Allen Ginsberg - Buddhist und Dichter


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

25 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Ginsberg und Buddhismus
2.1. Die Beat Generation und Buddhismus: Jack Kerouac und Gary Snyder
2.2. Eine spirituelle Odyssee – Ginsberg in Indien und Japan
2.3. Die Auswirkungen des Asienaufenthaltes – gelebter Buddhismus

3. Buddhismus in Ginsbergs Werken
3.1. „Sunflower Sutra“
3.2. „The Change: Kyoto - Tokyo – Express“
3.3. Meditation und Mantras
3.3.1. Spontaneität und Haikus (Bsp.: Ginsbergs Haikus)
3.3.2. Mantra-Gesänge (Bsp.: „Ah – Mantra of Appreciation of Present Space and the Details Therein“)

4. Fazit

5. Literaturliste

1. Einleitung

Im Jahr 1960 begibt sich der Dichter Allen Ginsberg, der der sog. Beat Generation[1] zugeordnet wird, für einen Zeitraum von zwei Jahren nach Indien und Japan, wo er sich intensiv mit buddhistischer Literatur und verschiedenen Meditationspraktiken auseinandersetzt.

Ginsbergs literarisches und persönliches Leben war bis zu diesem Zeitpunkt geprägt gewesen von einer Vision, die ihm Ende der 40er Jahre widerfahren war: Eigenen Angaben zufolge hatte er den Dichter William Blake verschiedene Gedichte rezitieren hören. Diese Vision bestimmt für viele Jahre thematisch seine Gedichte.[2] Durch Blakes Stimme fühlt er sich mehr als fünfzehn Jahre lang zu den unterschiedlichsten Bewusstseins-Experimenten gedrängt, um endlich eine Dichtung hervorbringen zu können, die „not only truly means what it says, but says something seldom thought“[3]. Da Ginsberg bei diesen Experimenten vor allem die Hilfe bewusstseinserweiternder Drogen hinzuzieht, um die Vision zu wiederholen und dadurch ein weiteres Mal Blake zu evozieren, gerät jedoch sein inneres Gleichgewicht aus der Kontrolle;[4] er durchlebt viele Augenblicke der Angst- und Schreckensvisionen. Er realisiert, dass dieses „constant yearning back to Blake“[5] ihm eine klare Sicht seiner selbst und der Dinge um sich herum – seinem eigentlichen Ziel - verwehrt. Er gelangt letztlich zu dem Entschluss, nach Indien zu gehen, in der Hoffnung, im Buddhismus eine Lösung für sich und seine Arbeit als Dichter zu finden.

Die vorliegende Arbeit untersucht Ginsbergs Hinwendung zum Buddhismus und die Veränderung, die seine Gedichte durch einen thematischen und stilistischen Einfluss des Buddhismus erfahren. Der Forschung zu diesem Thema ist unglücklicherweise ein Unverständnis seiner buddhistisch geprägten Dichtung zueigen, das sich möglicherweise sowohl auf eine Distanz zwischen westlicher und östlicher Philosophie und Denkweise, als auch auf eine Unkenntnis von Ginsbergs persönlichem Gebrauch der buddhistischen Lehre zurückführen lässt.[6] Die Bewertung von Ginsbergs Verständnis des Buddhismus gemäß einer korrekten Auslegung der buddhistischen Lehre ist nach Ansicht der Verfasserin nicht die Grundlage für die Analyse seiner Gedichte. Vielmehr setzt sich die vorliegende Arbeit zum Ziel, zum einen Ginsbergs persönliches Verständnis des Buddhismus, welches sich durch dessen Erkenntnisse in Asien herausgebildet hat, als Grundlage in die Analyse zu integrieren und zum anderen die Manifestierung seiner auf dieser persönlich interpretierten buddhistischen Lehre basierenden Dichtung aufzuzeigen. Dabei betrachtet die vorliegende Arbeit eine Zeitspanne von einigen Jahrzehnten in Ginsbergs Leben, um sowohl Gedichte vor als auch nach seiner Asienreise als Vergleichsgrundlage integrieren zu können.

In Absatz 2 wird zunächst beschrieben, wie sich Ginsbergs Annäherung an den Buddhismus entwickelt und er seine Kenntnisse ausbaut. Darauf folgt in Absatz 3 anhand ausgewählter Gedichte eine Analyse, die die Entwicklung einer Akzentuierung der buddhistischen Gedankenwelt in Ginsbergs Werken aufzeigt, welche deutlich auf seine erste Begegnungen mit dem Buddhismus und die Asienerlebnisse Bezug nehmen. Außerdem wird ein stilistischer Einfluss des Buddhismus auf Ginsbergs Gebrauch von Sprache und auf die Form seiner Gedichte evaluiert. Für die Analyse waren vor allem zwei Sekundärwerke ausschlaggebend:

Zum einen der Aufsatz „Buddhist Meditation and Poetic Spontaneity“ von Paul Portugés und Guy Amirthanayagam und zum anderen Portugés The Visionary Poetics of Allen Ginsberg.

2. Ginsberg und Buddhismus

2.1 Die Beat Generation und Buddhismus: Kerouac und Snyder

Der literarische Schwerpunkt vieler Autoren der Beat Generation liegt Anfang der 50er Jahre auf einer gesellschaftskritischen Haltung gegenüber dem amerikanischen Klein- und Spießbürgertum der Gegenwart. Zusätzlich ist Jazz als Teil des kulturellen Lebens vieler dieser Künstler zu einem festen Bestandteil ihrer Arbeiten geworden. Sowohl thematisch, als auch stilistisch schlägt sich vor allen Dingen die Idee und Praxis der Improvisation in einigen Gedichten und Romanen, aber auch in der darstellenden Kunst nieder.[7] Allen Werken zueigen ist eine allgemeine Unzufriedenheit und Rastlosigkeit, die sich in Werken wie Ginsbergs Gedicht „Howl“[8] oder Kerouacs Roman On the Road[9] niederschlagen. Anstatt jedoch innerhalb dieses Schwerpunktes, der Unzufriedenheit mit der gesellschaftlichen Gegenwart, zu stagnieren, wenden sich einige Dichter und Autoren der Beat Generation für eine neue Sinnsuche gen Osten – nach Indien, Tibet und Japan.[10]

Jack Kerouac ist einer der ersten Romanautoren der Beat Generation, die sich mit dem Buddhismus auseinandersetzen; dieser buddhistische Einfluss ist in Werken wie Tristessa[11] oder The Dharma Bums[12] zu spüren. Kerouacs Kenntnisse über den Buddhismus basieren dabei einzig auf privat durchgeführten Studien von buddhistischen Originaltexten, Meditationsübungen und dem Rezitieren von Sutras[13] ; er begibt sich im Gegensatz zu befreundeten Künstlern nie nach Asien. Im Buddhismus findet Kerouac sowohl thematisch Anregungen für sein Schreiben, aber vor allen Dingen findet er Rückhalt für seine Idee der spontaneous prose[14], die auch Allen Ginsberg später immer wieder betonen und selbst anwenden wird (s. Absatz 3.3.1):

The Surangama Sutra, for example, affirmed Kerouac’s own commitment to spontaneity; in the sutra, the Buddha counsels: “If you are now desirous for more perfectly understanding Supreme Enlightenment and the enlightenment nature of pure Mind-Essence, you must learn to answer questions spontaneously with no recourse to discriminating thinking.”[15]

Ein weiterer Dichter, der sich als einer der ersten aktiv dem Buddhismus zuwendet, ist Gary Snyder. Er begibt sich nach Japan, wo er nach professioneller Anleitung eines Meisters Zen Buddhismus studiert und praktiziert. Nach dem Aufenthalt versucht er, seinen Freunden in San Francisco die verschiedenen Praktiken, bspw. die Sitz–Meditation, beizubringen.[16] Während seiner Zeit in Japan entstehen Snyders erste zwei vom Buddhismus beeinflusste Gedichtbände RipRap[17] und Myths & Texts[18]. Obwohl sich Snyder räumlich weit entfernt von seinen befreundeten Künstlern in San Francisco befindet, erhält der fernöstliche Einfluss auf das Schreiben einiger anderer Mitglieder der Beat Generation besonders durch ihn große Unterstützung. Sowohl durch die Veröffentlichung seiner Gedichtbände als auch durch die enge Freundschaft zu den Dichtern der San Francisco–Gemeinschaft steigert sich deren Interesse am Buddhismus: Joanne Kyger, Philip Whalen und nicht zuletzt Allen Ginsberg sind unter denen, die sich an Snyder ein Beispiel nehmen und schließlich ebenfalls nach Asien reisen.[19]

2.2 Eine spirituelle Odyssee – Ginsberg in Indien und Japan

Allen Ginsberg hat sich eigenen Angaben zufolge schon einige Zeit mit buddhistischen Texten und Yoga befasst,[20] bevor er nach Indien geht. Angetrieben durch eine innere Unruhe, die seit seiner Blake-Vision an ihm haftet, welche er immer wieder durch diverse Drogenexperimente zu wiederholen versucht, befindet er sich auf der Suche nach etwas Dauerhaftem, das er im Westen nicht zu finden scheint, wie er später rückblickend in einem Interview sagt:

I had had some similar visionary experiences on my own – in the late 40s they were related to Blake, and then in the early 50s and late 50s I had some minor experience of psychedelic drugs – peyote, mescaline, the cactus (…). So I’d seen a lot of internal mandalas in my mind that reminded me of the pictures I’d seen in Tibetan Buddhism and of the universal form of Krishna in the Gita. So I was tuned into that kind of mythologic archetype as a real experience of consciousness, and I was looking for some way to make it more permanent, or mastering it or getting clearer about it in my own mind… I was interested in what that older culture still had as a living transmission of spiritual and visionary energy because in the West there didn’t seem to be one.[21]

Am 15. Februar 1962 treffen Allen Ginsberg und Peter Orlowsky in Indien ein, mit einer gemeinsamen Reisekasse von einem amerikanischen Dollar.[22] Nach kurzer Zeit gesellen sich Gary Snyder und Joanne Kyger zu den beiden und zusammen begeben sie sich auf eine zweimonatige Reise durch Indien. Sie befassen sich mit Kunst und Natur, suchen aber vor allen Dingen den Gedankenaustausch mit verschiedenen buddhistischen Meistern. Ginsberg entdeckt während dieser Zeit eine neue Leidenschaft: indische Musik und indischer Tanz. Beides wird er später in sein künstlerisches Wirken einfließen lassen (s. Absatz 3.3.2). Zudem befasst er sich immer intensiver mit Werken buddhistischer Dichtung (s. Absatz 3.3.1) und Philosophie.

In den nächsten zwei Jahren wohnen Ginsberg und Orlovsky in verschiedenen Städten Indiens, wo sie als normale Bürger auftreten möchten, hin und wieder jedoch Probleme mit indischen Offiziellen haben. Ginsberg hat während dieser Zeit Schwierigkeiten, Gedichte zu verfassen, dennoch führt er beständig Tagebuch.[23] Orlovsky und Ginsberg leben in einfachen Verhältnissen, lernen die verschiedensten Menschen und Gegenden kennen und üben sich weiter in Drogenexperimenten. Beide Dichter widmen sich den Kranken und Leidenden, die zu Hunderten in den Straßen Indiens leben und sterben, und versorgen diese mit Kleidung und Nahrung. Ausschlaggebend für eine sich später ereignende Veränderung Ginsbergs sind jedoch die Erlebnisse, die er bei den indischen Verbrennungen macht: Er nimmt an den Toten–Prozessionen teil und wird erstmalig Zeuge, wie sich ein Mensch langsam im Feuer auflöst. Die Konfrontation mit Elend, Krankheit und Leid verarbeitet Ginsberg nach seinem Indienaufenthalt in einem Gedicht (s. Absatz 3.2).

Während Ginsberg bei den Treffen mit buddhistischen Weisen seinen persönlichen Meister zu finden versucht, erhält er immer wieder sich ähnelnde Ratschläge. An seinem sechsunddreißigsten Geburtstag trifft er auf Dudjom Rinpoche, den Kopf der ältesten Schule der tibetischen Buddhisten. Dieser rät ihm, sich an nichts zu klammern, sei es nun besonders schön oder schrecklich.[24] Die Konsultationen anderer heiliger Männer laufen auf den Rat hinaus, Ginsberg solle einzig seinem Herzen folgen.[25] All diese Begegnungen haben eine durchweg positive Wirkung auf ihn. Er erinnert sich der Ruhe und Gelassenheit, die bei den Treffen von den heiligen Männern ausging:

[...]


[1] Der Begriff Beat Generation umfasst eine lose Gruppierung von Künstlern (Dichter, Maler, Musiker), die sich zwischen den 40er und 60er Jahren in der Jazz-Musik-Szene von San Francisco und New York bewegten und von dieser geprägt wurden. Der Begriff erlangte Popularität, nachdem Jack Kerouac in einem Interview mit John Clellon Holmes im Jahre 1948 das Wort „Beat“ (im Sinne von ausgezerrt, müde, geschlagen) als Beschreibung des Zustandes seiner Generation benutzte.

[2] Portugés nennt dabei als herausragend „the quests of doom and death“. Paul Portugés, The Visionary Poetics of Allen Ginsberg (Santa Barbara: Ross-Erikson Publishers, 1978) 62.

[3] Ebd.

[4] Vgl. ebd., 93.

[5] Ebd., 92.

[6] Vgl. Tony Trigilio, „Will You Please Stop Playing with the Mantra?“, Reconstructing the Beats, Hrsg. Jennie Skerl (New York: Palgrave Macmillan, 2004), 188.

[7] Vgl. Jack Kerouac, On the Road (New York: The Viking Press Inc., 1957) und Mexico City Blues (New York: Grove Press, 1959). In einigen Passagen in On the Road und Mexico City Blues lässt sich aus Kerouacs spontaneous prose ein direkter Vergleich zur musikalischen Improvisation im Jazz ziehen. Siehe dazu Warren Tallman, „Kerouac’s Sound“, Evergreen Review Vol. 4, 1 (1960). Auch die Arbeiten des Malers Jackson Pollock basieren auf der Idee der Improvisation.

[8] Allen Ginsberg, Howl and Other Poems (San Francisco: City Lights Books, 1956).

[9] Vgl. Kerouac, On the Road.

[10] Zu diesen gehören u. a. Gary Snyder, Lew Welch, Philip Whalen.

[11] Vgl. Kerouac, Tristessa (New York: Avon Books, 1960).

[12] Vgl. ebd., The Dharma Bums (New York: The Viking Press Inc., 1958).

[13] Eine Definition des Wortes „Sutra“ ist: „Sutra in Sanskrit is derived from the verb √siv, meaning to sew. It literally means a rope or thread, and more metaphorically refers to an aphorism (or line, rule, formula), or a collection of such aphorisms in the form of a manual. (…) In Buddhism, the term ‘sutra’ refers generally to canonical scriptures that are regarded as records of the oral teachings of Buddha.“ http://en.wikipedia.org/wiki/Sutran [29.06.2005].

[14] Vgl. Jack Kerouac, „Essentials of Spontaneous Prose“, Black Mountain Review (Autumn, 1957).

[15] Tonkinson, 24.

[16] Vgl. Tonkinson, 172.

[17] Gary Snyder, Riprap (Japan: Origin Press, 1959).

[18] Gary Snyder, Myths & Texts (New York: Totem Press/Corinth Books, 1960).

[19] Vgl. Tonkinson, 172.

[20] Vgl. Suranjan Ganguly, „Allen Ginsberg in India: An Interview“, ARIEL: A Review of International English Literature (The University of Calgary Press, 1993 October; 24, 4) 22.

[21] Ebd., 23-24.

[22] Vgl. Michael Schumacher, Allen Ginsberg: Eine kritische Biographie (St. Andrä Wördern: Hannibal Verlag, 1999) 334.

[23] Diese Tagebücher sind erschienen unter: Allen Ginsberg, Indian Journals (San Francisco: Dave Haselwood Books / City Lights Books, 1970).

[24] Vgl. Schumacher, 342.

[25] Vgl. ebd., 351. Portugés berichtet, dass einer der Heiligen, Swami Shivananda, Ginsberg den folgenden Rat gebe: „Your own heart is your guru“. Portugés, 93.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Allen Ginsberg - Buddhist und Dichter
Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf  (Anglistisches Institut)
Veranstaltung
American Poetry after 1945
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
25
Katalognummer
V42557
ISBN (eBook)
9783638405638
ISBN (Buch)
9783638730341
Dateigröße
597 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Arbeit beschreibt Ginsbergs Aufenthalt in Asien und seine Hinwendung zum Buddhismus. Es wird detailliert dargestellt, auf welche Weise der Buddhismus seine Gedichte und Vorträge beeinflusst hat - sowohl thematisch als formal. Untersucht wurden dabei "Sunflower Sutra", "The Change", "Ah - Mantra of Appreciation" und einige kurze Haikus.
Schlagworte
Allen, Ginsberg, Buddhist, Dichter, American, Poetry
Arbeit zitieren
Christine Recker (Autor:in), 2005, Allen Ginsberg - Buddhist und Dichter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/42557

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