Politische Möglichkeiten der Medien. Niklas Luhmanns System der Massenmedien


Hausarbeit, 2018

21 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretischer Rahmen
2.1 Was ist ein System?
2.2 Theorie sozialer Systeme
2.3 Kommunikation als Operation sozialer Systeme
2.4 Beobachten

3. Medien und Politik
3.1. Mediensystem nach Luhmann
3.2. Politiksystem nach Luhmann
3.3. Verhältnis von Medien und Politik

4. Beispiele
4.1. Das Beispiel der Presse
4.2. Das Beispiel der modernen Online-Medien

5. Fazit

I. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Die Medien sind ja die vierte Gewalt“, war ein Ausspruch eines ehemaligen Chefredakteurs der „Berliner Zeitung“. Schließlich sind der Zugang zu Informationen und der freie Austausch der Bürger wesentliche Voraussetzungen für die politische Willensbildung, weshalb sie auch als eines der besonders sensiblen Güter der Demokratie gelten. Die Medien informieren zum einen die Bevölkerung über das politische Geschehen, aber auch der Regierung kann so ein Bild von den Interessen und Sorgen der Bevölkerung geliefert werden, weswegen die Medien als vierte Gewalt bezeichnet werden können.

So nehmen die Medien einen entscheidenden Einfluss auf die Politik und die Politik bestimmt die Medien. Nach Niklas Luhmann versteht man die beiden Bereiche als Systeme die sich somit gegenseitig beeinflussen können. Aber ist dies überhaupt gewährleistet, wenn Systeme doch eigentlich geschlossen sind und nur innerhalb des eigenen Systems kommuniziert werden kann?

Diese Fragestellung soll in der folgenden Arbeit vordergründig genauer erörtert werden. Im Anschluss soll aber auch die Frage beantwortet werden, warum und auf welche Art und Weise Medien die Politik beeinflussen können.

Um diese Fragen gründlich beantworten zu können, muss zuerst der theoretische Rahmen betrachtet werden. Dazu gehören kurze Überblicke über die Systemtheorie Luhmanns im Allgemeinen sowie eine Umriss der sozialen Systeme. Anschließend soll innerhalb dieses Abschnitts die Kommunikation innerhalb von Systemen betrachtet werden. Anknüpfend an das allgemeine Theorieverständnis werden dann das Medien- und das Politiksystem nach Luhmanns Verständnis genauer betrachtet sowie das Verhältnis der beiden Teilsysteme zueinander beschrieben. Im Anschluss daran sollen die theoretischen Ergebnisse in der Praxis beziehungsweise an Beispielen aufgezeigt werden. Dazu werden die Presse und Online-Medien als wichtigste Informationsquellen im Bereich der Medien herangezogen. Schlussendlich sollen in einem Fazit die beiden Fragen zusammenfassend beantwortet werden.

2. Theoretischer Rahmen

Im folgenden Kapitel sollen nun die Definition von „System“ und „sozialem System“ nach Niklas Luhmann erläutert sowie nachfolgend die Kommunikation in Teilsystemen und die Beobachtung der Gesellschaft beleuchtet werden.

2.1 Was ist ein System?

Luhmann unterscheidet die drei Differenzierungsmuster: der segmentären[1], der stratifikatorischen[2] sowie der funktionalen Differenzierung. Laut der funktionellen Differenzierung lässt sich die Gesellschaft in ungleiche Teilsysteme unterschiedlicher spezifischer Funktion unterteilen und liefert somit die Grundlage für den Systembegriff (vgl. Marcinkowski 1993: 35).

Der Ursprung der Systemtheorie liegt in der Differenzierung die zwischen dem einen und dem anderen – der Entscheidung was ein System und was die Umwelt ist (vgl. Luhmann/Baecker 2009: 67). Denn „[d]ie Aussage, ,es gibt Systeme‘ besagt also nur, dass es Forschungsgegenstände gibt, die Merkmale aufweisen, die es rechtfertigen, den Systembegriff anzuwenden; so wie umgekehrt dieser Begriff dazu dient, Sachverhalte herauszuabstrahieren, die unter diesem Gesichtspunkt miteinander und mit andersartigen Sachverhalten auf gleich/ungleich hin vergleichbar sind“ (Luhmann 1984: 16). Was dabei letztendlich als System zusammengefasst wird, hängt vom jeweiligen Erkenntnisziel ab. Gegenstände, die, um ihre Beziehungen zur Umwelt zu betrachten, unter einem bestimmten Begriff oder einem bestimmten Aspekt zusammengefasst werden, können als Systeme erfasst werden (vgl. Jarren/Donges 2006: 42).

Nach Spencer Browns Formanalyse ist ein „System“ eine Form, die wiederum als Differenz von System und Umwelt bezeichnet wird. Demnach ist die Unterscheidung zwischen Umwelt und System eine Reaktion auf eine Weisung, die das System bezeichnet, die Umwelt aber nicht. Daraus folgt, dass das System eine Form mit zwei Seiten ist. Brown definiert den Formbegriff allerdings als durch einen Operator beziehungsweise ein Operationsweise. Luhmann hingegen verfolgt einen operationalistischen Ansatz, wonach ein System eine Verkettung von Operationen ist. Dies bedeutet, dass kein eimaliges Ereignis ein System erzeugt, sondern eine bestimmt Art von Operationen, die anschlussfähig sind, ein System bilden (vgl. Luhmann/Baecker 2009: 75-77). „Die Differenz von System und Umwelt entsteht alleine aus der Tatsache, dass eine Operation eine weitere Operation gleichen Typs erzeugt.“ (Luhmann/Baecker 2009: 77). Diese zirkulierende Selbstproduktion beschreibt die Autopoiesis eines Systems und bildet auch gleichzeitig die wichtigste Eigenschaft von Systemen. Daraus resultiert ebenfalls, dass ein System die eigene Anschlussfähigkeit kontrollieren muss. Eine Operation schließt an eine andere an und diese schließt erneut an eine andere Operation innerhalb des Systems an. So kann sich ein System von seiner Umwelt unterscheiden. Dies suggeriert, dass Systeme operational geschlossen sind und man in ein System von außen nicht eingreifen kann. Dementsprechend zieht sich ein System mit den Operationen eigene Grenzen und unterscheidet sich so von der Umwelt. Ein System erzeugt sich dementsprechend durch systemspezifische Operationen selber. Die Charakteristik der Operation bestimmt somit auch den Typ des Systems (vgl. ebenda). Anhand der Differenzierung in „Offen“ und „Geschlossen“ unterscheidet Luhmann verschiedene Arten von Systemen, etwa biologische, psychische oder soziale.

Ein System lässt sich demnach nur durch seine Funktion von anderen System oder der Umwelt differenzieren und nimmt dabei eine problemlösende Funktion ein, die nur es selbst und kein anderes System erfüllen kann (vgl. Marcinkowski 1993: 36).

2.2 Theorie sozialer Systeme

Die funktionale Differenzierung setzt einen Bezugspunkt voraus, wobei nach Luhmann die „Komplexität der Welt“ den obersten Bezugspunkt bildet (vgl. Luhmann 2005: 145). Die Welt kann folglich weder als System betrachtet werden, da sie kein „Außen“ bzw. keine Umwelt besitzt, noch kann sie ohne ein „Innen“ die Umwelt darstellen. Die Welt umgreift vielmehr alle Systeme und die dazugehörenden Umwelten und bildet so die Einheit von System und Umwelt (vgl. Kneer/Nassehi 2000: 39/40).

Mit der Komplexität wird ein Grundbegriff der funktional-strukturellen Systemtheorie aufgegriffen. „K.[omplexität] selbst wird anfangs eher als Gesamtheit der sinnhaften Möglichkeiten des Erlebens und des Handelns bestimmt, dann erst als systemselektive Gesamtheit möglicher Ereignisse in Form von Elementen spezifiziert […].“ (Krause 2005: 178) Der Mensch ist stetig überfordert mit der Aufnahme der Komplexität der Welt. An diesem Punkt setzten die sozialen Systeme ein; sie haben die Funktion der Reduktion der Komplexität der Welt und sollen so die Grenzen des Erwartbaren einschränken. Sie fungieren somit als Vermittler zwischen der äußeren Komplexität der Welt und der geringen Fähigkeit des Menschen zur Komplexitätsverarbeitung.

Damit soziale Systeme die Komplexität überhaupt reduzieren können, brauchen sie eine eigene bestimmte Komplexität – die Eigenkomplexität. „Je komplexer ein System ist, desto mehr Möglichkeiten besitzt es, auf wechselnde Umweltanforderungen angemessen zu reagieren.“ (Kneer/Nassehi 2000: 41) Diese Fähigkeit ist allerdings davon abhängig, wie viele mögliche Zustände das System selber annehmen kann. Somit kann ein Sozialsystem nur einen Ausschnitt der Welt begreifen und die Weltkomplexität an sich ist nach Luhmann eher als Verhältnis von System und Welt zu definieren (vgl. Luhmann 2005: 147/148).

Nach Luhmann lassen sich die sozialen Systeme in drei Typen unterscheiden: Interaktions-, Organisations- und Gesellschaftssysteme. Interaktionssysteme kommen durch das Handeln von Anwesenden, zum Beispiel durch ein Gespräch zwischen zwei Personen, zustande und werden in dem Moment beendet in dem die Interaktion abbricht.

Organisationssysteme sind Sozialsysteme, welche die Teilnahme bzw. Mitgliedschaft in ihnen an bestimmte Vorrausetzungen binden. Die Aufgabe der Organisation besteht darin spezielle Handlungsabläufe innerhalb des Systems zu regeln und sie damit für Mitglieder und Nichtmitglieder vorhersehbar zu machen. Ein Beispiel für ein Organisationssystem ist die Universität, da die „studentische Mitgliedschaft“ zumindest an die allgemeine Hochschulreife geknüpft ist und das Handeln innerhalb des Systems durch Termine und Fristen geregelt wird. Nach Luhmann ist das Gesellschaftssystem nicht nur das umfassendste Sozialsystem sondern zudem ein besonderer Systemtyp. Alle Interaktions- und Organisationssysteme sind Teil der Gesellschaft, die allerdings nicht ausschließlich in die beiden Systeme unterteilt werden kann. Gesellschaftssysteme bilden vielmehr die Summe aller Interaktions- und Organisationssysteme ab, da eine Vielzahl von Handlungen ihren Ursprung nicht in einem der beiden anderen Systeme hat. Somit können die sozialen Systeme nicht nur in die drei Kategorien unterteilen werden, da jede Kategorie nur einen Teil der sozialen Wirklichkeit erfassen kann (vgl. Kneer/Nassehi 2005: 42/43).

Grund hierfür ist, dass Systeme nicht physisch abgegrenzt werden können, sondern vielmehr durch Sinnesgrenzen, also Elemente von Informationen deren Aktualisierung systemintern bearbeitet werden müssen, abgegrenzt werden.

Der Begriff „Soziale Systeme“ umfasst demnach den Sinnzusammenhang von aufeinander verweisenden sozialen Handlungen, die sich von „ihrer“ Umwelt abgrenzen. Sobald also Kommunikation unter Menschen stattfindet, entsteht ein soziales System.

2.3 Kommunikation als Operation sozialer Systeme

„Soziale Systeme sind autopoietische Systeme, die fortlaufend Kommunikation aus Kommunikation produzieren.“ (Kneer/Nassehi 2000: 81). Diese Aussage impliziert schon eine genaue Auseinandersetzung mit Niklas Luhmanns Kommunikationsbegriff. Kommunikation ist die kleinste Einheit eines sozialen Geschehens. Dadurch wird schon ausgeschlossen, dass Kommunikation als ein Geschehen von lediglich einer Person verstanden werden kann. Dies bedeutet auch, dass Kommunikation eine unausweichliche soziale Operation ist, die immer zu Stande kommt, wenn sich soziale Systeme bilden: „Alles, was es auf der Welt gibt, beruht von einem operationalen Theorieansatz her gesehen auf demselben Grundvorgang, demselben Typ von Ereignis, nämlich auf Kommunikation.“ (Luhmann/Baecker 2009 : 79)

Niklas Luhmann versteht unter Kommunikation allgemein einen dreifachen Selektionsprozess, bei dem Informationen, Mitteilungen und Verstehen selektiert und miteinander kombiniert werden.

Selektion bedeutet hier die Auswahl der Möglichkeiten zu reduzieren, so dass aus einer Fülle an Informationen schließlich eine Information gewählt wird, die letztendlich kommuniziert werden soll. Hier kann schon deutlich aufgezeigt werden, dass die Kommunikation zweifellos eine Operation des Kommunikationssystems sein muss. Beispielsweise kann das Bewusstsein zum einen seine Gedanken nicht kommunizieren, da Gedanken als Medium des Bewusstseinssystems nicht übertagen werden können; zum anderen kann man Gedanken zwar mithilfe von Sprache mitteilen, allerdings kann die Kommunikation keine Auskunft darüber geben, was die Bewusstseinssysteme der beteiligten Personen in dem Augenblick denken. Anschließend wird eine Mitteilungsart gewählt, also eine Möglichkeit ausgesucht die Information zu kommunizieren, beispielsweise kann Müdigkeit durch den Ausspruch „Ich bin müde“, aber auch durch ein offensives, lautes Gähnen kommuniziert werden. Der letzte Selektionspunkt stellt das Verstehen dar. Die Mitteilung kann entweder im Sinne des Mitteilenden verstanden werden oder das entgegengesetzte Ziel erreichen, was letztendlich das Missverständnis definiert.

Eine Kommunikation liegt somit vor, wenn eine Auswahl von mehreren Informationen, Mitteilungsmöglichkeiten und Verständnismöglichkeiten getroffen wurde. Strukturen und Prozesse verstärken die Selektion der Information. Strukturen übernehmen die Aufgabe die Auswahl so vorzunehmen, dass die Elemente der Kommunikation nicht willkürlich sind, sondern nach wie vor unter dem gleichen Aspekt zusammengefasst werden können. Prozesse sind hingegen eine ausgewählte Verknüpfung von Einzelereignissen, die zeitlich aneinander gebunden sind und zeitlich aufeinander aufbauen (vgl. ebenda: 81-94). Kommunikation wird somit als Einheit dieser drei Komponenten definiert. Allerdings kann man keinen Außenfaktor zur Hilfe heranziehen, der eingreift und die Komponenten zusammenfügt, sondern das Bilden der Einheit muss autopoietisch in der Operation selber geschehen (vgl. Luhmann/Baecker 2009: 299).

Das Verständnis einer Mitteilung einer bestimmten Art wird durch eine Anschlusskommunikation suggeriert. Kommunikation ist deshalb auch ein selbstreferentielles System, weil jede Kommunikation auf die vorhergehende Kommunikation verweist. Dies impliziert auch eine Zeitgleichheit der Mitteilung und des Verstehens als Voraussetzung.

Die Funktion, die Niklas Luhmann der Kommunikation zuschreibt, ist die theoretische Findung eines Konsenses, der der Ausgangspunkt für gleiche Weltorientierungen oder gemeinsames Handeln bietet. Da dies in der Realität unwahrscheinlich ist, hat man eine Norm festgelegt, nach der Kommunikation zumindest die Bemühung von Konsens verfolgt.

2.4 Beobachten

Soziale Systeme sind aber auch beobachtende Systeme. Personen beobachten ihre Umwelt und kommunizieren letztendlich darüber. Beobachtung entspricht einer systeminternen Operation, was wiederrum Kommunikation entspricht. Dementsprechend gilt auch, dass Kommunikation immer Kommunikation über etwas oder jemanden ist.

Beobachtung nach Luhmann ist die Bezeichnung anhand einer Unterscheidung. Daraus schlussfolgernd ergeben sich zwei Komponenten, aus denen Beobachtung besteht: die Unterscheidung und die Bezeichnung. Dies bedeutet, ein Objekt wird binär unterschieden, beispielsweise in Mann oder Frau, Lüge oder Wahrheit. Wenn die Unterscheidung gewählt wurde, wird das Objekt damit bezeichnet, also als Frau, Lüge etc. definiert. Dies impliziert, dass erneut erst die Einheit und das gemeinsame Auftreten von Unterscheidung und Bezeichnung die Beobachtung ausmachen (vgl. Kneer/Nassehi 2000: 95-97). Ein Beobachter beobachtet auch nur anhand der Unterscheidung. Somit ist jeder aktive Beobachter, ein Beobachter erster Ordnung. Die Beobachtung erster Ordnung „kann nur das sichtbar machen, was sie sichtbar macht“ (Krause 2005: 129). Das bedeutet, dass sie das als Realität ansieht, was sie bezeichnet. Zudem gibt es noch die Beobachtung zweiter Ordnung; „Damit ist gemeint, dass man einen Beobachter beobachtet. Unter den Anforderungen dieses Begriffs bedeutet das nicht, dass man irgendwelchen Leuten zuschaut, sondern dass man sich anschaut, wie sie beobachten.“ (Luhmann/Baecker 2009: 155). Genauer ist es eine Beobachtung des Beobachters erster Ordnung im Hinblick auf das was er sehen bzw. nicht sehen kann und wie er seine Differenzierung trifft bzw. wie etwas unterschieden wird, zu deffinieren. „Beobachter erster Ordnung ist jeder Beobachter, der beobachtet. Beobachter zweiter Ordnung ist jeder Beobachter, der einen Beobachter beobachtet, die B.[eobachtung] eines Beobachters durch sich selbst eingeschlossen (Selbst/Fremdbeobachtung).“ (Krause 2005: 129) Beobachter können sich nicht mit anderen Beobachtern identifizieren, da jeder Beobachter innerhalb seiner eigenen Grenzen betrachtet. Das ist auch der Grund, weshalb Beobachter höchstens andere Beobachter beobachten können, aber nicht an einer anderen Beobachtung teilnehmen können.

Eine Beobachtung kann nur dann betrachtet werden, wenn sie eine Unterscheidung trifft. So ist es möglich, dass ein anderer Beobachter das thematisiert, was der andere nicht bezeichnet hat. Sollte dies in dem gleichen System passieren, spricht man von einer Selbstbeobachtung; wenn es von einem anderen System ausgeht, handelt es sich um eine Fremdbeobachtung (vgl. Luhmann 1990: 79-83).

3. Medien und Politik

Im folgenden Kapitel sollen das Medien- und das Politiksystem nach Luhmanns Ausdifferenzierung beschrieben werden. Dazu sind zum einen die Funktionen der Systeme zu klären, zum anderen sollen die systeminternen Strukturen mehr oder minder analysiert werden. Zusätzlich müssen aber auch die für die Systeme spezifischen Leistungsrollen untersucht werden. Anschließend soll das Verhältnis der beiden Systeme, Medien und Politik, zueinander analysiert werden.

3.1. Mediensystem nach Luhmann

„Mit dem System der Massenmedien sollen im folgenden (sic!) alle Einrichtungen der Gesellschaft erfaßt (sic!) werden, die sich zur Verbreitung von Kommunikation technischer Mittel der Vervielfältigung bedienen. Vor allem ist an Büchern, Zeitschriften, Zeitungen zu denken, die durch die Druckpresse hergestellt werden; aber auch an photographische oder elektronische Kopierverfahren jeder Art, sofern sie Produkte in großer Zahl mit noch unbestimmten Adressaten erzeugen.“ (Luhmann 2017: 10)

Dies bedeutet, dass unter den Begriff der Massenmedien sämtliche Kommunikationsträger fallen, die eine maschinelle Herstellung von Kommunikation beinhalten. Entscheidend ist somit, dass es keine direkte Interaktion zwischen Autor und Leser gibt, welches durch die Zwischenschaltung von Technik verhindert wird. Dementsprechend bildet die Entwicklung der Technik, die die Herstellung der Produkte des Mediensystems erst ermöglicht, die Voraussetzung der Ausdifferenzierung eines Mediensystems (vgl. Gerhards 1994: 85). Beispielsweise war die Entwicklung der Presse an Johann Gutenbergs Entwicklung der Druckerpresse mit beweglichen Lettern gebunden. Ein autonomes System wurde das Mediensystem erst durch das erfolgreiche Zurückdrängen von externen Einflüssen, beispielsweise der Befreiung der Medien aus kirchlicher oder politischer Unterdrückung (vgl. ebenda).

Die technische Entwicklung der Übermittlungsinfrastruktur ermöglicht eine immer schnellere bis hin zur simultan zum faktischen Geschehen ablaufende Informationsübertragung und damit die Konstituierung der „Weltgesellschaft“. (vgl. Luhmann 1981: 364).

Durch die operative Schließung des Systems und die Differenzierung zwischen System und Umwelt ist es gezwungen zwischen Selbst- und Fremdreferenz zu unterscheiden. Dementsprechend kann das Ziel nicht das Erkennen der Beschaffenheit der Welt sein und die öffentliche Verbreitung der Erkenntnis, sondern vielmehr „daß und wie das System in selbstkonstruierten Zeithorizonten Operation an Operation anschließt, sich dabei immer erneut auf die eigene Informationslag bezieht, um Neuheiten, Überraschungen und damit Informationswerte ausmachen zu können.“ (Luhmann 1995: 14) Diese Beeinflussung der gegenseitigen Berichterstattung wird als „Inter-Media-Agenda-Setting“ verstanden (vgl. Jarren/Donges 2006: 185-187):

Sogenannte „Elitemedien“ haben demzufolge einen erheblichen Einfluss auf die Themensetzung und übernehmen somit eine Meinungsführerschaft, da sich andere Medien an ihnen orientieren. Allgemeine Medien orientieren sich an den medialen Meinungsführern (vgl. Jarren/Donges: 2006: 188). Diese Orientierung der Journalisten an der Konkurrenz führt zu einer Gleichförmigkeit der Medien. Die Medienagenda entsteht also in einem komplexen Wechselwirkungsprozess zwischen dem Journalismus und seiner Umwelt. Der Kommunikationswissenschaftler Hans Mathias Kepplinger (1998: 54) kritisiert diesen engen wechselseitigen Bezug zwischen den Medien. Er sieht darin eine Entfernung der Medien von der Gesellschaft und befürchtet, dass der Bezug der Medien zur sozialen Realität abnimmt.

Demnach lässt sich die Funktion von Massenmedien durch „Dirigieren der Selbstbeobachtung des Gesellschaftssystems – womit nicht ein spezifisches Objekt unter anderem gemeint ist, sondern eine Art, die Welt in System (nämlich Gesellschaft) und Umwelt zu spalten“ beschreiben (Luhmann 2017: 118). Es geht somit um eine universelle Beobachtung, die die Bedingungen ihrer eigenen Möglichkeiten selbst erzeugt und autopoietisch verläuft.

[...]


[1] Die segmentäre Differenzierung unterteilt die Gesellschaft in gleiche Teilsysteme auf der Grundlage gleicher Kristallisationspunkte, wie die Verwandtschaft und/oder das räumliche Zusammenleben (vgl. Marcinkowski 1993: 35).

[2] „Die stratifikatorische Differenzierung gliedert die Gesellschaft auf der Basis sozialer Ungleichheit in Schichten. Die so entstehende Rangordnung ungleicher Teile kann auf Landbesitz oder sonstigem Wohlstand, Zugang zu politischer Macht, Zugang zu Berufen oder anderen Prinzipien beruhen.“ (ebenda)

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Politische Möglichkeiten der Medien. Niklas Luhmanns System der Massenmedien
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Note
2,0
Autor
Jahr
2018
Seiten
21
Katalognummer
V428655
ISBN (eBook)
9783668723276
ISBN (Buch)
9783668723283
Dateigröße
524 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Luhmann, Medien, Massenmedien, Systemtheorie, System, Niklas Luhmann, Systeme, Poltische Möglichkeiten, Politik, Soziologie
Arbeit zitieren
Natalja Geringer (Autor:in), 2018, Politische Möglichkeiten der Medien. Niklas Luhmanns System der Massenmedien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/428655

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