Autonomes Fahren. Eine Betrachtung unter ethischen Gesichtspunkten


Masterarbeit, 2017

84 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung
1.3 Aufbau der Master-Thesis

2 Autonomes Fahren
2.1 Geschichtliche Entwicklung des autonomen Fahrens
2.2 Stand der Technik des autonomen Fahrens
2.2.1 Stufen des autonomen Fahrens
2.2.1.1 Stufe 0 - Driver only
2.2.1.2 Stufe 1 - Assistiert
2.2.1.3 Stufe 2 - Teilautomatisiert
2.2.1.4 Stufe 3 - Hochautomatisiert
2.2.1.5 Stufe 4 - Vollautomatisiert
2.2.1.6 Stufe 5 - Fahrerlos
2.2.2 Bisherige Entwicklungen
2.3 Das autonom fahrende Fahrzeug der Zukunft

3 Ethik
3.1 Der kategorische Imperativ nach Immanuel Kant
3.2 Der Utilitarismus nach Jeremy Bentham
3.3 Bereichsethiken

4 Ethische Herausforderungen beim autonomen Fahren
4.1 Ethik-Kommission Automatisiertes und Vernetztes Fahren
4.2 Dilemma-Situation
4.3 Rechtsgrundlagen und die „goldene Regel“
4.3.1 Die Grundrechte
4.3.2 Die Menschenrechte
4.3.3 Die „Goldene Regel“
4.4 Modell zur ethischen Entscheidungsfindung

5 Der Umgang mit Dilemma-Situationen
5.1 Mögliche Dilemma-Situationen beim autonomen Fahren
5.1.1 Dilemma-Situation 1 - Einer oder Viele
5.1.1.1 Erläuterung der Dilemma-Situation
5.1.1.2 Moralische Bewertung anhand des kategorischen Imperativs
5.1.1.3 Moralische Bewertung anhand des Handlungsutilitarismus
5.1.1.4 Bewertung anhand des Modells nach Heinz Eduard Tödt
5.1.1.5 Kritische Beurteilung der Dilemma-Situation
5.1.2 Dilemma-Situation 2 - Jung oder Alt
5.1.2.1 Erläuterung der Dilemma-Situation
5.1.2.2 Moralische Bewertung anhand des kategorischen Imperativs
5.1.2.3 Moralische Bewertung anhand des Handlungsutilitarismus
5.1.2.4 Bewertung anhand des Modells nach Heinz Eduard Tödt
5.1.2.5 Kritische Beurteilung der Dilemma-Situation
5.1.3 Dilemma-Situation 3 - Fahrer als Opfer
5.1.3.1 Erläuterung der Dilemma-Situation
5.1.3.2 Moralische Bewertung anhand des kategorischen Imperativs
5.1.3.3 Moralische Bewertung anhand des Handlungsutilitarismus
5.1.3.4 Bewertung anhand des Modells nach Heinz Eduard Tödt
5.1.3.5 Kritische Beurteilung der Dilemma-Situation
5.1.4 Dilemma-Situation 4 - Falsches Verhalten im Straßenverkehr
5.1.4.1 Erläuterung der Dilemma-Situation
5.1.4.2 Moralische Bewertung anhand des kategorischen Imperativs
5.1.4.3 Moralische Bewertung anhand des Handlungsutilitarismus
5.1.4.4 Bewertung anhand des Modells nach Heinz Eduard Tödt
5.1.4.5 Kritische Beurteilung der Dilemma-Situation
5.2 Diskussion und Beurteilung der Ergebnisse

6 Gesellschaftliche Akzeptanz

7 Fazit

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Automatisierungsgrade des automatisierten Fahrens

Abb. 2: Umfelderfassung für das hochautomatisierte Fahren mit 12 fahrzeug- integrierten Sensoren

Abb. 3: Dialog der Strasse; Car-to-X - Kommunikation: Car-to-Infrastructure, Car-to-Car

Abb. 4: Theoretisches Unfallvermeidungspotenzial bei Fahrzeugautomatisierung

Abb. 5: Handeln Menschen ethischer als Computer?

Abb. 6: Wer sollte darüber entscheiden, wie autonome Fahrzeuge in Gefahren- situationen agieren?

1 Einleitung

„Das Auto der Zukunft ist effizienter, intelligenter, komfortabler und sicherer als jemals zuvor. Es fährt elektrisch und in einigen Jahren auch autonom.“1

Autonomes Fahren wird überall auf der Welt zu einem bedeutenden Thema und Experten sind sich einig, dass autonom fahrende Fahrzeuge in der Zukunft nicht mehr aus unserem Straßenverkehr wegzudenken sind. Auch heutzutage gibt es bereits technische Entwicklungen wie Spurassistenten, Einparkhilfen, Kameras und weitere Sensoren, die den Fahrern das Fahren erleichtern sollen und somit auch zu mehr Sicherheit im Straßenverkehr beitragen können. Die technischen Entwicklungen der Automobilkonzerne und Zulieferer schreiten stetig voran und sind zum Teil bereits an einem Punkt angelangt, an dem Fahrroboter das Fahren vom Menschen vollständig übernehmen können.2

Zurzeit ist autonomes Fahren in den meisten Ländern jedoch nur in speziell dafür eingerichteten Umgebungen und in der Regel auch nur unter der ständigen Kontrolle eines Fahrers möglich. Bei ungünstigen Wetterverhältnissen oder unvor- hersehbaren Situationen kann sich auf einmal die mangelnde Beherrschbarkeit einer Situation durch das Fahrsystem zeigen. Der Fahrer eines autonom fahrenden Fahrzeugs muss dann sofort in der Lage sein, in das Geschehen einzugreifen. Immer leistungsstärkere Kameras, weitere Sensoren und Rechner sowie die ständige Weiterentwicklung der gesamten Technik sollen für diese Fälle Spezial- lösungen schaffen. Die Weiterentwicklung der Technik ist dabei als ein stetiger und dynamischer Prozess anzusehen, der schrittweise und lernend erfolgt.3

Rückblickend hat sich die Automobilindustrie in den vergangenen 30 - 40 Jahren durch den zunehmenden Anteil von Elektrik und Elektronik in den Fahrzeugen sehr stark verändert. Das Autofahren wurde dadurch immer mehr zum assistierten Fahren und dabei z.B. durch integrierte Kameras und allgemeine Assistenzsysteme unterstützt. Doch nun steht der Automobilindustrie durch die digitale Revolution ein großer Umbruch bevor. Durch neue Möglichkeiten, welche sich im Zuge der Vernetzung des Fahrzeuges mit dem Internet bieten, werden Fahrzeuge immer mehr zu intelligenten Robotern, denen das Sehen und das Handeln beigebracht werden kann.4

Die große Bedeutung des Themas spiegelt sich durch die erhebliche Anzahl von führenden Unternehmen wieder, die sich weltweit mit der Thematik autonomes Fahren beschäftigen und Forschungen zu sämtlichen Themenfeldern auf diesem Gebiet betreiben. Ihre Forschungsergebnisse und neu gewonnene Erkenntnisse werden durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit an die Medien weitergegeben und sorgen somit in der Öffentlichkeit für Aufmerksamkeit und Diskussionen. Erfolgs- meldungen über weitere technische Errungenschaften tragen außerdem dazu bei, dass sich immer mehr Unternehmen mit dieser zukunftsweisenden Thematik beschäftigen, um sich ebenfalls auf diesem Markt zu positionieren.5

Durch autonom fahrende Fahrzeuge ist es zukünftig nicht nur möglich, einen zusätzlichen Sicherheitsgewinn im Straßenverkehr und dadurch eine erhebliche Senkung der durch Menschen verursachten Anzahl von Verkehrsunfällen zu erreichen, sondern dem Menschen auch ganz neue Mobilitätskonzepte zu bieten, die während der Fahrt eine Entlastung des Fahrers darstellen. Zeiten, in denen der Fahrer bislang aktiv und mit voller Aufmerksamkeit am Straßenverkehr teilnehmen musste, können somit effektiv für andere Dinge genutzt werden und tragen dadurch wiederum zur Steigerung der Lebensqualität des Einzelnen bei. Durch staatliche Förderprogramme, gesetzliche Anpassungen sowie die Bereitstellung der nötigen Infrastruktur hat auch die Politik einen großen Anteil an diesen zukunftsweisenden Entwicklungen und trägt somit ebenfalls entscheidend zur Weiterentwicklung von neuen Technologien und den sich daraus ergebenden Möglichkeiten bei.6

Aber nicht nur der technische Fortschritt sollte in diesem Zusammenhang betrachtet werden, denn gleichermaßen wird mit den neuen technischen Entwicklungen auch eine Veränderung in der Gesellschaft und der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen einhergehen. Hierbei spielen verkehrstechnische, rechtliche, psychologische, soziale und ethische Aspekte eine wesentliche Rolle, die jeweils eine Reihe von Fragen aufwerfen.7

Beispielsweise ist es möglich, durch die permanente Vernetzung eines autonom fahrenden Fahrzeugs, Daten zu sammeln, auszuwerten und zu verarbeiten. In diesem Zusammenhang gibt es Fragen zum Datenschutz. Ebenso gibt es Haftungsfragen, die für einen eventuellen Schadensfall mit einem autonom fahrenden Fahrzeug noch geklärt werden müssen.8

Betrachtet man jedoch die ethischen Aspekte bei der Umsetzung dieses techni- schen Fortschritts, hält Bogner die Ethik für ein Regulativ, welches sich „zur Aufgabe [macht], das Schicksal der Technik nicht einfach politischen Interessen, ökonomischen Sachzwängen oder dem technischen Selbstlauf zu überlassen“.9

Bei einer genaueren Beurteilung der Thematik zeigt sich, dass ethische Fragestel- lungen sowie ethische Grenzen bei der allgemeinen Auseinandersetzung und der öffentlichen Debatte rund um die Zukunft und die damit verbundenen Möglichkeiten des autonomen Fahrens eine zentrale Rolle spielen. Insbesondere der Umgang mit den sogenannten Dilemma-Situationen wird dabei als eines der zentralen Themen angesehen.10

1.1 Problemstellung

Bedingt durch die beschriebenen technischen Entwicklungen und Möglichkeiten wird die Gesellschaft in nicht allzu ferner Zukunft mit der Tatsache konfrontiert, dass autonom fahrende Fahrzeuge sich selbständig und ohne die Kontrolle eines Fahrers im Straßenverkehr bewegen. Genau wie für jeden anderen Verkehrsteilnehmer besteht somit auch für autonom fahrende Fahrzeuge die Gefahr, dass sie Teil einer gefährlichen Verkehrssituation werden können.

Sollte es in solchen Situationen dann nicht mehr möglich sein, die Kontrolle über das Fahrzeug rechtzeitig zurück an den Fahrer zu geben oder ist eventuell gar kein Fahrer mit im Fahrzeug, müssen nötige Entscheidungen innerhalb kürzester Zeit durch das Fahrsystem getroffen werden. Dabei spricht Weber von einer gewissen Autonomie, die an das Fahrzeug übertragen wird.

Damit diese Übertragung überhaupt erst möglich ist, sind bereits im Vorfeld Programmierungen des Fahrsystems nötig, die entsprechende Situationen im Straßenverkehr beschreiben und dabei schon verschiedene Handlungsmöglichkei- ten beinhalten. In diesem Zusammenhang muss eine Analyse der möglichen Entscheidungsalternativen während Dilemma-Situationen vorgenommen werden, denn in diesen Gefahrensituationen gibt es für autonom fahrende Fahrzeuge zurzeit keine standardisierte oder genormte Reaktionsanleitung, die bei Bedarf die Entscheidung für oder gegen eine Handlung im Einzelfall übernimmt.11

Bendel beschreibt Dilemma-Situationen als „Zwickmühlen, Zwangslagen, in denen die Wahl zwischen zwei Optionen schwerfällt oder notgedrungen zu einem unerwünschten Resultat führt.“12

Angenommen es gibt nur zwei Möglichkeiten, wie ein autonom fahrendes Fahrzeug gesteuert werden kann, wobei beide Alternativen zu einem direkten Zusammenstoß mit einem oder mehreren Menschen führen, ist es unausweichlich, dass Menschenleben gefährdet werden.

Ein Mensch handelt in derartigen Dilemma-Situationen hauptsächlich intuitiv, da Entscheidungen innerhalb von wenigen Sekunden getroffen werden müssen und ihm keine weitere Zeit zum Überlegen bleibt. Ein autonom fahrendes Fahrzeug würde in Sekundenschnelle die durch das Fahrsystem vorgegebene Handlungsal- ternative kalkulieren. Doch trotz der Vielzahl von möglichen Programmierungen und der Fähigkeit, in Bruchteilen von Sekunden zwischen den im Fahrsystem hinterlegten Handlungsalternativen abzuwägen und auszuwählen, kann auch ein autonom fahrendes Fahrzeug bei lediglich zwei Handlungsmöglichkeiten in eine Dilemma-Situation geraten. Gewählt werden muss dann aus nicht optimalen Handlungsalternativen, bei denen das Leben von Menschen gefährdet ist.13

Die allgemeine gesellschaftliche Akzeptanz von autonom fahrenden Fahrzeugen hängt in diesem Kontext noch sehr stark davon ab, wie autonom fahrende Fahrzeuge in derartigen Dilemma-Situationen bei zwei oder mehreren Handlungs- möglichkeiten reagieren. Die Gesellschaft erwartet, dass autonom fahrende Fahr- zeuge nach allgemein gültigen ethischen Grundprinzipien sicher und verlässlich funktionieren und sich ebenso sicher und verlässlich im Straßenverkehr bewegen. Moralische Dilemma-Situationen sollten beim autonomen Fahren möglichst gar nicht erst entstehen. Zu bedenken ist dabei jedoch, dass sich hinter allen Handlungsoptionen, die ein autonom fahrendes Fahrzeug hat, programmierte Algorithmen verbergen, die durch die Automobilindustrie nach noch zu erarbeitenden gesetzlichen Vorgaben programmiert und zertifiziert werden müssen. Auch bei immer stärker ausgereifter Technik, besserer Beschreibung und Programmierung von möglichen Verkehrssituationen werden sich Unfälle nie ganz vermeiden lassen. Es kann daher auch Verkehrssituationen geben, die nicht beherrschbar sind, für die nicht die richtigen Handlungsoptionen programmiert wurden oder das System einfach an seine Grenzen stößt.14

Aus diesem Grund könnten also durch ein programmiertes Fahrsystem eines autonomen Fahrzeugs Entscheidungen getroffen werden, die möglicherweise den Tod eines Unschuldigen zur Folge haben. Denkbar wäre auch, dass das Leben des Fahrers eines autonom fahrenden Fahrzeugs zu Gunsten einer anderen Person geopfert wird. Soll das autonom fahrende Fahrzeug entscheiden, ob beispielsweise eine Frau, ein kleines Kind oder ein alter Mann geschädigt wird oder in ein entgegenkommendes Fahrzeug fährt, um einer Gruppe von Menschen auszuweichen?

Diese Beispiele für Dilemma-Situationen zeigen die ethische Relevanz bei der Thematik des autonomen Fahrens, aus der sich bei genauer Betrachtung die zentrale Fragestellung dieser Master-Thesis ableiten lässt:

„Mit welchen Lösungsansätzen kann das Fahrsystem eines autonom fahrenden Fahrzeugs bei Dilemma-Situationen unter ethischen Gesichtspunkten reagieren?“

1.2 Zielsetzung

Die ethische Betrachtung der Thematik autonomes Fahren konzentriert sich in dieser Master-Thesis auf den Umgang mit Dilemma-Situationen und die dafür zu erarbeitenden möglichen Lösungsansätze. Es werden verschiedene Dilemma- Situationen, die beim autonomen Fahren entstehen können, anhand von zwei ethischen Ansätzen und einem Modell zur ethischen Entscheidungsfindung in einer ethischen Analyse betrachtet und bewertet. Mit Hilfe dieser ethischen Analyse soll nach möglichen Lösungsansätzen für die zentrale Fragestellung der Master-Thesis gesucht werden.

Dabei sollen die Grenzen und Herausforderungen beim autonomen Fahren durch ethische Grundsätze abgesteckt und für die Zukunft gerade auch in Hinblick auf die gesellschaftliche Akzeptanz dargestellt werden. Juristische Fragestellungen werden dabei nicht betrachtet.

1.3 Aufbau der Master-Thesis

Zur Beantwortung der zentralen Fragestellung und der Erarbeitung von möglichen Lösungsansätzen für Dilemma-Situationen wird die vorhandene Literatur systematisch durchgearbeitet und ausgewertet.

In Kapitel 2 wird zunächst der Begriff autonomes Fahren erläutert. Es wird auf den aktuellen Stand der Technik beim autonomen Fahren eingegangen, der aktuelle Entwicklungsstand erläutert und ein Ausblick auf das Fahrzeug der Zukunft gegeben. Anschließend erfolgt in Kapitel 3 die Erläuterung des Begriffs „Ethik“. Als ethische Theorien werden der kategorische Imperativ nach Immanuel Kant sowie der Utilitarismus nach Jeremy Bentham vorgestellt. Danach wird auf spezielle für das autonome Fahren relevante Bereichsethiken eingegangen. Kapitel 4 beschäftigt sich mit den ethischen Herausforderungen des autonomen Fahrens. Es wird insbesondere auf den Bericht der „Ethik-Kommission Automatisiertes und Vernetztes Fahren“ eingegangen, eine genaue Erläuterung von Dilemma- Situationen vorgenommen und ein Bezug zu den Grund- und Menschenrechten hergestellt. Das Kapitel 4 schließt mit der Vorstellung des Modells zur ethischen Entscheidungsfindung nach Heinz Eduard Tödt ab. Anschließend erfolgt in Kapitel 5 die Analyse und Bewertung von vier verschiedenen Dilemma-Situationen. Hierzu werden die zwei erläuterten ethischen Theorien und das Modell zur ethischen Entscheidungsfindung herangezogen. In Kapitel 6 wird auf die gesellschaftliche Akzeptanz der Thematik autonomes Fahren eingegangen. Zum Abschluss der Master-Thesis wird in Kapitel 7 auf die zentrale Fragestellung Bezug genommen und die insgesamt gewonnen Erkenntnisse in einem Fazit unter Ableitung von Handlungsempfehlungen erläutert.

2 Autonomes Fahren

In Kapitel 2.1 wird zunächst ein Rückblick auf die Geschichte des autonom fahrenden Fahrzeugs gegeben, in Kapitel 2.2 wird danach der heutige Stand der Technik des autonomen Fahrens dargestellt und anschließend in Kapitel 2.3 das autonom fahrende Fahrzeug der Zukunft beschrieben.

2.1 Geschichtliche Entwicklung des autonomen Fahrens

Seit vielen Jahrtausenden war das Pferd für den Menschen ein wichtiges Fortbewegungsmittel. Der Mensch spannte sich Pferde vor Kutschen, wodurch es ihm möglich war, größere Entfernungen schneller und bequemer zu überwinden.15 Da es sich bei Pferden um intelligente Tiere handelt, die in manchen Situationen durchaus ihren ganz eigenen Kopf haben können, verfügt ein Pferdegespann nach Maurer über eine gewisse Art von Autonomie. Schlief ein Kutscher beispielsweise während der Fahrt ein oder war er aus anderen Gründen nicht mehr fahrtauglich, blieben die Pferde entweder stehen oder fuhren die Kutsche selbständig ans Ziel, wenn sie den Weg bereits kannten.16

Betrachtet man diese Autonomie eines Pferdegespanns, kann eine Pferdekutsche rückblickend bereits als eine Art autonom fahrendes Fahrzeug bezeichnet werden, denn „durch Training und Dressur ... [war der Mensch in der Lage seinen Kutsch- pferden beizubringen], sich in Grenzen selbst (griech. autò, ..) an einfache Gesetze (griech. nómos: menschliche Ordnung, von Menschen gesetztes Recht)“17 zu halten. Eine Kutsche mit einem Pferdegespann davor kann also weitestgehend autonom fahren, da die Pferde aufgrund ihrer Autonomie in der Lage sind Hindernissen selbständig auszuweichen oder das Fuhrwerk sicher nach Hause zu ziehen.18

Im Jahr 1886 wurde das Automobil durch Carl Friedrich Benz erfunden. Bei dieser Erfindung handelte es sich um ein mit Gasmotor betriebenes Fahrzeug, das rein äußerlich noch sehr stark an eine Kutsche erinnerte.19

Der Begriff Automobil lässt sich aus „dem griechischen autòs (selbst, persönlich, eigen) und dem lateinischen mobilis (beweglich)“20 ableiten.

Der Begriff Automobil beschreibt also etwas Selbstbewegliches, was ohne die Unterstützung von Pferden auskommt und dem Menschen somit eine selbstbestimmte, aber auch für sich in jeder Situation selbstverantwortliche Mobilität ermöglicht. Pferde wurden für den Betrieb eines Automobils folglich nicht mehr benötigt, wodurch die Autonomie, die eine Kutsche als Fahrzeug bis dahin dem Menschen geboten hatte, im Vergleich mit dem selbständigen Fahren in einem Automobil zunächst wieder verloren ging.21

Um längere Strecken zu überwinden, war der Mensch nicht mehr nur auf die Kutsche angewiesen, sondern konnte nun auch auf das Automobil als Fortbewe- gungsmittel ausweichen. Durch den ansteigenden Komfort und die damit viel bequemere Art zu reisen gewann das Automobil schnell an gesellschaftlicher Akzeptanz und war somit weiter auf dem Vormarsch. Mit der Zeit wurde das Automobil immer alltagstauglicher und auch für die Allgemeinheit erschwinglich, wodurch es sich langsam zum wichtigsten Fortbewegungsmittel für den Menschen entwickelte.22

Die Geschichte des Automobils setzt sich mit all seinen weiteren Entwicklungen und technischen Errungenschaften fort. Der Fahrer musste jedoch beim Fahren noch über viele Jahrzehnte hinweg immer die ständige Kontrolle über sein Fahrzeug behalten. Der erste Schritt in Richtung des autonomen Fahrens, wie wir es heutzutage kennen, kam im Jahr 1954, als der erste Tempomat erfunden und in ein Serienfahrzeug eingebaut wurde. Er ermöglichte es, Fahrern die Geschwindigkeit des Fahrzeugs automatisiert zu begrenzen oder automatisiert zu halten. Diese technische Errungenschaft kann heutzutage als das erste in einem Fahrzeug verbaute Fahrerassistenzsystem gewertet werden.23

Dies war jedoch nur der Beginn einer Vielzahl von Fahrerassistenzsystemen, die bis zum heutigen Zeitpunkt auf dem Weg zum autonomen Fahren durch die Auto- mobilindustrie entwickelt und später serienmäßig in Fahrzeuge eingebaut wur- den.24

Hierzu zählen unter anderem auch „das Antiblockiersystem ABS, das Electronic Stability Program ESP, die Adaptive Cruise Control oder Spurhalteassistenzsyste- me.“25

Auf dem Weg zum vollständig autonomen Fahrzeug gab es in den 1990er Jahren eine große Anzahl von nationalen und internationalen Projekten, in denen umfassende Forschungsarbeit auf diesem Gebiet betrieben wurde. Neueste Entwicklungen und Technologien wurden regelmäßig auf Erprobungsfahrten, vorzugsweise auf Langstrecken, zur Untersuchung der Längs- und Querführung eines Fahrzeugs getestet. Längsführung bezeichnet in diesem Zusammenhang die Geschwindigkeitsregelung mittels Bremsen und Gasgeben, Querführung bezieht sich alleine auf die Lenkfunktion eines Fahrzeugs. Diese Erprobungsfahrten waren jedoch nicht ohne die ständige Überwachung durch einen Fahrer möglich, der zu jeder Zeit in das Fahrgeschehen hätte eingreifen können.

Die ersten vollständig fahrerlosen Fahrzeuge wurden in den 2000er Jahren entwickelt und traten in der von der Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) 2004 und 2005 veranstalteten Grand Challenge in der Wüste von Nevada gegeneinander an. Die Fahrzeuge fuhren autonom, es konnte jedoch in einer Notlage aktiv durch eine Fernsteuerung in das Fahrgeschehen eingegriffen werden. Der Erfolg war groß und lieferte wichtige Testergebnisse, woraufhin im Jahr 2007 die DARPA Urban Challenge stattfand, in der erstmals fahrerlose Fahr- zeuge in einem stadtähnlichen Gebiet nach geltenden Verkehrsregeln und mit anderen Verkehrsteilnehmern zusammen gegeneinander antraten. Auch dieses Rennen und die daraus gewonnen Erkenntnisse gelten als Meilenstein auf dem Gebiet des autonomen Fahrens und regten durch neu gewonnenen Erkenntnisse nicht nur Universitäten, sondern auch Fahrzeughersteller, ebenso Zulieferer sowie andere beteiligte Unternehmen dazu an, weitere Forschungsprojekte zu starten und durchzuführen.26

Spricht man heutzutage von einem autonom fahrenden Fahrzeug, ist die Rede von einem vollautomatisierten Fahrzeug, welches sich durch eine Vielzahl von Kameras, Laser- und Radarsystemen automatisch im Straßenverkehr bewegt. Durch diese integrierten Systeme werden die erfassten Daten an die zentrale Steuerung des Fahrzeugs übermittelt, welche daraufhin Befehle an die jeweiligen zuständigen Fahrsysteme weiterleitet.

Menschliches Eingreifen ist bei dieser Art des Fahrens nicht mehr erforderlich und das autonom fahrende Fahrzeug wird zum Subjekt der Handlungen, die von ihm ausgeführt werden.27 Bei einem autonom fahrenden Fahrzeug wird die „Fahraufga- be ... vollautomatisiert ausgeführt. Diese Definition wird erweitert um die Annahme, dass die Ausführung der Fahraufgabe auf Basis maschinell autonomen Verhaltens, innerhalb eines vorher festgelegten Verhaltensrahmens, geschieht. Das Fahrzeug ist mit einem Fahrroboter ausgestattet und besitzt deshalb die Möglichkeit, auto- nom zu fahren.“28

Neuste Technologien und Entwicklungen wie z.B. Car-to-Car - Kommunikation (C2C), die Kommunikation zwischen zwei oder mehreren Fahrzeugen oder durch Car-to-Infrastructure - Kommunikation (C2I), die Kommunikation zwischen dem Fahrzeug und der Umwelt, in der es sich bewegt, unterstützen das autonom fahrende Fahrzeug bei seiner Fahraufgabe. Das Fahrzeug soll durch all diese zur Verfügung stehenden Techniken und Möglichkeiten in die Lage versetzt werden, in Gefahrensituationen angemessen zu reagieren, ohne dass ein Schaden für einen anderen, im schlimmsten Fall unbeteiligten, Verkehrsteilnehmer entsteht.29

2.2 Stand der Technik des autonomen Fahrens

Die technischen Entwicklungen und der Fortschritt des autonomen Fahrens sind sehr vielseitig und umfassend, da es permanent Weiterentwicklungen und neue technische Errungenschaften auf diesem Gebiet gibt. Dieser Umstand macht es fast unmöglich, den genauen Stand der Technik in autonom fahrenden Fahrzeugen zu einem ganz bestimmten Moment darzustellen.

Unter Punkt 2.2.1 wird zunächst ein kurzer Überblick über die Stufen des autonomen Fahrens gegeben, um danach unter Punkt 2.2.2 einen Überblick über die bisherigen Entwicklungen in autonom fahrenden Fahrzeugen zu verschaffen.

2.2.1 Stufen des autonomen Fahrens

Autonomes Fahren wird in unterschiedliche Automatisierungsgrade unterteilt, die mit unterschiedlichen Fahraufgaben des Fahrers einhergehen. Im internationalen Vergleich werden teilweise fünf bzw. sechs verschiedene Automatisierungsgrade unterschieden. Der Verband der Automobilindustrie e.V. (VDA) teilt die Automatisierungsgrade von Fahrzeugen in sechs verschiedene Stufen ein.30

2.2.1.1 Stufe 0 - Driver only

Die Stufe 0 beschreibt ein Fahrzeug, welches über keinerlei Automatisierung verfügt. Die Verantwortung für das Fahren liegt vollständig beim Fahrer. In dem Fahrzeug sind keine Fahrerassistenzsysteme verbaut, die den Fahrer beim Fahren funktional unterstützen, für den Fahrer das Fahrgeschehen aktiv überwachen und ihn ggf. vor Gefahrensituationen warnen.31

2.2.1.2 Stufe 1 - Assistiert

Die Stufe 1 beschreibt ein Fahrzeug, welches über eine funktionsspezifische Automatisierung verfügt. Auch hier liegt die Verantwortung für das Fahren vollständig beim Fahrer. Jedoch können einzelne Aufgaben, wie z.B. das Beschleunigen oder das Bremsen automatisch ausgeführt werden. Fahrfunktionen können jedoch nicht kombiniert und in Abstimmung untereinander ausgeführt werden. Es ist lediglich möglich, die automatische Längs- oder die automatische Querführung eines Fahrzeugs anzuwenden.32

2.2.1.3 Stufe 2 - Teilautomatisiert

Die Stufe 2 beschreibt ein Fahrzeug, welches über eine kombinierte Automatisierung von Fahrfunktionen verfügt. Die Verantwortung liegt ebenfalls vollständig beim Fahrer, der ständig in der Lage sein muss, in das Fahrgeschehen einzugreifen, wenn eine Notlage dies erfordert. Im Gegensatz zum assistierten Fahren der Stufe 1 können Fahrfunktionen kombiniert und in Abstimmung der Systeme untereinander ausgeführt werden. Die Längs- und die Querführung des Fahrzeugs kann gleichzeitig durch die Systeme erfolgen.33

2.2.1.4 Stufe 3 - Hochautomatisiert

Die Stufe 3 beschreibt ein Fahrzeug, welches sich durch eine begrenzte Automati- sierung des Fahrens auszeichnet. Die Verantwortung während des Fahrens liegt nicht mehr nur alleine beim Fahrer, sondern das Fahren wird bei genau definierten Bedingungen, wie bestimmten Geschwindigkeitsbereichen, Straßentypen oder Umweltbedingungen durch das Fahrzeug selber kontrolliert. Es übernimmt die Längs- und Querführung komplett und informiert den Fahrer lediglich dann, wenn es an seine Systemgrenzen stößt. Der Fahrer wird mit genügend Zeitreserve durch das Fahrzeug informiert, dass er das Fahren wieder übernehmen muss. Der Fahrer muss somit grundsätzlich in der Lage sein, das Fahrzeug zu fahren, braucht aber nicht seine permanente Aufmerksamkeit beim Fahrgeschehen zu haben.34

2.2.1.5 Stufe 4 - Vollautomatisiert

Die Stufe 4 beschreibt ein Fahrzeug, bei dem das Fahren in bestimmten Situationen, wie z.B. bei vorgegebenen Geschwindigkeitsbereichen, bestimmten Straßentypen oder bestimmten Umweltbedingungen durch eine vollständige Auto- matisierung erfolgt. Die gesamte Verantwortung liegt während des Fahrens in diesen beschriebenen Situationen beim Fahrsystem. Das Fahrzeug muss während des automatisierten Fahrens in der Lage sein, mögliche Gefahrensituationen zu erkennen und selbständig zu bewältigen. Der Fahrer kann sich während des Fahrens auf diesen Streckenabschnitten mit anderen Dingen beschäftigen.35

2.2.1.6 Stufe 5 - Fahrerlos

Die Stufe 5 beschreibt ein Fahrzeug, in welchem das Fahren in jeder Situation durch eine vollständige Automatisierung des Fahrens erfolgt. Die gesamte Verantwortung liegt zu jeder Zeit vollständig beim Fahrsystem, welches in jeder Lage eigenständig mögliche Gefahrensituationen erkennen und diese auch selbständig bewältigen muss. Der Fahrer kann sich während des Fahrens mit anderen Dingen beschäftigen oder sogar schlafen. Er muss dem Fahrzeug zu Beginn der Fahrt lediglich das Ziel der Fahrt mitteilen.36

Die sechs unterschiedlichen Stufen des automatisierten Fahrens sind in der folgenden Übersicht dargestellt. Bis zur Stufe 3 kommt dem Fahrer eines Fahrzeuges noch eine wesentliche Rolle zu. Die Abbildung zeigt, dass ab der Stufe 4 das Fahrzeug fast vollständig und ab der Stufe 5 sogar vollständig das Fahren übernehmen kann.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Automatisierungsgrade des automatisierten Fahrens Quelle: VDA (2015), S. 15.

2.2.2 Bisherige Entwicklungen

Zum heutigen Zeitpunkt kommen auf deutschen Straßen hauptsächlich die sogenannten Fahrerassistenzsysteme zum Einsatz, die den Fahrer eines Fahr- zeugs in unterschiedlicher Weise bei seinen Fahraufgaben sowie in gefährlichen und unvorhergesehenen Verkehrssituationen unterstützen können. Im Zeitraum von 1960 bis zum Jahr 2000 wurden Fahrerassistenzsysteme wie z.B. der Tempomat, das ABS, die Antriebsschlupfregelung, das ESP, der Bremsassistent, der Spurverlassenswarner und der Abstandsregeltempomat (Adaptive Cruise Control - ACC) entwickelt. Bis zum Jahr 2017 kamen weitere Fahrerassistenzsys- teme wie z.B. der Parklenkassistent, die Totenwinkelüberwachung, der Spurhalte- assistent, die Verkehrszeichenerkennung, das automatische Notbremssystem, der Parkmanöverassistent, der Stauassistent und das Schlüsselparken hinzu. Diese aufgezählten Fahrerassistenzsysteme basieren auf dem Einsatz von Sensoren wie z.B. Digitalkameras, Radar- oder Ultraschallsystemen, um das Fahrumfeld genau erfassen zu können und dadurch dem Fahrer eines Fahrzeugs während der Fahrt die gewünschte Unterstützung zu bieten. Sensoren und technischen Hilfsmittel nehmen die Umgebung war und tragen somit maßgeblich dazu bei, andere Verkehrsteilnehmer, Hindernisse und sonstige Dinge im Straßenverkehr während der Fahrt zu erkennen und den Fahrer oder das selbstfahrende Fahrsystem vor möglichen Gefahrensituationen zu warnen oder Gefahrensituationen sogar gänzlich zu vermeiden.37 Durch besser entwickelte Software und entsprechende Weiterentwicklung der Technik in den gesamten Systemen ist deren Leistungsfä- higkeit im Laufe der Jahre immer besser und zuverlässiger geworden und ermöglicht eine Reaktion in Bruchteilen von Sekunden auf unvorhergesehene Situationen und mögliche Gefahrenquellen.38

Eine zur Wahrnehmung der Umgebung eingesetzte Digitalkamera ist z.B. in der Lage, andere Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger, Fahrradfahrer oder auch spielende Kinder während einer Fahrt zu erkennen. Ebenso kann sie den Fahrer beim Einparken oder Rückwärtsfahren unterstützen. Kommt es jedoch zu schwierigen Lichtverhältnissen wie z.B. starkem Gegenlicht, stößt diese Technik immer noch an ihre Grenzen.

Ebenso bei spiegelnden Fahrbahnen ist der Fahrer in diesen Situationen wieder auf sich alleine gestellt, da die verbauten Systeme diese auftretenden Umge- bungsveränderungen noch nicht in ausreichendem Maße erfassen können.39 In den heutigen Fahrzeugen verbaute „Radarsensoren senden Millimeterwellen (ca. 4 mm) im Frequenzbereich 76-77 GHz aus und bestimmen die Laufzeit bis ein ausgesendetes Signal wieder beim Sender ankommt. Daraus lässt sich die Entfernung zu Objekten in der Umgebung bestimmen. Auf der Basis des Doppler- Effektes lässt sich auch die Geschwindigkeit des Objektes bestimmen, an dem das Radarsignal reflektiert wurde.“40

Durch diese Millimeterwellen lässt sich zusätzlich die Größe eines Objektes sowie dessen Bewegungsrichtung ermitteln. Auf der Grundlage dieser beschriebenen Technik wurde die Adaptive Cruise Control (ACC) entwickelt, die mit Hilfe ihrer Sensoren auch bei schwierigen Witterungsbedingungen wie starkem Regen, plötzlich einsetzenden Nebel oder staubigen Straßen in der Lage ist, einwandfreie Ergebnisse zu liefern. Der Fahrer eines Fahrzeugs mit verbautem ACC kann sich nahezu vollständig auf das sich im Einsatz befindende Radarsystem verlassen.

Ultraschallsensoren kommen hauptsächlich im Nahbereich wie z.B. beim Einparken durch einen Parkassistenten zum Einsatz. Sind die Sensoren jedoch verunreinigt, wird die Steuerung des Fahrzeugs auch beim Einparken automatisch wieder an den Fahrer übergeben.41

Die folgende Abbildung zeigt den 360-Grad-Blickwinkel eines autonom fahrenden Fahrzeugs, welches in der Lage ist, sich mit Hilfe der beschriebenen Kameras und Sensoren komplett in seinem Umfeld zurechtzufinden, und das Fahren vollständig vom Fahrer übernehmen kann.42

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Umfelderfassung für das hochautomatisierte Fahren mit 12 fahrzeugintegrierten Sensoren

Quelle: Johanning, V., Mildner, R. (2015), S. 63.

Der VDA spricht bei der Weiterentwicklung dieser Fahrerassistenzsysteme von einer Evolution der bisherigen Fahrfunktionen. Handelte es sich bis zum heutigen Tage lediglich um Assistenten für den Fahrer, werden die weiterentwickelten Funktionen immer mehr zu eigenständigen Automaten, welche die Fahrfunktion vom Fahrer übernehmen und in der Lage sind, selbständig zu fahren. In diesem Zusammenhang werden auf das Fahrzeug auch immer mehr fahrrelevante Entscheidungen übertragen, die in manch einer Situation über Leben und Tod entscheiden können.43

2.3 Das autonom fahrende Fahrzeug der Zukunft

Doch wie sieht im Vergleich zum heutigen Zeitpunkt das autonom fahrende Fahrzeug der Zukunft aus?

Bedingt durch immer leistungsstärkere Software und Systeme kann die Steuerung eines autonom fahrenden Fahrzeugs zukünftig durch aufeinander abgestimmte Daten und Informationen innerhalb des Fahrsystems übernommen werden. Vor dem Start und auch permanent während der Fahrt werden ständig Prüfungen, sogenannte Selbsttests der Systeme, durchgeführt, um eine Inbetriebnahme und somit die Quer- und die Längsführung eines Fahrzeugs überhaupt erst zu ermöglichen. Alle Systeme und deren Signale werden für die Freigabe des Fahrzeugs permanent abgeglichen, erst danach lässt sich das Fahrzeug mit Hilfe der empfangenen bzw. der verarbeiteten Daten fahren.44

Ebenso wie die Vernetzung der gesamten Systeme und aller enthaltenen Sensoren in einem autonom fahrenden Fahrzeug spielen die zur Verfügung stehenden Kartendaten zur Navigation eine entscheidende Rolle. Die vorliegenden Kartenda- ten können das jeweilige Fahrsystem bei der Orientierung im Straßenverkehr zusätzlich unterstützen und tragen somit auch dazu bei, dass ein autonom fahrendes Fahrzeug sicher von seinem Startpunkt zum Zielpunkt gelangt. Entscheidend ist dabei, dass die vorliegenden Kartendaten aktuell gehalten werden können bzw. müssen und das Fahrzeug zusätzlich zu den bisher beschriebenen Sensoren bei der Umfeldwahrnehmung unterstützt. Beispielsweise können statische Hindernisse im Straßenverkehr sowie Fahrbahnmarkierungen, Ampeln und zu erwartende Kreuzungen im Vorwege besser durch das Fahrsystem erkannt werden und rechtzeitig angezeigt werden. Von Vorteil wäre dabei eine interaktive Aktualisierung des jeweils benötigten Kartenmaterials, was wiederum eine permanente Vernetzung des Fahrzeugs mit dem Internet voraussetzt. Um jedoch die nötige permanente Vernetzung des Fahrzeugs zu erreichen, muss ein leistungsstarker Computer verbaut sein, welcher in der Lage ist, die Datenmengen in Echtzeit zu verarbeiten. Das komplette Umfeld, in dem sich ein autonom fahrendes Fahrzeug befindet, muss jederzeit für das Fahrsystem messbar und auswertbar sein. Dies gilt gleichermaßen für alle unvorhergesehenen Situationen, die ein autonom fahrendes Fahrzeug der Zukunft rechtzeitig erkennen muss.

Damit ein autonom fahrendes Fahrzeug sich zukünftig sicher im Straßenverkehr bewegen kann, ist ein permanenter Datenaustausch mit anderen autonom fahrenden Fahrzeugen nötig. Ebenfalls müssen in einer Übergangszeit auch Fahrzeuge reflektiert werden, die noch nicht autonom im Straßenverkehr unterwegs sind.45

Der VDA hält in seinem Bericht abschließend fest, dass die „intelligente Vernetzung und die Digitalisierung innerhalb und außerhalb des Fahrzeugs .. zukünftig eine immer wichtiger Rolle spielen [wird].“46

Vernetzung bedeutet also den kommunikativen Austausch zwischen zwei oder mehreren Fahrzeugen untereinander sowie den kommunikativen Austausch zwischen einem Fahrzeug und der Infrastruktur, in der es sich gerade befindet. Gemeint sind dabei die Car-to-Car - Kommunikation (C2C) und die Car-to- Infrastucture - Kommunikation (C2I), die zusammengefasst als Car-to-X- Kommunikation (C2X) bezeichnet werden. Benötigte Daten werden in Bruchteilen von Sekunden von anderen Verkehrsteilnehmern oder von Verkehrsleitsystemen an das eigene autonom fahrende Fahrzeug übermittelt und sorgen somit für eine rechtzeitige und vorausschauende Information des Fahrsystems. Auch die Informationsübermittlung über eventuelle Gefahrensituationen, weit bevor ein Fahrer diese überhaupt hätte erkennen können, wird dadurch ermöglicht. Ein autonom fahrendes Fahrzeug wird rechtzeitig über bestehende Gefahrensituatio- nen informiert, kann ihnen daraufhin ausweichen oder sie weiträumig umfahren.47

Die folgende Abbildung zeigt den Straßenverkehr der Zukunft, in dem die Verkehrsteilnehmer durch C2X-Kommunikation miteinander vernetzt sind.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Dialog der Straße; Car-to-X - Kommunikation: Car-to-Infrastructure, Car-to-Car

Quelle: VDA (2015), S. 19.

[...]


1 Matthias Müller, VW-Konzernchef.

2 Vgl. Minx, E., Dietrich, R. (2015a), S. 7.

3 Vgl. Wagner, B. (2017), S. 1-2.

4 Vgl. Johanning, V., Mildner, R. (2015), S. 1.

5 Vgl. Maurer, M. (2015), S. 1.

6 Vgl. Wagner, B. (2017), S. 2-3.

7 Vgl. Minx, E., Dietrich, R. (2015b), S. V.

8 Vgl. Minx, E., Dietrich, R. (2015a), S. 17.

9 Bogner, A. (2013), S. 7.

10 Vgl. Bogner, A. (2013), S. 7.

11 Vgl. Weber, P. (2016), S. 249.

12 Bendel, O. (2016), S. 49.

13 Vgl. Weber, P. (2016), S. 249.

14 Vgl. Scholz, V., Kempf, M. (2016), S. 219.

15 Vgl. Wedeniwski, S. (2015), S. 31.

16 Vgl. Maurer, M. (2015), S. 2.

17 Maurer, M. (2015), S. 2.

18 Vgl. Maurer, M. (2015), S. 2.

19 Vgl. Wedeniwski, S. (2015), S. 31.

20 Maurer, M. (2015), S. 2.

21 Vgl. Maurer, M. (2015), S. 2.

22 Vgl. Wedeniwski, S. (2015), S. 31.

23 Vgl. Minx, E., Dietrich, R. (2015a), S. 45.

24 Vgl. Minx, E., Dietrich, R. (2015a), S. 59.

25 Minx, E., Dietrich, R. (2015a), S. 59.

26 Vgl. Matthaei, R., Reschka, A., Rieken, J., Dierkes, F., Ulbrich, S., Winkle, T., Maurer, M. (2015), S. 1141-1142.

27 Vgl. Johanning, V., Mildner, R. (2015), S. 63.

28 Wachenfeld, W., Winner, H., Gerdes, C., Lenz, B., Maurer, M., Beiker, S. A., Fraedrich, E., Winkle, T. (2015), S. 34.

29 Vgl. Johanning, V., Mildner, R. (2015), S. 66.

30 Vgl. VDA (2015), S. 14-15.

31 Vgl. Johanning, V., Mildner, R. (2015), S. 64.

32 Vgl. Johanning, V., Mildner, R. (2015), S. 64.

33 Vgl. Johanning, V., Mildner, R. (2015), S. 64.

34 Vgl. Johanning, V., Mildner, R. (2015), S. 64.

35 Vgl. Johanning, V., Mildner, R. (2015), S. 64.

36 Vgl. Johanning, V., Mildner, R. (2015), S. 64.

37 Vgl. Wagner, B. (2017), S. 18-19.

38 Vgl. VDA (2015), S. 10-12.

39 Vgl. Wagner, B. (2017), S. 19-20.

40 Wagner, B. (2017), S. 20.

41 Vgl. Wagner, B. (2017), S. 20-21.

42 Vgl. Johanning, V., Mildner, R. (2015), S. 63.

43 Vgl. VDA (2015), S. 12.

44 Vgl. VDA (2015), S. 12.

45 Vgl. Matthaei, R., Reschka, A., Rieken, J., Dierkes, F., Ulbrich, S., Winkle, T., Maurer, M. (2015), S. 1144-1145.

46 VDA (2015), S. 19.

47 Vgl. VDA (2015), S. 19.

Ende der Leseprobe aus 84 Seiten

Details

Titel
Autonomes Fahren. Eine Betrachtung unter ethischen Gesichtspunkten
Hochschule
FOM Hochschule für Oekonomie und Management gemeinnützige GmbH, Hochschulstudienzentrum Hamburg
Note
1,3
Autor
Jahr
2017
Seiten
84
Katalognummer
V429077
ISBN (eBook)
9783668745759
ISBN (Buch)
9783668745766
Dateigröße
906 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Autonomes Fahren, Dilemma-Situationen, Betrachtung unter ethischen Gesichtspunkten, Dilemma
Arbeit zitieren
Nicole Petri (Autor:in), 2017, Autonomes Fahren. Eine Betrachtung unter ethischen Gesichtspunkten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/429077

Kommentare

  • Gast am 15.1.2020

    Leider auf keinen Fall 35 Euro wert. Frau Petri gibt wiederholt Antworten auf Kant's Handlungsweise bei gewissen Situationen. Das kann aber so, wie sie das darstellt, auf keinen Fall beantwortet werden. Richtig wäre es zu schreiben, dass es nach Kant nicht beantwortet werden kann. Schade...

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Titel: Autonomes Fahren. Eine Betrachtung unter ethischen Gesichtspunkten



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