Die perfekte Einheit von Gegensätzen? Heraklits Philosophie und die deutsche Frühromantik


Hausarbeit, 2017

14 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Heraklits Philosophie

3. Heraklits Gedankengut in Verbindung mit frühromantischen Vorstellungen

4. Schlusswort

Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Heraklit, der auch Herakleitos von Ephesos genannt wird, gilt durch seinen speziellen Schreibstil als eine der bemerkenswertesten Persönlichkeiten der griechischen Philosophiegeschichte.[1] Dieser Schreibstil lässt sich als kunstvolle, orakelhafte, poetische Prosa beschreiben. Man schätzt seine Lebensdaten von etwa 540 v.Chr. bis 480/470 v.Chr. ein.[2] Über die genauen Lebensumstände ist nichts mit Sicherheit bekannt, spätere Berichte beruhen auf Fiktion. Demnach soll Heraklit von einer wohlhabenden Aristokratenfamilie aus Ephesos stammen. Er hegte eine antidemokratische Einstellung und wird von antiken Biographen als arrogant, herablassend und hochmütig beschrieben.[3] Außerdem als ein Menschenhasser, der sich immer weiter von der Gesellschaft entfernte, um ein einsames Leben in der Natur zu führen.[4] Heraklit wird oftmals als „‘der Dunkle‘ […] oder ‚der in Rätseln Sprechende‘“[5] bezeichnet, da seineüberlieferten Fragmente so rätselhaft, schwer verständlich und oft sogar missverständlich sind. In seinen Fragmenten versucht er, den „Vorstellungen alltäglichen Denkens mit all seinen Wissenschaftsansprüchen eine andere, sozusagen vollständige Wahrheit entgegenzuhalten.“[6]

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Verbindung von Heraklits Philosophie und den Vorstellungen der Frühromantik. In dieser Arbeit sollen, ganz im Sinne der progressiven Universalpoesie, die unterschiedlichen, bereits genannten Epochen und Thematiken verbunden und Gemeinsamkeiten gesucht werden, die Einheit in den Gegensätzen. Ziel der Arbeit ist es, das Gedankengut von Heraklit auf frühromantische Texte anzuwenden und eine Verbindung, als bildliche Einheit von Antike und Frühromantik, zwischen den zwei Epochen herstellen zu können. Im Mittelpunkt steht die These der Einheit von Gegensätzen. Die Vorstellung davon, dass sich Gegensätze zu einem Ganzen vereinen, findet man in bildlicher Form bereits im asiatischen Raum, nämlich im Zeichen des Yin und Yang: In der chinesischen Philosophie steht dieses Zeichen, wie bei Heraklit, für ein kosmologisches Prinzip, bei dem zwei gegenüberstehenden Polaritäten zur Koordination verholfen wird, wie zum Beispiel die Kombination von Männlichkeit und Weiblichkeit oder die Gegenüberstellung von Winter und Sommer.[7] Heraklit formuliert seine Theorie, deren Ziel eine umfassende Harmonie ist, fragmentarisch als „[d]as Widerstreitende zusammentretend und aus dem Sichabsondernden die schönste Harmonie.“[8]

Im Folgenden wird nun zunächst die Philosophie Heraklits vorgestellt. Dabei sollen fünf zentrale Motive genannt werden: Das Feuer als Urstoff, die These vom Werden und der ständigen Bewegung, der Logos als weltumspannenden Prinzip und letztendlich die Theorie von der Einheit in den Gegensätzen. Anschließend beziehe ich die genannten Motive auf ausgewählte Texte der Frühromantik. Hier ist vor allem Novalis‘ Heinrich von Ofterdingen zu nennen. Außerdem soll ein Zusammenhang von Heraklit und den Vertretern der Frühromantik hergestellt werden. Wichtig ist hierbei Johann Gottlieb Fichte, der die Frühromantischen Dichter mit seiner Philosophie entscheidend beeinflusst hat. Abschließend möchte ich das Ergebnis dieser Arbeit festhalten, mögliche Unterschiede zwischen Heraklits Philosophie und der Frühromantik benennen sowie auf eventuelle Problematiken bei der Thematik eingehen.

In der vorliegenden Arbeit dient mir vor allem das Werk Die Vorsokratiker I, mit einer Fragmentauswahl, die von Jaap Mansfeld sowohlübersetzt als auch erläutert wird, als Quelle für die Fragmente von Heraklit, aber auch als Sekundärliteratur. Eine weitere wichtige Quelle für diese Arbeit ist der Roman Heinrich von Ofterdingen von Novalis. In der Sekundärliteratur ist einerseits das Werk Vorsokratiker von Christof Rapp sehr hilfreich gewesen, sowie andererseits auch das Buch von Hermann Fischer mit dem Titel Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher.

2. Heraklits Philosophie

Im Folgenden soll auf die Hauptgedanken Heraklits eingegangen werden. Zunächst soll der Urstoff näher erläutert werden und daran anschließend der Logos als weltdurchdringendes Prinzip. Vom Logos ausgehend werden der Zusammenhang von Sein und Werden sowie die bekannten Flussfragmente expliziert. Abschließend wird die Einheit von Gegensätzen ausgeführt.

Wie bereits vor seiner Zeit schon die Philosophen Thales und Anaximenes, so suchte auch Heraklit nach einem Naturprinzip. Er erkannte das Feuer als ein solches. Dieses hat man sich nach Heraklit als etwas Lebendiges vorzustellen, das mit der Körperwärme von Lebewesen vergleichbar ist[9]: „Feuer, ewig lebendig, nach Maßen entflammend und nach [denselben] Maßen erlöschend.“[10] Er verwendet neben dem Begriff des Feuers synonym den Begriff der Seele. Davon ausgehend wird der Mensch als ein Lebewesen mit einem feuerhaften Bewusstsein beschrieben.[11] Heraklit nannte das Feuer als den Urstoff, da er alles in der Natur in ständiger Bewegung sah, und daher auch das alles zusammenhaltende Naturelement Beweglichkeit und Wendigkeit als Eigenschaft verkörpern müsse.[12] Die Vorstellung, dass alles immer in Bewegung ist, deutet eine weiteren wichtige These in Heraklits Philosophie an: Der Zusammenhang von Sein und Werden, Entstehen und Vergehen und die damit verbundenen Fluss-Fragmente. Die Lehre vom Werden und Vergehen und die These, dass alles immer im Wandel begriffen ist, bedeutet für Heraklit, dass nicht das Sein selbst, sondern das Werden und die damit einhergehende Bewegung zum Prinzip erhoben wird.[13] Alles, was ist, befindet sich in einer ständigen Verwandlung aus Entstehung, Veränderung und Vergehen.[14] Im Folgenden sollen nun die bekanntesten Flussfragmente sowie der Ausspruch „Pánta rhei“[15] (Alles fließt) näher erläutert werden. Zunächst muss erwähnt werden, dass es nicht sicher ist, ob diese Fragmente und der Ausspruch mit Sicherheit Heraklit zugeschrieben werden können oder ob sie nachträglich hinzugefügt wurden, es wird sogar davon ausgegangen, dass die Formulierung, dass alles fließe, unecht sei.[16] Die Fragmente, auf die ich mich im Folgenden beziehe, lauten: „In dieselben Flüsse steigen wir und steigen wir nicht, wir sind und wir sind nicht.“[17] Außerdem: „Es ist unmöglich, zweimal in denselben Flußhineinzusteigen“[18]. Die Fragmente sind so zu deuten, dass der Fluss in gewisser Hinsicht zwar derselbe ist, die Weser bleibt beispielsweise die Weser, in anderer Hinsicht dagegen nicht, da immer neues Wasser durch den Fluss fließt.[19] Das Prinzip der ständigen Bewegung legt also dar, dass eine Sache, die man für identisch hält, sich stetig verändert.[20] Durch das ständige Werden erteilt Heraklit dem Sein an sich eine Absage. Damit stellt er sich der bisherigen Tradition, nach der der Kosmos erst entsteht, entgegen. Für ihn gibt es die Entstehung der Welt nicht, sie ist schon immer dagewesen, ständigem Wandel unterworfen. Von diesem Ausgangspunkt kommt man wieder zurück zum Feuer. Dieses lässt als Urstoff die Welt nicht entstehen, sondern steuert sie.[21]

Neben dem Feuer als Urstoff und der Gesetzmäßigkeit des Werdens ist vor allem der Logos zu nennen, für dessen Konzept Heraklit bekannt ist. Der Logos bietet eine beinahe unendliche und unerschöpfliche Vielfalt an Definitionsmöglichkeiten, er wird zunächst als Erklärung und Auslegung bezeichnet, ferner als Wort, Rede oder Vernunft.[22] Heraklit nennt seine folgende Darstellung (Logos) etwas, das allgemeingültig ist, aber vom gewöhnlichen Menschen nicht verstanden werden kann.[23] Darum bleiben den Menschen, die den Logos nicht verstehen, die Zusammenhänge der Welt verborgen.[24] Diesen Menschen „entgeht, was sie im Wachen tun, genau wie das, was sie im Schlaf vergessen.“[25] Der Logos bezieht sich allerdings nicht nur auf die Fragmente Heraklits. Heraklit sieht den Logos als einen universalen Zusammenhang, ein „ursächlich wirkendes Prinzip“[26]. Er vermittelt eine höhere Einsicht auf das Ganze, den Weltzusammenhang, unabhängig davon, ob die Gültigkeit des Logos von Heraklit ausgesprochen wird oder nicht.[27] So schreibt Heraklit: „Wenn man – nicht auf mich, sondern – auf die Auslegung hört, ist es weise, beizupflichten, da[ss] alles eins ist.“[28] Diese Aussage macht bereits deutlich, dass die These von der Einheit, also dass alles eins ist, ein wichtiges Merkmal der Philosophie des Logos ist.[29] Für Heraklit bedeutet das, dass der Mensch ein Teil seiner Umgebung ist und der Logos die Bedingungen ausdrückt, die für das menschliche Handeln ausschlaggebend sind, was wiederum das alles umspannende Prinzip verdeutlicht.[30]

Der Gedanke der Einheit führt zum zentralen Prinzip der Einheit von den Gegensätzen. Ausschlaggebend für diese Arbeit ist der Gedanke, dass der Zustand von Harmonie und innerem Gleichgewicht am besten durch das Verbinden von Gegensätzen verwirklicht werden kann. Heraklit formuliert es in Verbindung mit dem Gedanken von Einheit und Vielheit: „Ganzheiten und keine Ganzheiten, Zusammentretendes - Sichabsonderndes, Zusammenklingendes – Auseinanderklingendes; somit aus allem eins wie aus einem alles.“[31] Die Gegensatzpaare werden von Heraklit zu einer Gesetzmäßigkeit erhoben, die allgemeingültig ist. Vor allem aber betont er die Einheit, die den Dingen erst ihre Identität verleiht, die Einheit in den Gegensätzen führt zu einem „beständig sich im Gleichgewicht befindlichen Universum[ ]“[32]. Diese beständige Ordnung führt Heraklit als erster Vertreter zu einer „Theorie von der Ewigkeit der Welt“[33] ! Die Einheit der Gegensätze ist durch ein ständiges Werden und Vergehen sichergestellt, Heraklit arbeitet in seinen Fragmenten sehr viel mit Gegensatzpaaren, was sich deutlich in seinem Fragmentüber Gott zeigt, in welchem er ihn mit „Tag-Nacht, Winter-Sommer, Krieg-Frieden, Sättigung-Hunger – alle Gegensätze, das ist die Bedeutung“[34] charakterisiert. Der Urstoff Feuer stellt die Lehre der Gegensätze sinnbildlich dar: Die Vorstellung, dass alles aus Feuer ist, bringt den Sinn der Einheit mit sich weil dadurch alle Gegensätze zu einer Einheit verschmelzen.[35] Ein besonderer Gegensatz stellt der Krieg als Inbegriff der sich immer in Bewegung befindenden Gegensätze dar.[36] Er bezeichnet den Krieg als den Vater von allen Dingen, als „von allem der König, denn die einen hat er zu Göttern, die anderen zu Menschen, die einen zu Sklaven, die anderen zu Freien gemacht.“[37] Den Kampf bezeichnet er ferner als „Weltprinzip alles Geschehens“[38] aus dessen scheinbar vorherrschenden Chaos der Gegensätze sich jedoch eine Harmonie ausmachen lässt, eine Art höhere Vernunft, welche als Einheit durch die Gegensätze bedingt ist.[39] Dieser Gedanke vom Krieg als etwas Harmoniestiftendes lässt sich auch in der Frühromantik bei Novalis wiederfinden, was im folgenden Kapitel näher ausgeführt wird.

[...]


[1] Vgl. Capelle, Wilhelm (Hg.): Die Vorsokratiker. Stuttgart 2008. S.93.

[2] Vgl. Graeser, Andreas: Hauptwerke der Philosophie. Antike, Stuttgart 1992. S.29.

[3] Vgl. Rapp, Christof: Vorsokratiker. München 2007. S.56.

[4] Ebd. S.57.

[5] Rapp: Vorsokratiker. S.56.

[6] Graeser: Hauptwerke. S.29.

[7] Vgl. Lurker, Manfred (Hg.): Wörterbuch der Symbolik. Stuttgart 1983. S. 775.

[8] Mansfeld, Jaap: Die Vorsokratiker I. Milesier, Pythagoreer, Xenophanes, Heraklit, Parmenides, Stuttgart 2008. S.259.

[9] Vgl. Mansfeld: Vorsokratiker I. S.237.

[10] Mansfeld: Vorsokratiker I. S.263.

[11] Vgl. Mansfeld: Vorsokratiker I. S.237.

[12] Vgl. Seidl, Horst: Einführung in die antike Philosophie. Hauptprobleme und Lösungen, dargelegt anhand der Quellentexte, Freiburg/München 2013. S.24.

[13] Ebd. S.25.

[14] Vgl. Mansfeld: Vorsokratiker I. S.233.

[15] Capelle: Die Vorsokratiker. S. 94.

[16] Vgl. Rapp: Vorsokratiker. S.67.

[17] Mansfeld: Vorsokratiker I. S.273.

[18] Ebd.

[19] Vgl. Rapp: Vorsokratiker. S.68.

[20] Ebd.

[21] Ebd. S.79.

[22] Ebd. S.60.

[23] Ebd..

[24] Ebd. S.63.

[25] Mansfeld: Vorsokratiker I. S.245.

[26] Rapp: Vorsokratiker. S.61.

[27] Vgl. Mansfeld: Vorsokratiker I. S.234.

[28] Mansfeld: Vorsokratiker I. S.257.

[29] Vgl. Mansfeld: Vorsokratiker I. S.232.

[30] Vgl. Rapp: Vorsokratiker. S. 62.

[31] Mansfeld: Vorsokratiker I. S.259.

[32] Ebd. S.241.

[33] Ebd. S.236.

[34] Ebd. S.257.

[35] Vgl. Rapp: Vorsokratiker. S. 81.

[36] Vgl. Mansfeld: Vorsokratiker I. S.239.

[37] Mansfeld: Vorsokratiker I. S.259.

[38] Capelle: Die Vorsokratiker. S. 94.

[39] Vgl. Ebd.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Die perfekte Einheit von Gegensätzen? Heraklits Philosophie und die deutsche Frühromantik
Hochschule
Universität Augsburg
Note
1,3
Autor
Jahr
2017
Seiten
14
Katalognummer
V429775
ISBN (eBook)
9783668730229
ISBN (Buch)
9783668730236
Dateigröße
515 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
einheit, gegensätzen, heraklits, philosophie, frühromantik
Arbeit zitieren
Lena Gabel (Autor:in), 2017, Die perfekte Einheit von Gegensätzen? Heraklits Philosophie und die deutsche Frühromantik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/429775

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