Bilanzierung von latenten Steuern nach HGB und IFRS. Eine kritische Gegenüberstellung


Seminararbeit, 2017

23 Seiten, Note: 2.7

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Einführung und Problemstellung
1.2 Aufbau der Arbeit

2 Theoretische Grundlagen latenter Steuern
2.1 Rahmenbedingungen
2.2 Entstehung aktiver und passiver latenter Steuern
2.3 Differenzen
2.4 Konzepte der Steuerabgrenzung
2.5 Bewertung latenter Steuern
2.6 Inside und Outside Basis Differences

3 Latente Steuern nach IFRS
3.1 Bilanzansatz
3.2 Bilanzbewertung
3.3 Bilanzausweis

4 Latente Steuern nach HGB
4.1 Bilanzansatz
4.2 Bilanzbewertung
4.3 Bilanzausweis
4.5 Kritische Gegenüberstellung mit IFRS

5 Fazit

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Aktive und Passive Steuerabgrenzung

Abbildung 2: Temporary-Konzept

Abbildung 3: Timing-Konzept

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Rechnungslegung in Deutschland

Tabelle 2: Ansatz aktiver und passiver latenter Steuern nach HGB und IFRS

Tabelle 3: Unterschiede der Steuerabgrenzungskonzeption

1 Einleitung

1.1 Einführung und Problemstellung

Im Zuge der zunehmenden Globalisierung der Güter- und Kapitalmärkte gewinnt die Internationalisierung der Rechnungslegung immer mehr an Bedeutung. Eine Anpassung der deutschen Rechnungslegung an internationale Standards (IFRS) ist unumgänglich.[1] Besonders deutlich wird dies durch das am 25. Mai 2009 in Kraft getretene Bilanzmodernisierungsgesetz (BilMoG), dass das deutsche Bilanzrecht grundlegend reformierte. Das Ziel hierbei ist eine erleichterte Vergleichbarkeit der Bilanzen international tätiger Unternehmen.[2] Ein besonders wesentlicher Bestandteil des Gesetzes ist die Abkehr von der umgekehrten Maßgeblichkeit, sodass nach dem BilMoG steuerliche Wahlrechte vom Maßgeblichkeitsprinzip (MGP) ausgeschlossen sind.[3] Denn in Deutschland ist die Handelsbilanz (HB) mit der Steuerbilanz (StB) durch das MGP sehr eng verknüpft, sodass die Anzahl der Unterschiede zwischen der HB und StB und damit der Stellenwert der Abgrenzung latenter Steuern in der Vergangenheit nicht hoch war. Durch den Wegfall der umgekehrten Maßgeblichkeit entstehen vermehrt Differenzen zwischen HB und StB. Dies hat zur Folge, dass vermehrt latente Steuern entstehen und die Bedeutung latenter Steuerabgrenzung steigt.[4]

1.2 Aufbau der Arbeit

Die vorliegende Seminararbeit thematisiert die Bilanzierung latenter Steuern nach nationalen (HGB) und internationalen (IFRS) Vorschriften. Die Arbeit gliedert sich in drei Hauptteile. Nachfolgend werden im zweiten Kapitel die theoretischen Grundlagen latenter Steuern dargestellt. Hierbei wird auf die Entstehung, Konzeption und Bewertung latenter Steuern im Allgemeinen eingegangen. Im dritten und vierten Kapitel werden die beiden Regelwerke hinsichtlich Ansatz, Bewertung und Ausweis untersucht. Dieser Analyse folgt eine kritische Gegenüberstellung beider Vorschriften. Die Seminararbeit wird abschließend im fünften Kapitel zusammengefasst. Aufgrund der Komplexität des Themas kann nicht auf alle Themen in Bezug auf die latenten Steuern eingegangen werden. Hierfür werden ausführliche Quellen in der Fußnote angegeben.

2 Theoretische Grundlagen latenter Steuern

2.1 Rahmenbedingungen

Die Rechtsnormen für das deutsche Handelsrecht, unter anderem für das Bilanzrecht sind im HGB verankert. Das HGB unterliegt allerdings ständiger Veränderungen, insbesondere der Anpassung der deutschen Rechnungslegung an internationale Standards (IFRS). Zuletzt wurde das deutsche Handelsrecht durch das im Mai 2009 in Kraft getretene BilMoG grundlegend verändert.

Die International Financial Reporting Standards (IFRS) geben internationale Standards bzw. Vorschriften für die Rechnungslegung vor und werden im Gegensatz zu den gesetzlich kodifizierten Vorschriften des HGB durch eine privatrechtliche Institution, das International Accounting Standards Board (IASB), entwickelt und veröffentlicht.[5] Kapitalmarktorientierte Unternehmen mit Sitz in der EU haben seit 2005 die Pflicht ihren Konzernabschluss nach IFRS aufzustellen.[6] Dementsprechend sind die aufzustellenden Abschlüsse kapitalmarktorientierter deutscher Unternehmen ein handelsrechtlicher Einzelabschluss gem. § 238-290 HGB für Zwecke der Ausschüttungsbemessungsfunktion, eine StB gem. §§ 4, 5 EStG und KStG für die steuerliche Gewinnermittlung und zuletzt ein Konzernabschluss gem. IFRS für Zwecke der Informationsvermittlung.[7]

National ist § 274 HGB für die Bilanzierung und Bewertung latenter Steuern im Einzel- und Konzernabschluss zuständig. § 306 HGB bezieht sich ausschließlich auf die Anwendung latenter Steuern im Konzernabschluss. Die Regelungen des § 274 HGB sind verpflichtend für mittelgroße und große Kapitalgesellschaften und für Personengesellschaften, die unter § 264a HGB fallen. Für kleine Kapital- und Personengesellschaften besteht hingegen ein Wahlrecht zur Anwendung des § 274 HGB.[8] Auf internationaler Ebene regelt IAS 12 im Rahmen der IFRS die Ertragsteuern (Income Taxes) und damit die Bilanzierung und Bewertung von latenten Steuern (Deferred Taxes). Im Vergleich zum HGB sind die Vorschriften des IAS 12 rechtsformunabhängig, sodass für die Behandlung latenter Steuern im Konzernabschluss die allgemeinen Regelungen des IAS 12 gelten.[9]

Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Rechnungslegung im Einzel- und Konzernabschluss in Deutschland.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Rechnungslegung in Deutschland[10]

2.2 Entstehung aktiver und passiver latenter Steuern

Durch unterschiedliche Bilanzierungs- und Bewertungsansätze in der HB nach HGB bzw. IFRS und StB entstehen latente Steuern. In beiden Fällen handelt es sich um zukünftige steuerliche Be- und Entlastungen.[11] Das Ziel latenter Steuerabgrenzung ist der Ausgleich der Differenzen zwischen der tatsächlichen Steuerschuld aus der StB und der fiktiven Steuerschuld aus der HB, sodass ein plausibler Zusammenhang zwischen dem Steueraufwand aus der HB und dem Jahresergebnis hergestellt wird. Latente Steuern sind nur auf solche Differenzen zu bilden, die sich im Zeitablauf wieder ausgleichen. Dies beinhaltet zeitlich begrenzte und quasi zeitlich unbegrenzte Differenzen (Temporary-Konzept).[12]

Aktive latente Steuern entstehen, wenn in der HB im Gegensatz zur StB Vermögensgegenstände (Aktiva) niedriger bewertet oder nicht angesetzt werden und Schulden (Passiva) höher bewertet oder ausschließlich in der HB angesetzt werden. Der handelsrechtliche Gewinn ist in den Folgejahren höher und löst demzufolge Steuerentlastungen aus.[13] Mit der Bildung eines Aktivpostens wird der zu hohe Steueraufwand korrigiert und somit ein Ausgleich zwischen HB und StB hergestellt. Ein Beispiel zur Entstehung aktiver latenter Steuern sind Drohverlustrückstellungen. Nach IFRS bzw. § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB sind drohende Verluste aus schwebenden Geschäften rückstellungspflichtig. Steuerrechtlich ist der Ansatz von Drohverlustrückstellung gem. § 5 Abs. 4a EStG verboten.[14] Deutlich wird dies im nachfolgenden kurzen Rechenbeispiel:

„Die X-GmbH erwartet aus einem im Jahr 01 abgeschlossenen und im Jahr 02 zu erfüllendem Geschäft einen drohenden Verlust i. H. v. 40 T€, der voraussichtlich im Jahr 02 zahlungswirksam wird. Er wird daher im Jahr 01 eine handelsrechtlich ansatzpflichtige Rückstellung für drohende Verluste aus einem schwebenden Geschäft bilanziert, die steuerlich gem. § 5 Abs. 4a EStG nicht gebildet werden darf. […] Es wird mit einem Ertragsteuersatz von 30% gerechnet.“[15]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Werden in der HB im Vergleich zur StB Vermögensgegenstände (Aktiva) höher bewertet oder nur in der HB angesetzt und Schulden (Passiva) niedriger bewertet oder nicht angesetzt werden, so entstehen passive latente Steuern. Der HB-Gewinn ist in Zukunft niedriger als der StB-Gewinn und führt zu Steuerbelastungen.[16] Mit der Bildung des Passivpostens wird der zu niedrige Steueraufwand korrigiert und ein Ausgleich geschaffen. Die Aktivierung selbst erstellter immaterieller Vermögensgegenstände in der HB ist ein Beispiel für die passive Steuerabgrenzung (Aktivierungswahlrecht), da die Aktivierung in der StB nicht erlaubt ist.[17] Deutlich wird dies im Folgenden kurzen Rechenbeispiel: Das Industrieunternehmen A aktiviert nach § 248 Abs. 2 HGB einen selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenstand in der HB zu Herstellungskosten von 30 T€. Ein Ansatz in der StB ist verboten (§ 5 Abs. 2 EStG). Der Ertragsteuersatz beträgt 30 %.[18]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Aktive und Passive Steuerabgrenzung[19]

Zusammenfassend lässt sich die aktive und passive Steuerabgrenzung in Abbildung 1 darstellen. Die Abgrenzung latenter Steuern nach IFRS verläuft analog.

2.3 Differenzen

Durch Unterschiede in den Ansatz- und Bewertungsmethoden nach HGB bzw. IFRS und dem Steuerrecht entstehen Differenzen. Dabei werden drei Arten von Differenzen unterschieden: Einerseits die zeitlich begrenzten Differenzen, andererseits die zeitlich unbegrenzten (permanenten) Differenzen und zuletzt die quasi zeitlich unbegrenzten Differenzen.[20] Bei zeitlich begrenzten Differenzen werden die Erfolgskomponenten im handelsrechtlichen und im steuerrechtlichen Abschluss zu verschiedenen Zeitpunkten erfasst. Die Differenzen entstehen somit erfolgswirksam und gleichen sich in den Folgeperioden automatisch aus.[21] Die zeitlich unbegrenzten Differenzen gleichen sich im Zeitablauf nicht aus, da Aufwendungen und Erträge lediglich im HB- oder StB-Abschluss erfasst werden. Die permanenten Differenzen bleiben im Rahmen der Steuerabgrenzung unberücksichtigt. Die quasi zeitlich unbegrenzten Differenzen entstehen erfolgswirksam, gleichen sich jedoch erst nach einem längeren unbestimmten Zeitraum aus.[22]

2.4 Konzepte der Steuerabgrenzung

Bei der Abgrenzung latenter Steuern wird zwischen dem GuV-orientiertem Timing-Konzept und dem bilanzorientiertem Temporary-Konzept differenziert. Vor dem BilMoG wurde in Deutschland das Timing-Konzept angewendet. Die Steuerabgrenzung, sowohl nach dem neuen HGB-Recht als auch nach IFRS folgt dem Temporary-Konzept.[23] In beiden Konzeptionen werden die oben genannten Arten von Differenzen unterschieden.

Das bilanzorientierte Temporary-Konzept erfasst erfolgswirksame sowie erfolgsneutrale Differenzen. Die Voraussetzung ist jedoch, dass diese erfolgsneutral entstehen und sich erfolgswirksam auflösen. Daraus resultierend finden nicht nur zeitlich begrenzte, sondern auch quasi zeitlich unbegrenzte Differenzen Berücksichtigung. Die Differenzen werden unter „temporary differences“ zusammengefasst. Nicht miteinbezogen werden Differenzen, die sich aus außerbilanziellen Hinzurechnungen und Kürzungen ergeben.[24]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Temporary-Konzept[25]

Das GuV-orientierte Timing-Konzept ist beschränkt auf zeitlich begrenzte Differenzen. Zeitlich unbegrenzte und quasi zeitlich unbegrenzte Differenzen werden hier nicht beachtet. Berücksichtigung finden demnach nur erfolgswirksame Differenzen, weil erfolgsneutrale Differenzen zu keinem Unterschied zwischen dem HB- und StB-Ergebnis führen.[26]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Timing-Konzept[27]

2.5 Bewertung latenter Steuern

Bei der Bilanzbewertung wird zwischen zwei Konzepten der zeitlichen Abgrenzung unterschieden: Zum einen die Abgrenzungsmethode (deferred-method), die sich dem Timing-Konzept zuordnet. Zum anderen die Verbindlichkeitsmethode (liability-method), die sich hauptsächlich dem Temporay-Konzept zuordnen lässt. Eine Verknüpfung mit der Liability-Methode ist ebenfalls möglich. Nach IFRS und dem neuen HGB-Recht kommt die bilanzorientierte Liability-Methode, bei der der zutreffende Vermögens- und Schuldenausweis in der Bilanz im Vordergrund steht, zum Einsatz.[28]

Latenten Steuern ergeben sich durch Multiplikation der jeweiligen Differenzen mit dem anzuwendenden Steuersatz. Für die Berechnung der latenten Steuern wird gem. Liability-Methode der zukünftige Steuersatz herangezogen, der zum späteren Zeitpunkt der Umkehrung der Bilanzdifferenzen gelten wird. Bei einer Steuersatzänderung erfolgt eine nachträgliche Anpassung. Folglich werden aktive latente Steuern als eine Forderung und passive latente Steuern wie eine Verbindlichkeit gegenüber dem Finanzamt betrachtet.[29] Bei der GuV-orientierten Deferred-Methode ist die primäre Zielsetzung die periodengerechte Erfolgsermittlung durch ihre Eigenschaft eines Rechnungsabgrenzungspostens. Bei der Berechnung der latenten Steuern wird daher immer der aktuelle Steuersatz verwendet. Eine nachträgliche Anpassung an geänderte Steuersätze findet nicht statt.[30]

2.6 Inside und Outside Basis Differences

Im Konzernabschluss entstehen ebenfalls latente Steuern, die aus temporären Differenzen hervorgehen. Neben den bereits erwähnten gesetzlichen Vorschriften für den Konzernabschluss auf nationaler Ebene (§§ 274, 306 HGB), kommen auf Ebene des Konzernabschlusses die verpflichtenden Vorschriften des DRS 18 hinzu.[31] Auf internationaler Ebene regelt wie angeführt IAS 12 die Vorschriften der latenten Steuern für den Konzernabschluss.

Die Ermittlung latenter Steuern im Rahmen der Konzernabschlusserstellung lässt sich in drei Ebenen untergliedern. Auf der ersten Ebene werden die latenten Steuern aus den HGB- bzw. IFRS-Einzelabschlüssen (HB I) erfasst (i nside basis differences I). Auf der zweiten Ebene erfolgt eine Anpassung an konzerneinheitliche Bilanzierungsvorschriften. Durch die Vereinheitlichung können zusätzlich Differenzen zwischen HB II und StB entstehen (inside basis differences II).[32] Auf der letzten Ebene entstehen latenten Steuern durch Konsolidierungsmaßnahmen.

Nach nationalen Normen werden die latenten Steuern aus der ersten und zweiten Ebene als primäre latente Steuern bezeichnet, die aus § 274 HGB resultieren. Die latenten Steuern aus Konsolidierungsmaßnahmen sind sekundäre latente Steuern, die auf § 306 HGB basieren.[33]

Wesentlicher Unterschied zwischen § 306 HGB einerseits und IAS 12 andererseits besteht beim Ansatz der outside basis differences. Im HGB-Konzernabschluss führen diese Arten von Differenzen nicht zum Ansatz latenter Steuern. Outside Basis Differences sind Differenzen zwischen dem im Konzernabschluss ausgewiesenen Nettovermögen der Beteiligungsgesellschaft und dem Beteiligungsbuchwert in der StB.[34]

Nach internationalen Normen finden die inside basis differences schon während der Erstkonsolidierung Anwendung, wohingegen die outside basis differences erst bei der Folgekonsolidierung beachtet werden. Für den Ansatz der outside basis differences sind Bedingungen geknüpft.[35]

3 Latente Steuern nach IFRS

3.1 Bilanzansatz

Bei der Bilanzierung von latenten Steuern nach IAS 12 kommt das Temporary-Konzept i. V. m. der Liability-Methode zum Einsatz. Die Abgrenzung nach IAS 12 erfolgt somit bilanzorientiert und es führen nur zeitlich begrenzte und quasi-zeitlich begrenzte Differenzen zu latenten Steuern. Die temporären Differenzen zwischen den Buchwerten in der IFRS-Bilanz und der StB bauen sich in zukünftigen Perioden ab und führen zu ertragsteuerlichen Be- oder Entlastungen. Ergo werden temporäre Differenzen unterteilt in: Abzugsfähige temporäre und zu versteuernde temporäre Differenzen.[36]

Fallen Vermögen nach IFRS niedriger aus, bzw. fallen Schulden nach IFRS höher aus, als in der StB, so entstehen abzugsfähige temporäre Differenzen (deductible temporary differences). Infolgedessen entsteht ein latenter Steueranspruch und es sind aktive latente Steuern (deferred tax assets) zu bilanzieren. Die Anforderung für die Ansatzpflicht aktiver latenter Steuern ist, dass in absehbarer Zukunft ein wahrscheinlich zu versteuerndes Einkommen erzielt wird. Die Wahrscheinlichkeitsgrenze ist von IASB und FASB auf 50% festgelegt worden.[37] Unter die Bilanzansatzpflicht aktiver latenter Steuern fallen zusätzlich latente Steuern auf noch nicht genutzte steuerliche Verlustvorträge. Der Ansatz erfolgt analog zu den Vorschriften für die übrigen latenten Steuern.[38]

Fallen hingegen Vermögen nach IFRS höher aus, bzw. fallen Schulden nach IFRS niedriger aus als in der StB, entstehen zu versteuernde temporäre Differenzen (taxable temporary differences). Folglich entsteht eine latente Steuerschuld und es sind passive latente Steuern (deferred tax liabilities) zu bilanzieren.[39] Nach IAS 12.15 sind von der Pflicht zum Ansatz latente Steuern ausgenommen, die aus dem erstmaligen Ansatz eines Geschäfts- oder Firmenwertes entstehen. Des Weiteren besteht ein Ansatzverbot für aktive und passive latente Steuern, die im Zusammenhang mit der Bilanzierung erstmalig anzusetzender Vermögensgegenstände oder Schulden erfolgsneutral entstehen und nicht aus einem Unternehmenszusammenschluss resultieren.[40]

3.2 Bilanzbewertung

Nach der Liability-Methode sind nach IAS 12.47 grundsätzlich die zukünftig zu erwartenden Steuersätze zu berücksichtigen, die voraussichtlich im Zeitpunkt der Auflösung der Differenzen gelten werden . Sind diese nicht bekannt, so sind die aktuell gültigen Steuersätze zur Bewertung der latenten Steuern heranzuziehen. Bei Steuersatzänderungen müssen die latenten Steuerpositionen aus den vergangen Perioden in der Bilanz angepasst werden. [41] Gem. IAS 12.37 sind nicht aktivierte latente Steuern zu jedem Bilanzstichtag erneut zu überprüfen. Es erfolgt ebenso eine Überprüfung des Buchwertes latenter Steuern auf die Werthaltigkeit zu jedem Bilanzstichtag (IAS 12.56). [42] Eine Abzinsung von latenten Steuern ist gem. IAS 12.53 unzulässig.

3.3 Bilanzausweis

Hinsichtlich der Ermittlung und des Ausweises latenter Steuern besteht nach IAS 12 grundsätzlich ein Saldierungsverbot, dennoch besteht unter einigen Umständen eine Saldierungspflicht. So muss die Saldierung rechtlich durchsetzbar sein und die aktiven und passiven latenten Steuern müssen sich auf Ertragsteuern beziehen, die gegenüber derselben Steuerbehörde, ergo demselben Finanzamt bestehen (IAS 12.74). Aktive und passive latente Steuern sind in der Bilanz getrennt von anderen Vermögenswerten und Schulden zu zeigen.[43] Bei einer Gliederung nach der Fristigkeit sehen die IFRS für den Ansatz der latenten Steuern einen Ausweis unter den langfristigen Vermögensgegenständen bzw. Schulden vor (IAS 1.56).[44] Die Bildung und Auflösung von latenten Steuern erfolgt in der GuV erfolgswirksam über die Positionen „Steueraufwendungen“ oder „Steuererträge“. Sind diese der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit zuzuordnen, sind sie gem. IAS 12.77 gesondert auszuweisen. [45] Für den Anhang sieht IAS 12 eine Fülle von Erläuterungs- und Angabepflichten zu den latenten Steuern vor. Beispielsweise sind die Angaben der Hauptbestandteile des Steueraufwands oder -ertrags verpflichtend (IAS 12.79). [46]

4 Latente Steuern nach HGB

4.1 Bilanzansatz

Nach dem BilMoG erfolgte der Wechsel vom GuV-orientierten Timing-Konzept zum bilanzorientierten Temporary-Konzept, sodass zeitlich begrenzte und quasi-zeitlich begrenzte Differenzen zu latenten Steuern führen.[47]

Werden demgemäß in der HB im Vergleich zur StB Aktiva niedriger und Passiva höher bewertet, entsteht ein latenter Steueranspruch. § 274 Abs. 1 Satz 2 HGB sieht analog zu den Regelungen vor dem BilMoG, jedoch abweichend von den internationalen Vorschriften, weiterhin ein Aktivierungswahlrecht für den Überhang aktiver latenter Steuern vor. Für den Ansatz aktiver Steuerabgrenzung ist eine zukünftige Ausgleichfähigkeit gefordert.[48] Durch den Ausweis als eigenständiger Posten, dienen die aktiven latenten Steuern nicht mehr als Bilanzierungshilfe, wie es vor dem BilMoG vorgesehen war.[49] Zusätzlich werden gem. § 274 Abs. 1 Satz 4 HGB steuerliche Verlustvorträge bei der Berechnung aktiver latenter Steuern berücksichtigt, soweit eine Verrechnung innerhalb der nächsten fünf Jahre zu erwarten ist.[50]

Eine latente Steuerschuld hingegen, entsteht wenn in der HB im Vergleich zur StB Aktiva höher oder Passiva niedriger bewertet. § 274 Abs. 1 Satz 1 HGB sieht parallel zu den Regelungen vor dem BilMoG eine Passivierungspflicht für passive latente Steuern vor. Durch den Ausweis als eigenständiger Posten werden passive latente Steuern nicht mehr als Rückstellungen bilanziert und bewertet.[51]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Ansatz aktiver und passiver latenter Steuern nach HGB und IFRS[52]

4.2 Bilanzbewertung

Nicht nur bei der Bilanzierung, sondern auch bei der Bewertung von latenten Steuern kommt es nach dem BilMoG zu einer Annäherung an die IFRS. Die Bewertung erfolgt nicht mehr nach der Deffered-Methode, sondern nach der Liability-Methode, bei der der zutreffende Bilanzausweis von Vermögen und Schulden im Fokus steht. Demnach sind für die Bewertung von latenten Steuern unternehmensindividuelle Steuersätze heranzuziehen, die im Zeitpunkt der Auflösung der Differenzen gelten werden. Sind diese unbekannt, wird der am Bilanzstichtag gültige individuelle Steuersatz zugrunde gelegt, sofern der Bundesrat einer Änderung vor bzw. am Bilanzstichtag zugestimmt hat.[53] Tritt die jeweilige Steuerentlastung oder -belastung ein oder ist mit ihrem Eintritt nicht mehr zu rechnen so sind die latenten Steuern aufzulösen. § 274 Abs. 2 Satz 1 HGB untersagt die Abzinsung von latenten Steuern. Diese Bestimmung folgert sich aus dem Ausweis der latenten Steuern in der Bilanz als eigenständige Posten.[54] Die Aktivierung latenter Steuern führt für Kapitalgesellschaften zu einer Ausschüttungssperre gem. § 268 Abs. 8 HGB. Die Ausschüttungssperre dient dem Gläubigerschutz und erfolgt in der Höhe des Betrages, um den die aktiven latenten Steuern die passiven latenten Steuern übersteigen.[55]

[...]


[1] Vgl. Pellens et al. (2017), S. 37.

[2] Vgl. hierzu ausführlich Scherrer (2011), S. 1-10.

[3] Vgl. Schildbach et al. (2013), 163 f.

[4] Vgl. Küting et al. (2009), S.501; Heyd/Kreher (2010), S. 18 f.

[5] Vgl. Wolz (2005), S. 9 ff.

[6] Vgl. Bitz et al. (2014), S. 767 ff.

[7] Vgl. Wolz (2005), S. 11; Buchholz (2009), S. 15 f.

[8] Vgl. Bitz et al. (2014), S. 197.

[9] Vgl. Pellens et al. (2017), S. 246 f.

[10] Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Buchholz (2009), S. 14 f.

[11] Vgl. Bieg et al. (2009), S. 283.

[12] Vgl. Ruhnke/Simons (2012), S. 407 ff.

[13] Vgl. Schildbach et al. (2013), S. 400.

[14] Vgl. Baetge et al. (2017,) S. 559; Pellens et al. (2017), S. 255.

[15] Bitz et al. (2014), S. 194 ff.

[16] Vgl. Schildbach et al. (2013), S. 400; Coenenberg et al. (2014), S. 481.

[17] Vgl. Küting et al. (2009) S. 513.

[18] Vgl. Küting et al. (2009) S. 511 f.

[19] Quelle: entnommen aus Baetge et al. (2017), S. 558.

[20] Vgl. Bitz et al. (2014), S. 192 f.; Ruhnke/Simons (2012), S. 410 f.

[21] Vgl. Ruhnke/Simons (2012), S. 410.

[22] Vgl. Baetge et al. (2017), S. 551 f.

[23] Vgl. hierzu ausführlich Coenenberg et al. (2014), S. 476 ff.

[24] Vgl. Bieg et al. (2009), S. 284; Coenenberg et al. (2014), S. 480 f.

[25] Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Coenenberg et al. (2014), S. 486.

[26] Vgl. Coenenberg et al. (2014), S. 476.

[27] Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Coenenberg et al. (2014), S. 476.

[28] Vgl. hierzu ausführlich Baetge et al. (2017), S. 562 ff.

[29] Vgl. Pellens et al. (2017), S. 259 f.; Bitz et al. (2014), S. 816.

[30] Vgl. Baetge et al. (2017), S. 563.

[31] Vgl. hierzu ausführlich Coenenberg et al. (2014), S. 763-777.

[32] Vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg (2017), § 26, Rn. 139.

[33] Vgl. Grottel/Larenz (2016), § 274 HGB, Rn. 3.

[34] Vgl. Coenenberg et al. (2014), S. 766; Bitz et al. (2014), S.956 f.

[35] Vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg (2017), § 26, Rn. 139, 158 f.

[36] Vgl. Coenenberg et al. (2014), S. 498 f.

[37] Vgl. Buchholz (2009), S. 65; Bieg et al. (2009), S. 282 ff.

[38] Vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg (2017), § 26, Rn. 125 f.

[39] Vgl. Baetge et al. (2017), S. 570.

[40] Vgl. Bieg et al. (2009), S. 285 f.

[41] Vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg (2017), § 26, Rn. 202.

[42] Vgl. hierzu ausführlich Pellens et al. (2017), S. 256.

[43] Vgl. Ruhnke/Simons (2012), S. 415.

[44] Vgl. Lüdenbach/Hoffmann/Freiberg (2017), § 26, Rn. 238.

[45] Vgl. Pellens et al. (2017), S. 262.

[46] Vgl. Baetge et al. (2017), S. 576.

[47] Vgl. Schildbach et al. (2013), S. 212.

[48] Vgl. Ruhnke/Simons (2012), S. 411.

[49] Vgl. Bitz et al. (2014), S. 191; Küting et al. (2009), S. 507.

[50] Vgl. hierzu ausführlich Coenenberg et al. (2014), S. 497 f.

[51] Vgl. Wolz (2005), S. 201; Schildbach et al. (2013), S. 240 f.

[52] Quelle: eigene Darstellung.

[53] Vgl. Baetge et al. (2017), S. 562 f.

[54] Vgl. Bieg et al. (2009), S. 289; Heyd/Kreher (2010), S. 95.

[55] Vgl. hierzu ausführlich Küting et al. (2009), S. 521 ff.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Bilanzierung von latenten Steuern nach HGB und IFRS. Eine kritische Gegenüberstellung
Hochschule
Universität Duisburg-Essen  (Institut für Betriebswirtschaft und Volkswirtschaft)
Note
2.7
Jahr
2017
Seiten
23
Katalognummer
V428928
ISBN (eBook)
9783668753044
ISBN (Buch)
9783668753051
Dateigröße
595 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
latente Steuern, IFRS, HGB, Bilanzierung, Bilanzierung latente Steuern, Bilanzierung latenter Steuern, Kritische Gegenüberstellung, latente Steuern nach HGB, latente Steuern nach IFRS, Steuern
Arbeit zitieren
Anonym, 2017, Bilanzierung von latenten Steuern nach HGB und IFRS. Eine kritische Gegenüberstellung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/428928

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