder jeweils auf die neuen Besonderheiten und Anforderungen einstellen müssen. „Bericht und Erzählung beziehen sich auf zeitliche Vorgänge, Beschreibung und Schilderung auf räumliche Verhältnisse, die Erörterung schließlich hat Gedanken zu ihrem Gegenstand“ (Baurmann/ Ludwig 1990, S. 11).

Anschließend gibt die Lehrkraft ein Thema zu einer bestimmten Aufsatzart vor, welche die Kinder und Jugendlichen nach dem vorgegebenen Schema bearbeiten sollen. Dabei sollen die Schulkinder auch die stilistischen Normen – wie beispielsweise der Vermeidung von Wiederholungen und Floskeln – vertraut gemacht. Dies alles hat zur Folge, dass die Schülerinnen und Schüler im Hinblick auf die Schreibproduktivität nur wenig Raum für kreatives Schreiben haben. In der Grundschule gilt es meist Bildergeschichten zu beschriften, wortgetreue Nacherzählungen oder sogenannte Reizwortgeschichten zu schreiben.

Das bei dieser Aufsatzdidaktik auftretende Paradoxon beschreibt Bremerich-Vos im Jahr 1989 so: „Einerseits werde an den Schüler appelliert, seinen Aufsatz als Ausdruck unverwechselbarer Identität zu gestalten, andererseits sei das Beurteilungskriterium die ’uniformierte’ Mittelmäßigkeit. Originalität werde zugleich verlangt und verworfen.“

3 Kritik am traditionellen Aufsatzunterricht

3.1 Verlust der eigenen Identität

Die Kinder lernen früh, dass es hauptsächlich darum geht, den Lehrkräften zu gefallen. Das bedeutet, dass die Authentizität jedes einzelnen Schreibers nicht gegeben ist. Statt dessen versuchen die Schülerinnen und Schüler den Lehrerinnen und Lehrern zu gefallen und somit gute Zensuren zu erhalten. Das heißt, sie versuchen zu schreiben, was die Lehrkräfte lesen und wie sie es wohl formuliert haben wollen. Dies hat zur Folge, dass die Kinder und Jugendlichen schnell die Lust am Aufsatzschreiben verlieren. Denn sie dürfen nicht schreiben was sie möchten, sondern sie haben sich an vorgegebene Regeln zu halten.

Des weiteren geben sich die Schüler und Schülerinnen im Laufe ihrer Schullaufbahn immer distanzierter. Sie geben dank der schulischen Schreibsozialisation immer weniger Persönliches von sich preis (vgl. Spitta 1999, S. 213). In der Grundschule berichten die Schulkinder z.B. noch von ihren Ferienerlebnissen und was für Träume sie haben. Später versuchen sie sich allgemein zu halten, um nicht unangenehm aufzufallen. Dies macht sich vor allem in Erörterungen bemerkbar.

Des weiteren müssen sich die Kinder oftmals mit Themen beschäftigen, die sie nicht interessieren. Oder aber sie wissen, dass ihre Argumente nicht die Auffassung der Lehrkraft vertreten und somit inhaltlich kein positives Licht auf die Notenvergabe hätten. Demnach lernen die Schülerinnen und Schüler nicht sich selbst in den Aufsatz einzubringen, sondern wie man sich den Einstellungen anderer anpasst.

3.2 Bewertung des Aufsatzes

Die Beurteilung und Korrektur der Lehrkräfte hilft den Kindern und Jugendlichen meist auch nicht bei der Aneignung literarischer Kompetenzen.

Die Lehrer und Lehrerinnen machen in der Regel etliche Anmerkungen am Textrand – meist in Form von Abkürzungen. Diese versuchen dann die Kinder und Jugendlichen zu entschlüsseln. Wenn die Lehrkraft sich entschließt ein ausführliches Kommentar abzugeben, dann haben die Schüler und Schülerinnen – meist in den Weiterführenden Schulen – Probleme, das Geschriebene zu entziffern.

Noch dazu verstehen die Lesenden oftmals nicht, was an der Berichtigung besser ist, als an ihrer eigenen Formulierung. So gibt es beispielsweise Ausdrücke, die beim Lehrpersonal als aus der Umgangssprache gelten und somit zu vermeiden sind. Die Kindern und Jugendlichen haben oft Schwierigkeiten zu erkennen, ob ein Wort aus der Umgangssprache kommt oder nicht. Die Lehrkräfte haben einen Katalog von treffenden Formulierungen, die zu einer erfolgreichen Textgestaltung führen. Dazu gehört die Vermeidung von Wortwiederholungen, Floskeln, gleichen Satzanfängen, Umgangssprachlichen Formulierungen und dem Wechsel der Zeitformen. Vergessen wird hierbei, dass z.B. die Benutzung von Wiederholungen im Text auch einen bestimmten Effekt beim Lesen hat. So wird das Wort beispielsweise verstärkt und erhält im Textzusammenhang eine gewichtige Rolle.

Die Lehrer und Lehrerinnen lesen meist die Aufsätze nicht um der Textbotschaft willen, sondern um Mängel und Fehler in graphischer und stilistischer Form anzumerken. So wird die sprachliche Ebene gar nicht berücksichtigt, sondern fast ausschließlich die orthographisch-grammatisch syntaktische Ebene bewertet. – Denn es geht nicht darum, zu erfahren was die Kinder einem mitteilen. Statt dessen geht es vornämlich um die Klassifizierung.

Die daran anschließende Berichtigung des Textes durch die Kinder ist für viele eine Qual. Sie müssen nachdem sie auf ihr Schriftstück eine Note bekommen haben, die gemachten Fehler verbessern. „Lernpsychologisch gesehen ist das Üben am bereits fixierten und damit trotz allen Engagements nicht mehr korrigierbaren Misserfolg völliger Unsinn“ (Spitta 1999, S. 214).

4 Alternative Konzepte

Zuerst sollte man im Deutschunterricht mehr den Blick auf die Stärken der Kinder und Jugendlichen sowie deren Texte lenken, statt nach den Defiziten zu suchen. Dies hat zur Folge, dass nicht mehr das Produkt im Vordergrund steht, sondern die schreibenden Schüler und Schülerinnen, die durch den Text von sich erzählen.

Des weiteren sollte man in der Aufsatzdidaktik das Freie Schreiben mehr anwenden. So dass die Schulkinder in die Texte ihre eigene Meinung und Erfahrungen mit einfließen lassen können. Dadurch bekommen die Lehrkräfte ein deutlicheres Bild von ihren Schülerinnen und Schülern. Sie können besser die sprachliche Entwicklung verfolgen und erhalten inhaltlich persönliche Informationen der Schreibenden.

Demnach geht es in der neuen Aufsatzdidaktik um das Ich des Schreibenden. – Um die sprachliche Verarbeitung seiner Erfahrungen und Wahrnehmungen. Die Schreibprozesse enthalten sehr viel Ich-Identität und lassen dem Schüler und der Schülerin sehr viel Freiraum für kreatives Schreiben. Häufig wird dieses Konzept nur in Workshops angeboten, da diese Freiheit den Lehrkräften Schwierigkeiten bereitet, die Notengebung anzuwenden.

Textsorten, die für das personale Schreiben stehen, sind zum Beispiel „(...) spontane, assoziative, experimentelle Texte, Sprachspiele, erlebnisbetonte Erzählungen und Schilderungen (...).“ (Boueke/ Schülein 1985, S. 296). Aber auch autobiographische Selbstdarstellungen in Tagebuchform, selbstentworfene Steckbriefe und Utopien sind Schriften dieser Konzeption (vgl. Boueke/ Schülein 1985, S. 296).

Ein weiterer wichtiges Merkmal des personalen Schreibens ist die Veröffentlichung der geschriebenen Texte, sowie die anschließende Diskussion. Zu beachten ist, dass manche Schülerinnen und Schüler sich beispielsweise in einer nicht gut ausgeprägten Klassengemeinschaft dazu nicht in der Lage sehen, da die erforderliche gegenseitige Akzeptanz fehlt, um persönliche Aussagen machen zu können. Dies ist ein weiterer Grund, weshalb die Benotung eines solchen Aufsatzes schwer und auch nicht unbedingt wünschenswert ist.

Aber dennoch gibt es einige Aspekte des personalen Schreibens, die für den Aufsatzunterricht interessant sind. Das experimentelle und spontane Schreiben erleichtert den Kindern den Einstieg in die schriftliche Textproduktion. Außerdem könnten z.B. Teilstücke von Erzählungen weggelassen werden, so dass die Schulkinder diese vervollständigen. Des weiteren lässt sich eine Geschichte in mehreren Perspektiven erzählen oder in eine andere Zeit übertragen.

Auch die bei Besprechungen von personaler Texte angewendete Konzentration auf einen bestimmten Teil des Schriftstückes macht sich gut im Unterricht der einzelnen Schulstufen. So können mehrere anregende Beispiele vorgetragen werden, die auch weniger erfolgreichen Kinder und Jugendliche hilfreich sein können (vgl. Boueke/ Schülein 1985, S. 277ff). In den Schreibprozess ist auch die Lehrkraft mit eingebunden. Sie gibt den Kindern und Jugendlichen Schreibanregungen und hilft das Geschrieben zu reflektieren (vgl. Beisbart 1985, S. 19ff).

[...]

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Aufsatzkorrektur im traditionellen Aufsatzunterricht vs. Textüberarbeitung in der aktuellen kind- und prozessorientierten Schreibdidaktik
Hochschule
Universität Koblenz-Landau
Note
2,3
Autor
Jahr
2003
Seiten
18
Katalognummer
V42995
ISBN (eBook)
9783638408943
ISBN (Buch)
9783638790918
Dateigröße
460 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Aufsatzkorrektur, Aufsatzunterricht, Textüberarbeitung, Schreibdidaktik
Arbeit zitieren
Mareike Böhler (Autor:in), 2003, Aufsatzkorrektur im traditionellen Aufsatzunterricht vs. Textüberarbeitung in der aktuellen kind- und prozessorientierten Schreibdidaktik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/42995

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