Bildungschancen von neu zugewanderten Jugendlichen in der weiterführenden Schule


Bachelorarbeit, 2018

66 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1.Einleitung
1.1 Einleitende Fragestellung
1.2 Aufbau der Arbeit

2. Theoretischer Rahmen
2.1 Verhältnisbestimmung: Migration und Bildungschancen
2.2 Statistische Datenlage aktueller Migration und Bildungsbeteiligung
2.3 Schulebene: Integration von neu zugewanderten SchülerInnen
2.4 Unterrichtseben: Integrationskonzept Sekundarschule

3. Praktische Analyse
3.1 Problemorientierung
3.2 Forschungsgegenstand und Methodik
3.3 Kategorienbildung und Interviewleitfaden
3.4 Darstellung und Interpretation der Ergebnisse

4. Zusammenfassung
4.1 Resümee
4.2 Ausblick

5. Literaturverzeichnis
5.1 Internetquellen

6. Anhang
6.1 Transkript Klassenlehrer

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Zu- und Fortzüge von ausländischen Staatsangehörigen von 2010 bis zum 1. Halbjahr 2016 (BAMF 2016:8)

Abbildung 2: Asylantragszahlen (BAMF 2016: 559)

Abbildung 3: Asylerstanträge 2013 bis April 2016 nach Altersgruppen (Anzahl) (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016:194)

Abbildung 4: Schulbildung der AsylantragstellerInnen - Höchste besuchte Bildungseinrich- tung nach Herkunftsland (Datenreport 2017: 425)

Abbildung 5: Schulorganisatorische Modelle für neu Zugewanderte Kinder und Jugendliche (Massumi et. al. 2015:45)

Abbildung 6: Ablaufmodell deduktiver Kategorienanwendung (vgl. MAYRING 2000:5) Abbildung 7: Kategorienbildung nach Mayring (eigene Darstellung)

1.Einleitung

1.1 Einleitende Fragestellung

In der sechsten Sitzung des Expertenrats Demografie des Bundesministeriums des Inneren vom 02.11.20161 wurde der Themenkomplex „Chancen und Herausforderungen im Bil- dungsbereich im Umgang mit neu Zugewanderten“ debattiert. Dort wurde die aktuelle Zu- wanderung als ein wichtiger Einflussfaktor auf demografische Entwicklungen bezeichnet. Insbesondere hat das Zuwanderungssaldo nicht nur Auswirkungen auf eine altersmäßige Zusammensetzung der Bevölkerung, sondern in vielfältiger Hinsicht auch auf das gesell- schaftliche Zusammenleben. In dieser Sitzung wurde von einem „Angekommen" in unserer Gesellschaft gesprochen, indem sich Kinder und Jugendliche wohlfühlen und sich zum Wohl der Gesellschaft zukünftig einbringen können. Neben dem deutschen Spracherwerb tragen Bildung und Ausbildung maßgeblich zu einem gelingenden Ankommen bei (vgl. Gra- nato 2016). Die Formen des Zusammenlebens in Deutschland verändern sich jedoch in allen gesellschaftlichen Bereichen und stehen in Wechselwirkungen zueinander (vgl. Be- cker 2016). Die Auseinandersetzung der Debatte von Chancengleichheit bestehender Bil- dungsangebote und deren Bedeutung für die gesellschaftliche Teilhabe von Zugewander- ten ist derzeit eine bildungspolitische Herausforderung (vgl. Becker 2016). Nach Ansicht der Experten müssen gerade Kinder und Jugendliche mit Fluchthintergrund besondere För- derung erhalten um Bildungsaspiration aufzubauen (ebd.).

Vor diesem Hintergrund wurde bisher in der Bundesrepublik Deutschland viele Projekte, Programme und Maßnahmen durch die Integrationspolitik und Bildungspolitik veranlasst.

In der vorliegenden Arbeit soll diese eben erwähnte Debatte zwischen Bildungsangeboten für neu Zugewanderte und Chancengleichheit anhand einer konkreten Forschungsfrage kritisch hinterfragt werden. Dabei werden die Bildungschancen von neu Zugewanderten als Forschungsgegenstand behandelt. Es wird anhand eines konkreten schulischen Integrati- onsbeispiels analysiert, ob die bildungspolitische und integrationspolitische Maßnahme auch auf unterster Schul- und Unterrichtseben erzielen, was durch den Expertenrat postu- liert wird. Bereits zu Beginn dieser Arbeit soll darauf hingewiesen werden, dass Migration und Integration zwar wissenschaftliche abgrenzende Begriffe sind, jedoch werden „Integra- tionspolitik“ und „Migrationspolitik“ oft nicht deutlich voneinander unterschieden, sodass auch in der Forschung oft zusammenfassend von „Integrations- und Migrationsforschung“ gesprochen wird (vgl. Diehl 2016).

Die Arbeit wurde mit einer politischen wertneutralen Ansicht verfasst, soll aber die Debatte zwischen Bildungspolitik und Umsetzung in der Schul- und Unterrichtsentwicklung reflexiv aufdecken. Die Bildungschancen von Kinder und Jugendlichen stehen daher in keiner politischen Wertung und soll daher in dieser Arbeit aus einem aktuellen politischen Gesamtgeschehen isoliert betrachtet werden.

Das im weiteren Verlauf vorgestellte schulische Integrationsbeispiel dient als Grundlage einer zu untersuchenden qualitativen Forschungsfrage. Es werden zwei Lehrpersonen ei- ner Sekundarschule in Nordrhein Westfallen interviewt, die Experten im von mir ausgewähl- ten Integrationsbeispiel sind. Sie werden hinsichtlich der Bildungschancen von neu zuge- wanderten SchülerInnen problemorientiert befragt. Dieses Lehrpersonal unterrichtet seit dem Schuljahr 2014/2015 mit einem Integrationskonzept einer „innovativen Zukunftsschule NRW“2. Das Interview soll den Fokus auf die Forschungsfrage haben, wie sie als Lehrper- sonal die Bildungschancen dieser Schülergruppe in ihrem Schul- und Unterrichtskonzept einschätzen bewerten.

„ Ziel in allen Bundesl ä ndern ist die Integration junger Ausl ä nderinnen und Ausl ä nder in das duale Ausbildungssystem beziehungsweise in die Vollzeitberufsschule oder das schulische Ü bergangssystem - analog zu allen anderen Jugendlichen “ . 3

Das gezeigte Zitat soll der hier aufgeführten einleitenden Fragestellung einen bildungswis- senschaftlichen Rahmen geben. Der Rahmen der Arbeit grenzt einerseits die Fragen nach Herausforderungen und Problemkonstellation des Themenkomplexes Chancen- gleichheit im schulischen Kontext und anderseits soll durch das vorgestellte Integrations- konzept eine Möglichkeit gesucht werden, Kinder und Jugendliche durch chancengleiche Integration in berufliche Ausbildung führen zu können. Angesichts der Heterogenität in deutschen Schulen muss Migration als ein weitgehender schulischer Wirkungsfaktor be- trachtet werden. Sowohl die Analyse von Bildungsvoraussetzungen als auch von Bil- dungsbeteiligungen von Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund sind kom- plexe Wirkungsmechanismen, die als längerfristige Prozesse anzusehen sind. Aus die- sem Grund bietet das hier vorgestellte Integrationskonzept und der damit verbundene Forschungsgegenstand einen punktuellen Einblick in das gesamte Integrationsgesche- hen. Zusammenfassen soll sich der zugrundeliegende Forschungsgegenstand und die Forschungsfrage inhaltlich auf das obenerwähnte Zitat beschränken: Gibt es für neu zu- gewanderte SchülerInnen Chancen auf einen Schulabschluss, der Voraussetzung für eine Berufsausbildung ist?

1.2 Aufbau der Arbeit

Die Arbeit besteht aus einen theoretischen und praktischen Teil. Der erste Teil gliedert sich in vier Kapitel. Das erste Kapitel soll anhand theoretischer Ansätze ein Verhältnis zum The- menkomplex Migration und Bildungschancen bestimmen. Die grundlegenden theoriege- leiteten Befunde aus dem ersten Kapitel sollen anschließend anhand aktueller statischer Daten von Migration und Bildungsbeteiligung erörtert und in Zusammenhang gestellt wer- den. Im dritten Kapitel werden Maßnahmen und Implikationen skizziert. Der Fokus im dritten Kapitel liegt auf dem Integrationsgeschehen im gesamten Bildungssystem, insbesondre die schulische Integration von neu zugewanderten Kindern und Jugendlichen. Im letzten Ka- pitel des theoretischen Teils wird ein konkretes Konzeptbeispiel „Integrationskonzept Se- kundarschule“ veranschaulicht.

Die aus den ersten Teil aufgedeckten Problemfelder dienen dem darauffolgenden prakti- schen Teil als Forschungsgegenstand. Eingangs wird im ersten Kapitel des zweiten Teils auf die ausgewählte problematische Konstellation eingegangen. Es findet eine erste Ein- grenzung des für die methodische Vorgehensweise benötigten Forschungsgegenstandes satt. Im dritten Kapitel wird dann neben den konkreten problemorientierten Kategorien auch die methodische Vorgehensweise beschrieben. Methodisch werden durch eine deduktive Vorgehensweise die theoretischen Ergebnisse des ersten Teils hypothetisch hinterfragt. Die Deduktion erfolgt durch eine qualitative Erhebungsmethode des problemzentrierten In- terviews. Mittels eines teilstandardisierenden Interviewleitfadens sollen qualitative Ergeb- nisse nach ausgewählten Kriterien herausgefunden werden. Durch die Kategorienbildung und einen Kodierleitfaden können anschließend die Ergebnisse ausgewertet und analysiert werden. Dabei wird auf die qualitative Inhaltsanalyse nach MAYRING zurückgegriffen.

In der Zusammenfassung wird abschließend ein Resümee gezogen und ein kurzer Ausblick auf einen möglichen Lösungsansatz der zugrundliegenden und dann untersuchten Problemkonstellation gegeben.

2. Theoretischer Rahmen

2.1 Verhältnisbestimmung: Migration und Bildungschancen

Das erste Kapitel dieser Arbeit soll eine wissenschaftliche Verhältnisbestimmung erörtern, die der den darauffolgenden inhaltlichen Themenkomplexen dieser Arbeit als theoretische Grundlage dient. Mit folgenden Fragen befasst sich der Inhalt der Verhältnisbestimmung:

In welcher Konstellation steht das Thema Migration und schulischer Erfolg? Welches Verh ä ltnis hat die steigende Migration in Deutschland zu Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen im deutschen Bildungssystem? Welche Auff ä lligkeiten gibt es im Zusammenhang mit der schulischen Integration?

Insbesondere geht es aber um die Frage nach Bildungschancen von neu zugewanderte Jugendlichen in der aktuellen Zuwanderungswelle. Die Kernfrage dessen ist, welche Chancen haben diese Jugendli- chen einen schulischen Abschluss zu erlangen und somit die Eingliederung in Berufsausbildungswe- sen zu beschreiten?

Das Ziel der Verhältnisbestimmung soll die zugrundeliegenden problemorientierten Leitfragen stützen, ob Kinder und Jugendliche mit Migrationserfahrung die gleichen Bildungschancen erhalten, wie jene ohne Migrationshintergrund. Dabei ist bereits zu Beginn zu erwähnen, dass es verschiedene jugendliche Migrantengruppen gibt. Die Gruppe, der seit 2014 neu zugewanderten Kinder und Jugendlichen wird dabei als zentraler Gegenstand der Problemkonstellation im praktischen Teil dieser Arbeit betrachtet, insbesondere die Jugendlichen in weiterführenden Schulen.

Der Definition der Kultusministerkonferenz nach, weisen Kinder und Jugendliche einen Mig- rationshintergrund auf, wenn sie als SchülerInnen entweder keine deutsche Staatsangehö- rigkeit haben, im Ausland geboren wurden oder in dessen Familie überwiegend eine andere Sprache als Deutsch gesprochen wird (vgl. KMK 2011). Diese operationalisierte Definition schließt somit eine große Gruppe Kinder und Jugendlicher im deutschen Bildungssystem ein. Das bedeutet für den hier zu untersuchenden Gegenstand Migration und Bildungs- chancen, dass ein Blick auf die schulische Integrationspolitik auch vor 2015 geworfen wer- den muss. Bereits erkannten Stärken und Schwächen lassen sich rückblickend aus bil- dungssoziologischen Herausforderungen und bildungspolitischen Implikationen von bereits integrierten Schülergruppen mit Migrationshintergrund ableiten. Aufgrund dessen kann eine passgenaue Unterscheidung zwischen neu zugewanderten SchülerInnen und deren in be- reits zweiter oder sogar dritten Generation mit Zuwanderungserfahrung im zusammenhän- genden Diskurs von Bildungsgerechtigkeit nicht isoliert betrachtet werden. Die Frage nach den Bildungschancen der Gesamtheit dieser Schülergruppe mit Migrationshinter- grund, egal ob hier zu Lande geboren oder eingewandert wird im wissenschaftlichen

Diskurs oftmals mit denselben Faktoren, wie z.B. sprachliche Integration untersucht (vgl. Becker 2016 / Diehl 2016).

Für die Analyse von Bildungserfolg im Zusammenhang mit Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund stehen zwei unterschiedliche Arten von Daten zu Verfügung. Die Bildungsstatistik, die im folgenden Kapitel in Betracht gezogen wird und die bildungssoziologischen Forschungsuntersuchungen (vgl. Diefenbach 2008: 223). Die Interpretationen dieser Daten stellen unterschiedliche Ergebnisse dar, jedoch wird das Forschungsparadigma einer Ungleichheitsdimension in allen Daten abgeleitet (vgl. Diehm 2016).

In der allgemeinen Bildungsforschung als auch in der Integration- und Migrationsforschung wird gegenwärtig die verwendeten Variable „mit Migrationshintergrund“ nicht mit einer bestimmten Völker -bzw. Menschengruppe (Ethnizität) definiert:

„ Die Kategorie Migrationshintergrund, wie sie in der empirischen Bildungsforschung ver wendet wird, beobachtet keineswegs ‚ Ethnizit ä t ‘ , sondern auf individueller Ebene den biographischen Faktor Wanderung in der Familiengenealogie sowie den der nationalen Herkunft. Das typische Benachteiligungsmuster, das durch den Migrationshintergrund angezeigt wird, basiert dabei auf den Faktoren Sprachkompetenz und Sprachverwendung sowie bildungsbezogener und sozio ö konomischer Familienhintergrund “ . 4

Eine zusammengefasste Betrachtung der Auseinandersetzung mit Bildungschancen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund sagt somit folglich aus, dass eine Unterscheidung nach Migrationshintergrund oder nach Staatsangehörigkeit häufig zu kurz greift (vgl. Becker 2016/ Diefenbach 2008). Die eben erwähnte Ungleichheitsdimension unterscheidet sich zum Teil deutlich zwischen verschiedenen internationalen Herkunftsgruppen und durch die Generationenfolge (Diehm 2016). Die zunehmende Zuwanderung steht im Zentrum der öf- fentlichen und wissenschaftlichen Aufmerksamkeit, ins besondere in Bezug auf die Ursache von gesellschaftlichen und ökonomischen Folgen. Für Deutschland zeichnet sich ein hohes Migrationsvolumen bei jährlich schwankendem Wanderungssaldo5 (Diehl 2016:462). Mig- ration, als grenzüberschreitende Wanderungsbewegung bringt nicht nur Veränderungen und Folgen in gesellschaftlichen und ökonomischen Bereichen mit, sondern beeinflusst auch die soziale Demografie des Landes. Für das deutsche Bildungssystem zeichnet sich hierdurch eine Expansion an neu zugewanderten SchülerInnen ab (ebd.). Des Weiteren ist die Zuwandererpopulation im deutschen Bildungssystem keine homogene Gruppe, son- dern setzt sich aus unterschiedlichen Teilgruppen zusammen (vgl. Diehl/ Hunkler /Kristen 2016:55). Die Heterogenität, als eine der größten Herausforderung des Integrationsge- schehens im Bildungswesen, vollzieht sich entsprechend in den verschiedenen Bildungs- etappen, vom Kindergarten bis zur Hochschule.

Vor dem Hintergrund des vergangenen und gegenwärtigen Migrationsgeschehens in Deutschland ergeben sich spezifische Implikationen für die Bildungschancen auch bei zu- künftigen Generationen. Wie bereits erwähnt, steht das Thema im Fokus vieler fachunter- schiedlicher Forschungsimplikationen (vgl. Diefenbach 2008). Theoretische Erklärungsan- sätze und exemplarische Forschungsansätze zeigen Besonderheiten des deutschen Integ- rationsgeschehens auf. Ein Phänomen, das dieser Arbeit zugrunde liegt, ist die Benachtei- ligung von Migranten bei Bildungschancen im deutschen Bildungssystem (vgl. Diehl 2016; Geißler 2015; Diefenbach 2008). Anzumerken ist, dass hinsichtlich dieser Besonderheit die Forschung längst nicht so eindeutige Befunde darstellt, wie es häufig den Anschein macht (vgl. Diehl/ Hunkler / Kristen 2016:65). Kontrovers werden „Ursachen für die zumindest in einigen Etappen für bestimmte Migrantengruppen zweifelsfrei vorliegenden Nachteile6 “ dis- kutiert. Insbesondere die Debatten der Verteilung dieser SchülerInnen auf die Sekundar- stufe sind teilweise normativ aufgeladen. Sehr deutlich formuliert werden die Bildungsbe- nachteiligungen, wenn es um die Frage geht, welche Bedeutung den Lehrkräften und deren Handlungsräumen, wie Diskriminierung zukommt. Zusammenfassend ist das Forschungs- terrain kein neues, sondern durch die letzten drei Jahren, im Zuge der letzten Einwande- rungswelle ein impulsiv geladenes geworden (ebd.). Nachdem nun die Migration aus bil- dungspolitischer und bildungssoziologischer Sicht und bereits unter dem Aspekt der Bil- dungsbenachteiligung erörtert worden ist, soll nun im Folgenden explizit auf Bildungschan- cen von SchülerInnen mit Migrationshintergrund im deutschen Schulsystem eingegangen werden.

„ Die Brisanz dieser Fragestellungen ü ber den Zusammenhang von sozialer Herkunft, Bildungsbeteiligung und Ungleichheit von Bildungschancen sowie dem sozial unglei- chen Erwerb von Wissen, Fertigkeiten und Bildungsabschl ü ssen liegt auf der Hand:

Bildung ist nicht nur eine formale, auf dem Arbeitsmarkt verwertbare Ressource im Sinne des Humankapitals, sondern eine entscheidende Voraussetzung f ü r viele un terschiedliche Lebenschancen “ 7

Dieses Zitat beschreibt die Chance von Bildungserwerb und die Chance auf Bildungszu- gang eines jeden schulpflichtigen Kindes, welche sich auf den ganzen Bildungsverlauf von der Einschulung bis hin zum Einstieg in die Berufsausbildung bezieht. Konstitutive Schlüs- selwörter wie Bildungsbeteiligung, Bildungsdistanz, Bildungsungleichheit, Bildungserfolg und Bildungsbenachteiligung tangieren alle den Oberbegriff Bildungschancen. Besonders zusammenhängend werden Bildungschancen im Bildungsverlauf und sozialer Ungleichheit in der Forschung beschrieben (vgl. Becker/ Lauterbach 2016; Diehl 2016; Diefenbach 2008). Diese Bildungsungleichheiten, d.h. ungleiche Bildungspartizipation und ungleiche Bildungsergebnisse können als Folge sozialer oder ethnischer Herkunftseffekte argumen- tiert werden. An dieser Stelle soll eine tragfähige Unterscheidung nach BOUDON von pri- mären und sekundären Herkunftseffekten als ein theoretischer Erklärungsansatz konstitutiv dieser Untersuchung gedacht werden (vgl. Boudon 1974). Für die Ursachen ungleicher Bil- dungspartizipation werden maßgebend in institutionell-organisationstheoretisch und in indi- viduell-ressourcentheoretisch differenziert. Als Folge unterschiedlicher kultureller, sozialer und ökonomischer Bedingungen für die Entwicklung der kognitiven Fähigkeiten und unter- schiedlicher Unterstützung und Forderung in den Familien, in denen Kinder aufwachsen, werden Kinder unterschiedlicher sozialer Herkunft den jeweiligen schulischen Leistungsan- forderungen unterschiedlich gut gerecht und sind unterschiedlich Erfolgreich (primäre Ef- fekte). Aber wahrscheinlich noch wichtiger ist, dass sich Kinder unterschiedlicher sozialer Herkunft selbst bei gleichen Leistungen oder gleicher Leistungsfähigkeit auch darin unter- scheiden, ob sie die Ausbildung auf einer gegebenen Bildungsstufe beenden oder auf einer weiterführenden, anspruchsvolleren Stufe fortsetzen (sekundäre Effekte). Das Zusammen- spiel dieser beiden Typen von Herkunftseffekte führt zu einer von Bildungsstufe zu Bil- dungsstufe sozial zunehmend selektiveren Zusammensetzung der Schülerpopulation. Das bedeutet, dass institutionalisierte Sortier- und Selektionsleistungen des Bildungssystems sich durch das Zusammenspiel primärer und sekundärer Effekte erklären lassen (vgl. Bour- dieu 1971). Es lässt sich abschließend feststellen, dass das Zusammenwirken verschiede- ner Faktoren zu einer sozialen Ungleichheit von Bildungschancen führt (vgl. Diehl / Fick 2016).

2.2 Statistische Datenlage aktueller Migration und Bildungsbeteiligung

Im Anschluss an das erste Kapitel steht die Beschreibung der Bildungssituation der zuge- wanderten Bevölkerung in Deutschland im Vordergrund. Dabei sollen statische Kennwerte, für die im vorangegangen Kapitel beschreibende Ausgangsituation normative und deskrip- tive Zusammenhänge stützen. Es soll ein Überblick zu den aktuellen Verteilungen der zu- gewanderten Bevölkerung und zu ihrem schulischen Abschneiden im deutschen Bildungs- system gegeben werden.

Aufgrund der Komplexität dieses Themas „Bildungschancen von neu zugewanderten Ju- gendlichen“ reichen Analysen von allgemein theoretischen Beiträgen der Forschung nicht aus. Statistische Daten sollen die Komplexität entzerren, indem evidente Zahlen die Aus- gangssituation dieser Zuwanderungsgruppe strukturiert beschreiben. Es ist daher notwen- dig strukturelle Ursachen von Ungleichheitsmustern numerisch bzw. statistisch zu belegen. Berufsbildungsstatistik, Schulstatistik und integrierte Ausbildungsberichterstattung erfassten bis her nicht den Migrationshintergrund, sondern nur die Staatsangehörigkeit. Wie bereits erläutert, erlaubt der Begriff „Migrationshintergrund“ eine Differenzierung aller Personen aus einem Zuwanderungskontext. Deshalb ist das Merkmal „Migrationshintergrund“ in der Regel ein Konstrukt aus mehreren Variablen welches derzeit empirischen Erhebungen auf unterschiedliche Weise operationalisiert wird (vgl. Beicht 2015).

In diesem Kapitel werden aus fünf bildungspolitischen Berichten ausgewählte Kriterien, die den Themenkomplex Bildungschance markieren, miteinander verglichen. Der Vergleich ist für die Ursachenfindung von Bildungsungleichheiten eine wichtige Herangehensweise, weil einige statische Datenberichte nur den Migrationshintergrund oder die Staatsangehörigkeit ermitteln und nicht zwischen verschiedenen Herkunftsgruppen ebenso wie in der Genera- tionenfolge unterscheiden. Die fünf Berichte werden nach diesen statistischen Merkmalen abgeglichen, um die Ungleichheitsmuster der Ausgangsituation darzustellen.

Es werden Daten aus der Mikrozensuserhebung des statistischen Bundesamtes (2016), des Lageberichts des Bundesministeriums für Migration, Flüchtlinge und Integration (2016) sowie dem indikatorengestützten Bericht der Kultusminister Konferenz (2016) analysiert. Diese drei Berichte aus dem Jahr 2016 beschäftigen sich ausgiebig mit der kategorialen Analyse von Bildung, Migration, Teilhabe und Chancengleichheit. Dabei geht es in erster Linie um die Analyse von Zusammenhängen der statistischen Zahlen zu diesem Themen- kreis. Der Datenreport des Bundesamtes für Bildung und Forschung zum Berufsbildungs- bericht (2017) und sowie die Befragung des Bundesamtes für Migration und Flucht von Geflüchteten (2017) analysieren die schulische wie berufliche Qualifikation, Sprachkennt- nisse sowie kognitiven Potenziale von Menschen mit Migrationshintergrund. Aus diesen Materialien wird im weiteren Verlauf die Gruppe der neu zugewanderten Jugendlichen aus- gesondert, um normative und deskriptive Referenzen zum Thema Bildungschancen für den praktischen Teil dieser Arbeit bereit zu stellen.

Diese Berichte können, wie bereits erwähnt einerseits eine kausale Grundlage für die Ur- sachenfindung einer Ungleichheitsdimension sein, stellen aber an einigen Datenmengen auch Unstimmigkeiten untereinander dar, was politische Restriktionen zu Folge haben könnte. Beispielhaft kann die Zahl der schulpflichtigen Kinder als zu gering eingeschätzt werden, wenn die Geburtenzahlen der neu Zugewanderten explorativer anstiege als bisher. Die Bildungspolitik muss auch von ankommenden Menschen die Geburtenrate mit aufad- dieren, damit es nicht zu einem Mangel an schulischen Personal und Kapazitätsprobleme in den Schulen selbst führt.

Kategorial unterscheidet die Forschung drei Formen der Zuwanderung. Seit den fünfziger Jahren wird zentral nach rechtlichen Zugangskriterien klassifizierten Zuwanderungsformen unterschieden: die Arbeitsmigration, der Zuzug von (Spät-)Aussiedlern, sowie die

Asyl- und Flüchtlingszuwanderung. Betrachtet man die letzte Gruppe genauer, so wird aus den aktuellen Berichten einerseits, aufgrund von rechtlichen und institutionellen Nachteilen und anderseits, aufgrund der besonderen Lebens- und Wohnsituationen von Flüchtlingen und Asylbewerbern eine Bildungsbenachteiligung angenommen. Der Rechtsstatus von Flüchtlingen und Asylbewerbern wird dabei explizit zu einer legalen Benachteiligung, weil sie sozialrechtlich nicht der Bevölkerung mit deutscher Staatsangehörigkeit gleichgestellt sind und unter anderem hinsichtlich ökonomischer Rechte bzw. Partizipationsmöglichkeiten benachteiligt sind (vgl. Söhn 2011).

Zusammenfassend wurden für die Aktualität der letzten Zuwanderungsgruppe und ihrer Bil- dungssituation bislang nur sehr wenige qualitative und quantitative Forschungsprojekte vor- gestellt. Dies ist mitverursacht durch eine unzureichende Datenlage. Zum Beispiel konnte die Schulstatistik bundesweit keine einheitliche Erhebungsstruktur für diese Zuwande- rungsgruppen einführen.

Neben dem Merkmal eines Migrationshintergrundes wird nur teilweise ein weiteres statisti- sches Merkmal festgehalten, der sogenannte „staatsbürgerliche Status“, der es ermöglicht, ausländische Schüler weiter nach einem potentiell vorhandenen Asylbewerber- oder Flüchtlingsstatus auszudifferenzieren. Die Differenzierung der dritten Zuwanderungsgruppe in „Asylbewerber und Flüchtling“ beinhaltetet folgende Migrationsmerkmale: Schulpflichte Jugendliche werden dann als Asylbewerber erfasst, wenn sie sich nach einem Asylantrag gemäß dem Asylverfahrensgesetz aufgrund einer Aufenthaltsgestattung oder Duldung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Asylantrag rechtmäßig in Deutschland aufhalten (vgl. Söhn 2011). Schulpflichtige Jugendliche werden dann als Flüchtlinge erfasst, wenn wie sich als Kriegs- oder Bürgerkriegsflüchtlinge oder aus anderen humanitären oder staat- lichen Interessen aufgrund einer Aufenthaltsbefugnis oder Duldung vorübergehend und rechtmäßig in Deutschland aufhalten und keinen Asylantrag gestellt haben. Sonstige Aus- länder gelten in der Statusabfrage hingegen als diejenigen SchülerInnen mit einer auslän- dischen Staatsangehörigkeit, die weder Asylbewerber noch Flüchtling sind (§ 32a Auslän- dergesetz).8

Des Weiteren werden in verschiedenen rechtlichen Aufenthaltsstati für Zugewanderte, die in Deutschland Asyl beantragt haben, differenziert:

A: Aufenthaltsgestattung nach § 55 AsylG Zugewanderten, die einen Asylantrag gestellt haben. wird der Aufenthalt während des Asylverfahrens gestattet.

B. Aufenthaltserlaubnis nach § 25 AufenthG Unterscheidung in:

1. Anerkennung als asylberechtigte Person in der Flüchtlingseigenschaft gem. §

3 Abs. 1 AsylG oder subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylG (Abs. 2), Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG (Abs. 3).

2: Vorübergehende Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen (Abs. 4), Möglichkeit der Abschiebung ist nicht gegeben (Abs. 5).

3: Duldung gem. § 60 a AufenthG wird in der Regel ausgestellt, wenn die Ab- schiebung vorübergehend ausgesetzt wird.

Nachdem nun die definierten Variationen von Aufenthaltsmerkmalen beschrieben wurden, soll nun ein weiteres Recht für Kinder und Jugendliche, die nach Deutschland geflüchtet sind hinzugezogen werden. Geflüchtete Kinder und Jugendliche haben eines gemeinsam: sie haben ein Recht auf Bildung. Der Zugang zu Bildung ist rechtlich und organisatorisch reglementiert. Dieser Arbeit zugrundeliegende Fragestellung in Bezug auf diese Reglementierung im deutsche Schulsystem und Chancengleichheit kann der Zugang von sozial benachteiligten neu zugewanderten Jugendlichen erschwert sein, wenn sich diese zusätzlich in einem ungeklärten Aufenthaltsstatus befinden.

Die Schulpflicht soll unabhängig vom Aufenthaltsstatus mit der Zuweisung an eine Kommune beginnen. Hier schlägt sich das in der UN-Kinderrechtskonvention verankerte Recht auf Bildung nieder9: „ Nach § 1 Schulgesetz hat jeder junge Mensch ein Recht auf schulische Bildung, Erziehung und individuelle F ö rderung. Alle zugewanderten Kinder haben daher grunds ä tzlich ein Recht auf Bildung, unabh ä ngig vom Aufenthaltsstatus. Dies folgt auch aus Art. 28 UN-Kinderrechtskonvention. Dieser Anspruch ist in einen angemessenen Ausgleich zu bringen mit der Erm ä chtigung zur Gesetzgebung und der Pflicht des Landes, ein funktingierendes Schulwesen zu gew ä hrleisten. “ 10

Es gibt jedoch Länderunterschiede in den Regelungen zur Schulpflicht für zugewanderte Jugendliche. Für allgemeinbildende Schule ist die landesspezifisch-geregelte Schulpflicht gekoppelt an den Aufenthaltsort bzw. den Wohnsitz der Kinder und Jugendlichen. In einigen Bundesländern beginnt die Schulpflicht für schutzsuchende Kinder und Jugendliche, sobald sie in einer Erstaufnahmeeinrichtung aufgenommen sind. Andere Bundesländer hingegen veranlassen die Schulpflicht erst wenn sie die Erstaufnahmeeinrichtung verlassen haben oder nach einem vorangegangen drei bis sechs-monatigen Grenzübertritt (vgl. IQA 2017). Die dieser Arbeit zugrundeliegende Fragestellung fokussiert sich nach der Definition von Bildungschance, insbesondere nach der Frage welche Chancen es im Übergang Schule und Beruf für eine alte spezifische Gruppe von neu Zugewanderten gibt.

Für die berufliche Bildung ist für neu zugewanderte Jugendliche ein zwei Phasen Regle- ment vorgeschlagen. Zuerst sollen sie eine Ausbildungsvorbereitung durchschreiten um dann auf eine vollqualifizierende Berufsausbildung hinsteuern zu können. Es ist ein notwendiges Kriterium, dass die noch schulpflichtigen 16- bis 18-Jährigen eine ein bis zwei jährige Ausbildungsvorbereitung durchlaufen, in der das Erlernen der deutschen Sprache mit allgemeinbildenden und berufsvorbereitenden Inhalten verbunden werden soll. Ein solcher Zugang von Ausbildungsvorbereitung müsste für ein höheres Qualifikationsniveau der jugendlichen Schutz- und Asylsuchenden auch im Alter der 18- bis 21-jährigen erforderlich sein, wenn sie eine vollqualifizierende Ausbildung absolvieren sollen.

Betrachtet man auf Länderebene das Bundesland Nordrhein-Westfalen wird hier die allgemeine Schulpflicht in der Landesverfassung NRW Artikel 8 Absatz 211 und dem Schulgesetz NRW §34-4112 geregelt. Damit sind alle Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren mit Wohnsitz in NRW, unbeschadet ihres Aufenthaltstitels, schulpflichtig. Für die Berufsschulpflicht gab es weitere Konkretisierungen: Jugendliche ohne Berufsausbildungsverhältnis verweilen bis zum Ablauf des Schuljahres, in dem sie ihr 18. Lebensjahr vollenden haben (§ 38 III SchulG NRW) an einer allgemeinbildenden Schule.

Nachdem nun die Zuwanderungsgruppen, die Aufenthaltsstati und das Recht auf Bildung beschrieben worden sind, sollen jetzt aufbauende auf diesem rechtlichen Definitionsvolumen die eingangs erforderlichen statistischen Kennwerte hinzugezogen werden. Es soll im Folgenden ein kurzer Überblick über aktuelle Wanderungsbewegungen bereitgestellt werden. Das Ausländerzentralregister meldet für das Jahr 2014 1,1 Millionen, für das Jahr 2015 1,8 Millionen und für das Jahr 2016 1,3 Millionen Zuzüge. Für das erste Halbjahr 2017 waren es zusätzlich 560.327 Personen.

Abbildung 1: Zu- und Fortzüge von ausländischen Staatsangehörigen 2010 bis zum 1. Halbjahr 2016 nen groben Überblick über Fort- und

Zuzüge seit dem Jahr 2010 bis hin zum ersten Halbjahr 2016. Die Datenerfas- sung des Ausländerzentralregisters stellt für das Jahr 2015 ein positiver Wanderungssaldo von ca. 1,2 Millionen in Deutschland lebenden Menschen. Die Frage nach Alter und Bildungsstand dieser Zuwanderungsgruppe soll nun weiter ausdiskutiert werden. Welchen Anteil machen unter dieser Einwande- rungszahl junge schulpflichte Men- schen aus? Wie groß muss das Poten- tial an bildungspolitischen Maßnahmen von der Schulebene bis zur Unterrichts- ebene sein, damit diesen neu zugewan- derten Kindern und Jugendlichen das Recht auf Bildung gewährt werden kann?

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Asylantragszahlen BAMF 2016

Der hohe Wanderungssaldo muss weiterhin nach dem Kriterium des Aufenthaltsstatus bzw. der Asylantragstellung betrachtet werden. Für eine endgültige Zuwanderungszahl spielen die Antragsgenehmigungen dann letzten Endes eine wichtige Rolle. Die rechtsabgebildete Abbildung13 des Statistischen Bundesamtes zeigt nun einen weitaus geringeren Anteil, als die des hohen Wanderungssaldos von Menschen, die schutzsuchend sind bzw. Asyl bean- tragt haben. Die fehlende numerische Differenz zur ersten Abbildung ist in der statistischen Migrationsforschung nicht näher beschrieben, sodass keine genaue Auskunft über den Zahlenunterschied vorliegt. Demzufolge habenim Jahr 2016 von 1,3 Milionen neu zugewanderten Menschen 722.370 einen ersten Asylantrag gestellt.

Eine große Herausforderung bei diesen steigenden Asylantragszahlen bzw. Asylsuchendenzahlen ist ein adäquater rechtlicher Zugang zu Bildung und die Integration in den deutschen Arbeitsmarkt. Das Erfassen von schulischer und beruflicher Vorbildung sowie weiterer demografischer Merkmale von neu Zugewanderten ist durch eine gezielte Integrationspolitik unerlässlich (vgl. Ulbrich 2017: 489).

Das Bundesamt erfasst unter den demografischen Aspekten anhand der Asylerstanträge, dass sich vor allem viele junge Menschen unter den Antragstellern befinden. Im Zeitraum von Januar bis August 2016 waren 73,6 % dieser unter 30 Jahren (BAMF 2016:7). Die Altersgruppe, die in dieser Arbeit im Mittelpunkt steht, ist schulpflichtig. Da Bildungschan- cen von Jugendlichen analysiert werden, ist der Übergang zwischen Schule und Beruf eine markante Schnittstelle zur Chancengleichheit im Bildungssystem. Bei der Betrachtung der dritten Abbildung des Bundesministeriums für Bildung von 2016, sind im Jahr 2015 und von Januar bis April 2016 „ rund 30 % der Asylerstantragsstellenden unter 18 Jahre und rund 25 % zwischen 18 und 25 Jahre alt. Allerdings sind hier wegen der Verfahrensverz ö gerung noch nicht alle Schutz- und Asylsuchenden enthalten, die nach Deutschland gekommen sind “ 14. Insgesamt liegt der Anteil von schulpflichtigen Kindern und Jugendlichen höher als der bei über 18-jährigen Berufsauszubildenden. Dieses Ergebnis beeinflusst die Frage nach Chancengleichheit und Bildungsbeteiligung von sozial benachteiligten neu zugewan- derten Jugendlichen und stellt somit eine Herausforderung im Umgang mit dieser Situation für alle die im Bildungssystem beteiligt sind dar (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016:195).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Asylerstanträge 2013 bis April 2016 nach Altersgruppen (Anzahl)

den deutlich größten Anteil an den Asylberechtigten ausmachen. An dieser Stelle soll der Bildungsstand von neu Zugewanderten thematisiert werden. Die bisherigen Ergebnisse und aktuellen Berichte des Bundesinstitutes für Berufsbildung für das Jahr 2016 verdeutlichen hinsichtlich des Bildungsniveaus von neu Zugewanderten, dass 31 % maximal eine Grund- schule (21,2 %) besucht oder keine formelle Schulbildung (10,0 %) erhalten haben und das auch 30,6% die Mittelschule besucht haben. In der graphischen Darstellung der Ergebnisse werden diese Ergebnisse weiter in Herkunftsländer eingeteilt (s. Abbildung 6 Datenreport 2017:425).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Schulbildung der AsylantragsstellerInnen - Höchste besuchte Bildungseinrichtung nach Herkunftsland

Aufgrund von Abweichungen der Schulsysteme und qualitativen Ansprüche beim Erwerb und der Ausübung von Berufen in den verschiedenen Herkunftsländern, ergeben sich Schwierigkeiten bei der Einordnung und der Vergleichbarkeit von Schulbesuch und Berufs- qualifikationen ins deutsche Schulsystem. Die statistischen Daten zu den Schulbesuchen werden durch die anderen zugrundeliegenden Berichte ähnlich beschrieben (vgl. BAMF 2016 / Datenreport 2017). Ein entscheidender Aspekt betrifft dabei die Selbstauskunft die- ser Zuwanderungsgruppe, welche die Daten nicht valide ausreichend darstellt. Es kann nicht von einer Validität dieser Befragungsmethode aus gegangen werden: „ Durch reine Selbstauskunft (ohne Erbringung von Nachweisen) besteht die M ö glichkeit von strategi- schem Antwortverhalten. Da die Daten im Rahmen des Asylverfahrens erhoben werden, kann nicht ausgeschlossen werden, dass einzelne Asylantragsteller ihre schulische und berufliche Qualifikation „ü berh ö ht “ darstellen, weil sie sich dadurch - irrt ü mlicherweise - eine bessere Ausgangslage f ü r ihr Asylverfahren erhoffen. “ 15

Dieses Zitat des Bundesministeriums für Migration und Flucht deutet daraufhin, dass eine

adäquate Erfassung bzw. Erhebung schulischer Qualifikationen von Asylbewerbern und Flüchtlingen im Rahmen von Schulstatistiken kaum ausreichend realisiert wird. Nichtsdes- totrotz spricht der hohe Anteil an kurzen Bildungsbesuchen gegen Chancengleichheit der Bildungszugänge (vgl. Beicht 2017). Eine Eingrenzung auf volljährige Personen wurde bis- her vorgenommen, weil bei Minderjährigen der Bildungs- oder Berufsqualifikationsprozess meist noch im Gange ist (vgl. Stoewe 2017). Die neu zugewanderten SchülerInnen befinden sich meistens in einem „Zwischenstadium“. Das könnte eine mögliche Ursache dafür sein, dass sie noch keine Gelegenheit hatten, eine Ausbildung oder ein Studium zu beginnen, weil sie sich in der Kriegssituation in der Heimat oder in längerern Transitaufenthalte be- fanden (BAMF 2017: 12).

Ein chancengerechter Bildungszugang dieser jungen Asylbewerber beansprucht weitere umstrukturierende Maßnahmen der Institutionen im Vergleich zu den Jahren davor. Zwar hat die bildungspolitische Migrationsforschung in den Berichtsjahren zuvor, stets den Anteil an geringfügiger Bildungsqualifikation von SchülerInnen mit Migrationshintergrund thematisiert, jedoch werden im Zuge der letzten Einwanderungswelle weitere Anstiege dieser hier beschriebenen Ausgangssituation erwartet (vgl. Brücker 2016).

Ein Beispiel soll nachfolgend dargestellt werden. Die Gruppe von neu Zugewanderten be- trifft das nicht direkt, sondern es betrifft den aktuellen Gesamtstatus von Schülerinnen mit Migrationshintergrund und wie diese zusammenführend katalogisiert werden. Von 747.331 schulpflichtigen SchülerInnen im Schuljahr 2016 aller Achtklässler Deutschlands sind 33% Schüler an einer Hauptschule und gehören zu der Personengruppe mit Migrationshinter- grund. Wobei der Anteil derer an einem Gymnasium gerade mal bei 4,3 % liegt16.

Weiterhin liegt der Anteil von 1,3 Millionen aller Auszubildenden die 2015 registriert worden sind, bei jungen Menschen mit Migrationshintergrund bei gerade einmal 6,5 % zu 94,5 % ohne Migrationshintergrund. Obwohl der Anteil von Menschen mit Migrationsbericht laut des Mikrozensus an der Gesamtbevölkerung im Vergleich dazu bei über 20% liegt (vgl. Mikrozensus 2016:8).

Weiter fortführend ließe sich dieses bildungsunspezifische und bildungsferne Merkmal zu- spitzen, in dem die Arbeitslosenquoten der registrierten Menschen mit Migrationshinter- grund von 2015 hinzugezogen werden: diese liegen bei 16,6 % im Vergleich zu Deutschen mit 6,2 %. Letztendlich liegt die Erwerbslosenquote von 15 bis 25-Jährigen mit Migrations- hintergrund bei 23,8 % und ist mehr als doppelt so hoch wie bei jungen Menschen ohne Migrationshintergrund (ebd.).

[...]


1 Vgl. Bundesministerium des Innern: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/kurzmeldungen/DE/2016/11/sechste-sit- zung-expertenrat-demografie.html [Zugriff: 9.3.2018]

2 vgl. Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen: http://www.zukunftsschulen- nrw.de/cms/front_content.php?idcat=419&lang=1 [Zugriff: 9.3.2018] 3 vgl. Blossfeld et a.2016: 5

4 vgl. Diehm I./ Kuhn M. / Machold C. 2016: 13f.

5 Statistisch genaue Angaben erfolgen in Kapitel 2.2

6 vgl. Diehl/ Hunkler /Kristen 2016:5

7 vgl. Becker/ Lauterbach 2016:7

8 vgl. Bundesgesetzesblatt: https://www.bgbl.de

9 vgl. https://www.kinderrechtskonvention.info/recht-auf-bildung-recht-auf-schule-3620/

10 vgl. https://www.schulentwicklung.nrw.de/q/upload/Schule_und_Zuwanderung/Pressemitlung_MSW_24.05.2016.pdf

11 vgl. https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_text_anzeigen?v_id=2320020927105939563

12 vgl. https://www.schulministerium.nrw.de/docs/Recht/Schulrecht/Schulgesetz/Schulgesetz.pdf

13 vgl. BAMF : https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Downloads/Infothek/Statistik/Asyl/aktuelle-zahlen-zu-asyl- januar-2017.pdf?__blob=publicationFile

14 vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016:193

Eine andere Analyse (Abbildung 4) stellt ein ähnliches Ergebnis dar, dass junge Menschen

15 vgl. BAMF-Kurzanalyse 2017:9.

16 vgl. Integrationsministerkonferenz 2018: http://www.integrationsmonitoring-laender.de/tabellen

Ende der Leseprobe aus 66 Seiten

Details

Titel
Bildungschancen von neu zugewanderten Jugendlichen in der weiterführenden Schule
Hochschule
Universität zu Köln  (Bildungswissenschaften)
Note
1,5
Autor
Jahr
2018
Seiten
66
Katalognummer
V429699
ISBN (eBook)
9783668770195
ISBN (Buch)
9783668770201
Dateigröße
1192 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Integartion, Neu Zugewanderte SchülerInnen, Spracherwerb
Arbeit zitieren
Joanna Mandrysch (Autor:in), 2018, Bildungschancen von neu zugewanderten Jugendlichen in der weiterführenden Schule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/429699

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