Ökologisch problematische Subventionen


Magisterarbeit, 2005

99 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1 Einleitung
1.1 Thematische Erweiterung eines finanzpolitischen Evergreens
1.2 Aufbau der Arbeit

2 Zum Problem: Subventionen und Umwelt
2.1 Größenordnungen
2.2 Subventionen und Umweltpolitik

3 Subventionsbegriffe
3.1 Ausgangssituation: Keine einheitlichen Abgrenzungen und Definitionen
3.2 Subventionsdefinitionen
3.3 Externe Kosten
3.4 Steuerlücken

4 Subventionsberichterstattung in Deutschland
4.1.1 Subventionen in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
4.1.2 Der Subventionsbericht der Bundesregierung
4.1.3 Die Subventionsberichterstattung der Wissenschaft
4.2 Überblick und Schlussfolgerungen

5 Über die Subventionsvergabe und Probleme beim Subventionsabbau
5.1 Zur Logik staatlicher Finanzpolitik
5.2 Subventionen als Instrument des Kompromisses
5.3 Weitere Gründe für die Beharrungsfähigkeit von Subventionen
5.4 Konsequenzen aus der Beharrungsfähigkeit

6 Über die Beurteilung von Subventionen
6.1 Zur staatlichen Aufgabenübernahme
6.2 Wohlfahrtsökonomische Begründungen für Subventionen
6.2.1 Allokative Zielsetzungen
6.2.2 Distributive Zielsetzungen
6.2.3 Stabilisierungspolitische Zielsetzungen
6.3 Beurteilungskriterien auf der Instrumentenebene
6.3.1 Primärwirkungen
6.3.2 Nebenwirkungen

7 Subventionskontrolle und Subventionsabbau
7.1 Subventionskontrolle und/oder Subventionsabbau
7.2 Verbesserung der Handlungsbedingungen
7.3 Ablauf einer Subventionskontrolle
7.4 Exkurs: Subventionskontrolle durch die europäische Beihilfenaufsicht

8 Identifikation und Quantifizierung ökologisch problematischer Subventionen
8.1 Ökologisch problematische Subventionen: eine Frage der Alternativen
8.2 Verbindungen zwischen Subventionen und Umwelt
8.3 Zur Erzielung positiver Umwelteffekte durch Subventionsabbau
8.4 Einbeziehung ökologischer Erfordernisse in die Subventionspolitik

9 Ökologisch problematische Subventionen im Politikfeld Energie
9.1 Umweltwirkungen des Energiesektors
9.2 Subventionen im Energiesektor
9.3 Steuerermäßigungen im Rahmen der Mineralölsteuer
9.4 Exkurs: EU-Richtlinie zur Energiesteuer-Harmonisierung
9.5 Kohlesubventionen
9.5.1 Steinkohlesubventionen
9.5.2 Braunkohlesubventionen
9.6 Ausblick
9.6.1 Steuerbefreiung für Kerosin in der gewerblichen Luftfahrt
9.6.2 Angleichung der Dieselbesteuerung
9.6.3 Einführung von Regelsteuersätzen
9.6.4 Energiepolitische Erfordernisse

10 Die aktuelle politische Diskussion
10.1 Die Koch-Steinbrück-Initiative „Subventionsabbau im Konsens“
10.2 Forderungen des Bundes für Umwelt- und Naturschutz e.V.
10.3 Der Vorschlag von Bündnis 90/Grüne
10.4 Beschlüsse und Vorhaben der Bundesregierung
10.4.1 Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag
10.4.2 Gesetzesvorhaben der Bundesregierung
10.4.3 Erste Fortschritte beim Subventionsabbau

11 Fazit

12 Abkürzungsverzeichnis

13 Literatur

14 Selbständigkeitserklärung

Tabellenverzeichnis

Tab. 2

Tab. 3.1 Untersuchungen zum Ausmaß der ökologisch kontraproduktiven Finanzhilfen und Steuervergünstigungen in Deutschland (in Mrd. EUR) Klassifikation der Subventionsformen

Tab. 9.3 Steuervergünstigungen im Rahmen der Mineralölsteuer

Tab. 9-5-1 Staatliche Unterstützung, Produktion und internationaler Handel in der Kohle-Industrie, 1986-1994

Tab. 9-5-2 Identifizierte Begünstigungen für die deutsche Braunkohle

Tab. 10-1 Die Koch-Steinbrück-Initiative im Überblick

Tab. 10-3 Kurz- und mittelfristig abbaubare Subventionen aus grüner Sicht

Abbildungsverzeichnis

Abb. 4-2 Subventionen in Mrd. Euro in Deutschland 2003 nach den Abgrenzungen der Subventionsbericht-erstattung

Abb. 7-3 Einfaches Ablaufschema der Subventionskontrolle

Abb. 7-4 Beihilfen der EU und der Mitgliedsstaaten 1990-2002

Abb. 8-2 Verbindungen zwischen Subventionen und Umwelt

Abb. 8-

Abb. 10-2 Subsidy removal checklist

Abb. 10-2: Die Kürzungsvorschläge des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschland

„Wir erleben es doch jeden Tag in der aktuellen Politik: Jede fiskalische Sparmaßnahme – so richtig sie sein mag – wird politisch zerrissen, missverstanden und abgewiesen, solange sie nur und ausschließlich mit dem Sparargument belegt wird. Dann heißt es sofort: Im allgemeinen ist Sparen gut, aber anfangen soll doch bitte jemand anderes. Was hier fehlt, ist ein inhaltlicher Begründungszusammenhang, eine Zukunftsperspektive. In der Öffentlichkeit setzt sich das Gefühl fest, hier bastelt jeder, jedes Ressort, jede Lobby an einem eigenen Instrument.“ – Volker Hauff

1 Einleitung

1.1 Thematische Erweiterung eines finanzpolitischen Evergreens

Subventionen sind ständig Gegenstand wissenschaftlicher aber auch öffentlicher Kritik. Sie konservieren überkommene Strukturen, behindern die Durchsetzung technologischer Innovationen und das Entstehen neuer Wirtschaftstrukturen. Neben der direkten Haushaltsbelastung durch Transfers oder Steuererleichterungen sind sie oft mit hohem bürokratischen Aufwand verbunden. Behinderung des Strukturwandels und höhere Staatsverschuldung vertagen aktuelle Probleme zu Lasten zukünftiger Generationen. Auch innerhalb der jetzigen Generation genügt die Subventionsvergabe keinen Gerechtigkeitsvorstellungen: „Zwischen den einzelnen Branchen bestehen erhebliche Unterschiede in den Belastungen und Begünstigungen, obwohl zum Teil ähnliche Anpassungsprobleme bei der Bewältigung des Strukturwandels bestehen“ (Harzem 1988: 192). Zu den bekannten Argumenten gehören auch insgesamt negative Beschäftigungswirkungen, mangelnde Effektivität, Ineffizienzen, die Bildung einer Subventionsmentalität usw. (z.B. Sprenger/Rave 2003: 136ff.). Die Liste ließe sich noch verlängern.

Vor allem in Zeiten knapper Kassen wird regelmäßig der Ruf nach einem mehr oder minder radikalen Subventionsabbau laut. Schon 1973 hat Hansmeyer das Thema als ‚finanzpolitischen Evergreen’ bezeichnet (vgl. ders. 1973 und 1993). Die Beharrungsfähigkeit der Subventionen war bislang allerdings größer als der politische Wille, den Forderungen der Wirtschaftswissenschaftler Folge zu leisten.

Finanzpolitische Instrumente als umweltpolitische Steuerungsmedien sind seit Ende der achtziger Jahre immer stärker in den Fokus von Wissenschaft und Umweltverbänden geraten, zunächst überwiegend in Form ökologischer Steuerreformen. Erst in jüngster Zeit wurden die Umweltwirkungen von Subventionen zum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen – zunächst wenig beachtet im Rahmen von OECD-Workshops (vgl. OECD 1998a, 1998b, 1999 und 2003).

Vom Umweltverband Bund für Umwelt- und Naturschutz wurden diese Vorarbeiten aufgegriffen und 1999 mit der Kampagne „Abbau und Umbau ökologisch schädlicher Subventionen. Bausteine für ein zukunftsfähiges Deutschland“ (vgl. BUND 1999) auf die politische Bühne gehoben. Die Ergänzung der Ökologischen Steuerreform zu einer umfassenderen ökologischen Finanzreform und die Debatte zur Haushaltskonsolidierung waren die politischen Anknüpfungspunkte. Vor allem seitens der Umweltpolitiker der Bündnisgrünen wurden die Vorschläge in die politische Arbeit aufgenommen (vgl. Bündnis 90/Grüne 2003).

Die Kampagne des Bundes- und Naturschutz habe ich im Rahmen eines Praktikums und darüber hinaus begleitet. Seitdem ist deutlich Bewegung in der Frage des Subventionsabbaus gekommen. In dieser Arbeit soll die Diskussion um ökologisch problematische Subventionen vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen diskutiert und ein Konzept der politischen Subventionskontrolle um die Anforderungen der Umwelt erweitert werden.

1.2 Aufbau der Arbeit

Nach Vorstellung der Problemdimension und den relevanten Begrifflichkeiten wird die politische Logik der Subventionspolitik dargestellt: Die Attraktivität für die Politik und die Gründe für die Beharrungsfähigkeit von Subventionen. Subventionen sind trotz ihres Rufes nicht per se negativ zu beurteilen. Eine radikale Subventionskürzung würde auch Zukunftsinvestitionen betreffen, oder auch Subventionen mit per Saldo positiven Effekten, z.B. für Umwelt oder Beschäftigung. Den Ambivalenzen des Instrumentes wird keine Rechnung getragen. Bewertet man Subventionen aus ideologischen oder theoretischen Gründen also nicht nur negativ, ist es erforderlich, Kriterien für eine sachgerechte und zukunftsorientierte Subventionspolitik zu entwickeln (vgl. Kap. 6).

Anhand von Beurteilungskriterien kann eine Subventionskontrolle entwickelt werden, so dass eine selektive Kürzung der größten und schädlichsten Subventionen erleichtert wird. Ein solches Konzept der Subventionskontrolle ist wesentlicher Bestandteil zur Stärkung der Handlungskapazität der Politik.

Bisher verlaufen die wissenschaftlichen Diskussionen um Subventionen im Allgemeinen auf der einen Seite, und ökologisch problematischen Subventionen auf der anderen noch weitgehend unverbunden nebeneinander her. Eine Integration ist dringend erforderlich. Umweltpolitische Erfordernisse müssen die Diskussion um Beurteilungskriterien für Subventionen und die Subventionskontrolle ergänzen.

Subventionen sind in ihren Wirkungen auch nicht isoliert zu betrachten. Erst durch die Analyse der Regulierungen in einem Politikfeld können versteckte Subventionen identifiziert und quantifiziert werden. Auch die Umweltwirkungen von Subventionen werden durch andere, spezifische Bedingungen im Politikfeld mit beeinflusst. In Kapitel 9 werden darum exemplarisch die Subventionen des Energiesektors (inklusive Verkehr) dargestellt und die politischen Bedingungen und Hintergründe zum Abbau ökologisch problematischer Subventionen erörtert.

Im zehnten Kapitel wird schließlich die aktuelle politische Diskussion vorgestellt und schließlich ein Fazit zu den ersten Fortschritten, aber auch zu den bestehenden Defiziten der Subventionspolitik in Deutschland gezogen.

2 Zum Problem: Subventionen und Umwelt

2.1 Größenordnungen

Weltweit liegt der Umfang der international auch als ‚perverse subsidies’ bezeichneten ökologisch problematischen Subventionen je nach Schätzung zwischen 250 und 1950 Mrd. Dollar (vgl. Sprenger/Rave 2003: 6). Über das Ausmaß ökologisch problematischer Subventionen in Deutschland gibt es nur wenige Untersuchungen. Die Ergebnisse sind in Tab. 2-1 auf der folgenden Seite zusammengestellt.

Auch hier gibt es extreme Unterschiede in der Höhe der erfassten Finanzhilfen und Steuervergünstigungen. Diese Differenzen begründen sich zum einen durch die Auswahl der betrachteten Sektoren. Vor allem aber erklären sie sich – ebenso wie in der im vorangegangenen Kapitel dargestellten Subventionsberichterstattung – durch unterschiedliche Abgrenzungen und Methoden der Datenerfassung. So werden zum Teil nur Werte aus den Subventionsberichten der Bundsregierung zugrunde gelegt, zum Teil werden auch eigene Berechnungen angestellt. Hinzu kommt, das in einigen Untersuchungen nicht-internalisierte externe Kosten zu den Subventionen gerechnet werden.

Die Zahlen verdeutlichen dennoch die Relevanz der Problematik. Sie lassen auch vermuten, dass ein Großteil der gewährten Subventionen neben den im Allgemeinen mit vielen Subventionen einhergehenden Problemen auch Umweltschäden verursacht. Die weltweiten ‚perverse subsidies’ machen mehr als fünf Prozent des weltweiten Sozialproduktes aus (vgl. Sprenger/Rave 2003: 6).

Als weiteres Problem für die Datenerfassung kommt hinzu, dass die Unterscheidung von ökologisch problematischen Subventionen von umwelt-neutralen oder gar positiven Subventionen nicht abschließend geklärt ist. Es gibt noch keine Untersuchungen mit vollständigen, vergleichbaren und konsistenten Daten (vgl. auch OECD 1998b sowie Sprenger/Rave 2003 7ff.).

Tabelle 2-1: Untersuchungen zum Ausmaß der ökologisch kontraproduktiven Finanzhilfen und Steuervergünstigungen in Deutschland (in Mrd. EUR)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Sprenger/Rave (2003: 7)

2.2 Subventionen und Umweltpolitik

Zum Verhältnis von Subventionen zur Umweltpolitik unterscheiden Ewringmann und Thöne (vgl. i.F. dies.:2002: 6ff.) prototypisch vier Fälle:

(1) Implizite umweltschädliche Subventionen

Dieser Fall betrifft bei Ewringmann und Thöne die Nicht-Internalisierung externer Kosten. Kostenloser Umweltverbrauch begünstigt die Produktion von und die Hersteller umweltintensiver Güter gegenüber Dritten, die umweltverträglicher und ressourcenschonender wirtschaften. Der Staat verzichtet auf Einnahmen aus einer angemessenen Kostenanlastung. Eine Internalisierung entspräche somit dem Umwelt- und Wettbewerbsziel.

Neben externen Kosten, die in dieser Arbeit, wie in Kap. 3.3 weiter erläutert wird, unberücksichtigt bleiben sollen, gibt es nach den Klassifikationen aus Kap. 3.2 weitere implizite Subventionen. Darunter werden solche Begünstigungen subsumiert, die sich nicht direkt im Budget der öffentlichen Haushalte widerspiegeln.

(2) Explizite umweltschädliche Subventionen

Umweltintensiv produzierende Unternehmen und Sektoren werden bewusst durch den Staat gefördert, zum Teil „gerade um ihre eigentlich ungerechtfertigte Wettbewerbs- und Marktposition zu halten, damit zumeist auch Arbeitsplätze bewahren zu können“ (Ewringmann/Thöne 2002: 7). Die Förderung geschieht durch Ausgaben und/oder Einnahmeverzichte im Rahmen staatlicher Subventionsprogramme. „Dieselben Begünstigungseffekte lassen sich erreichen durch Freistellung von Umweltanforderungen, längere Anpassungsfristen an Umweltnormen, Vergünstigungen oder Freistellungen im Rahmen von Umweltabgaben etc.“ (ebd.) – also im Wesentlichen implizite Subventionen.

(3) Umweltschutzsubventionen bei positiven Externalitäten (Kompensationen)

Der dritte Punkt betrifft Zahlungen an Unternehmen, die positive externe Umwelteffekte erzielen. Die fehlende preisliche Abgeltung auf dem Markt wird durch den Staat kompensiert, damit sind grundsätzlich keine Begünstigungen der Unternehmen verbunden. Bei zielgerichteter Ausgestaltung (keine Überkompensation) sind sie auch unter wettbewerbspolitischen Gesichtspunkten unproblematisch.

(4) Umweltschutzsubventionen bei negativen Externalitäten

Hier handelt es sich um Fördermaßnahmen, die beim Adressaten Anreize zur Intensivierung von Umweltschutzmaßnahmen schaffen sollen. Da in diesem Fall aber an Stelle des gebotenen Verursacherprinzips das Gemeinlastprinzip angewendet wird, sind sie sowohl in umweltpolitischer als auch wettbewerbspolitischer Hinsicht zu kritisieren.

Subventionen sind nicht automatisch mit negativen oder positiven Umweltwirkungen verknüpft. Die vorgestellten vier Typen kann man also um die umweltneutralen Subventionen ergänzen.

Zunächst sollen im Folgenden die verschiedenen Subventionsbegriffe und Abgrenzungen vorgestellt werden.

3 Subventionsbegriffe

3.1 Ausgangssituation: Keine einheitlichen Abgrenzungen und Definitionen

Eine einheitliche Definition für Subventionen sucht man in der Literatur vergeblich. Die deutsche Subventionsberichterstattung unterscheidet sich zum Einen hinsichtlich der (Nicht-) Berücksichtigung der Subventionsgeber auf den Verwaltungsebenen von der Gemeinde bis zur EU und Unternehmen der öffentlichen Hand. Zum Anderen in der Begrenzung des Empfängerkreises von Subventionen. Neben privaten Unternehmen werden teilweise auch öffentliche Einrichtungen und Privatpersonen berücksichtigt.

Unterschiede finden sich zudem bei den Subventionsformen und aufgrund verschiedener Bezugsgrößen auch in den Angaben zum Umfang einzelner Subventionen. Ein extremes Beispiel dafür sind die Angaben zu den Steuerausfällen durch die Steuerbefreiung für Luftfahrtbetriebsstoffe. Der Subventionsbericht weist dabei für das Jahr 1998 500 Mio. DM (Deutscher Bundestag 1999: 175) aus, während Meyer für den gleichen Zeitraum 9,1 Mrd. DM (dies. 2001: 15) errechnet hat.

Im politischen Raum wird das Begriffschaos vollends komplett. Eine Subvention ist nicht einfach eine Subvention so wie eine Steuer eben eine Steuer ist. Ausgestattet mit einem so schlechten Ruf wie kein anderes Instrument gestaltender Politik, „als bestenfalls nutzlose, zumeist auch noch volkswirtschaftlich schädliche Geschenke an Unternehmen“ (Thöne 2003: 9), heißen sie Steuererleichterungen, Fördermittel, Bei- oder Finanzhilfen usw.

Angesichts des Begriffswirrwarrs hat der Finanzwissenschaftler Norbert Andel vorgeschlagen, das jede Untersuchung entsprechend der Fragestellung den ‚passenden’ Subventionsbegriff definieren müsse (Andel 1977). Im Folgenden sollen zunächst gängige Definitionen aus der Literatur sowie anschließend die Abgrenzungen in der deutschen Subventionsberichterstattung vorgestellt werden.

3.2 Subventionsdefinitionen

In der Finanzwissenschaft werden Subventionen vorherrschend als Zahlungen des Staates an Unternehmen verstanden, so wie sie sich etwa bei Hansmeyers Charakterisierung von ‚Transfers an Unternehmen’ findet. Demnach sind Subventionen

„Geldzahlungen oder geldwerte Leistungen der öffentlichen Hand, von denen anstelle einer marktwirtschaftlichen Gegenleistung bestimmte Verhaltensweisen gefordert oder erwartet werden, die dazu führen sollen, die marktwirtschaftlichen Allokations- und/oder Distributionsergebnisse nach politischen Zielen zu korrigieren“ (ders. 1977: 963).

In einer streng instrumentenbezogenen Definition sind demnach lediglich direkte Finanzhilfen enthalten. In der Praxis wird sie beispielsweise in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung des Statistischen Bundesamtes verwendet. Für problembezogene Untersuchungen wird der Subventionsbegriff häufig weiter gefasst; „im Sinne bewußt differenzierender Eingriffe in den Unternehmenssektor allgemein“ (Andel 1990: 251). Dann werden neben Verbilligungssubventionen auch, wie z.B. im Subventionsbericht der Bundesregierung, steuerliche Begünstigungen berücksichtigt.

In der internationalen Diskussion um ‚environmentally harmful subsidies’ findet sich wohl der weiteste Subventionsbegriff:

“Subsidies comprise all measures that keep prices for consumers below market level or keep prices for producers above market level or that reduce costs for consumers and producers by giving direct or indirect support” (van Beer/de Moor 2001: 4).

Über die so genannten expliziten Subventionen hinaus, werden hier u.a. auch bestimmte Regulierungen und sogar externe Kosten berücksichtigt.

Eine Abgrenzung des Subventionsbegriffs kann keine Allgemeingültigkeit beanspruchen. Es kann aber festgestellt werden, dass Subventionen Verteilungs- und Lenkungsinstrumente sind, die gekennzeichnet sind

- als staatliche Leistungen an Private ohne marktliche Gegenleistung,
- durch Selektivität und Gruppennützigkeit in Abgrenzung zu den allgemeinen Leistungen des Staates,
- durch Auswirkungen auf die Wettbewerbsbedingungen,
- durch Budgetwirkung (in der Regel).

Ein weiter Subventionsbegriff hat den Vorteil, dass bestimmte, subventionsrelevante Tatbestände nicht von vornherein ausgeblendet werden. Dies ist ein Grund dafür, dass nahezu alle Untersuchungen, die sich mit Subventionen und deren Umweltwirkungen befassen, ein besonders weit gefasstes Subventionskonzept anwenden. Ein eng gefasster Subventionsbegriff weist dagegen in der administrativen Bearbeitung Vorteile auf.

Einen Überblick über die Subventionsklassifikationen gibt die Tabelle 3-2. Im Rahmen dieser Arbeit werden alle darin enthaltenen Subventionsformen berücksichtigt – mit Ausnahme von externen Effekten. Auf diesen Sonderfall, sowie auf das Problem der so genannten Steuerlücken, soll im Anschluss näher eingegangen werden. Dann wird die Subventionsberichterstattung in Deutschland näher beleuchtet, der, wie für die gesamte Diskussion typisch, wiederum unterschiedliche Abgrenzungen und Definitionen zugrunde liegen.

Tabelle 3-2: Klassifikation der Subventionsformen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Wuppertal Institut 2004: 12

3.3 Externe Kosten

Externe Kosten, bzw. deren Nicht-Internalisierung, werden in dieser Arbeit nicht berücksichtigt. Nicht internalisierte externe Kosten werden in der Literatur zwar häufig zu den „impliziten“ Subventionen gezählt (vgl. z.B. OECD 1998: 8; Ewringmann/Thöne 2002: 6ff.) und sogar teilweise synonym behandelt. Nach der Klassifikation von Tab. 3-2 sind sie aber nur eine Form impliziter Subventionen bei sehr weit gefasstem Subventionsbegriff. Sie beinhalten demnach Merkmale von Subventionen, z.B. Selektivität und Gruppennützigkeit: Die kostenlose Nutzung von Umweltgütern für umweltintensive Produkte verschafft ihren Herstellern Wettbewerbsvorteile gegenüber Unternehmen, die weniger umweltschädlich produzieren.

Wenn man als Referenzmodell das umweltökonomische Optimum der Internalisierung externer Kosten durch eine Pigou-Steuer zugrunde legt, ergeben sich auch erhebliche Steuerausfälle (vgl. Meyer 2001: 21f.). Allerdings bestehen erhebliche Schwierigkeiten bei der Erfassung und Quantifizierung. Entsprechend schwanken die vorhandenen Schätzungen in ihrer Höhe beträchtlich.

Die Entscheidung, externe Kosten in dieser Arbeit nicht als Subventionen zu berücksichtigen, beruht aber nicht allein auf den Problemen der wirtschaftswissenschaftlichen Methodik. Die verwendete Definition bezieht sich vielmehr auf die Folgen staatlichen Handelns und nicht auf das Fehlen von Interventionen bei dieser Form von Marktversagen.[1] Diskutiert wird das Instrument Subvention vor dem Hintergrund potentieller und tatsächlicher negativer Umweltwirkungen als (unerwünschte) ‚Nebenwirkung’ des Instrumenteneinsatzes. Die Internalisierungsdebatte über die Verteilung von Verfügungsrechten über öffentliche Güter inklusive dazugehöriger Instrumentenwahl geht über den Rahmen dieser Arbeit hinaus.

3.4 Steuerlücken

Steuerlücken sind fehlende, systematisch aber gebotene Abgaben. Sie sind eine Folge der „Ideen und Zufälligkeiten verschiedener Epochen“ (Andel 1990: 276), welche die realen, historisch gewachsenen Steuersysteme von einem rationalen ‚Idealsystem’ unterscheiden. Wurden beispielsweise alle Energieträger nach und nach einer Besteuerung unterzogen, nur für die Steinkohle aber kein Steuersatz eingeführt, dann liegt eine Steuerlücke vor. Im Gegensatz zur Erosion von Bemessungsgrundlagen oder Ausnahmeregelungen bei bereits eingeführten Steuern, zählen sie nach strenger finanzwissenschaftlicher Systematik nicht zu den Subventionen. Da das fiskalische Interesse in der Regel aber dazu führt, dass Steuerlücken geschlossen werden, liegt zumindest der Verdacht nahe, dass bestimmte Gruppen von der Besteuerung verschont werden sollen. So wurden in Deutschland importierte Energieträger einer Besteuerung unterzogen, heimische Energieträger blieben davon verschont, um sie in eine günstigere Wettbewerbsposition zu versetzen (vgl. Kap. 8.1 und 8.2). Vor diesem Hintergrund werden sie in dieser Arbeit als Steuervergünstigungen mit aufgeführt.

4 Subventionsberichterstattung in Deutschland

4.1.1 Subventionen in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung

In der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) werden nur laufende Finanzhilfen an den Unternehmenssektor berücksichtigt. Investitionszuschüsse und Vermögensübertragungen werden nicht erfasst; Steuersubventionen und weitergehende Subventionsformen nach Tab. 2-1 werden ebenso wenig berücksichtigt.

Der Subventionsbegriff ist also sehr eng gefasst. Er erklärt sich aus dem Zweck der VGR: „In der Kreislaufanalyse der VGR schlagen Subventionen (saldiert mit indirekten Steuern und Abschreibungen) die Brücke von der Bruttowertschöpfung der Unternehmen zu deren Nettowertschöpfung (ebenso im gesamtwirtschaftlichen Produktionskonto)“ (Thöne 2003: 28).

Im Gegensatz zum engen Subventionsbegriff ist der Kreis der berücksichtigten Subventionsgeber weit gefasst. Alle staatlichen Ebenen von der Gemeinde bis zur EU sowie Sozialversicherungen und staatliche Sondervermögen werden berücksichtigt. Als mögliche Empfänger gelten alle Institutionen mit Erwerbszweck einschließlich staatlicher Unternehmen. Da die Datenerhebung nach dem internationalen System of National Accounts erfolgt, ist der Vorteil dieser Abgrenzung die internationale Vergleichbarkeit (vgl. ebd.). Für eine nationale Subventionskontrolle ist diese Subventionsabgrenzung hingegen wenig geeignet, da zu viele Tatbestände ausgeklammert werden (s.o.).

4.1.2 Der Subventionsbericht der Bundesregierung

Nach § 12 des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes (StWG) berichtet die Bundesregierung seit 1967 alle zwei Jahre über Finanzhilfen aus dem Bundeshaushalt an „Stellen außerhalb der Bundesverwaltung“ (BMF 2003: 15) und Steuervergünstigungen als „spezielle steuerliche Ausnahmeregelungen [...], die für die öffentliche Hand zu Mindereinnahmen führen“ (ebd.). Finanzhilfen der EU, der Länder und Gemeinden sowie der Bundesagentur für Arbeit und der Treuhandanstalt (bzw. ihrer Nachfolgegesellschaften) sowie Mittel des ERP-Sondervermögens werden nicht erfasst.

Der dem Subventionsbericht zugrunde gelegte Subventionsbegriff war immer wieder Gegenstand wissenschaftlicher Kritik. Unter anderem bei Boss/Rosenschon (2002: 64f.) sowie bei Sprenger/Rave (2003: 20ff.) werden zentrale Ansatzpunkte dieser Kritik aufgeführt:

- die zu Grunde gelegten Abgrenzungskriterien seien unscharf und kaum mit wirtschaftswissenschaftlichen Definitionen in Übereinstimmung zu bringen,
- die erfassten Subventionen beschränken sich auf den Bundeshaushalt,
- die unzureichende Abgrenzung potentieller Subventionsempfänger auf Stellen außerhalb der Bundesverwaltung,
- mit dem Verweis auf allgemeine Staatsaufgaben werden Subventionstatbestände per zu Grunde gelegter Definition nicht erfasst (beispielhaft werden Infrastrukturausgaben genannt),
- branchenspezifische Staatsleistungen werden nicht erfasst,
- Subvention, die der Sozialpolitik oder anderen Politikbereichen, zugeordnet werden, werden nicht aufgeführt,
- Subventionen bei der Gewährung von Bundesbürgschaften und der öffentlichen Kreditvergabe werden ausgegrenzt.

Trotz aller wissenschaftlichen Kritik sorgt der Subventionsbericht der Bundesregierung für relativ große Transparenz. Zudem wird die Berichterstattung auch laufend verbessert. So strebt das Bundesministerium für Finanzen aktuell „eine Anpassung der Subventionsberichterstattung an, um auch solche Subventionen, über die ständig diskutiert wird (z.B. die Entfernungspauschale), die aber gar nicht oder höchstens nachrichtlich erfasst werden, künftig besser zu berücksichtigen“ (Rave 2004: 40, zit.n. Wuppertal Institut 2004: 13). Eine Ausweitung der Subventionsabgrenzung hat den Vorteil, dass Subventionsabbau besser als solcher zu kommunizieren ist. Reduktionen wie im Rahmen des gescheiterten Steuervergünstigungsabbaugesetzes hätten sich beispielsweise nicht in voller Höhe im Subventionsbericht niedergeschlagen.

4.1.3 Die Subventionsberichterstattung der Wissenschaft

Im Rahmen der von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Strukturberichterstattung haben sich die deutschen Forschungsinstitute 1988 auf einen gemeinsamen Subventionsbegriff geeinigt (vgl. Fritzsche et. al 1988 und DIW/IFW 1999). Subventionsgeber und –empfänger werden wie bei der VGR abgegrenzt. Darüber hinaus werden private Haushalte und Organisationen dann als Subventionsempfänger mit einbezogen, wenn Auswirkungen auf die Wirtschaftsstruktur zu vermuten sind. Wie beim Subventionsbericht werden sowohl Finanzhilfen als auch Steuervergünstigungen berücksichtigt. Inzwischen wurde seitens der Institute aber zugunsten der jeweiligen Fragestellung wieder weitgehend Abstand von einem einheitlichen Subventionsbegriff genommen.

In erweiterter Form wurde er aber vom Kieler Institut für Weltwirtschaft wieder aufgegriffen. Deren Subventionsberichterstattung (vgl. Boss/Rosenschon 1998, 2000, 2002, 2003 sowie Kap. 7.4.2) ist von besonderer Bedeutung, da sie in regelmäßigen Abständen erfolgt und die wissenschaftliche Grundlage des Koch/Steinbrück-Vorschlags bildet (vgl. Koch/Steinbrück 2003 sowie Kap. 10.2 ).

In der besonders weiten Abgrenzung des Instituts für Weltwirtschaft werden neben Transfers an private Unternehmen auch solche an öffentliche Anbieter von Gütern oder Dienstleistungen aus dem staatlichen Sektor (z.B. aus den Bereichen Kultur und Gesundheitswesen), Organisationen ohne Erwerbszweck und Privathaushalte zu den Subventionen gerechnet.

Subventionen werden vom Institut für Weltwirtschaft nicht über den Subventionsempfänger oder -geber, sondern über die Art der angebotenen Güter definiert. Ob es sich um eine Subvention handelt oder nicht, entscheide sich in der „Antwort auf die Frage, ob sich der Staat in Aufgaben einmischt, die originär marktwirtschaftlich sind, oder ob er klassische Staatsaufgaben wahrnimmt“ (Boss/Rosenschon 2002: 10) und gipfelt letztlich in der Frage, ob es sich um eine allokativ begründbare Ausgabe für ein öffentliches Gut handelt, oder nicht.

„Wird ein öffentliches Gut bereitgestellt, so kann nicht von einer Finanzhilfe gesprochen werden. Werden hingegen Staatseinnahmen für die Versorgung mit privaten Gütern bzw. mit solchen Gütern eingesetzt, die ohne weiteres privat angeboten werden könnten, so wird eine Finanzhilfe diagnostiziert“ (Boss/Rosenschon 2003:3).

Thöne kritisiert an dieser Abgrenzung, dass „dieser Zwang zur bipolaren Entscheidung [...] nicht zu der von Ambiguität und ‚Zwischentönen’ geprägten Subventions-Materie“ (ders. 2003: 32) passe.

[...]


[1] Diese Trennung ist unter Umständen analytisch nicht immer sauber zu erfassen. Subventionen sind Begünstigungen durch den Staat, externe Effekte sind Begünstigungen durch das marktwirtschaftliche System. Für dessen Rahmensetzung ist allerdings wiederum der Staat verantwortlich.

Ende der Leseprobe aus 99 Seiten

Details

Titel
Ökologisch problematische Subventionen
Hochschule
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg  (Institut für Politikwissenschaft)
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2005
Seiten
99
Katalognummer
V42940
ISBN (eBook)
9783638408516
ISBN (Buch)
9783638706902
Dateigröße
867 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
In dieser Arbeit wird die Diskussion um problematische Subventionen vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen diskutiert und ein Konzept der politischen Subventionskontrolle um die Anforderungen der Umwelt erweitert.
Schlagworte
Subventionen, Finanzpolitik, Ökologische Finanzreform, Steuerreform, Ökosteuern
Arbeit zitieren
Christian Wuttke (Autor:in), 2005, Ökologisch problematische Subventionen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/42940

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