Augentäuschungen im Schaffen Sebastian Stoskopffs

Täuschend echt oder echt enttäuschend?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2018

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Forschungsstand

3 Sebastian Stoskopff

4 Das Trompe-l’oeil
4.1. Das Trompe-l’oeil in der Kunstgeschichte
4.2. Das Trompe-l’oeil in der Stilllebenmalerei

5 Das Trompe-l’oeil bei Sebastian Stoskopff
5.1. Gemalte Grafiken
5.2. Die Gläserkörbe
5.3. Trompe-l’oeil mit Kupferstich der Galatea

6 Schlussbetrachtung

7 Anhang
7.1. Literaturverzeichnis

Sämtliche Begriffe wie Künstler, Betrachter, Leser etc. werden in der nachfolgenden Arbeit geschlechtsneutral verwendet. Sie beziehen sich, sofern nicht explizit erwähnt, immer auf beide Geschlechter.

1 EINLEITUNG

Was ist vorzuziehen, die gutgemalte Rübe oder die schlechtgemalte Madonna?[1]

Eine Frage, mit der schon Max Liebermann im vorherigen Jahrhundert für Aufregung sorgte und die immer noch kontrovers diskutiert werden kann. Setzt man sich mit Hierarchien in der Kunst auseinander, so fallen bei der Gattung des Stilllebens mit großer Wahrscheinlichkeit Worte wie: darstellungsunwürdig, banal oder langweilig. Und doch ist der Typus des Stilllebens die radikal antianthropozentrischste aller Gattungen und allein daher schon eine aufrichtige Auseinandersetzung wert. Eine Gattung, die nichts anderes sein will, als auf der bloßen Darstellung eines unbelebten Körpers basierte Malerei - ist das nicht brillant? Es sind nicht der schöne Frauenkörper, das laszive Lächeln oder die Dramatik einer Schlacht, es ist einzig und allein die Fantasie des Malers und sein überragendes Können diese Fantasie abzubilden, was an Stillleben fesselt und begeistert. Demzufolge ist die gemalte Rübe nicht des Gegenstandes wegen interessant, kann jedoch durch eine eigene, besondere Betrachtung des Künstlers interessant werden. Hier lässt sich schon feststellen, dass zwei Bewertungsebenen vorhanden sind: „eine Hierarchie der Genres [...], aber auch eine Hierarchie der Begabungen“[2]. Besonders deutlich wird diese Herausstellung der Begabungen in der Untergattung des Trompe-l’oeil, wobei Gegenstände mit einer solchen Virtuosität und Präzision dargestellt werden, dass selbst das geschulte Auge für einen kurzen Moment nicht zwischen Realität und Abbild unterscheiden kann. Bei dieser sich selbst thematisierenden Malerei wird versucht eine größtmögliche Dreidimensionalität vorzutäuschen, um bewusst das Auge des Betrachters zu trügen. Ein früher Meister auf diesem Gebiet war der deutsche Stilllebenmaler Sebastian Stoskopff, dessen Werk in dieser Arbeit thematisiert werden soll.

Einleitend dazu wird im nachfolgenden Kapitel der aktuelle Forschungsstand zum Maler Stoskopff dargelegt, indem in chronologischer Abfolge die relevantesten Veröffentlichungen skizziert werden. Daran anschließend behandelt der dritte Teil die Vita des Malers. Es werden in Kürze die wichtigsten Ereignisse zusammengefasst, die sein Werk nachweislich geprägt haben. Der vierte Teil widmet sich der terminologischen Klärung des Trompe-l’oeil und dessen Einordung in die Kunstgeschichte, um dann ausgewählte Werke vor diesem Hintergrund zu analysieren und der Fragestellung dieser Arbeit nachzugehen: Augentäuschungen im Schaffen Sebastian Stoskopffs – täuschend echt oder echt enttäuschend?

2 FORSCHUNGSSTAND

Zugegebenermaßen wurde der Stilllebenmalerei in der Kunstgeschichte bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts kaum Beachtung geschenkt. Maßgeblich verantwortlich für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dieser Gattung ist der polnische Kunsthistoriker Charles Sterling, der sich dem Thema annahm und eine Reihe von Ausstellungen und Abhandlungen[3] realisierte. Infolgedessen ist es nicht überraschend, dass die Persönlichkeiten von Stilllebenmalern noch häufig ziemlich blass bleiben, selbst wenn ihre Kunst es nicht ist.[4]

Dies trifft auch auf Sebastian Stoskopff zu, über den sich bis in das 20. Jahrhundert nur eine Passage in Joachim Sandrarts Teutscher Academie, einem 1675 in Nürnberg erschienenen Traktat mit Künstlerviten, finden lies. Erst 1933, ausgelöst durch den Ankauf zweier Gemälde, veröffentlichte der leitende Archivar und Bibliothekar der Stadt Straßburg, Abbé Joseph Brauner, umfassende Recherchen[5] zu Stoskopff und verlieh ihm somit erstmalig ein Gesicht. Etwas mehr als 10 Jahre später nahm sich Hans Haug, Direktor der Straßburger Museen, dem Schaffen Stoskopffs an und publizierte fortlaufend umfangreiche Artikel[6] in diversen Fachzeitschriften. Haug konstatierte, dass der Maler „die verschiedenen Einflüsse seiner Wanderschaft zu einer eigenständigen Ausprägung von Stilleben [sic] legiert[e] und in seiner Straßburger Zeit zum Höhepunkt seines Schaffens gebracht hatte“[7], wodurch er die Stilllebenmalerei in der Hierarchie der Gattungen aufgewertet habe. Darüberhinaus war Haug der Erste, der künstlerische Charakteristika in Stoskopffs Werk ausmachte und zusammenfasste. Der Wanderschaft Stoskopffs, im speziellen seiner Zeit in Paris, widmete sich Michel Faré in zwei Werken[8], in denen er das Oeuvre des Malers in die französische Malerei der Zeit einordnete und ihn außerdem in Beziehung zu anderen Stilllebenmalern seiner Zeit setzte.[9]

Durch eine eher idiosynkratische Signatur passierte es, dass Stoskopffs Bilder häufig mit falscher Zuschreibung ausgestellt oder publiziert wurden, weshalb es nur logisch erscheint, dass sich in einem der neusten und umfassendsten Werke zu Sebastian Stoskopff, dem Ausstellungskatalog unter der Leitung Michele-Caroline Hecks[10] von 1997, der zusätzlich neue Zu- und Abschreibungen präsentiert, ein Abschnitt mit den verschiedenartigen Schreibweisen seines Namens finden lässt. Ergänzend geben zehn vorangestellte Artikel einen Einblick in das Leben und Schaffen des Malers. Diese Veröffentlichung und die nur ein Jahr zuvor erschienene, zusammenfassende Monographie mit kritischem Werkverzeichnis Birgit Hahn-Woernles[11] bilden die Basis dieser Arbeit.[12]

Ergänzt werden sie durch einen aktuelleren Aufsatz von Jörg Völlnagel in einem Beiheft der Online-Fachzeitschrift PhiN, der durch eine Werkbetrachtung mit anschließender Deutung versucht der Eigenheit und dem Wesen des Stoskoffschen Schaffens näher zu kommen.[13]

3 SEBASTIAN STOSKOPFF

Sebastian Stoskopff, am 31. Juli 1597 in Straßburg geboren, war der Sohn eines Kurier und Kundschafters. Durch die zahlreichen Reisen des Vaters wurde dem Maler eine gewisse Weltoffenheit und Reiselust in die Wiege gelegt, was dazu führte, dass er im Laufe seines Lebens verhältnismäßig viel Zeit im Ausland verbrachte.

Ab 1612 besuchte der junge Stoskopff das Atelier Friedrich Brentels, einem Kupferstecher und Zeichner. Es wird vermutet, dass hierin der Ursprung für die immer wiederkehrenden Stiche in seinen Stillleben liegt.

Zwei Jahre später, im Dezember 1614, bat Georg Stoskopff den Rat der Stadt Straßburg seinen Sohn Sebastian zum Baumeister und Maler ausbilden zu lassen und die anfallenden Kosten von 100 Reichstalern zu übernehmen, da ihm selbst die nötigen Mittel fehlten. Diese Bitte wurde ihm gewährt, woraufhin Sebastian Stoskopff im Juni 1615 zu Daniel Soreau nach Hanau reiste.[14] Es wurde ihm ein halbes Jahr Probezeit eingeräumt, bevor er für fünf Jahre aufgenommen und von Soreau in Malerei, Architektur aber auch Lauten- und Ballspiel unterrichtet wurde. Noch vor Ende der Ausbildung starb sein Lehrer Soreau und Stoskopff wurde ausgewählt das Atelier weiterzuführen. Dies tat er noch zwei Jahre. Aus dem Nachlass Soreaus lässt sich herauslesen, dass bevorzugt „Früchte-, Blumen- sowie Tierbilder“[15] von ihm und seinen Schülern angefertigt wurden. Ergänzt man dies mit der Tatsache, dass sich Georg Flegel zu dem Zeitpunkt in Frankfurt niedergelassen hatte, ebenso wie die Werkstatt van Valckenborchs, ergibt sich daraus die Tatsache, dass die Main Region ein wichtiges Zentrum früher Stilllebenmalerei dargestellt haben muss, durch das Stoskopff stark beeinflusst wurde.

1622 bat er um Erlaubnis, sich in Frankfurt niederzulassen. Nachdem ihm dies aber verwehrt wurde, reiste er im selben Jahr weiter nach Frankreich.[16] Aus den darauffolgenden 20 Lebensjahren ist nur wenig bekannt. Stoskopff hielt sich vermutlich für einige Jahre in Paris auf, unternahm im Jahre 1629 eine Reise nach Italien, bevor er erneut nach Frankreich zurückkehrte. Wo genau er jedoch in Paris wohnte, mit wem er Kontakt hatte, welche Reiseroute er durch Italien wählte und wem er dort begegnete, sind Fragen die sich nur durch Vermutungen beantworten lassen.[17] Eine dieser Vermutungen besagt, dass sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts, außerhalb der Pariser Stadtmauern rund um die Kirche St. Germain, eine Künstlerkolonie gebildet hatte. Diese Kolonie war ein Refugium für ausländische Künstler, vorrangig für Religionsflüchtlinge aus Flandern. Hierin scheint der unverkennbar niederländische Einfluss auf die frühe französische Stilllebenmalerei, und somit auch auf Sebastian Stoskopff, begründet zu sein.

1640 kehrte der Maler in seine Heimatstadt Straßburg zurück. Was ihn genau dazu veranlasste bleibt ebenfalls ungewiss. Es wird angenommen, dass zum Einen politische und religiöse Spannungen dazu geführt haben könnten[18] oder aber die Tatsache, dass der Markt für Stilllebenmalerei sich deutlich verschlechterte und Stoskopffs Werke im Preis stark sanken[19]. Belegt wird die Rückkehr Stoskopffs durch das Eintreten in die Straßburger Zunft der Goldschmiede, Kunsthandwerker und Maler Zur Steltz 1641. Fortan war der Künstler nicht nur im familiären Umfeld von Goldschmieden umgeben, da seine Schwester 1635 Nicolaus Riedinger, einen der anerkanntesten Straßburger Goldschmiede, geheiratet hatte, sondern auch im Rahmen seiner Zunftmitgliedschaft. Circa zehn Jahre später stärkte Stoskopff die verwandtschaftliche Beziehung, indem er Anna Maria, die Tochter Riedingers aus erster Ehe, heiratete und ein Jahr später mit ihr sein erstes Kind bekam. Auch die Taufpaten des Kindes stammten allesamt aus Goldschmiede-Familien.[20] Diese Umstände spiegeln sich zweifelsfrei im Oeuvre des Künstlers wider, der seitdem immer wieder Gold- und Silberschmiedearbeiten in seine Werke einbezog, von denen einige sogar auf sein direktes Umfeld zurückzuführen sind.

Auch den Grafen Johannes von Nassau und Idstein lernte Stoskopff zu jener Zeit kennen. Dieser kehrte nach dem Dreißigjährigen Krieg aus seinem Exil in Straßburg nach Idstein zurück und begann dort mit dem Aufbau einer Kunstkammer und Gemäldesammlung.[21] Stoskopff führte dazu zahlreiche Auftragswerke für den Grafen aus, von denen „ Stilleben mit Gläserkorb und Silberpokalen “, sowie „ Trompe-l’oeil mit Kupferstich der Galatea “ sicher die wichtigsten sind: 1651 gingen sie als Schenkungen an den österreichischen Kaiser Ferdinand III. Die Beziehung zwischen dem Grafen Johannes und Stoskopff war eng und so kam es, dass einer seiner Söhne bei Sebastian Stoskopff im Malen unterrichtet wurde. 1656 reiste Stoskopff vermutlich mit einer Reisegesellschaft nach Idstein. Hier wurde sein Schaffen ein Jahr später durch einen plötzlichen und bis heute ungeklärten Tod beendet.[22]

Zusammenfassend lassen sich in der Biografie dieses Künstlers deutlich abzugrenzende Lebensabschnitte festmachen, die seinen jeweiligen Aufenthaltsorten entsprechen. Auch in seinem Werk kann man diese Phasen wiederfinden, da Stoskopff sehr empfänglich für die Einflüsse aus seiner Umgebung war.

4 DAS TROMPE-L’OEIL

Trompe-l’oeil („Täusche das Auge“), ein Imperativ, der zur Handlung aufruft. Diese Spielart der Malerei fordert den Künstler auf, das Auge des Betrachters dahingehend zu täuschen, dass dieser eine Wirklichkeit im Werk erkennt. Das Kunstwerk soll vortäuschen keines zu sein - die perfekte Illusion. Der Betrachter hingegen wird aufgefordert seine Sinne zu hinterfragen. So wird eine Dreidimensionalität suggeriert, die das Bedürfnis nach Haptik weckt und die Dominanz des Sehens in Frage stellt. Eine der bekanntesten Künstleranekdoten schildert dieses Phänomen sehr trefflich:

Er (Parrhasios) soll zu einem Wettstreit gegen Zeuxis angetreten sein, und habe, als jener gemalte Trauben mit so großem Erfolg vorzeigte, dass Vögel auf die Leinwand zuflogen, selber einen gemalten leinenen Vorhang vorgelegt, wobei die Wahrheit so dargestellt war, dass Zeuxis, der durch das Urteil der Vögel ganz aufgeblasen war, dringend forderte, er solle den Vorhang endlich zurückschlagen und das Bild zeigen. Sobald er seinen Irrtum eingesehen hatte, trat er ihm in aufrichtiger Scham die Siegespalme ab, weil er selbst Vögel getäuscht hatte, Parrhasios aber ihn, den Künstler.[23]

In dieser Erzählung wird der Effekt der Illusion besonders hervorgehoben, aber auch der Ausgang ist von dringender Bedeutung: die Einsicht, getäuscht worden zu sein.[24] Ohne diese Erkenntnis ist es unmöglich sich an der Ästhetik der Täuschung zu erfreuen. Der Versuch einer Berührung bietet dem Betrachter unausweichlich einen gewissen Überraschungseffekt. Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass das Trompe-l’oeil im Kontext der illusionistischen Malerei zu verorten ist, „die Reaktion des Betrachters auf die Darstellung eines dreidimensionalen Objektes in der Fläche“[25] aber einen unabdingbaren Teil darstellt. Dabei ist ungeklärt, ob nun die gesamte Bildfläche, wie beispielsweise bei den bekannten Steckbrettdarstellungen Gijsbrechts oder van Hoogstratens , ihr Dasein als Gemälde verleugnen sollte oder nur Teile des Bildes zum Greifen nah erscheinen können, um als Trompe-l’oeil zu gelten.[26]

4.1 DAS TROMPE-L’OEIL IN DER KUNSTGESCHICHTE

Erstmalige Verwendung fand der Begriff des Trompe-l’oeil in einem Pariser Ausstellungskatalog aus dem 18. Jahrhundert.[27] Doch wie anhand der Legende von Zeuxis und Parrhasios deutlich wird, galt die Augentäuschung schon in der Antike als essentielles Kriterium, um Kunst zu klassifizieren. Aus dieser Zeit lassen sich zahlreiche Fußbodenmosaike und Wanddekorationen finden, die häufig täuschend echt dargestellte Tiere, Früchte und andere Alltagsgegenstände abbilden.

Die Buchmalerei des 15. Jahrhunderts bemühte sich an diesen Illusionismus anzuknüpfen. Von Pflanzen, die allem Anschein nach hinter aufgerissenen Pergamentseiten wachsen, über scheinbar aufgenähte Gold- und Silbermünzen sowie Schmuckstücke in Gebetsbüchern, zeugen diverse Werke von dem Wunsch nach möglichst realitätsgetreuer Abbildung.

Ihren Höhepunkt fand diese Untergattung des Stilllebens jedoch im 17. Jahrhundert. Aufgrund der Entwicklungen in den Naturwissenschaften, im Besonderen der Kopernikanischen Wende, stellte auch die Kunst Erkenntnisse und Erfahrungen in Frage. Daher erscheint es nur konsequent, dass zu dieser Zeit eine möglichst hohe Wirklichkeitsnähe zum Ideal der Stunde wurde. Maler zeigten Gegenstände in Originalgröße, täuschten Räumlichkeit durch perfekte Licht- und Schattensetzung vor und brillierten in der Darstellung von Stofflichkeit. Besonders beliebte Motive waren Steckbretter, Schrankwände, Nischen oder die Nachahmung fremder Gattungen.

Im 18. Jahrhundert wurde das klassische Stillleben für die Trompe-l’oeil-Malerei zur Nebensache, während die Imitation fremder Gattungen an Popularität gewann. Grafiksammlungen, Briefe und Urkunden wurden zu sogenannten Quodlibets [lat. „was beliebt“] zusammengefügt und auch bildhauerische Themen wie Steinreliefs[28] erfreuten sich großer Beliebtheit. Eine zuvor unbekannte Variante waren die gemalten Glasscheiben, die durch Risse und Sprünge in Erscheinung traten.

Mit dem 20. Jahrhundert und dem Fortschreiten der Technik trat das Trompe-l’oeil aus der Malerei heraus und fand auch in anderen Medien seinen Platz.[29] Die Erweiterung um Film und Fotografie bringt zwangsläufig einen breiteren Spielraum mit sich, weshalb man für die Moderne den Begriff des Trompe-l’oeil eventuell neu definieren muss oder so nicht mehr anwenden kann. Bei Jasper Johns „ Bemalter Bronze “ oder Andy Warhols „ Brillo Box “ beispielsweise handelt es sich um real dreidimensionale Gegenstände. Die Werke spielen zwar immer noch mit der Wahrnehmung der Rezipienten und versuchen die Grenzen der Kunst durch Sinnestäuschungen auszuloten, doch tun sie dies außerhalb der Fläche. Widmet man sich also mittels Installationen oder Skulpturen dem Thema des Trompe-l’oeil, so muss man sich zwangsläufig die Frage stellen, ob das Trompe-l’oeil auch im Raum funktioniert.

Dennoch setzen sich auch heute noch Künstler mit dem klassischen Trompe-l’oeil auseinander. Exemplarisch ist hier Gerhard Richter zu nennen, der mit seiner Serie von zehn kleinformatigen Ölgemälden die Tradition der losen Blätter aufgreift, ein Motiv, welches es auch in Stoskopffs Werken vielfach zu finden ist. Ebenso Thomas Demand, der sich 2002 mit seinem Diptychon „ Glas I + II “ erneut dem Thema der zersprungenen Glasscheiben zuwandte. Oder Tom Früchtl, der sich der Abbildung und Erforschung von Materialität verschrieben hat.

Es lässt sich also festhalten, dass illusionistische Werke, die mittels optischer Täuschungen versuchen eine 3-D Wirkung in der Fläche zu suggerieren, sich in nahezu allen Epochen der Kunstgeschichte finden lassen und nach wie vor aktuell sind. Und doch hat sich das Trompe-l’oeil in den letzten Jahren drastisch entwickelt und bedarf einer Überarbeitung beziehungsweise einer Erweiterung der vorherrschenden Definition.

[...]


[1] Vgl. Liebermann, Max: Die Phantasie in der Malerei, 4.Auflage, Berlin 1916.

[2] Thuillier, Jacques: Stoskopff. Versuch eines Portraits, in: Sebastian Stoskopff 1597-1657. Ein Meister des Stillebens, Ausst.-Kat. Straßburg/Aachen 1997, S. 17.

[3] Abhandlung: Sterling, Charles : La Nature Morte de l´antiquité à nos jours, Paris 1959.

Ausstellungen: Les peintres de la réalité en France au XVIIe siècle 1934 im Musée de l´Orangerie und La Nature Morte de l´antiquité à nos jours 1952 in der Orangerie des Tuileries.

[4] Vgl. Thuillier 1997, S. 17.

[5] Brauner, Joseph: Sebastian Stosskopf. Ein Strassburger Maler des 17. Jahrhunderts 1597–1657, Straßburg 1933.

[6] Haug, Hans: Sébastien Stoskopff. Peintre de natures mortes (suivi du catalogue critique de l´œuvre), in: Trois siècles d´art alsacien 1648–1948. Édition des archives alsaciennes d´histoire de l´art, Straßburg/Paris 1948, S. 23–72. Haug, Hans: Trois peintres strasbourgeois de natures mortes, in: La Revue des Arts II, 1952, S. 137–150. Haug, Hans: Deux nouveaux tableaux strasbourgeois du XVIIe siècle, in: La Revue des Arts IX, 1959, S. 283–292. Haug, Hans: Sébastien Stoskopff, in: La Revue L´Œil 76, 1961, S. 22–35. Haug, Hans: Une nature morte de Sébastien Stoskopff au Musée de Lyon et deux autres œuvres inédites du maître, in: Bulletin des Musées et Monuments Lyonnais 4, 1965, S. 75–82.

[7] Völlnagel, Jörg: Vanitas vs. optische Sensation. Zu den Stilleben von Sebastian Stoskopff (1597–1657), in: Philologie im Netz (PhiN), hg. v. Peter Schneck, Beiheft 3, 2006, S. 7.

[8] Faré, Michel: La Nature Morte en France. Son histoire et son évolution du XVIIe au XXe siècle, Genf 1962. Faré, Michel: Le grand siècle de la Nature Morte en France. Le XVIIe siècle, Freiburg 1974.

[9] Vgl. Völlnagel 2006, S. 6.

[10] Sebastian Stoskopff 1597-1657. Ein Meister des Stillebens, Ausst.-Kat. Straßburg/Aachen 1997.

[11] Hahn-Woernle, Birgit: Sebastian Stoskopff. Mit einem kritischen Werkverzeichnis der Gemälde, Stuttgart 1996.

[12] Vgl. Scheffler 1999, S. 383ff.

[13] Vgl. Völlnagel 2006, S. 6.

[14] Vgl. Völlnagel 2006, S. 10.

[15] Völlnagel 2006, S. 10.

[16] Vgl. Hahn-Woernle 1996, S. 15 und 35.

[17] Vgl. Hahn-Woernle 1996, S. 38ff.

[18] Vgl. Hahn-Woernle 1996, S. 17.

[19] Vgl. Heck, Michèle-Caroline: Sebastian Stoskopff: sein Leben, sein Werk, in: Kat. Straßburg/Aachen 1997, S. 41.

[20] Vgl. Heck 1997, S. 43 sowie Völlnagel 2006, S. 13.

[21] Vgl. Lentz, Christel: Das Idsteiner Schloss. Beiträge zu 300 Jahren Bau- und Kulturgeschichte, Idstein 1994, S. 41–53 und 169–183 zit. nach Völlnagel 2006.

[22] Vgl. Heck 1997, S. 28-52.

[23] Plinius d. Ä.: Naturkunde. Naturalis historia. Lateinisch-Deutsch. Buch 35 XXXVI, hg. u. übers. v. G. Winkler in Zusammenarbeit mit R. König, München 1993, S. 55.

[24] Vgl. Ebert-Schifferer 2010, S. 18.

[25] Riedl, Gertrud: Das gemalte Relief. Trompe-l‘oeils von Caspar Franz Sambach, Dipl. Wien 2013, S. 10.

[26] Vgl. Schwertfeger, Susanne: Das niederländische Trompe-l ́oeil im 17. Jahrhundert. Studien zu Motivation und Ausdruck, Diss. Kiel 2004, S. 12.

[27] Vgl. Schwertfeger 2004, S. 15.

[28] Vgl. Riedl 2013.

[29] Vgl. Kat. Hamburg 2010.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Augentäuschungen im Schaffen Sebastian Stoskopffs
Untertitel
Täuschend echt oder echt enttäuschend?
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel  (Kunsthistorisches Institut)
Veranstaltung
Stillleben
Note
1,3
Autor
Jahr
2018
Seiten
20
Katalognummer
V428729
ISBN (eBook)
9783668764026
ISBN (Buch)
9783668764033
Dateigröße
669 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Stoskopff Stillleben Trompe-l'oeil
Arbeit zitieren
Jana Tiedemann (Autor:in), 2018, Augentäuschungen im Schaffen Sebastian Stoskopffs, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/428729

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