Die Besonderheiten des Stiftungswesens im Braunschweiger Land ab dem 20. Jahrhundert


Masterarbeit, 2018

68 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Stiftungen - ein interdisziplinärer Forschungsgegenstand
2.1. Die Definition von Stiftung
2.2. Die allgemeinen Eigenschaften von Stiftungen
2.3. Die verschiedenen Rechtsformen von Stiftungen
2.3.1. Stiftungen des bürgerlichen und des öffentlichen Rechts
2.3.2. Kirchliche Stiftungen
2.3.3. Familienstiftungen
2.3.4. Privatnützige Stiftungen
2.3.5. Bürgerstiftungen
2.3.6. Politische und parteinahe Stiftungen
2.3.7. Unternehmensverbundene Stiftungen
2.4. Stifter- und Stiftungsmotivation
2.5. Die Grundelemente einer Stiftung
2.5.1. Stiftungszweck und Stiftungsauftrag
2.5.2. Stiftungsvermögen und Vermögensverwaltung
2.5.3. Stiftungsorganisation
2.5.4. Stiftungsmanagement und -kommunikation

3. Die Entwicklung kultureller Stiftungen im Braunschweiger Land
3.1. Allgemeine Entwicklungstendenzen des deutschlandweiten Stiftungswesens ab Beginn des 20. Jahrhunderts
3.2. Die Kulturszene und das kulturelle Stiftungswesen in Braunschweig in der ersten Jahrhunderthälfte
3.3. Die großen Braunschweiger Kulturstiftungen im Zweiten Weltkrieg
3.4. Stiftungsentwicklung im Braunschweiger Land nach 1945
3.5. Im Detail: Der Vereinigte Braunschweiger Kloster- und Studienfond

4. Stiftungswesen heute

5. Zusammenfassung und Schlussgedanken

Quellen und Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Das höchste Ziel des Kapitals ist nicht, Geld zu verdienen, sondern der Einsatz von

Geld zur Verbesserung des Lebens[1]

Das oben genannte Zitat des US-amerikanischen Gründers des Automobilherstellers Ford Motor Company, Henry Ford, könnte das Motto des Stiftungswesens sein. Stiftungsgelder sind besondere Gelder, sie dienen dem Beistand von Benachteiligten oder Angehörigen, in vielen Fällen der Förderung des Gemeinwohls, der Unterstützung verschiedenster Themenbereiche und/oder der allgemeinen Verbesserung des Lebens. Stiftungen werden in Deutschland zunehmend zu einem wichtigen Partner der Kommunen, Länder und Einrichtungen bei der Bewältigung diverser Aufgaben im kulturellen, wissenschaftlichen, kirchlichen und sozialen Bereich. Sowohl in der Bevölkerung als auch in den Medien gewinnt der Einsatz von Stiftungen zunehmend an Beachtung und strebt nach gesellschaftlichem Gewicht. Im Jahr 2016 wurden allein in Niedersachsen 582 neue Stiftungen gegründet[2], das vom Bundesverband Deutscher Stiftungen geschätzte Vermögen aller deutschen Stiftungen beträgt rund 100 Milliarden Euro[3] und das Wachstum[4] an Stiftungserrichtungen ist in ganz Deutschland erkennbar:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. I: Stiftungswachstum des Jahres 2016 in Prozent.[5]

Mit dieser Entwicklung erholt sich ein Instrument unserer Gesellschaft, welches zuletzt durch die beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts und ihre wirtschaftlichen, sozialen und politischen Folgen sowie durch die Ausweitung der Staatsausgaben aus einer Blütezeit nahezu in der Bedeutungslosigkeit versunken war[6]. Neben dem Ersten Sektor (Markt) und dem Zweiten Sektor (Staat) spielt inzwischen (wieder) der Dritte Sektor als bedeutender Faktor eines modernen Gesellschaftskonzeptes eine immer wichtigere Rolle im Gesellschaftsleben. Der Dritte Sektor umfasst Stiftungen, Interessensverbände, Vereine und andere Organisationen, die im gemeinnützigen und wohltätigen Bereich agieren.[7]. Der Wertewandel unserer Zeit und die Grenzen des Sozialstaates, einhergehend mit dem Vertrauensverlust gegenüber der Politik und dem Staat, haben dazu beigetragen, dass Organisationen wie Stiftungen zunehmend in den Fokus der Öffentlichkeit geraten sind. Neben der Vielzahl an Stiftungszwecken und von Stiftungen geförderten Themengebieten, neben der Finanzkraft und dem Gestaltungswillen von Stifterpersönlichkeiten, steckt im gemeinnützigen deutschen Stiftungswesen ein beachtenswertes gesellschaftliches Veränderungspotential.

Der Einsatz von Stiftungen bedeutet nicht zwangsläufig die Entlastung der öffentlichen Hand, weil Stifter und Stifterinnen bisweilen Themen und Bereiche gefördert wissen möchten, welche von Seiten des Staates möglicherweise vernachlässigt werden[8]. Seitdem die Erfolge der Stiftungsinitiativen im kulturellem Bereich klarer zu erkennen sind - jede vierte Stiftung fördert mittlerweile in Deutschland die Bereiche Kunst und/oder Kultur.[9] - ist auch die Aufmerksamkeit für Stiftungen in Wissenschaft und Politik gestiegen[10]. Ihr Beitrag zu einer blühenden Kulturlandschaft und der Förderung kultureller Ideen und neuer Talente kann einer Region zu mehr Zufriedenheit, Kreativität und Zusammenhalt verhelfen. Deshalb lohnt es sich, die Stiftungsentwicklung der letzten 100 Jahre genauer anzuschauen.

Fragestellung und Zielsetzungen der Arbeit

Als Braunschweigerin interessieren mich in dieser Arbeit insbesondere die Entwicklung und die Bedeutung des Stiftens.[11] und der Stiftungen für diese Stadt und die Region, das Braunschweiger Land[12]. Seit dem Mittelalter bis zur heutigen Gegenwart lassen sich hier mehr als 2000 Stiftungen nachweisen.[13]. Wie groß die Anzahl an nicht genehmigten und nicht rechtsfähigen, aber dennoch fördernd und aktiv agierenden Stiftungen ist, kann man kaum abschätzen. Insbesondere die Tatsache, dass hier eine Stiftung, die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz, im Auftrag des Landes Niedersachsen die Organisation der regionalen Kulturförderung innehat, macht Braunschweig bzw. das hiesige Stiftungswesen einzigartig und daher auch zu einem spannenden Untersuchungsgegenstand.

Im Rahmen dieser Arbeit möchte ich daher speziell die Besonderheiten der hier ansässigen Stiftungsentwicklung aufzeigen, dabei zugleich auf einen Vergleich zu anderen Regionen verzichten. Ein Vergleich mit einzelnen Städten und Regionen, ein deutschlandweiter oder sogar internationaler Vergleich der Stiftungslandschaften wäre zwar zweifellos gewinnbringend und spannend, ist aber auf Grundlage der bestehenden Quellen im Rahmen dieser Arbeit nicht zu bewältigen.

Ich arbeite seit bald drei Jahren - erst ein Jahr als Praktikantin, mittlerweile seit zwei Jahren als Werkstudentin - in der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz (SBK). Im Sommer 2016 habe ich zusätzlich für drei Monate eine Vertretungsstelle in der Braunschweigischen Stiftung übernommen und in dieser Zeit auch die Arbeitsweise dieser Stiftungen etwas näher kennenlernen dürfen. Durch die Erfahrungen dort geprägt, hat sich bei mir bereits vor gut einem Jahr der Wunsch entwickelt, meine Masterarbeit zum Thema Stiftungen zu schreiben. Ich wollte meine Arbeit mit Bezug zu Braunschweig und über die verwaltungsplanerische und juristische Darstellungsweise hinaus entwickeln und Überblick über die hiesige Situation der Stiftungen mit den Förderzwecken ,Kultur’ und ,Bildung’..[14] sowie einen geschichtlichen Abriss der letzten 120 Jahre geben.

Dank meines interdisziplinären Masterstudiums der „Kultur der technisch-wissen­schaftlichen Welt“ hatte ich die Möglichkeit, diesen Wunsch umzusetzen und somit einen Überblick über ein Thema zu gewinnen, welche erstens noch sehr wenig untersucht ist und zweitens auch nur sehr selten im universitären Kontext behandelt wird. Die Braunschweigische Stiftungslandschaft ist es jedoch wert, genauer untersucht und vorgestellt zu werden.

In der schnelllebigen Zeit, in der wir heute leben, verändern sich die Welt und die Strukturen von Einrichtungen wie Stiftungen, sowie die an das Stiftungswesen gekoppelten Wünsche, Nöte und Bedürfnisse der Menschen so rasant, dass schon die Veränderungen des letzten Jahrhunderts als ein geschichtliches Phänomen betrachtet und untersucht werden könnten und sollten. In dieser Zeit hat - in Form des Internets und in Form der Möglichkeit eines für alle zugänglichen globalen Kontakt- und Datenaustauschs - eine Kommunikationsrevolution stattgefunden. Das World Wide Web ist heute der zentrale Treff- und Knotenpunkt einer globalen Welt. Dies hat Auswirkungen auf das Kommunizieren und Arbeiten aller Menschen und sollte auch bei der Betrachtung von Stiftungsentwicklung und -geschäft miteinbezogen werden.

Natürlich könnten dazu im Folgenden sämtliche Stiftungen, von sozial oder wirtschaftlich ausgerichtet bis Naturschutz fördernd, untersucht werden. Es soll jedoch in dieser Arbeit insbesondere um die kulturellen bzw. Kultur fördernden Stiftungen gehen.[15]. Dies ergibt sich aus der These, dass besonders die kulturell ausgerichteten Stiftungen in Braunschweig und Umgebung einen maßgeblichen Einfluss auf das gesellschaftliche Leben in dieser Gegend ausüben. Sie bereichern und inspirieren die Kulturszene in besonderer Weise. Um dies aufzuzeigen, werden in dieser Arbeit die folgenden Fragen beantwortet:

Welche Entwicklungen haben sich im vergangenen Jahrhundert im Stiftungswesen hier in Braunschweig und deutschlandweit zugetragen? Welchen Einfluss - wobei hier eine genaue Definition von diesem speziellen Einfluss notwendig werden wird - haben Stiftungen auf die Entwicklung einer Region? Welche Rolle haben Stiftungen mittlerweile in der gesellschaftlichen Wahrnehmung? Inwiefern können Stiftungen die Wirkungsmöglichkeiten der Zivilgesellschaft stärken, das Denken und Lebensgefühl in der Stadt beeinflussen und neue Debatten anstoßen? Was verdanken wir dem kulturellen Stiftungswirken?

Stand der Forschung; Quellen und Literatur

Stiftungen haben in Deutschland bereits eine jahrhundertealte Tradition. Mit der Erforschung des Stiftungswesens beschäftigt sich die Geschichtswissenschaft jedoch erst seit den letzten Jahren des vergangenen Jahrhunderts.[16]. An diesem Phänomen arbeiten sowohl Vertreter der Mediävistik als auch Historiker der Neuzeit. Michael Borgolte publizierte beispielsweise „Stiftungen und Stiftungswirklichkeit vom Mittelalter bis zur Gegenwart“ (2000) und „Stiftungen für das Seelenheil - ein weltgeschichtlicher Sonderfall?“ (2015). Bernhard Ebneth beschäftigte sich u.a. mit Stiftungen zu Bildungszwecken und bürgerlichem Fürsorgewesen („Wohltätigkeitsstiftungen“ (2000)). Es existieren auch bereits Untersuchungen zur Braunschweigischen Stiftungsgeschichte des Mittelalters, z.B. beschäftigte sich Dr. Annette Boldt mit dem mittelalterlichen und neuzeitlichen Fürsorgewesen der Stadt („Das Fürsorgewesen der Stadt Braunschweig“ (1988)) und Prof. Dr. Gerd Biegel veröffentlichte u.a. im Stiftungsmagazin der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz einzelne Publikationen über deren Geschichte und weitere Beiträge des Kloster- und Studienfonds. Norbert Kamp hielt am 6.5.1982 im Rahmen einer Festveranstaltung zum 150-jährigen Bestehen des Braunschweigischen Vereinigten Kloster- und Studienfonds einen Vortrag zu „Stifterauftrag und Stiftungsleistung im Spannungsfeld zwischen historischer Tradition und politischer Gegenwart“, in dem er unter anderem auf die Entwicklung der Stiftung im 19. und 20. Jahrhundert eingeht.

Was jedoch noch weitgehend wenig untersucht ist, ist die allgemeine neuere braunschweigische Stiftungsgeschichte.

Die wissenschaftliche Erforschung von Stiftungen wird heutzutage stark vom wirtschaftlich­juristischen Standpunkt aus dominiert. Die existierende Literatur richtet sich zu großen Anteilen an Mitarbeitende, Verwaltende, Leitende und Gründerinnen und Gründer von Stiftungen. So sind beispielsweise die Ausbildungsgänge zu Berufen im Stiftungswesen sowie periodisch erscheinende Schriften für Stiftungsinteressierte stark von juristischen Inhalten geprägt.[17], was wohl auf die erforderlichen Formalitäten, steuerlichen Besonderheiten und gesetzlichen Grundlagen bei der Gründung und Führung der Geschäfte einer Stiftung zurückzuführen ist. Nur wenige Menschen wissen in der heutigen Zeit, wie Stiftungen tatsächlich arbeiten und funktionieren oder beschäftigen sich mit den Beweggründen, die dazu führen können, dass Spenderinnen und Spender mit ihrem Vermögen Stiftungen errichten. Dieses Unwissen ist möglicherweise der Tatsache geschuldet, dass bisher auch nur sehr wenige Studien über das Stiftungswesen, deren Akteurinnen und Akteure sowie die Auswirkungen auf die Zivilgesellschaft veröffentlicht wurden. Dies könnte somit auch der Grund dafür sein, dass trotz der langen Stiftungstradition heutzutage noch immer Missverständnisse und Fehleinschätzungen[18] im Hinblick auf das deutsche Stiftungswesen existieren.

Mit dem Anstieg der Stiftungsgründungen in den letzten Jahrzehnten wurde die theoretische und empirische Forschung jedoch auf ein sehr viel breiteres Fundament gestellt. Wichtig ist daher der Hinweis Adloffs auf die Chancen eines Perspektivwechsels in der (soziologischen) Forschung, weg von der Betrachtung der Stiftungen allein in Abgrenzung zu zeitgenössischen Rechtsfiguren wie dem Verein oder der Anstalt, hin zur ,Ubiquität der Stiftungen im Mittelalter‘, wenn er schreibt: „In den mittelalterlichen Stiftungen durchdrangen sich Religion, Recht, Ökonomie und die Motive der Caritas.“.[19] Insofern sind Stiftungen ein Forschungsgegenstand, dem man sich kaum ohne eine interdisziplinäre Sichtweise nähern kann.

Die interdisziplinär angelegte Literatur zum neueren Stiftungswesen ist noch nicht sehr umfangreich. Nur wenige Studien und Werke befassen sich mit der Entstehung und Entwicklung von Stiftungen im Allgemeinen und vor allem bis zur heutigen Zeit. Meist handelt es sich nur um kurze Artikel aus Zeitungen, deren Wissenschaftlichkeit nicht immer eindeutig ist oder um wissenschaftliche Untersuchungen zum frühen Stiftungs-wesen einzelner Städte im Mittelalter und der Frühen Neuzeit. Eine Ausnahme bildet die Reihe Maecenata Schriften, eine interdisziplinäre wissenschaftliche Buchreihe, die von Rupert Graf Strachwitz, Eckhard Priller und Christian Schreier herausgegeben wird. Die Reihe besteht seit dem Jahr 2007. Sie beinhaltet Veröffentlichungen mit einem thematischen Bezug u.a. zu den Themenfeldern Zivilgesellschaft, Gemeinnützigkeit, bürgerschaftliches Engagement und Stiftungswesen.

Methodik

Aufgrund der für die Region Braunschweig nur mangelhaften Quellenlage verwende ich für den ersten einführenden Teil der Arbeit die bestehende wirtschaftlich-juristisch geprägte Literatur, sowie Informationen, die der Bundesverband Deutscher Stiftungen online veröffentlicht. Damit wurde es möglich, eine Übersicht über die verschiedenen Stiftungsformen zu geben. Von hier ausgehend betrachte ich die aktuelle Bestandslage der kulturellen Stiftungen im Braunschweiger Land und ihre Entwicklung bis dahin in den letzten 120 Jahren. Ich stütze meine Analysen unter anderem auf die Niederschriften der Braunschweiger Verwaltungsberichte aus dem Stadtarchiv, die geschichtlichen Hintergrundinformationen des von Horst-Rüdiger Jarck und Gerhard Schildt herausgegebenen Werkes „Die Braunschweigische Landesgeschichte“ (2000) und orientiere

mich im Verlauf der Arbeit an Zeitungsartikeln und Vorträgen u.a. von Prof. Gerd Biegel und Norbert Kamp, an Veröffentlichungen der einzelnen Stiftungen und der Braunschweigischen Stiftungstage sowie an den Daten der Braunschweiger Jahrbücher für Landesgeschichte. Alles, was ich an historisch-wissenschaftlichen Quellen zu Stiftungen im 20. Jahrhundert finden konnte, wurde auch in der Arbeit verwendet. Aktuelle Daten und Informationen zu Einwohnerinnen und Einwohnern und Besucherzahlen in Braunschweig verdanke ich dem Stadtmarketing Braunschweig.

Kritik und mögliche Fehlerquellen

Ein so großes Thema wie Stiftungen lässt sich trotz meiner Eingrenzungen von Stiftungszweck, Region und Zeitraum kaum zufriedenstellend überblicken. Mit Sicherheit habe ich manchen Stiftungen hier nicht den Raum gegeben, den sie ihrem Vermögen, ihrem Engagement oder ihrer Bedeutung für die Stadt oder die Region nach, „verdienen“. Auch hat die wissenschaftliche historische Untersuchung sich als schwieriger herausgestellt, als ich es vorher erwartet hatte. Zwar lassen sich einige Verzeichnisse über Stiftungsgründungen und -auflösungen sowie Urkunden oder Protokolle über die geförderten Projekte finden, doch eine Einordnung in den geschichtlichen Zusammenhang ermöglichen diese Zeugnisse nicht unbedingt.

Welchen Einfluss kleinere Stiftungen oder die großen Projekte wie die Restaurierungen von Kirchen und Orgeln haben, welche Bedeutung es für die Bürger einer Stadt hat, dass ihre Kulturszene so intensiv gestaltet wird - all das lässt sich zwar beschreiben und vermuten, aber ohne umfangreiche Studien nicht messen oder gar wissenschaftlich belegen. Die hier dargestellten Ergebnisse sind daher nur Deutungsansätze und Auszüge aus der Braunschweiger Stiftungsgeschichte und außerdem immer von meiner eigenen Sichtweise - resultierend aus drei Jahren Mitarbeit im Haus der Braunschweigischen Stiftungen - geprägt. Nichtsdestotrotz hoffe ich, mit dieser Arbeit das jüngere Stiftungswesen unserer Region sichtbarer und greifbarer zu machen.

2. Stiftungen - ein interdisziplinärer Forschungsgegenstand

Kaum ein Arbeits- und Forschungsfeld berührt so viele Themenbereiche wie das Phänomen der Stiftung. Die Förderzwecke können von Sport über Kunst oder Integration von Flüchtlingen zu Wissenschaft und Forschung reichen. Das rechtliche Grundmodell einer Stiftung verlangt juristisches Denken. Vertretbar wäre jedoch auch eine Annäherung an Stiftungen über die Soziologie oder Psychologie, z.B. in Form einer Hinterfragung der Stiftungsmotivation für den einzelnen Spender oder für die Gesellschaft. Auch politische und wirtschaftliche Motive zur Stiftungserrichtung, Auswirkungen des Stiftungswesens auf die Gesellschaft und die Arbeitsweise von Stiftungen könnten Thema einer wissenschaftlichen Untersuchung darstellen. Ansätze von allen Bereichen finden sich in dieser Arbeit wieder.

Doch was genau ist eine Stiftung? Auch wenn vermutlich die meisten Menschen heutzutage etwas mit dem Begriff ,Stiftung’ anfangen könnten, kursieren noch immer viele Vorurteile über Stiftungen[20]. Auch ist schon die Urbedeutung des Verbes ,Stiften’ nicht mehr ganz so eindeutig. Eine allgemeingültige Definition vom Phänomen ,Stiftung’ existiert nicht. Der Duden definiert Stiftung als

(1) eine Schenkung, die an einen bestimmten Zweck gebunden ist, durch die etwas gegründet, gefördert wird.
(2) Institution, Anstalt o.Ä., die durch eine Stiftung finanziert, erhalten wird[21].

Mit dieser Beschreibung wird bereits vieles abgedeckt, doch sie ist noch sehr vage.

Wenn der Bundesverband deutscher Stiftung die Frage nach der Definition zu beantworten versucht, erklärt er als erstes das Prinzip des Stiftens:

Das Prinzip einer Stiftung ist einfach: Ein Stifter möchte sich langfristig für einen gemeinnützigen Zweck engagieren und bringt dazu sein Vermögen in eine Stiftung ein. Dieses Vermögen legt die Stiftung sicher und ertragreich an und verwirklicht aus ihren Erträgen und sonstigen Mitteln (z.B. Spenden) gemeinnützige Projekte. Wenn von einer Stiftung gesprochen wird, ist in der Regel eine rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts gemein[22].

Diese Eingrenzung ist, neben den rechtlich-formalen Schwierigkeiten, der zu Beginn des Kapitels bereits angedeuteten Tatsache geschuldet, dass es vertretbar ist, sich Stiftungen von verschiedenen Seiten zu nähern. So hat beispielsweise das Bestreben, Stiftungen juristisch zu definieren und damit als Subjekte der Rechtswissenschaft greifbar zu machen, zu einer intensiven rechtshistorischen Betrachtungsweise und Forschung (s. Einleitung) geführt. Berührt werden, neben den Grundrechten, etwa Fragen des Erbrechts, des Eigentums sowie kirchenjuristische Belange. Zahlreiche Rechtsstreitigkeiten, wie über eine Umdeutung von Stiftungszwecken oder die Veruntreuung von Vermögen, machen Stiftungen zu einem präsenten Aufgabenfeld der Juristen[23]. Auch fördert und begünstigt seit einigen Jahren der Staat den sogenannten Dritten Sektor als Quelle der Finanzierung von Gemeinwohlaufgaben massiv, vor allem durch Steuervorteile (mehr dazu in Kapitel 4.1.). Dies hat dazu geführt, dass im gesamten Bundesgebiet eine ganze Reihe neuer rechtsfähiger Stiftungen entstanden ist und eine Nutzung des Stiftungsmodells als Steuersparmodell einen Schatten auf das Stiftungsimage geworfen hat.[24].

Auch der psychologische Hintergrund und die Motivation, sich für ein bestimmtes Thema einzusetzen, das eigene Vermögen zu stiften und ,Gutes zu tun’ oder sich mit einer Stiftung selbst ein Denkmal zu setzen, sind Teilaspekte einer Begriffsannäherung und zugleich einer soziologischen bzw. psychologischen Auseinandersetzung mit dem Phänomen Stifter und Stifterin. Die historische Entwicklung von Stiftungen von rein karitativen Organisationen zu kulturfördernden und inzwischen auch kulturschaffenden Institutionen, die sowohl soziale und kirchliche Projekte als auch Sport, Kunst, Design, Musik, Universitätsbelange, Forschung, Integration, Stadtgeschichte, wissenschaftliche Publikationen und Bauangelegenheiten fördern, macht die Stiftung zu einem interdisziplinären Forschungsgegenstand.

Dennoch bietet es sich an, wie im Rahmen der vorliegenden Arbeit geschehen, sich Stiftungen zunächst von einer Richtung - in diesem Fall vorwiegend historisch zu nähern. Die intensivere Betrachtung der jüngeren Entwicklungsgeschichte und Einblicke in die Höhen und Tiefen des Stiftungswesens im Laufe des umbruchreichen 20. Jahrhunderts sensibilisiert für die heute erforderlichen Belange des Stiftungswesens. Einige Grundlagen müssen dennoch vorher skizzenartig erläutert werden.

2.1. Die Definition von Stiftung

„Jede Stiftung ist so einzigartig wie ein Mensch“, sagt Frank Schmidtke, Betreuer der größten deutschen Datenbank zum Stiftungswesen[25]. Es gibt weder den typischen Stifter noch die typische Stiftung. Zu diesem Ergebnis kommt auch die große „StifterStudie“[26] der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2005. Auch diese Studie zeigt, dass Stiftungen etwas sehr Individuelles sind, was einen wesentlichen Teil ihres Reizes ausmacht. Jede Stiftung sei so einzigartig wie ihr Stifter oder ihre Stifterin und die Beweggründe, die Menschen dazu bringen könnten, eine Stiftung zu gründen, so vielfältig wie die Stiftungszwecke[27].

Mit dem Begriff ,Stiftung’ ist nicht nur der Prozess des Stiftens - also

der gesellschaftliche Vorgang der Widmung eines Vermögens für einen bestimmten Zweck und damit der freiwillige Verzicht des Vermögensinhabers auf die künftige Ausübung der Verfügungsmacht zugunsten einer generellen und öffentlich sichtbaren, inhaltlich bestimmten Verfügungen -[28], sondern die ausführende und vermögenverwaltende Institution gemeint, mit deren Hilfe ein Vermögen zielgerichtet für einen besonderen Zweck eingesetzt werden kann. Die Begünstigten (Destinatäre) können in den Genuss der Erträge kommen. Dabei sollte im Regelfall das Vermögen einer Stiftung dauerhaft erhalten werden, wobei es auch Verbrauchsstiftungen mit begrenzter Existenzdauer gibt. Eine Stiftung an sich beschreibt jedoch noch keine Rechtsform und hat auch keine Mitglieder, wie etwa ein Verein[29] oder eine Gewerkschaft. Da der Begriff nicht geschützt ist, ist auch keine juristische Definition vorhanden. In der Literatur findet sich bis heute keine übergeordnete, einheitliche oder zumindest meist angewandte Definition des Phänomens ,Stiftung‘,[30].

Erst seit dem 14. Jahrhundert tauchen die Begriffe ,Stiftung‘ und ,Stift’ in historischen Quellen auf. Im Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm wird der Stiftungsbegriff ausführlich in seinen verschiedenen Bedeutungen und Gebrauch behandelt. Es wird unterschieden in:

(1) ... einen bau, eine einrichtung u. dgl. ins werk setzen, die nach der absicht des urhebers dauernden bestand haben sollen, dann auch das so geschaffene für bestimmte zwecke zur Verfügung stellen.[31]
(2) ... seit alters in der bedeutung, eine handlung ins werk setzen, einen zustand herbeiführen; etwas er- zeugen, hervorbringen, veranlassen, durchführen‘; der gedanke an die dauer des bewirkten tritt dabei im gegensatz zu I nicht hervor, dafür steht die Vorstellung der geistigen urheberschaft oft stärker im Vordergrund

Im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nach § 80 ff ist die Stiftung eine mit Rechtsfähigkeit ausgestattete, nicht verbandsmäßig organisierte Einrichtung, die einen vom Stifter bestimmten Zweck mit Hilfe eines dazu gewidmeten Vermögens dauerhaft fördern soll:

§ 80 Entstehung einer rechtsfähigen Stiftung

(1) Zur Entstehung einer rechtsfähigen Stiftung sind das Stiftungsgeschäft und die Anerkennung durch die zuständige Behörde des Landes erforderlich, in dem die Stiftung ihren Sitz haben soll.
(2) Die Stiftung ist als rechtsfähig anzuerkennen, wenn das Stiftungsgeschäft dem des § 81 Abs. 1 genügt, die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks gesichert erscheint und der Stiftungszweck das Gemeinwohl nicht gefährdet. Bei einer Stiftung, die für eine bestimmte Zeit errichtet und deren Vermögen für die Zweckverfolgung verbraucht werden soll (Verbrauchsstiftung), erscheint die dauernde Erfüllung des Stiftungszwecks gesichert, wenn die Stiftung für einen im Stiftungsgeschäft festgelegten Zeitraum bestehen soll, der mindestens zehn Jahre umfasst.
(3) Vorschriften der Landesgesetze über kirchliche Stiftungen bleiben unberührt. Das gilt entsprechend für Stiftungen, die nach den Landesgesetzen kirchlichen Stiftungen gleichgestellt sind.[32]

Diese Beschreibung einer Stiftung soll in der vorliegenden Arbeit als richtungsgebende Definition dienen.

2.2. Die allgemeinen Eigenschaften von Stiftungen

Ganz allgemein sind Stiftungen Einrichtungen, die mit einem bestimmten individuellen Budget bzw. (zusätzlich) sozialem, geistigem oder ideellen Kapital ausgestattet sind und nachhaltig einen bestimmten Zweck, den ,Stiftungszweck’, verfolgen. Dieser hat einen Weisungscharakter[33] und ist an den ursprünglichen Willen des Stiftungsgründers gebunden, welcher bei der Errichtung der Stiftung in der Satzung aufgeführt ist und somit durchweg über die Zweckverfolgung der Stiftung entscheidet. Nach der Zwecksetzung lassen sich privatnützige Stiftungen und Stiftungen, die dem Gemeinwohl dienen, unterscheiden. Das rechtliche Grundmodell einer Stiftung wird in Kapitel 2.5. genauer vorgestellt.

Es wird zwischen der ,Stiftung unter Lebenden’ und der ,Stiftung von Todes wegen’ unterschieden. Im ersten Fall kann der Stiftende selbst auf die Entstehung und konkrete Ausgestaltung seiner Stiftung hinwirken[34], den Vorstand besetzen oder sogar selbst in die Arbeit des Stiftungswesen integriert sein. Die zweite Form, die ,Stiftung von Todes wegen’, lässt dies nicht zu, da eine solche Stiftung erst nach dem Tode des Vermögensgebenden entsteht. Durch rechtliche Vorkehrungen muss auch hier der Wille des Stiftenden in Form des Stiftungszwecks garantiert werden. Die meisten Stiftungen werden, so die Ergebnisse der Bertelsmann-StifterStudie 2005, heutzutage noch zu Lebzeiten der Stiftenden gegründet..[35].

Im Allgemeinen wird außerdem zwischen operativen und fördernden Stiftungen unterschieden, sowie solchen, die beides in sich vereinen. Operative Stiftungen entwickeln, verfolgen und finanzieren eigene Projekte. Fördernde Stiftungen finanzieren Projekte, die von außen an sie herangetragen werden. Auch die Vergabe von Preisen, Stipendien oder Forschungsgeldern kann den fördernden Stiftungen zugeordnet werden. Da im Stiftungsgeschäft mittlerweile eine Vielzahl an Stiftungen in beiden Aufgabenfeldern tätig ist und generell strategisches Management für Stiftungen immer wichtiger wird, verlieren diese beiden Unterscheidungskriterien jedoch immer mehr an Bedeutung[36].

2.3. Die verschiedenen Rechtsformen von Stiftungen

Die tatsächliche, sich ständig vergrößernde Anzahl von selbstständigen und unselbstständigen Stiftungen in Deutschland ist nicht genau bekannt.[37]. Sie kann höchstens geschätzt bzw. regelmäßig an bestimmten Stichtagen festgehalten werden.[38]. Rund 95 Prozent der Stiftungen in Deutschland sind, nach Erhebungen des Bundesverbands Deutscher Stiftungen, gemeinnützig. Sie dienen dem Gemeinwohl, verfolgen also gemeinnützige Zwecke, was bedeutet, dass ihre Tätigkeit, nach § 52 Abs. 2 AO, darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern[39].

Die Gemeinnützigkeit ermöglicht den Stiftungen eine Steuerbegünstigung, welche jedoch bei Verlust vom Status der Gemeinnützigkeit auch wieder entzogen werden kann, um Missbrauch zu vermeiden.

Ebenso schwierig, wie das Phänomen der Stiftung zu definieren, ist eine Aufzählung der verschiedenen Erscheinungsformen. So ließen sich Stiftungen nach Projekten, Bestehensdauer, Vermögen, Stiftungszweck, Motiven, Arbeitsweise oder rechtlichem Hintergrund aufgliedern und unterscheiden. Stiftungen treten nach deutschem wie nach europäischem Recht in verschiedenen Erscheinungsformen auf und unterliegen somit auch unterschiedlichen Rechtsformen.

Die meisten Stiftungen sind selbstständige Stiftungen, d.h. es handelt sich bei ihnen um ein rechtlich selbstständiges Gebilde. Die selbstständige Stiftung stellt eine juristische Person dar, die eigenes Vermögen hat und Trägerin von Rechten und Pflichten sein kann. Das Stiftungskapital gehört der Stiftung und wird durch den Vorstand entsprechend der Satzung verwaltet. Die Stiftung wird durch das die Satzung enthaltende Stiftungsgeschäft und durch die Anerkennung der Stiftungsbehörde errichtet.

Die unselbstständigen Stiftungen stellen keine juristischen Personen dar und können keine Träger von Rechten und Pflichten sein. Sie werden auch fiduziarische Stiftungen oder Treuhandstiftungen genannt. Es handelt sich hier um Stiftungen, die von einem Treuhänder, wie beispielsweise einer selbständigen Stiftung unter deren Dach, verwaltet werden, der also die Stiftungsgeschäfte führt. Oft werden hierbei kleinere Vermögen gestiftet und verwaltet.[40].

Ein weiteres mögliches, wenn auch kritisch zu betrachtendes Unterscheidungsmerkmal der verschiedenen Stiftungen Deutschlands, könnten die Stiftungszwecke darstellen. Eine Aufgliederung in Themenbereiche anhand verschiedenster Stiftungszwecke zur allgemeinen Übersicht und Anschaulichkeit aller Stiftungen und ihrer Häufigkeit wäre im Rahmen dieser Arbeit jedoch zu umfangreich. Da im Hauptteil die kulturell ausgerichteten Stiftungen im Braunschweiger Land genauer betrachtet werden sollen, werde ich in Abschnitt 2.3. den Versuch unternehmen, Stiftungen mit kulturellem Förderzweck genauer vorzustellen.

Im folgenden Abschnitt werde ich zur besseren Übersicht die juristische Herangehensweise nutzen und die wichtigsten Stiftungsarten nach ihren Rechtsformen unterscheiden.

2.3.1. Stiftungen des bürgerlichen und des öffentlichen Rechts

Man unterscheidet in Deutschland zwischen privatrechtlichen Stiftungen, Stiftungen des Bürgerlichen Rechts (BGB-Stiftung) sowie öffentlich-rechtlichen Stiftungen, die mittelbarer Teil der Staatsverwaltung sind. Eine genaue Trennung ist jedoch nicht immer eindeutig, da es Merkmale öffentlicher Stiftungen gibt, wie z.B. der „öffentliche Zweck“, die auch bei einigen Formen der privatnützigen Stiftungen gegeben sein können[41].

Eine Stiftung des Bürgerlichen Rechts ist die hierzulande bekannteste Form der Stiftung[42]. Zu den rechtsfähigen Stiftungen des bürgerlichen Rechts gehören so große Stiftungen wie beispielsweise die Volkswagen Stiftung. Sie hat keinen Eigentümer, sondern sie gehört „sich selbst“, was ihr ein schnelles und unabhängiges Agieren bei Entscheidungen ermöglicht. So kann eine solche Stiftung handeln, ohne auf die Interessen Dritter achten zu müssen, während die öffentliche Verwaltung dem Bundesrechnungshof Rechenschaft ablegen muss und moralisch unter dem Druck des Bundes und der steuerzahlenden Bevölkerung steht. Natürlich muss sich alles im Rahmen des Stiftungszweckes bewegen und der Erhalt des Stiftungsvermögens sollte garantiert werden. Der Vorteil der spontanen Handlungsfähigkeit durch das Fehlen von Mitgliedern hat wiederum den Nachteil, dass (im Gegensatz zum Verein) keine regelmäßigen Einnahmen in Form von Mitgliedsbeiträgen zu erwarten sind. Spenden aus der Bevölkerung fließen meistens in Familien- oder Bürgerstiftungen. Daher ist mittlerweile ein Mischfinanzierungsmodell aus Stiftung und Förderverein für gemeinnütziges Engagement eine beliebte Variante zum Erhalt des Stiftungskapitals und der Sicherstellung regelmäßiger Einnahmen zur Kostendeckung[43].

Die öffentlich-rechtlichen Stiftungen (oder auch Stiftungen des öffentlichen Rechts) werden durch einen verwaltungsrechtlichen Hoheitsakt des Staates gegründet und dienen der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe von besonderem Interesse. Sie werden nicht von Einzelpersonen, Familien oder Unternehmen gegründet, sondern entstehen vielmehr durch Gesetze oder Verwaltungsakte der öffentlichen Hand. Aus diesem Grund unterliegen diese Stiftungen auch den ihnen übergeordneten Behörden, wie der Bundes-, der Landes- oder der Kommunalaufsicht. Das kann auf den staatlichen Ebenen des Bundes und der Länder geschehen. Zu diesen zählen beispielsweise die ,Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunff..[44] mit dem Stiftungszweck der Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, die ,Stiftung Preußischer Kulturbesitz’[45] oder die Stiftung der Berliner Philharmoniker, deren Träger das Land Berlin ist.

2.3.2. Kirchliche Stiftungen

Eine Sonderform der rechtsfähigen Stiftungen des öffentlichen Rechts sind kirchliche Stiftungen.[46]. Kirchliche Stiftungen dienen überwiegend kirchlichen Interessen und Projekten und werden entweder von einer Kirche errichtet oder sollen - entsprechend dem Willen des entsprechenden Stifters - der Aufsicht einer kirchlichen Stelle unterliegen. Sie können sowohl operativ als auch fördernd agieren, im zweiten Fall geschieht die Förderung der Stiftungszwecke nicht materiell, sondern durch ehrenamtliches Engagement oder ideell. Ihre Anerkennung erfolgt, neben der Anerkennung durch die Kirche selbst, durch die zuständige staatliche Behörde. Die Genehmigung und Aufsicht über kirchliche Stiftungen obliegt jedoch nicht dem Staat, sondern der nach Kirchenrecht jeweils zuständigen

[...]


[1] Henry Ford (1863-1947) amerikanischer Großindustrieller. Engl.: The highest use of capital is not to make more money, but to make money do more fort the betterment of life

[2] https://www.stiftungen.org/stiftungen/zahlen-und-daten/statistiken.html (Stand: 13.12.2017)

[3] Ebd.

[4] Ulrike Posch (2015): Deutsche Stiftungen und ihre Kommunikation, S.15

[5] Quelle: Bundesverband deutscher Stiftungen https://www.stiftungen.org/fileadmin/stiftungen_org/Stiftungen/Zahlen-Daten/2017/170327-JPK17- Stiftungswachstum-2016.pdf (Stand: 13.12.2017)

[6] Vgl.: Ulrike Posch (2015): Deutsche Stiftungen und ihre Kommunikation, S.15

[7] Vgl.: Eckhard Priller, Annette Zimmer: Der Dritte Sektor: Wachstum und Wandel (Konzepte Stiftungen 2), Gütersloh 2005

[8] Hagen Hof u.a.: Stiftungen. Errichtung - Gestaltung - Geschäftigkeit, S.285

[9] Schätzung nach Werner Schaub: Über die Kunst, von der Kunst zu leben. In: VIERVIERTELKULT, Ausgabe Winter 2017, S.12-14

[10] Stiftungsreihe zum Stiftungswesen Bd.1: Deutsche Stiftungen für Wissenschaft, Bildung und Kultur, S. IX

[11] Das stifterische Engagement geht, nach Brömmling, auf drei Traditionen zurück. Erstens sollten Stiftungen als „Seelgeräte“ im Mittelalter dem Stifter durch Gaben an Armenhäuser einen Zugang zur ewigen Seeligkeit eröffnen. Als zweite Tradition dienten Stiftungen bereits in der Antike zur Förderung von Kunst und Kultur. Und drittens entwickelte sich im 18. Jahrhundert vor dem Hintergrund der aufklärerischen Epoche der Sinn für bürgerliches Engagement und es traten Bürgervereine ins gesellschaftliche Geschehen die der Förderung des Gemeinwesens nachkamen. Im 20. Jahrhundert trat auch der Staat als Stifter und vierte Linie auf die Stiftungsebene. Bei diesen öffentlich finanzierten Stiftungen besteht jedoch zwischen Kritikern und Anhängern die Frage, ob diese Stiftungen im Wesensgehalt tatsächlich Stiftungen sind oder eher 'undemokratische Schattenhaushalte .
Vgl. dazu Ulrich Brömmling (2005): Die Kunst des Stiftens, S. 13

[12] Das Braunschweiger Land umfasst nach der gängigen und auch in dieser Arbeit verwendeten Eingrenzung die heute in Niedersachsen gelegenen Teile des alten Landes Braunschweig Es bildet ungefähr den Kernbereich des alten Herzogtums Braunschweigs bzw. ehemaligen Freistaates Braunschweig. Das Braunschweiger Land entspricht etwa den Städten Braunschweig, Wolfsburg, Salzgitter und teilweise den Landkreisen Gifhorn, Peine, Wolfenbüttel, Goslar und Helmstedt.

[13] Gerd Biegel: Stiftungsgeschichte des Braunschweiger Landes - ein historischer Streifzug, in: Ihr Einsatz bitte. Stiftungen - Aktiv in der Region, Dokumentation zum Braunschweigischen Stiftungstag 2002. Braunschweig 2003, S. 86

[14] Hier muss angemerkt werden, dass die Definition von ,Bildung’ von vielen Faktoren abhängig ist und sich in einem ständigen Wandel befindet. Eine bedeutende Rolle spielt hierbei etwa die subjektiv wahrgenommene, bzw. objektiv messbare ökonomischen Situation, aber auch die Deutungshoheit bestimmter gesellschaftlicher Akteure innerhalb bestimmter politischer Themenbereiche. Ich gehe davon aus, dass der Stiftungszweck ,Bildung’ sich diesem Wandel anpasst und daher ebenso dehnbar und wandelbar ist.

[15] Ich definiere Stiftungen als ,kulturell’, wenn der in der Satzung festgelegte offizielle Stiftungszweck (Vgl. zum Stiftungszweck und dessen Weisungsfunktion dazu Kapitel 2.5.1.) der Förderung kultureller Projekte, Institutionen, Vorhaben o.ä. gewidmet ist. Eine Unterscheidung zwischen selbstständigen und unselbstständigen Stiftungen erfolgt im Verlauf der Arbeit.

[16] Elisabeth Sandfort: Das Beginenwesen der Stadt Braunschweig im Mittelalter und in der Neuzeit, S.157

[17] Beispiele hierfür sind die Weiterbildungsangebote der StiftungsAkademie in Berlin zum Stiftungsmanager und Stiftungsberater.

[18] Durch die Steuerbefreiung gemeinnütziger Stiftungen gelten sie oft schlicht als Modell zum Steuern sparen oder sogar als „Spielball“ der Reichen. Medienberichte über prominente Stiftende, die möglicherweise tatsächlich „nur“ aus steuerlichen Gründen eine Stiftung errichten, befeuern diese Annahme. https://www.welt.de/finanzen/geldanlage/articlen3862519/Wie-Sie-mit-Stiftungen-Steuern-sparen- koennen.html (Stand 12.11.2017)

[19] Adloff, Frank (2004): Wozu sind Stiftungen gut?. In: Leviathan. Zeitschrift für Sozialwissenschaft. 32, 2004, S.272.

[20] Ein gängiges Vorurteil ist etwa nach wie vor, Stiftungen seien nur ein Steuersparmodell. Mehr dazu in den nächsten Kapiteln.

[21] https://www.duden.de/rechtschreibung/Stiftung

[22] Quelle: https://www. stiftungen.org/fileadmin/stiftungen_org/Stiftungen/Basiswissen/Was-ist-eine- Stiftung/Was-ist-eine-Stiftung.pdf (Stand: 28.11.2017, Broschüre im Anhang)

[23] Ulrike Posch (2015): Deutsche Stiftungen und ihre Kommunikation, S.49

[24] Vgl. z.B. http://www.sueddeutsche.de/geld/stiftungen-gutes-tun-und-steuern-sparen-1.184432 erschienen am 17. Mai 2010

[25] Ulrich Brömmling (2005): Die Kunst des Stiftens, S. 6

[26] Karsten Timmer: Stiften in Deutschland. Die Ergebnisse der StifterStudie, Gütersloh 2005, S.11ff.

[27] Ebd.

[28] Theo Schiller (1969): Stiftungen im gesellschaftlichen Prozess, S.11

[29] Wobei sich auch Vereine mit dem Begriff „Stiftung“ schmücken, was eben der Tatsache geschuldet ist, dass der Name „Stiftung“ noch an keine Rechtsform gebunden ist. Vgl. dazu Brömmling, Ulrich (2005): Die Kunst des Stiftens, S. 6

[30] Ulrike Posch (2015): Deutsche Stiftungen und ihre Kommunikation, S.18f.

[31] Jakob Grimm/ Wilhelm Grimm (1999): Deutsches Wörterbuch, Bd. 10. München. Nachdruck Ausgabe Leipzig 1941, S. 2876

[32] BGB online: http://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__ 80.html (Stand: 18.09.2017)

[33] Mehr dazu in Philip Dylla: Die Weisungsfunktion des Stiftungszwecks, S. 27f.

[34] Hagen Hof / Maren Hartmann/ Andreas Richter: Stiftungen. Errichtung - Gestaltung - Geschäftstätigkeit. München 2004, S.9f.

[35] Karsten Timmer: Stiften in Deutschland. Die Ergebnisse der StifterStudie, Gütersloh 2005, S.13

[36] Ulrike Posch (2015): Deutsche Stiftungen und ihre Kommunikation, S.51

[37] Hof, Hagen/ Hartmann, Maren/ Richter, Andreas: Stiftungen. Errichtung - Gestaltung - Geschäftstätigkeit. München 2004, S.1

[38] https://www.stiftungen.org/fileadmin/stiftungen_org/Stiftungen/Zahlen-Daten/2017/Grafik_Seite_2.pdf (Stand 19.9.2017)

[39] BGB online: https://www.gesetze-im-internet.de/ao_1977/_ 52.html (Stand: 18.09.2017)

[40] Hagen Hof u.a.: Stiftungen. Errichtung - Gestaltung - Geschäftigkeit, S.10

[41] Georg v. Hartmann (1973): Die Braunschweigischen Stiftungen des Öffentlichen Rechts, S.15

[42] Vgl. dazu: Ulrich Brömmling (2012): Wie Stiftungen fördern. eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 6/2012 vom 30.03.2012 https://www.buergergesenschaft.de/fileadmin/pdf/gastbeitrag_broemmling_120330.pdf (Stand: 20.10.2017)

[43] Vgl. dazu Ulrich Brömmling (2005): Die Kunst des Stiftens, S.36ff.

[44] Weitere Informationen auf der Stiftungseigenen Website: http://www.stftung-evz.de/handlungsfelder/handeln-fuer-menschenrechte/europeans-for-peace.html (Stand: 19.9.2017)

[45] Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz zählt zu den größten Kultureinrichtungen weltweit. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz wurde 1957 gegründet und ist heute eine der größten Stiftungen des öffentlichen Rechts und hat ihren Sitz in Berlin.

[46] Vgl. https://www.stiftungen.org/fileadmin/stiftungen_org/Verband/Was_wir_tun/Veranstaltungen/AK-Kirchen/Merkmale-kirchlicher-Stiftungen.pdf (Stand: 22.09.2017)

Ende der Leseprobe aus 68 Seiten

Details

Titel
Die Besonderheiten des Stiftungswesens im Braunschweiger Land ab dem 20. Jahrhundert
Hochschule
Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig  (Institut für Braunschweigische Regionalgeschichte)
Note
1,0
Autor
Jahr
2018
Seiten
68
Katalognummer
V426961
ISBN (eBook)
9783668712720
ISBN (Buch)
9783668712737
Dateigröße
1093 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Abhandlung der jüngeren Stiftungsgeschichte in Deutschland und speziell Braunschweig. Ein bisher ehre unerforschtes, aber sehr spannendes Thema.
Schlagworte
Stiftungen, Stiftung, SBK, Brauschweig, Dritter Sektor, Kultur, Kulturförderung, bürgerstiftungen, Niedersachsen
Arbeit zitieren
Elisa Kapp (Autor:in), 2018, Die Besonderheiten des Stiftungswesens im Braunschweiger Land ab dem 20. Jahrhundert, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/426961

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