Wohnungsmarktsituation und Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum


Bachelorarbeit, 2016

60 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Ausganglage
1.2. Vorgehensweise und Zielsetzung der Arbeit

2. Wohnungsmarkt
2.1 Aktuelle und zukünftige Wohnungsmarktsituation
2.2. Ursachen und Folgen von Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur
2.2.1 Bevölkerungsentwicklung
2.2.2 Wanderungsverhalten der Bevölkerung
2.2.3 Flüchtlinge und Asylbewerber
2.2.4 Zuwanderung
2.2.5 Altersdemografie
2.3. Ursachen und Folgen aufgrund von Marktveränderungen und politischen Entscheidungen
2.3.1. Mietpreisentwicklung
2.3.2. Vernachlässigter Wohnungsbau
2.3.3. Baukostensteigerung und Mangel an Bauland

3. Lösungsansätze zur Förderung des sozialverträglichen Wohnungsbaus und zur Entlastung des angespannten Wohnungsmarkts
3.1. Staatliche Regulierungsmaßnahmen
3.1.1. Mietpreisbremse und Kappungsgrenzenverordnung
3.1.2. Sonderabschreibungen für Wohnungsbau
3.1.3. Abschreibung von Wohnbauten
3.1.4. Quote für den sozialen Wohnungsbau
3.1.5. Sozialgerechte Bodennutzung
3.1.6. Senkung der Baukosten
3.1.7. Förderung der Innenentwicklung
3.1.8. Sicherung von Belegungsrechten
3.2. Staatliche Fördermaßnahmen
3.2.1. Förderung von sozialem Wohnungsbau in NRW
3.2.2. Soziale Wohnraumförderung 3.2.3. Bereitstellung von Baulandflächen

4. Schaffung von Wohnraum
4.1. Ersatzneubau oder Sanierung der Altbestände
4.2. Altersgerechter Wohnungsbau
4.3. Sozialer Wohnungsbau
4.4. Wohnungsbau für Studenten

5. Auswirkung der erhöhten Wohnungsbautätigkeit auf die Baubranche

6. Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Bevölkerungsentwicklung 2011 bis 2014

Abbildung 2: Bevölkerungsentwicklung in Nordrhein-Westfalen 2012 - 2060

Abbildung 3: Bevölkerungsvorausberechnung 2014 bis 2040

Abbildung 4: Verteilungsquoten nach dem Königsteiner-Schlüssel

Abbildung 5: Anteil der 75-jährigen und Älteren an der Gesamtbevölkerung 2014 und 2040

Abbildung 6: Mittlere Angebotsmiete Wiedervermietung (im Bestand) 2014 und Entwicklung 2013 bis 2014

Abbildung 7: Verteilung der Angebotsmieten in Köln 2014 und 2015

Abbildung 8: Fertiggestellte Wohnungen in Nordrhein-Westfalen

Abbildung 9: Preisindizes für Bauleistungen in Nordrhein-Westfalen (Basisjahr 2010 = 100)

Abbildung 10: Kostenbereiche und Kosten für die Errichtung eines Wohngebäudes

Abbildung 11: Rahmenbedingungen und Vorgaben für eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung

Abbildung 12: Notwendige Kaltmiete beim Neubau des Typengebäudes im Referenzfall und bei den verschiedenen Verbesserungen der Rahmenbedingungen als Einzelmaßnahme oder Kombination

Abbildung 13: Kostenvergleich von Modernisierung Bestandsersatz M 68

Abbildung 14: Weiteres Wachstum des Hochbauvolumens nach 2015 erwartet

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

1.1. Ausganglage

Die vorliegende Bachelorarbeit befasst sich mit der aktuellen und zukünftigen Wohnungsmarktsituation in Nordrhein-Westfalen. Da es in den unteren bis mittleren Wohnpreissegmenten an adäquaten Wohnraum mangelt, findet sich das Thema Woh- nungsnot in nahezu allen gesellschaftlichen Schichten wieder. Die Bundesregierung hat die gegenwärtige Wohnungspolitik als eines der wichtigsten Handlungsfelder der Legislaturperiode ausgerufen und erkannt, dass die Versäumnisse der Vergangenheit nur durch umfassende Maßnahmen korrigiert werden können. Wohnungspolitische Maßnahmen definieren sich durch gesetzliche Regulierungen, das Bau- Planungs-, und Mietrecht, vielschichtige Steuersubventionen und unterschiedlichste Transferleistungen. Das Interesse der Politik, die Entwicklung des Wohnungsmarktes mit zu gestalten und auch selbst steuern zu können, ist der Annahme geschuldet, dass der Markt allein, nicht für ausreichend Wohnraum sorgen kann.1 Aufgrund einer veränderten Bevölkerungs- struktur im Rahmen des demografischen Wandels und der verstärkt ausgeprägten Wohnstandortpräferierung in Großstadtnähe, entstehen Regionen, welche die Nachfrage an bezahlbarem Wohnraum ohne politische Eingriffe nicht eigenständig bewältigen können. Nicht zuletzt führt die große Zahl der Asylbewerber zu einer weiter steigenden Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum und tritt auf dem Wohnungsmarkt als konkurrierende Bevölkerungsgruppe zu der in Deutschland lebenden sozialschwachen Bevölkerung auf.2

1.2. Vorgehensweise und Zielsetzung der Arbeit

Im Rahmen dieser Abschlussarbeit gilt es die Frage zu beantworten, wie es der Politik gelingt, bezahlbaren Wohnraum für den aktuellen und zukünftigen Bedarf zu erhalten und gleichzeitig neuen zu schaffen.

Ziel der Arbeit ist es, politische Regulierungsmaßnahmen und Lösungsansätze für den Erhalt und die Erweiterung von sozialverträglichem Wohnraum aufzuzeigen, kritisch zu hinterfragen und auf ihre Tauglichkeit zu überprüfen.

Es werden unter anderem anhand statistischer Zahlen im Bereich der Wohnungspolitik die Unterschiede zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Bundesland Nordrhein-Westfalen dargestellt, erläutert und miteinander verglichen.

Um die Gründe für den derzeitigen Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Groß- und Universitätsstädten erklären zu können, wird im zweiten Kapitel zunächst die gegenwärtige Gesamtsituation des hiesigen Wohnungsmarkts beleuchtet. Diese Analyse soll verdeutlichen, dass die Wohnraumknappheit kein flächendeckendes Problem ist, sondern verstärkt die Ballungsgebiete des Landes betrifft.3

Im zweiten Teil des zweiten Kapitels wird sich u.a. auf die Ursachen der Wohnungsnot und der daraus ergebenden Folgen für den Wohnungsmarkt bezogen. Es wird verdeutlicht, dass nicht nur wirtschaftliche Interessen der Wohnungseigentümer dazu beitragen, dass unzureichend bezahlbarer Wohnraum in stadtnahen Gebieten vorhanden ist, sondern auch die Veränderung der Bevölkerungsstruktur und das Wanderungsverhalten der Bürger zu einem Nachfrageüberhang in urbanen Regionen führen. Mit dem Begriff „urban“ wird ein städtisches Siedlungsgebiet beschrieben.4

Das dritte Kapitel befasst sich mit dem Erkennen und Erarbeiten von Problemlösungen. Diese Vorgehensweise setzt voraus, dass sich, wie im Kapitel zwei bereits beschrieben, die Ursachen und Folgen der Problemstellung identifiziert und analysiert werden. Nur so lassen sich zielführende Lösungsansätze finden und wirksam umsetzen. Als Grundlage für mögliche Lösungsansätze dienen aktuelle Berichte von Wohnungs- marktexperten, Wohnungsmarktstudien und der von der Bundesregierung ins Leben gerufenen Expertenkommission „Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen“. Bereits in der Vergangenheit umgesetzte Regulierungen werden hinsichtlich ihres Erfolges oder Misserfolges durch Berechnungen und Erfahrungen analysiert und kritisch hinterfragt. Die im dritten Kapitel beschriebenen Lösungsansätze und damit verbundenen Aus- wirkungen auf den Wohnungsmarkt sollen dazu beitragen, der Politik zielführende Lösungen aufzuzeigen und eine mögliche Handlungsempfehlung zu geben. Im darauf folgenden vierten Kapitel, wird aufgeführt, für welche Bevölkerungsgruppen Wohnraum geschaffen wird. Der soziale-, studentische- und altersgerechte Neu- bzw. Umbau von Wohnbauten wird hinsichtlich des aktuellen Bestands und des gegen- wärtigen und zukünftigen Bedarfs thematisiert. Anhand der Berechnung eines Kosten- vergleichs zwischen Bestandsersatz und Sanierung eines Wohnhauses, sollen Investitionen geld- und zweckmäßig miteinander verglichen werden. Welche Auswirkung diese erstarkte und geförderte Neubautätigkeit auf die Baubranche hat, wird im vorletzten Kapitel verdeutlicht.

In der Schlussbetrachtung werden Kernaussagen und Schwerpunkte dieser Abschlussarbeit ausgeführt und nochmals hervorgehoben.

Aufgrund der Wahrung von Übersichtlichkeit und Lesbarkeit wird in der folgenden Arbeit ausschließlich die männliche Schriftform verwendet.

2. Wohnungsmarkt

2.1 Aktuelle und zukünftige Wohnungsmarktsituation

Das Thema Wohnungspolitik, insbesondere der Wohnungsneubau, gewinnt seit einiger Zeit wieder spürbar an Bedeutung. Auslöser hierfür sind u.a. die stark rückläufige Neubautätigkeit mit sich vielerorts abzeichnender Verknappung an Wohnraum, die vom Gesetzgeber geforderten energetischen Modernisierungen der Altbestände und der altersgerechte oder auch barrierefreie Umbau des Wohnungsbestands. Des Weiteren ist das abnehmende Angebot an preisgünstigem Wohnraum bei einer zugleich enorm steigenden Zahl an Haushalten mit geringem Einkommen, welche zum Teil auch auf Transferleistungen des Staates angewiesen sind, zentraler Beweggrund für die Politik, bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen.5

Eine Miete oder auch die als Wohnkostenbelastung bezeichneten Ausgaben für Wohnung, Wasser, Elektrizität und Brennstoffe, gelten als bezahlbar, wenn sie ein Drittel des Haushaltseinkommens nicht übersteigen.6

Jahrzehntelange Versäumnisse in der Förderung von in Eigeninitiative zu schaffenden Wohnbauten für in erster Linie sozial benachteiligte Menschen, lassen sich nur durch eine nachhaltige und überlegte Wohnungsbaupolitik bereinigen.

Nach der im Jahr 2011 in Deutschland durchgeführten Gebäude- und Wohnungszählung wurde ein Bestand an Wohnungen von 41.221,2 Millionen festgestellt.7 Auf NRW entfallen insgesamt 8.852,3 Millionen Wohnungen.8

Die als dynamisch zu beschreibenden Wohnungsmärkte sind durch ihre enormen Mie- tensteigerungen und vielerorts spürbaren Engpässe gekennzeichnet. Eine nach den wirtschaftlichen Möglichkeiten bezahlbare Wohnung zu finden, ist nicht nur für einkommensschwache Haushalte, sondern auch für durchschnittliche Einkommens- haushalte zum Problem geworden. Dieser Nachfragedruck wirkt sich nicht nur auf zent- rumsnahe Stadtgebiete aus, sondern auch auf eine große Anzahl von Umlandgemeinden.9

Die Zahl an Haushalten in Deutschland, die sich am freien Wohnungsmarkt nicht angemessen mit Wohnraum versorgen können, beläuft sich auf ca. 7,15 Millionen. Davon können die ca. 1,55 Millionen Haushalte, welche sich in eher ländlichen Gebieten befinden, abgezogen werden. Zukünftig können diese dezentralen Haushalte aufgrund regional wachsender Leerstände unproblematischer mit Wohnraum versorgt werden. Für den Staat ergibt sich damit eine Summe von ca. 5,6 Millionen Haushalten, die im Rahmen einer staatlichen Daseinsvorsorge zu unterstützen sind.10

Die starke Konkurrenz auf den Wohnungsmärkten verschärft sich durch die von den Gemeinden und Städten zu bewältigende Aufnahme und Integration von Flüchtlingen und Einwanderern.11 Rein spekulativ ist jedoch, wie viele Flüchtlinge tatsächlich kommen und bleiben, wie viele Familienmitglieder nachziehen und in welchen Städten und Kreisen sie welche Art von Wohnungen nachfragen werden, sobald sie ein Aufent- haltsrecht erhalten haben.12

Wohnungsknappheit ist kein über alle Regionen festzustellendes flächendeckendes Problem. In vielen dezentralen Regionen sind Leerstände, stagnierende oder auch sinkende Mietpreise zu verzeichnen.13

Gegenwärtig sind schrumpfende als auch wachsende Regionen nebeneinander zu erkennen und sie werden auch in Zukunft parallel existieren. Wachsende Leerstands- quoten und die Anzahl der Neubaumaßnahmen werden in vermehrter Häufigkeit auftreten.14 Die ungleichmäßige Entwicklung zwischen den wirtschaftlich wachsenden und schrumpfenden Regionen wird sich in Zukunft weiter fortsetzen. Vermutlich werden auch Zuwanderer ihre Wohnstandortentscheidung sowohl von den Faktoren Arbeitsplatz- und Bildungsangebot, als auch von der regional abweichenden Infrastrukturausstattung abhängig machen. Bislang ist davon auszugehen, dass die zu- sätzliche Nachfrage nach Wohnraum sich besonders auf die wachstumsstarken Regionen verdichten wird. Diese Regionen, die Bevölkerung und Arbeitsplätze gleich- ermaßen anziehen, zeichnen sich bereits heute durch einen angespannten Wohnungs- markt aus. Diese soeben genannten dynamischen Regionen, stehen demografisch und wirtschaftlich immer schwächer werdenden Städten und Gemeinden gegenüber. In Zukunft wird festzustellen sein, ob diese Regionen einen spürbaren Nutzen aus der Zuwanderung ziehen können.

Nicht nur die soeben genannte Zuwanderung, sondern vor allem auch die Alterung der Bevölkerung führt schon jetzt zu einem steigenden Bedarf nach alters- oder generationsgerechtem Wohnraum.

Die für Deutschland im Jahr 2014 verifizierte, spürbar zugenommene Neubautätigkeit, liegt noch immer unter dem zukünftig benötigten Bedarf. Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) veröffentlichte im Mai 2015 die Wohnungsmarkt- prognose 2030 und stellt in diesem Bericht fest, dass bis zum Jahr 2020 ein jährlicher Bedarf von 272.000 neu zu schaffenden Wohnungen besteht. Aufgrund der kontinuierlich steigenden Zahl an Zuwanderern, ist von einem Jahresbedarf von mindestens 350.000 neu zu bauenden Wohnungen für die nächsten Jahre auszugehen. Die seit dem Jahr 2010 festzustellende positive Konjunkturentwicklung mit steigenden Beschäftigungszahlen, zunehmenden Einkommensverhältnissen und einer erhöhten Wohnflächennachfrage sind Indikatoren für die anhaltend steigende Nachfrage nach Wohnraum. Das durch die Europäische Zentralbank (EZB) in großem Umfang beeinflusste und vorgegebene niedrige Zinsniveau führt dazu, dass Immobilien zur Eigennutzung oder als Kapitalanlage durch private Haushalte, inländische und ausländische Investoren verstärkt nachgefragt werden. Das führt zu regionalabhängigen steigenden Miet- und Immobilienpreisen.15

2.2. Ursachen und Folgen von Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur

Die schnell fortschreitende Veränderung der Bevölkerungsstruktur und das wachsende Bedürfnis der Bürger in eine Großstadt, oder in die Nähe einer Großstadt zu ziehen, sind Gründe für den quantitativen Mangel an Wohnraum in den Ballungsgebieten.16 Nicht zuletzt durch die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung und dem daraus resultierenden starken Zuzug von Kriegsflüchtlingen und Asylbewerbern, sowie deren begonnene Integration in die Gesellschaft und den Wohnungsmarkt, haben enormen Einfluss auf die Bevölkerung Deutschlands.17 Die Politik wird auf diese Veränderung reagieren müssen und nachgefragten Wohnraum schaffen. Mit der Neuschaffung und dem Ausbau von Verkehrsinfrastruktur werden Anreize gesetzt, die es den Bürgern er- möglichen, auch in Rand- oder dezentrale Gebiete zu ziehen oder aber dort wohnen zu bleiben.18

2.2.1 Bevölkerungsentwicklung

Nach Grundlage des Zensus 2011 lebten am 31.12.2014 insgesamt 81.197.537 Millionen Menschen in der Bundesrepublik Deutschland, auf NRW entfallen hierbei 17.638.098 Millionen Menschen.19 Die Einwohner aus NRW verteilen sich auf insgesamt 8.852.309 Millionen Wohnungen. Auf eine Wohneinheit werden also demnach 1,99, gerundet zwei Bürger, verteilt. Im Jahr 2014 wurde ein Bevölkerungswachstum in NRW von ca. 20.000 Menschen (+ 0,1 Prozent) im Vergleich zum Jahr 2013 festgestellt. Die Steigerung der Bevölkerungszahl resultiert aus einem positiven Saldo bei den Wanderungsbewegungen.20

Auf Grundlage der aktuellsten Bevölkerungsvorausberechnung für NRW, welche die derzeitigen Flüchtlingsströme noch nicht miteinbezogen hat, ist damit zu rechnen, dass sich das geringe Bevölkerungswachstum der vergangenen Jahre auf Annahme einer anhaltenden Zuwanderung noch weitere zehn Jahre fortsetzen wird. Erst nach diesem Zeitraum wird die demografische Entwicklung die Bevölkerung im Saldo schrumpfen lassen.21 Das für die nächsten Jahre prognostizierte Wachstum der Bevölkerung wird nur für eine geringe Anzahl an Regionen festzustellen sein. Wie auf Abbildung Nummer eins auf der nächsten Seite zu erkennen ist, konnten in den Jahren 2011 bis 2014 lediglich die urbanen Landesteile in NRW deutlich an Einwohnern zulegen. Gebiete wie das Sauerland, Siegerland und das östliche Westfalen haben zum Teil er- hebliche Verluste der ortsansässigen Bürger zu verzeichnen. Trotz ausreichend zur Verfügung stehenden Arbeitsplätzen, werden urbane Lebensräume von jungen und gut ausgebildeten Menschen präferiert.22

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Bevölkerungsentwicklung 2011 bis 2014, Quelle: NRW Bank (2015), S. 8.

Durch die höhere Zahl der Sterbefälle im Vergleich zu den Geburten, wird der Bevölkerungsrückgang auf lange Sicht nicht zu vermeiden sein. Selbst der positive Saldo aus Zu- und Fortzügen von und aus Deutschland kann diese Lücke nicht schließen. Laut aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes von April 2015 würde die Einwohnerzahl im Jahr 2060 bei Annahme einer mäßigen Zuwanderung bei 67,6 Millionen und bei einer stärkeren Zuwanderung bei 73,1 Millionen in Deutschland liegen. Die Abbildung zwei auf der folgenden Seite visualisiert noch einmal deutlich, dass NRW von einer Bevölkerungsminimierung um 6,25 Prozent auf 16,5 Millionen Menschen bis zum Jahr 2060 auszugehen hat.23

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Bevölkerungsentwicklung in Nordrhein-Westfalen 2012 - 2060, Quelle: IT-NRW (2015), S. 11.

2.2.2 Wanderungsverhalten der Bevölkerung

In den vergangenen 20 Jahren hat sich das Wanderungsverhalten der Bevölkerung ver- ändert. Familien bleiben aufgrund der Liberalisierung der Arbeitsmärkte in den Städten wohnen. Die zum Teil für einige Branchen enorm gestiegenen Zeitarbeitsverträge und daraus häufig resultierenden geringeren Einkommensverhältnisse und erhöhten Mobilitätskosten tragen nicht dazu bei in ländliche Regionen zu ziehen. Kürzungen oder Wegfall von staatlichen Subventionen, wie z.B. der Eigenheimzulage seit 2006, oder der Reduzierung der Pendlerpauschale ab 2004, lassen einen Lebensraumwechsel im Vergleich zur Vergangenheit aus wirtschaftlichen Interessen weniger attraktiv erscheinen. Des Weiteren bieten sich für berufstätige Paare in der Stadt bessere Möglichkeiten zur Betreuung der Kinder, als in eher dezentralen Gebieten. Kindertages- stätten oder Betreuungsstellen werden vermehrt in Stadtnähe gefördert und betrieben. Durch den starken Anstieg von Studenten um ca. 757.000 (+ 39 Prozent) von 2007 bis 2014 und der meist in stadtnahen Gebieten liegenden Universitäten und Hoch-schulen, werden die Wohnungsmärkte zusätzlich von meist jungen Wohnungs-suchenden belas- tet.24

„Gemäß der aktuellen Bevölkerungsvorausberechnung wird die Polarisierung der Einwohnerentwicklung weiter fortschreiten.“25

Wie auf Abbildung drei zu erkennen, werden dezentrale Regionen, welche eine große räumliche Entfernung zu den arbeitsplatzreichen Gegenden aufweisen, bis zum Jahr 2040 einen nicht unerheblichen Teil ihrer Bevölkerung verlieren. Wesentlich größere und urbane Städte entlang des Rheins, z.B. Bonn, Köln, Düsseldorf und Münster, kön- nen im gleichen Zeitraum ein Bevölkerungswachstum von mehr als zehn Prozent erwar- ten.26

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Bevölkerungsvorausberechnung 2014 bis 2040, Quelle: NRW Bank (2015), S. 8.

Mit dem Begriff „Schwarmverhalten“ definiert sich die überwiegend bei jungen Leuten festzustellende Verlagerung des Lebensraums in die sogenannten „Schwarmstädte“.

Eine Untersuchung, die von dem empirica Institut für den GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen erarbeitet worden ist, stellte fest, dass Städte wie Leipzig, München und Frankfurt/Main am meisten von diesem Schwarmverhalten profitieren.27 Junge Menschen gehen dorthin, wo andere junge Menschen leben und sowohl das soziale Umfeld und Bildungs- als auch die beruflichen Perspektiven am größten erscheinen. Ausgehmöglichkeiten und ein großer Bekannten- kreis in unmittelbarer Nähe des Wohnortes gelten ebenso als wichtige Indikatoren für den Umzug in eine Schwarmstadt. Berufsanfänger, welche mit einem Hochschul- abschluss ausgestattet sind und zwischen 25 und 34 Jahre alt sind, gelten als „Haupt- schwärmer“.28 Ungeklärt gilt bis heute jedoch, aus welchem Grund eine Stadt zur Schwarmstadt geworden ist, eine andere vergleichbare Stadt jedoch nicht. Der Wohnungsmarkt in den Schwarmstädten wird immer angespannter. Die Nachfrage steigt schneller als das Wohnungsangebot in vergleichbarer Geschwindigkeit. Im Gegenzug sinkt die Nachfrage in den Abwanderungsregionen erheblich. Mietpreise reagieren sehr stark darauf, dass eine unelastische Nachfrage auf ein unelastisches Angebot trifft, was zu auseinanderdriftenden Preisen für Wohnraum zwischen wach- senden und schrumpfenden Regionen führt.29

2.2.3 Flüchtlinge und Asylbewerber

Die Auswirkungen der mittel- bis langfristigen Zuzüge in den kommunalen Wohnungsmarkt sind derzeit kaum vorauszusehen. Wesentliches Thema ist die kurzfristige Unterbringung von Flüchtlingen in den Städten und Kommunen. Dies hat zur Folge, dass es temporär zu einem zusätzlichen Bedarf an Wohnungen kommt und dieser die preiswerten Teilmärkte fortwährend anspannt. Über eine zeitliche Spanne dieses Nachfragewachstums lassen sich lediglich grobe Schätzungen aufstellen.30

Laut dem Bundesinnenministerium lag die Zahl der Flüchtlinge, welche im Jahr 2015 die Staatsgrenze der Bundesrepublik Deutschland überquert haben und mit dem EASY- System registriert worden sind, bei 1,1 Millionen. Das EASY-System ist eine IT- Anwendung zur Erstverteilung der Asylsuchenden auf die Bundesländer.31 Die Zahl der angekommenen Flüchtlinge in NRW liegt für das Jahr 2015 bei rund 329.000. Von diesen Menschen sind ca. 200.000 in NRW geblieben. Seit März 2016 geht die Landesregierung NRW von 1.200 Flüchtlingen aus, die wöchentlich einreisen und auf die einzelnen Städte und Kommunen des Landes verteilt werden.32 Um den wachsenden Bedarf an zusätzlichem Wohnraum, welcher auch zur Unterbringung der Flüchtlinge benötigt wird, bedienen zu können, sind vorausschauende und nachfrage- orientierte Investitionsentscheidungen der einzelnen Marktakteure notwendig. Das Aus- einanderklaffen zwischen den demografisch schrumpfenden und den dynamisch wachsenden Regionen wird durch aktuelle Prognosen der Immobilienwirtschaft hervor- gehoben. Dies hat u.a. zur Folge, dass es zwingend erforderlich ist, neue Wohnbauten qualitäts- und bedarfsorientiert zu schaffen, um somit heute den Leerstand der Zukunft vermeiden zu können.33

Um die Kommunen bei der Erstunterbringung der Flüchtlinge zu unterstützen, haben sich Bund und Länder im September 2015 auf umfassende Maßnahmen verständigt. Bundeseigene Liegenschaften der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben wurden den Ländern zur provisorischen Errichtung von Erstaufnahmeeinrichtungen und Wartezentren mietfrei zur Verfügung gestellt. Bis Januar 2016 wurden so ca. 145.000 Unterbringungsplätze geschaffen.

Bundesbauministerin Barbara Hendricks erklärte derweil Ende 2015 eine Änderung des Bauplanungsrechts vorzunehmen. Nach dieser Änderung soll es nun auch rechtlich möglich sein, mobile Behelfsunterkünfte in sämtlichen Bau- und Randgebieten der Kommunen errichten zu können. Den Kommunen ist es damit erlaubt, in Gebieten mit Gewerbe- oder auch Dienstleistungsbetrieben Wohnungsbauland zu erschließen und unter Berücksichtigung einer dreijährigen Befristung, mobile Behelfsunterkünfte in allen Baugebieten zuzulassen. Eine zweckgebundene Nutzung bereits errichteter Gebäude wird somit vereinfacht.34

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Verteilungsquoten nach dem Königsteiner-Schlüssel, Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2016).

Wie auf Abbildung vier zu erkennen ist, trägt NRW mit 21,21 Prozent den größten Anteil bei der Aufnahme und Unterbringung der Flüchtlinge im Vergleich zu den anderen Bundesländern. Grundlage für die Verteilung ergibt sich u.a. durch den Königsteiner Schlüssel, mit dem die Aufnahmequoten jedes Jahr neu berechnet werden.

[...]


1 Vgl. Weiß, D. (2011), S. 1-3.

2 Vgl. Pestel Institut (2015), S. 8.

3 Vgl. Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen (2015), S. 5.

4 Vgl. Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (2015), S. 11.

5 Vgl. Kort-Weiher, G. (2011), S. 7-8.

6 Vgl. Pestel Institut (2014), S. 6.

7 Vgl. Statistisches Bundesamt (2014a).

8 Vgl. IT.NRW (2015a).

9 Vgl. NRW Bank (2015), S. 4.

10 Vgl. Pestel Institut (2015), S. 1.

11 Vgl. Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen (2015), S. 5.

12 Vgl. NRW Bank (2015), S. 4.

13 Vgl. Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen (2015), S. 5.

14 Vgl. empirica (2010), S. 5.

15 Vgl. Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen (2015), S. 7.

16 Vgl. Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (2015), S. 11.

17 Vgl. Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen (2015), S. 5.

18 Vgl. Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (2015), S. 8-11.

19 Vgl. Statistik-Portal (2016).

20 Vgl. Statistisches Bundesamt (2014b).

21 Vgl. NRW Bank (2015), S. 4.

22 Vgl. ebd., S. 8.

23 Vgl. Statistisches Bundesamt (2015).

24 Vgl. Pestel Institut (2015), S. 8-9.

25 NRW Bank (2015), S. 8.

26 Vgl. NRW Bank (2015), S.8.

27 Vgl. Simons, H., u.a. (2015), S. 22-28.

28 Vgl. Die Welt (2015).

29 Vgl. Simons, H., u.a. (2015), S. 1-2.

30 Vgl. NRW Bank (2015), S. 3.

31 Vgl. Bundesministerium des Inneren (2016).

32 Vgl. Wir in NRW das Landesportal (2016).

33 Vgl. NRW Bank (2015), S. 3.

34 Vgl. Die Bundesregierung (2016).

Ende der Leseprobe aus 60 Seiten

Details

Titel
Wohnungsmarktsituation und Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum
Hochschule
FOM Hochschule für Oekonomie & Management gemeinnützige GmbH, Bonn früher Fachhochschule
Note
2,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
60
Katalognummer
V427745
ISBN (eBook)
9783668718180
ISBN (Buch)
9783668718197
Dateigröße
3034 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wohnraum, bezahlbarer Wohnraum, Wohnungsmarkt, immobilien, Mietpreisbremse, sozialer Wohnungsbau, Wohnungsnot
Arbeit zitieren
Martin Kliesch (Autor:in), 2016, Wohnungsmarktsituation und Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/427745

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