Kinetik im Kunstunterricht. Erstellung eines Daumenkinos (Kunst 7. Klasse, Mittelschule)


Seminararbeit, 2015

21 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


1. Themenformulierung

Es ist das digitale Zeitalter von iPods, Handys und Tablets, in dem die Schülerinnen und Schüler der heutigen Zeit aufwachsen. Wie seine technisch hochgerüsteten Nachfahren diente vor vielen Jahren das Daumenkino als ״Unterhaltungsmedium“ für unterwegs. Das Daumenkino ist das einzige bewegte Medium, das der Betrachter selbst nach Belieben bestimmt und bedient: langsam, schnell, von hinten nach vorne oder von vorne nach hinten, sooft er will, an jedem Ort. Die Geschwindigkeit beim Blättern bestimmt dabei, was gesehen wird, was nicht gesehen wird und was man sich vorstellen muss. Die Attraktivität von Daumenkinos beruht auf ihrer Einfachheit. Sie sind tatsächlich für alle Altersklassen geeignet. Die Entstehung des Daumenkinos ging mit der Entstehung des Films einher, als die Bilder sozusagen das Laufen lernten. Es ist ״bewegte Kunst“ und ihre Entstehung, die ich in einer Unterrichtssequenz von 5 Doppelstunden den Schülerinnen und Schülern einer 7. Klasse Mittelschule theoretisch und praktisch vermitteln möchte. Die praktische Aufgabenstellung hierbei wird sein, dass jeder einzelne Schüler zeichnerisch selbst ein Daumenkino gestalten muss. In der Theorie sollen die wichtigsten Etappen der Filmgeschichte vermittelt werden. Der gesamte Themenkomplex ist wiederum eingebettet ist das übergeordnete Thema ״Kinetik im Kunstunterricht“.

2. Lehrplanbezug

Kunst 7. Klasse Mittelschule

J ahrgangsstuf enlehrplan

Bildnerische Praxis

7.1 Sehen, Abbilden, Veranschaulichen: Zeigen durch Zeichnen

Durch genaues Beobachten und Beschreiben der sichtbaren Erscheinung werden die Schüler angespornt, die Gegenstandswelt naturgetreu zu erfassen und darzustellen. An einfachen Objekten sollen sie charakteristische Erscheinungsmerkmale selbst entdecken und wiedergeben. Die Aufgabenstellung berücksichtigt dabei den individuellen Entwicklungsstand. In Bildfolgen sollen die Schüler lernen, Vorgänge zu schildern und den Ablauf in bildnerisch ergiebige Momente zu gliedern. Im Betrachten exemplarischer Beispiele (Bildgeschichte, Comic, bildliche Anleitung) gewinnen sie Einblick in gestalterische Möglichkeiten, zeitliche Abfolgen bildhaftzu veranschaulichen.[1]

3. Zielformulierung

Lerninhalt

Bilderfolgen

(Vorgangsbeschreibung, Bildgeschichte, Comic)

Bereich Gestalten:

- Gliedern eines Vorgangs in charakteristische und bildwirksame Momente (Skizzen)
- Darstellen als Bilderfolge
Bereich Betrachten:
- Comics[2]

Ziel meines Unterrichtssequenz von 5 Doppelstunden ist die Erreichung der oben genannten Lernziele, was die künstlerische Praxis betrifft. Sie sind alle verankert im Lehrplan des Fachs Kunsterziehung der 7. Klassen an Mittelschulen. Die Schülerinnen und Schüler sollen dazu befähigt werden, eigenständig bildnerisch ״Kunst in Bewegung“ in Form von Bilder- und Szenenfolgen zeichnen zu können. Dazu gehört, dass sie lernen, wie man einen Vorgang skizziert, d.h. wie man ihn in charakteristisch sinnvolle und bildwirksame Momente gliedern kann.

Theoretische Zielsetzung meiner Unterrichtssequenz soll eine neuartige Betrachtungsweise von Comics und auch von dem Medium Film an sich sein. Die Schülerinnen und Schüler sollen alle relevanten Etappen der Entstehung des Films kennenlernen und grob das historische und technische Wissen verstehen, als die Bilder vor vielen Jahren das Laufen lernten. Dadurch soll ihnen ein neuer Blick auf die Medien der heutigen Zeit ermöglicht werden.

4. Sachanalyse

4.1 Praxis

Das Daumenkino - wie die Bilder das Laufen lernten Um den Schülerinnen und Schülern der 7. Klasse Mittelschule die Entstehung des Daumenkinos im Kontext der Filmgeschichte näherzubringen, bedarf es einer längeren ergiebigen Auseinandersetzung mit dem Thema.

״Metamorphose eines Schmetterlings“ fiel mit bei der Suche nach einer geeigneten persönlichen künstlerischen Gestaltung meines Daumenkinos ein, das ich als ״Muster“ für meine geplante Unterrichtssequenz verwenden will. Man braucht eine gute bildnerische Szene, die sich zur Darstellung eines Daumenkinos eignet. Von der Raupe zum Schmetterling lässt sich sehr gut in Einzelsegmente gliedern und zeichnen. Des Weiteren ist es ein Thema, mit dem sich die Schülerinnen und Schüler sicherlich gut auseinandersetzen können. Einige Stunden später war das Daumenkino mit dem Titel ״Flip“ fertig. Ich hatte die Idee, das Daumenkino nicht nur separat für sich Stehen zu lassen, sondern zusätzlich Kopien anzufertigen und es in ein extra angefertigtes eigenes Buch einzufügen, in dem schließlich das gesamte Portfolio seinen Platz finden sollte. Dafür wollte ich selbst ein Buch binden, um einen Bezug zum übergeordneten Thema des Seminars ״Buch“ herzustellen. Ich bat einen befreundeten Kunstpädagogen um Hilfe, der schon mehrfach, auch mit seinen Schülern, Bücher selbst gebunden hatte. Ein Nachmittag von ca. 5 Stunden musste dafür herhalten, und ein selbst gebautes Buch war fertig. Ich hatte es zwar nur mit Hilfe eines anderen herstellen können, aber es ist trotzdem selbst gemacht. Hier hinein sollten nun die Kopien meines Original­Daumenkinos kommen sowie alle theoretischen Ausarbeitungen. Es war sehr spannend, das Lederbuch selbst zu binden. Jedoch war es auch schwieriger als erwartet. Ein eigenes Buch mit leeren weißen Seiten in Händen zu halten war eine ganz spannende Erfahrung. Was sollte nun die weißen Seiten füllen? Ich war sehr neugierig. Nun kam das Zeichnen meines eigenen Daumenkinos an die Reihe, um nach der zeitintensiven Auseinandersetzung mit der Theorie zu diesem Thema nun praktisch an die Sache ran zu gehen. Für mich besteht die Verbindung meines Daumenkinos zum übergeordneten Thema des Seminars ״Buch“ darin, dass mein kleines selbst gemachtes Daumenkino auch ein Buch ist! Es hat einen Einband und eine Rückseite, mehrere gebundene Seiten und man kann es blättern. Also ist es auch ein Buch, nur in Miniformat!

Um den Schülerinnen und Schülern auch theoretisches Wissen vermitteln zu können, musste ich mich intensiv mit der Thematik auseinandersetzen. Die Anfänge des Daumenkinos reichen bis 1868 zurück. Bereits vor 137 Jahren lernten Bilder das Laufen. Im Jahre 1868 ließ sich John Barnes Linnet das fotografische Daumenkino unter dem Namen Kineograph patentieren.[3] Zwei Jahrzehnte später konnte der deutsche Filmpionier Max Skladanowsky seine ersten Probeaufnahmen zunächst nur als Daumenkino betrachten. 1897 stellte der englische Fotograf und Filmtechniker Henry William Short unter dem Namen Filoscope ein Daumenkino in einem Metallhalter vor, bei dem ein kurzer Hebel das Abblättern erleichtern sollte.[4] Im neuen Jahrtausend erlebt das Daumenkino eine Renaissance. Die Akademie Schloss Solitude in Stuttgart richtete 2004 das erste Daumenkinofestival aus. Ein Jahr darauf fand das erste österreichische Daumenkinofestival in Linz statt. Gefördert u.a. durch die Kulturstiftung des Bundes ging am fand im gleichen Jahr auch die weltweit erste Ausstellung zum Thema Daumenkino in der Kunsthalle Düsseldorf zu statt. Die Besucher konnten erleben, wie Daumenkinos für kurze Zeit zum Kino wurden, wie Bilderserien und deren Erzählungen sich beim Anschauen entfalteten. Es sind Objekte, die man anfassen muss, damit sie ihre Geschichten erzählen. In Deutschland verbindet man die Entstehung der Daumenkinos mit der Geschichte der Brüder Skladanowsky, die 1895 in Berlin ihre erste Filmvorführung hatten.[5] Um ihre Projektoren finanzieren zu können, zerschnitten sie ihre drei Meter langen kinematographischen Reihenaufnahmen in Einzelbilder, legten sie aufeinander und blätterten sie ab. Max Skladanowsky bezeichnete sie als ״Lebende Fotografien“. Vor der Entwicklung der Reihenfotografie wurden Zeichnungen oder gestellte fotografische Zeitaufnahmen angefertigt, für die die dargestellte Person in jeder der Bewegungsphasen innehalten musste, um fotografiert zu werden.[6] Die Bewegungsillusion der Daumenkinos entsteht im Bewusstsein des Betrachters. Es handelt sich um eine Identifikationstäuschung, d.h. dass zwei verschiedene

Wahrnehmungen eines Gegenstandes nur so wenig voneinander abweichen dürfen, dass ein Gegenstand als ein und der selbe noch identifiziert werden kann. Werden diese Einzeleindrücke scharf abgegrenzt nacheinander wahrgenommen entsteht die Bewegungsillusion. Schon bei drei Bildern pro Sekunde, also noch bei klar erkennbarer Bildfrequenz wird eine Schein-Bewegung festgestellt.[7] Daumenkinos funktionieren durch den ״Stroboskopischen Effekt“, den Joseph Antoine Ferdinand Plateau 1836 definierte: Wird eine Bewegung, welche in einer Sekunde stattfindet, in 16 einzelne bildmäßig dargestellte Phasen zerlegen, und werden diese Bilder wiederum in einer Sekunde vorgeführt, so werden sie vom träge arbeitenden Gesichtssinn als zusammenhängend wahrgenommen und entsprechen dem ursprünglichen Bewegungsvorgang.[8]

Heute wie früher ist das faszinierende an Daumenkinos die Bewegungsillusion , die durch sehr einfache Mittel entsteht. Daumenkinos sind Kurzfilme die man kaufen, verschenken und jederzeit anschauen kann. Auch kann man sie selber leicht herstellen. Sie müssen ohne Ton funktionieren und sie sind zeitlich begrenzt - meistens zwischen 2 und 15 Sekunden lang - wobei die Länge variiert, da der Betrachter selber die Geschwindigkeit durch das Abblättern bestimmt. Früher wurden allerhand verschiedene Themen adaptiert. Es gab viele Daumenkinos für Kinder, doch auch für Erwachsene gab es Kurzepisoden aus Hollywoodfilmen mit Charlie Chaplin. Daumenkinos sind generell seit ca. 1760 bekannt.[9] Sie wurden im Spielzeughandel verkauft und dienten der Belustigung und Unterhaltung. Mit dem Daumen werden bei einem Daumenkino die zusammengefügten Bilder zu einem Film abgeblättert. So entstand der Namen Daumenkino. Gebräuchlich sind auch die Bezeichnungen ״Flip- Buch“ oder ״Kineograph“. Im Jahre 1868 erstellte John Barnes Linnet ein erstes fotografisches Daumenkino unter dem Namen "The Kineograph a new optical Illusion".[10] Für dieses erste ״flip-book“ erhielt er 1868 ein Patent. Der deutsche Filmpionier Max Skladanowsky stellte seine Filmideen um das Jahr 1888 als Daumenkino vor. Ihm gelang es in Zusammenarbeit mit seinem Bruder am 1895 die erste funktionierende Filmsequenz weltweit herzustellen.[11] Im Jahre 1897 erfand der englische Filmtechniker Henry William Short einen Metallhalter für das leichtere

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[1] https://www.isb.bayem.de/download/13374/041p_ku_7_r.pdf zuletzt besucht am 10.06.2014

[2] https://www.isb.bayem.de/download/13374/041p_ku_7_r.pdf zuletzt besucht am 10.06.2014

[3] vgl. Griinewald, Dietrich (2005): Wie die Bilder laufen lernen, In: Griinewald, D. / Binzen, F. / Heyl, T. u.a.: Kunst + Unterricht.

[4] vgl. Elsaesser, Thomas (2002): Filmgeschichte und frühes Kino.

[5] vgl. Trendel, Georg (2007): Kino - ein sinnliches Vergnügen, In: Praxis der Naturwissenschaften - Physik in der Schule.

[6] ebd.

[7] vgl. Trendel, Georg (2007): Kino - ein sinnliches Vergnügen, In: Praxis der Naturwissenschaften - Physik in der Schule.

[8] vgl. Bergan, Ronald (2012): Alles über Film.

[9] vgl. Elsaesser, Thomas (2002): Filmgeschichte und frühes Kino.

[10] ebd.

[11] vgl. Füsslin, Georg (2010): Optisches Spielzeug oder Wie die Bilder laufen lernten.

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Details

Titel
Kinetik im Kunstunterricht. Erstellung eines Daumenkinos (Kunst 7. Klasse, Mittelschule)
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Note
2,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
21
Katalognummer
V427588
ISBN (eBook)
9783668716414
ISBN (Buch)
9783668716421
Dateigröße
545 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
kinetik, kunstunterricht, erstellung, daumenkinos, kunst, klasse, mittelschule
Arbeit zitieren
Kerstin Reule (Autor:in), 2015, Kinetik im Kunstunterricht. Erstellung eines Daumenkinos (Kunst 7. Klasse, Mittelschule), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/427588

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