Zur stationären strömungsmechanischen Wirbelspule

Fluidmechanische Phänomenologie der Dreideckerkonfiguration


Wissenschaftlicher Aufsatz, 2018

18 Seiten

Dipl.-Ing. Michael Dienst (Autor:in)


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Leseprobe


Tragflugelsysteme in Dreideckerkonfiguration stehen derzeit nicht oben in den Forschungs-agenden der Namhaften und es bleiben im Laborbetrieb relativ einfachfach darstellbare, auf der Wechselwirkung von Wirbeln basierende Stromungsphanomene, unbeachtet. Dennoch sind sie eine Option im Flugwesen und in der maritimen Zukunftstechnik. Aus meiner Sicht. Sobald man nur genauer hinschaut, sind Dreideckertragflachen ein wunderbares Beispiel anwendungsbezogener Bionik. Der nachfolgend dargelegten „Wirbel- spulen- Phanomenologie" mochte ich einen generalen Satz zu umstromten Mehrdeckertragflachen voranstellen:

Tragflachen in Mehrdeckerkonfiguration konnenfluidmechanisch miteinander wechselwirken derart, dass die durch das Auftriebsgebaren der Einzeltrag- flachen erzeugten und stromabwarts abfliefeenden Randwirbel ein mantel- formiges Wirbelspulensystem generieren, das in seinem Kern einen beschleunigten Fluidmassenstrom, eine beschleunigte Stromung, induziert.

Nach Erorterungen zur Tragflugeltheorie, die auch Hinweise zu Mehrdecker- konfigurationen enthalten, werden einige Uberlegungen ausgefuhrt, die den oben angefuhrten Gedanken stutzen. Die Phanomenologie der fluidmecha- nischen Wirbelspule ist Teilgebiet einer verallgemeinerten Feldtheorie. Die nachfolgenden Ausfuhrungen konnen experimented und numerischanalyti- sche Untersuchungen zu fluidmechanische Wirbelspulen an Dreideckerkon- figurationen kontextuell erganzen.

Prandtl. Nach der Tragflugeltheorie erster Ordnung behandelt Prandtl[1] [2] in [Pra- 19] zunachst die Aufgabe Geschwindigkeitskomponenten an einem Aufpunkt einer Stromung zu ermitteln, die von der Stromungsenergie einer „tragenden Linie" mit gegebener Auftriebsverteilung herruhrt. Mittels der „Theorie der tragenden Linie" lassen sich Gleichungen fur den Widerstand einer Tragflugelkonfiguration aus drei Flugeln (Flugel 1, Flugel 2 und Flugel 3) finden, der dadurch entsteht, dass ein Flugel 1 unter dem Einfluss der Storung steht, die weiteren in derselben Beaufschlagungsebene befindlichen Tragflugel (Flugel2 und Tragflugel3 ) ausgeht. Prandtls theoretische Uberlegungen sowie Berechnungen seines Mitarbeiters Munk2 - sie waren auf ein Doppeldecker- tragflugelsystem bezogen - zeigten, dass fur vollstandig symmetrisch gebaute Tragflugel (-elemente) der Widerstand, der am Flugel 2 und Flugel 3 durch die Gegenwart des Flugels 1 entsteht von derselben GroBe sein muss.

Im Zuge der Untersuchungen zu Mehrdeckerkonfigurationen stellte sich heraus, dass es offenbar nicht darauf ankommt, dass die „zusammengefassten" tragenden Elemente (der generalisierte Auftriebsvektor einer Tragflachen- konfiguration) jeweils zu einem einzigen Tragflugel gehoren. Dies wird am Doppeldeckertragflugel gezeigt. Greift man aus einem tragenden System in der Querebene (der wirkebene des generalisierten Auftriebsvektors) beliebige Gruppen heraus, so ist derjenige Widerstandsanteil, den die Gruppe 1 durch das Geschwindigkeitsfeld der Gruppe 2 erfahrt ebenso groB, wie derjenige von Gruppe 2 im Feld von Gruppe 1 [Pra-19]. Nach Ansicht Prandtls fuhrt dies dazu, dass der Beitrag zum gegenseitigen Widerstand zweier untereinander befindlicher Tragflugel positiv ist, der von zwei nebeneinander befindlichen Tragflugeln dagegen negativ! Durch erste Anordnung wird also der Gesamtwiderstand gegenuber dem Zustand weit voneinander entfernter Flugel vermehrt, durch letztere vermindert. Zur Untersuchung des allgemeinen Falls (zweier benachbarter Tragflachen) wurde von Prandtl das Feld berechnet, das ein tragendes Element mitsamt dem (im Nachlauf der Tragflache) abgehenden Wirbelpaar in irgendeinem Raumpunkt hervorbringt. Er zeigt, dass die Wider- standsanteile der beiden Flugel nur dann gleich sind, wenn beide Elemente (Tragflachen der Tragflugelkonfiguration) in derselben Querebene liegen. Seine theoretischen Uberlegungen zeigen auch, dass die Summe der Widerstande gleich bleibt, wenn die beiden tragenden Gruppen (Flugel 1 und Flugel2) in Fahrtrichtung gegeneinander verschoben werden, also ihre Staffelung geandert wird. Munk konnte dieses Phanomen in seiner Gottinger Dissertation beweisen. Fur unsere nachfolgenden Uberlegungen vor dem Hintergrund der Wirbelspulenphanomenologie des Doppeldeckers ist die von Prandtl extra- hierte Ursache der Unabhangigkeit des Gesamtwiderstands von der Staffelung der Tragflachen bedeutend, wonach die Widerstandsarbeit gleich der in der Wirbelbewegung hinter dem Tragwerk zuruckgelassenen kinetischen Energie ist; es kommt also nur auf dieses Wirbelsystem selbst an, nicht auf die genauen Umstande, unter denen es erzeugt wird.

Phanomenologie der fluidmechanischen Wirbelspule. Nach der Tragflugel- theorie hangt die Auftriebskraft einer umstromten Tragflache alleine von der Zirkulation ab [Schl-67]. Uberlagern sich an einem Stromungskorper (bei einer zweidimensionalen Modellvorstellung in der Profilebene des Stromungs- korpers) ein translatorisches und rotatorisches Stromungsfeld, kommt es infolge der Zirkulation um diesen Korper zu Verzogerung der Stromung auf der einen und zu einer Beschleunigung der Stromung auf der anderen Seite. Nach der Bernoullischen Beziehung fuhrt die Beschleunigung zu einer Druck- minderung, die Verzogerung zu einer Druckerhohung. Im Falle eines Tragflugels wird dies als Auftriebskraft spurbar. Fur einen angestromten, endlichen Tragflugel ist die Auftriebskraft elliptisch uber den Auftrieb erzeugenden Korper verteilt. Infolge des Druckgradienten kommt es am materiellen Ende der Tragflache zu einer Umstromung der Tragflachenkante. Im Nachlauf der Kantenumstromung bildet sich nun ein kompakter Wirbel aus, der in der Literatur als „durch den Druckgradienten induzierter Randwirbel" beschrieben wird. Der induzierte Randwirbel bindet einen erheblichen Anteil der zur Erzeugung der Auftriebskrafte des Systems aufgebrachten Energie. Der Wirbelfaden im Nachlauf einer Auftrieb erzeugenden Tragflache ist sehr stabil. Windkanaluntersuchungen und numerische Stromungssimulationsrechnungen konnen das Umstromungsgebaren an den Enden Auftrieb erzeugender Stromungskorper erklaren und visualisieren. Dabei zeigt sich, dass jeder durch das Auftriebsgebaren einer Tragflugelflache induzierter Wirbelzopf hinsichtlich seiner Geschwindigkeitsverteilung in seinem Querschnitt kompakt ist und ein graduelles rotatorisches Fernfeld ausbildet. Bei einem Doppeldecker existieren zwei kompakte Wirbelzopfe (bei einem Dreidecker drei Wirbelzopfe usw.) (1) gleicher Drehrichtung und (2) ahnlicher oder in einem gunstigen Fall, gleicher Intensitat. Aufgrund der Fernfeldbeziehungen beginnen die Wirbelzopfe im Nachlauf ihrer Entstehungsorte um ein gemeinsames Zentrum zu rotieren. Ein schraubenartiges Wirbelspulengebilde entsteht. Wahrend die Wirbelzopfe auf dem Mantel der Wirbelspule stromabwarts um eine gemeinsame zentrale Achse rotieren bildet sich innerhalb der Wirbelspule entlang des zentralen Stromfadens eine beschleunigte Stromung aus, die nach auGen durch den Wirbelmantel begrenzt und gefuhrt wird. Dieses als „Wirbelspuleneffekt" bezeichnete Phanomen wurde in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts durch messtechnische Untersuchungen belegt (Ingo Rechenberg, Technische Universitat Berlin) und eine erste Theorie der Wirbelspule entwickelt. Die Stromung innerhalb der Wirbelspule ist intensiv; die Geschwindigkeiten konnen gegenuber der den Wirbelspuleneffekt hervor- rufenden Flugelumstromung mehr als den dreifachen Wert der anfachenden Stromungsgeschwindigkeit annehmen. Windkanalmessungen zeigen, dass eine zu einer den Auftrieb generierende Tragflachen der kumulierten Tragflugeltiefe t erzeugte Wirbelspule stromabwarts weithin stabil existiert und uber die gesamte Distanz einen intensiven „Stromungsjet" produziert. Das Geschwindig- keitsniveau der Innenstromung kann derart ansteigen, dass aufgrund der Druckabnahme im Jet (Bernoulli-Gleichung, Kontinuitat) die umhullende Mantelstromung implodieren kann und die den Effekt tragende Wirbelspule ihre schraubenformige Struktur verliert.

Der Effekt wurde in den 80er Jahren fur funf- sieben und neungangige Wirbelspulen ausfuhrlich untersucht und in zahlreich wissenschaftlichen Arbeiten dokumentiert. Aus irgendeinem Grund funktionierten ungradzahlige Tragflugelkonfigurationen besser, erst bei n>10 spielte dieser merkwurdige Umstand eine geringere Rolle. Interessanterweise war man um die naheliegen- den zwei- und dreigangigen Wirbelspulen nicht sonderlich bemuht, was aus heutiger Sicht damit erklart werden kann, dass sich die Erforschung der Wirbelspuleneffekte sich anwendungsbezogen an der Entwicklung von Windkraftanlagen nach dem WSP-Prinzip und deren Leistungsoptimierung orientierte.

Geschwindigkeit und Stromungsfeld. Die zu einem Wirbelfaden gehorige Stromung ist, bis auf den Wirbelfaden selbst wirbelfrei. Ist der Wirbelfaden gerade, sprechen wir von einem Potentialwirbel. Eine Stromung kann durch ihr Geschwindigkeitsfeld beschrieben werden und eine Wirbelstromung durch ihr Wirbelfeld. Geschwindigkeitsfeld und Wirbelfeld hangen physikalisch zusammen. Bei der Betrachtung von Geschwindigkeitsfeld und Wirbelfeld taucht das aus der allgemeinen Feldtheorie stammende und in der Elektrodynamik gelaufige Gesetz von Biot und Savart auf. Ist das Geschwin­digkeitsfeld bekannt, kann mit den Beziehungen von Biot und Savart das Wirbelfeld berechnet werden. Die Differentiation des Geschwindigkeitsfeldes (Bildung der Rotation) ist das Wirbelfeld. Gleichsam kann man das Geschwin­digkeitsfeld aus dem Wirbelfeld berechnen. Die Integration des Wirbelfeldes ist das Geschwindigkeitsfeld. Die Integration des (fluidmechanischen) Wirbelfeldes entspricht der Anwendung des Gesetzes von Biot und Savart auf eine fluidische Stromung.

Mit der Zirkulation r bezeichnet man die Starke eines (beispielsweise um eine Tragflache kreisenden) Wirbels, bzw. den Beitrag des Ringintegrals der Zirkulationsgeschwindigkeit vr uber die Weglange sr. Bei einem starren Wirbel herrscht eine konstante Winkelgeschwindigkeit wW und an einem beliebigen Abstand r die Tangentialgeschwindigkeit vTW.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Man unterscheidet weiterhin Potentialwirbel, sie besitzen einen Geschwindig- keitsgradient im ferneren Feld und Rankine-Wirbel, die ein Modell fur die Superposition von starrem Wirbel und Potentialwirbel sind. Mit der Zirkulation und dem Ringintegral der Zirkulationsgeschwindigkeit uber die Weglange s, kann die Auftriebskraft FA eines Flugels mit der Spannweite b angegeben werden. Es entsteht eine handliche Formulierung der Zirkulation um einen Tragflugel. Nach Kutta-Joukowski3 folgt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Damit ist die Zirkulation um einen Tragflugel gegeben:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3 Der Satz von Kutta-Joukowski beschreibt die Proportionalitat des dvnamischen Auftriebs zur Zirkulation.

[...]


[1] Ludwig Prandtl (* 4. 2. 1875 in Freising: 1 15. 8. 1953 in Gottingen) war Physiker und lieferte bedeutende Beitrage zum grundlegenden Verstandnis der Stromungsmechanik Prandtl entwickelte die Grenzschichttheorie.

[2] Max Michael Munk (* 22. 10. 1890 in Hamburg111: + 1986) war ein deutsch-amerikanischer Aeronautiker.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Zur stationären strömungsmechanischen Wirbelspule
Untertitel
Fluidmechanische Phänomenologie der Dreideckerkonfiguration
Autor
Jahr
2018
Seiten
18
Katalognummer
V426178
ISBN (eBook)
9783668705128
ISBN (Buch)
9783668705135
Dateigröße
969 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Tragflügelsysteme in Dreideckerkonfiguration stehen derzeit nicht oben in den Forschungsagenden der Namhaften und es bleiben im Laborbetrieb relativ einfachfach darstellbare, auf der Wechselwirkung von Wirbeln basierende Strömungsphänomene, unbeachtet.
Schlagworte
wirbelspule, fluidmechanische, phänomenologie, dreideckerkonfiguration
Arbeit zitieren
Dipl.-Ing. Michael Dienst (Autor:in), 2018, Zur stationären strömungsmechanischen Wirbelspule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/426178

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