Grenzüberschreitende Übertragung von Vertriebsdienstleistungen

Ermittlung von Verrechnungspreisen nach § 1 AStG mittels hypothetischen Fremdvergleichs am Beispiel der Übertragung einer Kundenliste an eine Tochterkapitalgesellschaft im Ausland


Bachelorarbeit, 2016

48 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


I.Inhaltsverzeichnis

A. Einleitung
I. Ausgangssachverhalt
II. Problematik und Ziel der Bachelorarbeit

B. Prüfung der Funktionsverlagerung
I. Funktionsbegriff bei Übertragung von Vertriebsdienstleistungen in eine Vertriebsgesellschaft in Form des Eigenhändlers
II. Begriff der Verlagerung

C. Bewertung der Funktionsverlagerung des Vertriebs im Sinne des AStG
I. Begriff des Transferpakets
II. Bewertung des Transferpakets
III. Abgrenzung des hypothetischen Fremdvergleichs zum tatsächlichen Fremdvergleich
IV. Gewinnpotenzial
1. Kostenorientiertes Verfahren
2. Marktpreisverfahren
3. Kapitalwertorientiertes Verfahren
V. Kapitalisierungszeitraum
VI. Kapitalisierungszinssatz
VII. Mittelwert des Einigungsbereichs
VIII. Preisanpassungsklausel
IX. Lizensierungsoption der Kundenüberlassung

D. Möglichkeit der Einzelbewertung
I. Kundenstamm als nicht wesentliches immaterielles Wirtschaftsgut
II. Transferpaketäquivalenz
III. Kundenliste als wesentliches immaterielles Wirtschaftsgut

E. Bewertungsmöglichkeit durch § 89b HGB

F. Diskrepanz zwischen Außensteuerrechts und Handelsrecht
I. Widerspruch der Bewertung als Transferpaket zum Grundsatz der Einzelbewertung
II. Abweichung der Bewertung als Transferpaket zum Fortführungsprinzip
III. Verstoß gegen das Realisationsprinzip und Liquiditätsproblematik

G. Diskrepanz zwischen der Transferpaketbesteuerung und Art. 9 OECD-MA

H. Schlussfolgerungen und Fazit

II. Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser leseprobe nicht enthalten

III. Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Bewertungsverfahren des IDW S 5

Abbildung 2: Prüfschema zur Glaubhaftmachung des für die Transferpaketbewertung anzuwendenden Kapitalisierungszeitraums dem Grunde nach

Abbildung 3: WACC-Berechnung:

IV. Kurzzusammenfassung

Das Bachelorthema „grenzüberschreitende Übertragung von Vertriebsdienstleistungen“ erläutert die Ermittlung eines Funktionswertes mittels hypothetischen Fremdvergleichs am Beispiel der Übertragung einer Kundenliste an eine Tochterkapitalgesellschaft im Ausland. Hierzu wird zunächst der Funktionsbegriff aus § 1 Absatz 3 Satz 1 und 9 AStG durch Hinzuziehen weiterer Quellen konkretisiert, um darauf schließen zu können, ob es sich im Ausgangssachverhalt tatsächlich um eine Funktion handelt. Nach dieser Prüfung wird erörtert, ob es in der beschriebenen Situation zudem zu einer Verlagerung kommt. Hierbei werden die Begrifflichkeiten der Chancen und Risiken, welche mit der Kundenliste übergehen müssen, näher bestimmt. Anschließend erfolgt die Prüfung der Tatbestände des § 1 Absatz 2 Nr. 1 AStG, um das Vorhandenseins eines nahe stehenden Unternehmens bestätigen zu können. Danach werden spezifische Funktionseigenschaften dahingehend untersucht, ob es sich bei der im Ausgangssachverhalt betrachteten Situation um eine steuerrelevante Funktionsausgliederung handelt. Um ein Verständnis für die anschließende Bewertung zu schaffen, wird der Begriff des Transferpakets erläutert. Hierbei wird der Werteunterschied zwischen der verlagerten Funktion und der Summe einzelner Wirtschaftsgüter und Geschäftschancen dargestellt. Die Thematik der Bewertung des Transferpakets wird zunächst durch Erläuterung des dealing-at-arm’s-length-Grundsatz eingeführt. Das aus § 1 Absatz 3 Satz 1-5 AStG vorgeschriebene Stufensystem bildet die Basis für die Anwendung des hypothetischen Fremdvergleichs, welcher für den Ausgangssachverhalt angewandt wird. Hierbei wird zunächst der Begriff der ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter sowie der des gesetzlichen Transparenzgedankens erläutert. Diese bilden die Basis zur späteren Ermittlung des Einigungsbereichs gemäß 1 Absatz 3 Satz 6 Hs. 1 AStG. Anschließend werden die Untergrenze nach § 7 Absatz 1 Satz 1 FVerlV sowie die Obergrenze ist nach § 7 Absatz 4 Satz 1 FVerlV näher bestimmt. Hierfür ist es notwendig die Gewinnpotenziale, welche den Einigungsbereich nach § 1 Absatz 3 Satz 6 Hs. 2 AStG bestimmen, zu erläutern. Nach Zuhilfenahme weiterer Literatur und Rechtsquellen zur Festlegung des genauen Begriffs des Gewinnpotenzials, werden die notwendigen Berechnungsmethoden des IDW S 5, welcher als Basis den zukünftigen finanziellen Nutzen der Funktion als Grundlage besitzt, beschrieben. Anschließend wird versucht den Kapitalisierungszeitraum, welcher sich an der Funktionsausübung bemisst, zu ermitteln, wobei auf die unterschiedlichen Auffassungen der Gesetzgebung und des IDW Standards eingegangen wird. Hiernach wird die zur Diskontierung benötigte Zinshöhe analysiert, wobei hier die Vorgaben des § 5 Satz 1 FVerlV und des IDW S 5 dargestellt werden. Nachdem nun alle Faktoren zum Ermitteln des Einigungsbereichs ermittelt wurden, ist es nun möglich zu betrachten, welcher Wert hieraus dem beizulegenden Funktionswert entspricht. Dies geschieht durch Glaubhaftmachung eines Wertes, welcher dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der höchsten Wahrscheinlichkeit entspricht oder der Wahl des Mittelwertes des Einigungsbereichs. Wurde der Preis des Transferpakets mit Hilfe des hypothetischen Fremdvergleichs bestimmt und wurde keine vertragliche Vereinbarung zwischen dem aufnehmenden und verlagernden Unternehmen getroffen, fingiert das Gesetz gemäß § 1 Absatz 3 Satz 12 AStG eine getroffene Preisanpassungsklausel. Die kritische Betrachtung und Folgen dieser werden danach dargestellt. Als nächstes wird die Lizensierungsoption behandelt. Gemäß § 4 Absatz 2 FVerlV hat der Steuerpflichtige nämlich die Möglichkeit statt einer Funktionsverlagerung eine Nutzungsüberlassung glaubhaft zu machen. Im Anschluss daran wird die weitere Besonderheit beschrieben, dass es bestimme Möglichkeiten gibt, die Bewertung als Ganzes zu umgehen und eine Einzelbewertung der Vermögensgegenstände vorzunehmen. Somit wird zunächst die erste Alternative der Einzelbewertung erläutert, in der der Steuerpflichtige gemäß § 1 Absatz 3 Satz 10 Hs. 1 Alt. 1 glaubhaft macht, dass keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile übertragen wurden. Danach wird die zweite Möglichkeit, nämlich die Glaubhaftmachung nach § 1 Absatz 3 Satz 10 Hs. 1 Alt. 2 AStG i.V.m. § 2 Absatz 3 Satz 1 FVerlV dass, die Wertesumme einzeln übertragender Wirtschaftsgütern bei Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auch dem Funktionswert entspräche, erörtert. Als letztes wird unter dem Aspekt der möglichen Einzelbewertung die Variante dargestellt, dass die Kundenliste gemäß § 1 Absatz 3 Satz 10 Alt. 3 AStG als wesentlicher immaterieller Vermögensgegenstand genannt werden kann. Nach den alternativen Möglichkeiten der Einzelbewertung wird anschließend die Besonderheit dargelegt, dass § 8 Satz 1 FVerlV eine Bewertung nach § 89b HGB zulassen könnte. Hier wird insbesondere auf die Spezialität der Eigenhändlereigenschaft der Tochtergesellschaft eingegangen wie auch die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Anwendungsmethode aufgezeigt. Hiernach wird die Diskrepanz der Bewertung des AStG zu den Vorschriften des HGB erläutert. So könnte die Transferpaketbewertung einen Widerspruch zum Grundsatz der Einzelbewertung darstellen. Ebenfalls sind mögliche Konflikte zur Anwendung des Fortführungsprinzip und des Realisationsprinzips anschließend aufgezeigt. Im nachfolgenden Kapitel wird deutlich gemacht, dass der Verdacht bestünde, Deutschland könnte durch manche Formulierung im AStG und der FVerlV eine unangemessene Besteuerung vorschreiben, die einen Verstoß gegen Art. 9 OECD-MA darstelle. Am Ende der Bachelorarbeit wird ein Fazit formuliert und eine Zukunftsaussicht gewagt.

A. Einleitung

I. Ausgangssachverhalt

Den Ausgangssachverhalt dieser Arbeit bildet eine Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung (§ 10 AO) und Sitz (§ 11 AO) in Deutschland, die ihre Produkte sowohl auf dem deutschen Markt als auch auf Märkten im Ausland mit eigenem Personal vertreibt. Das Unternehmen gründet sodann eine Tochtergesellschaft im Ausland1, welche ab sofort den Vertrieb an die Kunden in dem betreffenden ausländischen Markt übernehmen soll. Die Gründe hierfür können unterschiedlicher Art sein. So schafft eine internationale Präsenz eine bessere Kundenbindung. Ebenso ist die Ausnutzung von Standortfaktoren, wie niedrigere Personalkosten und verkürzte Distributionswege, denkbar. Weitere Entscheidungskriterien könnten „spezielle steuerliche Investitionsanreize“2 in einem bestimmten Staat sein. So könnte sich aus der Übertragung der Vertriebstätigkeit ein niedrigerer Steuersatz, dem der Gewinn, resultierend aus einer Aufschlagsmarge unterliegt (internationales Steuergefälle), künftig ergeben. Ebenfalls wäre der Wegfall der für Deutschland spezifischen Gewerbesteuer auf das Gewinnpotenzial ein steuerlicher Verlagerungsanreiz3.

Die Tochtergesellschaft besitzt die vereinbarte vertragliche Gestaltung des Eigenhändlers. Diese Form ist geprägt durch den Verkauf der Waren im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Zwecks der gewählten Vertriebsstruktur wird ein Importeurvertrag, aus welchem das alleinige Vertriebsrecht der Produkte im Land der gegründeten Tochtergesellschaft hervorgeht, gewählt. Neben den aus der reinen Absatzfunktion resultierenden Risiken, wie z.B. der Gewährleistungspflicht, wird der Vertriebsgesellschaft auch das Delkredererisiko übertragen, aus welchem ebenfalls steuerliche Vorteile resultieren könnten. Die Bepreisung erfolgt auf Wiederverkaufspreis-Basis. Zur übergangslosen Aufnahme der Vertriebstätigkeit wird die zum Ausland gehörige Kundenliste an das Tochterunternehmen übertragen.

Zur thematischen Einschränkung wird davon ausgegangen, dass uneingeschränkt oder eingeschränkt vergleichbare Werte im Rahmen eines tatsächlichen Fremdvergleichs nicht festgestellt werden können. Des Weiteren ist die Thematik auf eine Verlagerung im Gewinnfall gemäß § 7 Absatz 1 Satz 1 FVerlV beschränkt.

II. Problematik und Ziel der Bachelorarbeit

Steuerlich führt die Übertragung einer Vertriebsfunktion einschließlich der Kundenliste zu dem Problem, dass immaterielle Wirtschaftsgüter und Vorteile übertragen werden, die durch einen unbeschränkt Steuerpflichtigen mithilfe deutscher Infrastruktur geschaffen wurden, ohne dass eine spätere Besteuerung im Inland des im Ausland genutzten inländischen Wertschöpfungsbeitrages4 stattfindet. Zur Erfassung der Steueransprüche, der innerhalb Deutschlands verwirklichter Tatbestände gilt das sogenannte Territorialitätsprinzip5. Hier legt der Staat bei Übertragung dieses in Deutschland geschaffenen immateriellen Wertes auf die Besteuerung des hieraus entstehenden Gewinnpotenzials wert. Neben dem Außensteuergesetz, welches die hierfür gesetzliche Grundlage schafft, konkretisieren die durch das Bundesministerium der Finanzen erlassene Funktionsverlagerungsverordnung sowie das BMF-Schreiben IV B 5 - S 1341/08/10003 vom 13. Oktober 2010 (BStBl. I S. 774) die Funktionsverlagerungsproblematik.

Ziel der Bachelorarbeit ist es, die Vorgehensweise der ertragsteuerlichen Behandlung der Funktionsverlagerung von Vertriebsdienstleistungen inklusive der Übertragung der Kundenliste systematisch aufzuzeigen und diese auch kritisch zu betrachten. Hieraus werden abschließend Schlussfolgerungen aus der aktuellen Gesetzgebung gezogen und mögliche, sich hieraus ergebende Folgen ersichtlich gemacht. Der Einleitung nachfolgend soll zunächst geklärt werden, ob es sich bei der Ausgangssituation um eine Funktionsverlagerung handelt. Hierzu werden die Begriffe der Funktion und der Verlagerung analysiert, um hieraus auf das mögliche Vorliegen einer Funktionsverlagerung im steuerlichen Sinne zu schließen. Danach wird die Bewertung der Funktionsverlagerung des Vertriebs den Kernpunkt der Thesis darstellen. Hierbei wird die vorgesehene Bewertung als Transferpaket beschrieben. Anschließend werden der hypothetische Fremdvergleich und die für das Steuersubstrat notwendige Berechnung des Gewinnpotenzials dargestellt. Hierbei liegt der Fokus auf den Bewertungsgrundlagen der IDW Standards sowie die hieraus anzuwenden Bewertungsmethoden für immaterielle Vermögensgegenstände. Danach wird die Entstehung des Einigungsbereichs erläutert, sowie die Auswahl des Funktionsverlagerungswertes aus diesem beschrieben. Im Anschluss daran wird die Problematik der nachträglichen Preisanpassung dargestellt sowie den Gestaltungsmöglichkeiten Aufmerksamkeit gezollt, durch Nutzen einer Lizensierungsoption, die Besteuerung auf die individuelle Liquiditätslage anzupassen. Nach der Betrachtung der Bewertung als Ganzes, wie es das Außensteuergesetz für den Regelfall vorsieht, werden Möglichkeiten aufgezeigt gerade diese mit einer Einzelbewertung zu umgehen. Abschließend wird die sich aus der Besteuerung des Transferpakets ergebende Diskrepanz zwischen AStG und HGB dargestellt sowie die Vereinbarkeit zwischen des § 3 Absatz 2 FVerlV mit Art. 9 OECD-MA und EU-Recht diskutiert. Zum Abschluss sollen Schlussfolgerungen, die aus der Thematik der Bachelorthesis gezogen werden können wie auch mögliche zukünftige Folgen dargestellt werden.

B. Prüfung der Funktionsverlagerung

I. Funktionsbegriff bei Übertragung von Vertriebsdienstleistungen in eine Vertriebsgesellschaft in Form des Eigenhändlers

Um die Verständnisgrundlage für die gesetzliche Besteuerung der Verlagerung von Vertriebstätigkeiten zu schaffen, ist es notwendig, im ersten Schritt auf die Bedeutung des Funktionsbegriffs einzugehen. Gemäß § 1 Absatz 3 Satz 1 und 9 AStG taucht der Funktionsbegriff immer mit der zusätzlichen Nennung von dazugehörigen Chancen und Risiken auf. Aufgrund mangelnder Präzision des Begriffs ist es jedoch unabdingbar § 1 Absatz 1 FVerlV als zusätzliche Rechtsquelle heranzuziehen. Dieser beschreibt eine Funktion als eine Geschäftstätigkeit, die aus einer Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben besteht, die von bestimmten Stellen oder Abteilungen eines Unternehmens erledigt werden. Ebenso ist bestimmt, dass die Funktion ein organischer Teil eines Unternehmens ist, ohne dass ein Teilbetrieb im steuerlichen Sinn vorliegen muss. Dies ist dann der Fall, wenn sich die Funktion „entweder beim verlagernden oder beim übernehmenden Unternehmen als eine zweckgerichtete, abgrenzbare Tätigkeit unter Nutzung von bestimmten Wirtschaftsgütern, insbesondere immateriellen Wirtschaftsgütern, und Vorteilen zur Erwirtschaftung von Ergebnis-beiträgen darstellt“6. Der Begriff des organisatorischen Teils zielt somit darauf ab, dass es nicht ausreichend ist mehrere einzelne Vermögensgegenstände zu übertragen, sondern nur jene, die im Verbund eine „betriebswirtschaftliche Eigenständigkeit“7 ergeben. Die zu übertragenden Vertriebsdienstleistungen könnten aus betriebswirtschaftlicher Sicht hierunter fallen, da dort die Tätigkeiten für die Generierung von Umsatzerlösen für Produkte, Waren oder Dienstleistungen des Unternehmens gebündelt werden. Ebenfalls indiziert der Vertrieb als Hauptfunktion der unternehmerischen Wertschöpfungskette „das Erfordernis eines inneren wirtschaftlichen Zusammenhangs mit dem Gesamtunternehmen“8. Eine zeitgemäße Dokumentation ermöglicht es zudem „bestimmte Erträge und Aufwendungen sowie bestimmte Chancen und Risiken“9 einer bestimmten Kundengruppe zuzuordnen. Endgültig bestätigt die Erörterung des Funktionsbegriffs durch Nennung Vertriebs, ein eindeutiges Vorliegen einer Funktion für den zu betrachtenden Sachverhalt10. Im Übrigen wird eine eindeutige Abgrenzung einer Funktion von der übrigen Geschäftstätigkeit verlangt, jedoch schon als Lösung mit dem Verweis auf eine „bestimmte Geschäfts-tätigkeit für eine bestimmte Region“11 verwiesen. Da der Vertrieb zukünftig für Kunden eines ausgewählten Auslands verlagert werden soll, ist somit auch diese Voraussetzung, um das Vorhandenseins einer Funktion zu gewährleisten, erfüllt.. Festzuhalten ist, dass das positive Ergebnis der Prüfung der Frage, ob es sich bei den betrachteten Vertriebsdienstleistungen um eine Funktion vorhanden ist, eine erste Voraussetzung zur Anwendung einer Bewertung der übertragenden Vertriebsdienstleistung nach § 1 AStG ergibt.

II. Begriff der Verlagerung

Nachdem das Vorliegen einer Funktion belegt wurde, stellt sich nun die Frage, ob diese in der beschriebenen Situation auch verlagert wird. Das Bundesministerium der Finanzen sieht mehrere Punkte zur Erörterung der Funktionsverlagerung vor. Das erste Tatbestandsmerkmal welches vorliegen muss ist, dass ein Unternehmen „Wirt-schaftsgüter und sonstige Vorteile sowie die damit verbundenen Chancen und Risiken überträgt oder zur Nutzung überlässt“12. Im konkreten Fall wird ein immaterielles Wirtschaftsgut, die Kundenliste, übertragen. Zu überprüfen ist nun, ob durch Aufnahme des Vertriebs im Ausland neben bestehendem Kundenstamm auch Chancen und Risiken übertragen werden. Neben stillen Reserven sind zudem auch Geschäftschancen als solche identifizierbar13. Als Geschäftschance kann die Möglichkeit verstanden werden, „künftig (risikolos) einen Vermögensvorteil erzielen zu können, soweit sich dieser nicht bereits aus einem anderen Wirtschaftsgut ergibt“14. Durch die selbständige Ausübung des Vertriebs hat das Tochterunternehmen nun die Möglichkeiten der freien Vertragsgestaltung und über eine Marge, die der Gewinnerzielung. Mit Übertragung der Kundenliste entsteht auch der Wettbewerbsvorteil eines „leichteren Zugangs zu einem Kunden“15 und der der „höheren Wahrscheinlichkeit weiterer zukünftiger Vertragsabschlüsse bzw. Auftragsverlängerungen“16. Jedoch sind diese Chancen auch mit einem hieraus entstehendem unternehmerischen Risiko verbunden. Je nach vertraglicher Gestaltung übernimmt das Tochterunternehmen unter anderem vertriebstypische Lager-, Forderungsausfall- oder Gewährleistungsrisiken. Diese könnten im speziellen Fall deshalb zutreffend sein, da die Tochtergesellschaft als Eigenhändler auftritt. An dieser Stelle lässt sich somit feststellen, dass es sich im vorliegenden Fall sehr wohl um eine Verlagerung einer Funktion handelt. Dieses Vorliegen allein reicht je doch alleine noch nicht aus. Für die Besteuerungsproblematik notwendig ist, dass eine Verlagerung zu einem nahe stehendem Unternehmen durchgeführt wird. In der Literatur findet man eine Unterscheidung von vier Merkmalsgruppen, welche das Vorhandensein eines nahe stehenden Unternehmens bestätigen würden:

- „ Wesentliche Beteiligung
- Beherrschender Einfluss
- Besondere Einflussmöglichkeiten und
- Interessensidentität17.

Bei der Prüfung des Merkmals der wesentlichen Beteiligung stellt man fest, dass dieses nach § 1 Absatz 2 Nr. 1 AStG ab einer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung von 25% erfüllt ist. Der einhundertprozentige Besitz am Tochterunternehmen könnte den Tatbestand, dass das übernehmende Unternehmen ein nahe stehendes Unternehmen sein solle, erfüllen und führt dazu, dass die Überprüfung der weiteren Merkmale nicht mehr relevant ist.

Damit eine Funktionsverlagerung nach § 1 Absatz 3 Satz 9 AStG i.V.m. § 1 Absatz 2 FVerlV vorliegt, muss nun der Aspekt geprüft werden, ob der Vertrieb an Kunden im ausgewählten Ausland eine Funktion war, die das verlagernde Unternehmen vorher tatsächlich ausgeführt hat18. Dies scheint dahingehend erfüllt dadurch, dass die Ausgangslage erkennen lässt, dass die Funktion lediglich bestehende Kunden enthält, also diejenigen, an die bereits etwas verkauft wurde und somit Interessenten und Daten potenzieller Kunden ausschließt. Weiterhin ist es notwendig, dass nach der Übertragung die Funktion durch das verlagernde Unternehmen eingeschränkt wird. Das BMF-Schreiben verweist hier auf § 1 Absatz 6 und 7 FVerlV, um das Vorliegen einer Einschränkung genauer zu spezifizieren. Gemäß § 1 Absatz 6 Satz 1 FVerlV unterscheidet der Gesetzgeber die tatsächliche Funktionsverlagerung von der Funktionsverdoppelung. Diese bezeichnet das Aufbauen einer Funktion, „ohne dass sich die Funktion des ersten Rechtsträgers vermindert“19. Dies ist gemäß § 1 Absatz 6 Satz 1 FVerlV dann der Fall, wenn eine Beschränkung nach 5 Jahren beim verlagernden Unternehmen nicht eintritt. Da der Vertrieb der Auslandskunden nach Verlagerung ausschließlich von der Tochtergesellschaft übernommen wird, liegt somit keine Funktionsverdoppelung vor.

Zudem ist nach § 1 Absatz 6 Satz 2 FVerlV die Kausalität des Eintretens der Einschränkung mit dem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang der Funktionsverlagerung notwendig. Das heißt, dass eine Funktionsverlagerung dann auszuschließen ist, „wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass die Einschränkung nicht in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang“20 zu sehen ist. Dem verlagernden Unternehmen entsteht so die Beweislast, dass die Einschränkung nicht aufgrund anderer zu berücksichtigender Aspekte besteht. Denkbare Fälle der Einschränkung unabhängig von der Funktionsverlagerung könnten Produktionsschwierigkeiten oder das Eintreten eines Produktsubstituts auf dem Markt sein. Hier könnte eine Erlösschmälerung indifferent zu dem außersteuerlichem Gesichtspunkt entstehen. Explizite Merkmale sind leider nicht gesetzlich geregelt und könnten somit zu Auseinandersetzungen zwischen dem Steuerpflichtigem und der Finanzverwaltung führen, da die Kausalitätsproblematik viel individuelles Ermessen ermöglicht. Da in der Ausgangssituation auf einen Weitervertrieb seitens der Muttergesellschaft nach der Übertragung von Vertriebsdienstleistungen verzichtet wird, kann hier eine objektive und beweisfähige Kausalität gesehen werden. Zu beachten ist folglich auch, dass laut § 1 Absatz 7 Satz 1 FVerlV ein reines Verkaufen der Kundenliste keine Funktionsverlagerung darstellt. Dies lässt darauf führen, dass die Vertriebsdienstleistung tatsächlich wahrgenommen werden muss und eine ausschließlich vorgenommene Übertragung eines immateriellen Vermögensgegenstands zur steuerlichen Betrachtung im Sinne einer Funktionsverlagerung nicht ausreicht.

Letzter Kritikpunkt ist eine objektive Betrachtungsweise der Funktionsverlagerung, ähnlich dem Fremdvergleichsgrundsatz der Verrechnungspreisproblematik. Das Gesetz sieht gemäß § 1 Absatz 7 Satz 2 Hs. 2 FVerlV vor ein Vorliegen der Funktionsverlagerung zu negieren, wenn der Vorgang zwischen voneinander unabhängigen Dritten nicht als Veräußerung oder Erwerb einer Funktion angesehen würde. Dies wäre beispielsweise beim fristgerechten Kündigen oder Auslaufen eines Vertrages über eine übernommene Vertriebstätigkeit der Fall21. Dies ist jedoch im vorliegenden Fall nicht vorgesehen. Sind die steuerlichen Tatbestände, speziell mit der Übertragung der Chancen und Risiken erfüllt, so spricht man von einer Funktionsausgliederung, die eine grundlegende Form der Funktionsverlagerung darstellt22. Dies trifft auf den konkreten Sachverhalt sicherlich zu, so dass die Übertragung von Vertriebsdienstleistungen eine Funktionsverlagerung darstellt. Somit ist festzuhalten, dass die Prüfungen des Vorliegens von Funktion und Verlagerung im Einzelnen dazu führten, dass auf eine Bejahung des Vorhandenseins einer Funktionsverlagerung im Sinne des Außensteuergesetzes führte. Dies verschafft die Möglichkeit, im nächsten Schritt die Bewertung dieser vorzunehmen, um die hieraus resultierende Steuer zu ermitteln.

C. Bewertung der Funktionsverlagerung des Vertriebs im Sinne des AStG

I. Begriff des Transferpakets

Die Haupttatbestandsvoraussetzung des § 1 Absatz 1 Satz 1 AStG ist, dass die oben beschriebene Funktionsverlagerung unter anderen Bedingungen, insbesondere anderen Preisen zugrunde liegt, als sie voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbart hätten. Um diesen Fremdvergleichsgrundsatz zu analysieren, ist es notwendig, die gesetzliche Bewertung der Funktionsverlagerung des Vertriebs, als Transferpaket näher zu betrachten. Die Idee des Gesetzgebers ist, dass der Wert der verlagerten Funktion nicht mit dem Wert der Summe einzelner Wirtschaftsgüter und Geschäftschancen übereinstimmt. Dieser Unterschied ergibt sich aus der Miteinbeziehung „werterhöhenden Chancen und Vorteile sowie wertmindernde Risiken“23.

II. Bewertung des Transferpakets

Das Außensteuergesetz sieht in Verbindung mit der am 01.01.2008 in Kraft getretenen Funktionsverlagerungsverordnung die Bewertung und Besteuerung einer Funktionsverlagerung als Ganzes (Transferpaket) vor. Die Bewertung des Transferpakets basiert auf dem dealing-at-arm’s-length-Grundsatz. Dieser bildet die Grundlage der Wertermittlung der Vertriebsfunktion und besagt, dass die Transaktion dieser so zu bewerten ist, wie sie unter fremden Dritten bewertet worden wäre. Dieser gesetzliche Grundsatz ist jedoch nicht ganz kritikfrei. So ist es beispielsweise fraglich, ob im konkreten Fall zu betrachtender „Konzernverrechnungspreise exakt dem entsprechen, was unabhängige Unternehmen vereinbaren würden, da sich ein multinationaler Konzern aufgrund seiner hohen Integration und den daraus resultierenden Synergien insoweit von „stand-alone“-Unternehmen grundlegend unterscheidet“ 24 . § 1 Absatz 3 Satz 1-5 AStG besagt die Anwendung des Stufensystems auf Funktionsverlagerungen. Diese wird zudem durch § 2 Absatz 1 FVerlV bestätigt. Das Stufensystem verlangt eine Ermittlung des Wertes der Funktionsverlagerung über drei Schritte. Sind echte Fremdvergleichsgrundlagen vorhanden, so sollte gemäß § 1 Absatz 3 Satz 1 AStG die Bewertung mittels Preisvergleichsmethode, Wiederverkaufspreismethode oder Kostenaufschlagsmethode (die sogenannten Standardmethoden) bestimmt werden. Man unterscheidet die Formen des innerbetrieblichen (internen) und des zwischenbetrieblichen (externen) Vergleichs zur Feststellung des Fremdvergleichsgrundsatzes25. Ein innerbetrieblicher Vergleich wäre denkbar, wenn eine entgeltliche Übertragung des Kundenstammes vom bisher betrachteten Unternehmen unter gleichen Bedingungen an ein anderes, nicht nahestehendes Unternehmen übertragen worden wäre. Für einen externen Vergleich hätte die Übertragung gleicher Funktionsgegenstände inlusive gleicher vertragliche Gestaltung der Vertriebsfunktion unter fremden Dritten, also zweier nicht nahestehender Unternehmen, stattfinden müssen. Ein eingeschränkter Fremdvergleich ist dann der Fall, wenn es Unterschiede in den Eigenschaften des Übertragungsgegenstands und der Bedingungen gibt, diese jedoch noch eine Vergleichbarkeit gewährleisten. Da es „innerhalb der Standardmethoden keinen Vorrang einer Methode vor der anderen gibt“26, ist empfohlen, in der Praxis die Methode zu wählen, welche man auf den jeweiligen Geschäftsfall am besten anwenden kann.

[...]


1 Dies umfasst das Gebiet, „das nicht zum Inland gehört“. Vgl. Brähler, Internationales Steuerrecht, S. 466.

[2] Fischer/Kleineidam/Warneke, Internationale Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, S. 576.

3 Fischer/Kleineidam/Warneke, Internationale Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, S. 659.

4 Wilke, Internationales Steuerrecht, Rn. 770.

5 Brähler, Internationales Steuerrecht, S. 5.

6 BMF Schreiben IV B 5 vom 13.10.2010, S 1341/08/10003, Rn. 18.

7 BMF Schreiben IV B 5 vom 13.10.2010, S 1341/08/10003, Rn. 18.

8 Brüninghaus/Bodenmüller, DStR 2009, 1285, 1286.

9 BMF Schreiben IV B 5 vom 13.10.2010, S 1341/08/10003, Rn. 18.

10 BMF Schreiben IV B 5 vom 13.10.2010, S 1341/08/10003, Rn. 15.

11 BMF Schreiben IV B 5 vom 13.10.2010, S 1341/08/10003, Rn. 16.

12 BMF Schreiben IV B 5 vom 13.10.2010, S 1341/08/10003, Rn. 19.

13 Beck’ scher Online-Kommentar- Kraft zu AStG § 1 Rn. 265.

14 Beck’ scher Online-Kommentar- Kraft zu AStG § 1 Rn. 366.

15 IDW S 5: Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte, Rn. 81.

16 IDW S 5: Grundsätze zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte, Rn. 81.

17 Brähler, Internationales Steuerrecht, S. 463.

18 BMF Schreiben IV B 5 vom 13.10.2010, S 1341/08/10003, Rn. 19.

19 Frotscher, Internationales Steuerrecht, Rn. 1078.

20 BMF Schreiben IV B 5 vom 13.10.2010, S 1341/08/10003, Rn. 46.

21 Brähler, Internationales Steuerrecht, S. 472.

22 Brähler, Internationales Steuerrecht, S. 469.

23 Beck’ scher Online-Kommentar- Kraft zu AStG § 1 Rn. 400.

24 Bendlinger/Kanduth-Kristen/Kofler/Rosenberger, Internationales Steuerrecht, S. 863.

25 Müller / Rödder, Beck'sches Handbuch der AG , § 16 Auslandsaktivitäten inländischer und Inlandsaktivitäten ausländischer AG/KGaA, Rn. 196.

26 Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, Rn. 477.

Ende der Leseprobe aus 48 Seiten

Details

Titel
Grenzüberschreitende Übertragung von Vertriebsdienstleistungen
Untertitel
Ermittlung von Verrechnungspreisen nach § 1 AStG mittels hypothetischen Fremdvergleichs am Beispiel der Übertragung einer Kundenliste an eine Tochterkapitalgesellschaft im Ausland
Hochschule
Hochschule Mainz
Note
2,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
48
Katalognummer
V428975
ISBN (eBook)
9783668724877
ISBN (Buch)
9783668724884
Dateigröße
737 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Internationales Steuerrecht, § 1 AStG, Verrechnungspreis, Funktionsverlagerung, Außensteuergesetz, Funktionsverlagerungsverordnung, Steuerrecht, IDW S 1, IDW S 5, Gewinnpotenzial, hypothetischer Fremdvergleich, Kapitalisierung, Kundenstamm, FVerlV, Lizensierungsoption, Kundenliste, immateriell
Arbeit zitieren
Heiko Wagner (Autor:in), 2016, Grenzüberschreitende Übertragung von Vertriebsdienstleistungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/428975

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