Der Novellierungsprozess zum EEG. Die Rolle von BMU und BMWA in der Politikformulierung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

35 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Entwicklung der Einspeisevergütung in Deutschland bis zur Novellierung des EEG

3. Akteure und Interessen
3. 1. Akteure
Staatliche Akteure
Parteien
Wirtschaft
Umweltverbände
Gewerkschaften
3. 2. Akteurskonstellationen in der EEG-Novellierung
Die Befürworterkoalition
Die Gegnerkoalition

4. Der Novellierungsprozess
4. 1. Zu Notwendigkeit einer Novellierung und Agenda Setting
4. 2. Die Politikformulierung
Bis zum ersten Referententwurf
Reaktionen auf den Referentenentwurf
Ressortabsprache, Photovoltaik-Vorschaltgesetz und zweiter Referentenentwurf
Reaktionen
Anhörung im Ausschuss und Beschluss im Bundestag
Vermittlungsverfahren und Verabschiedung

5. Schluss

Literatur und Quellen

1. Einleitung

Mit der Wiederwahl der rot-grünen Koalitionsparteien im Jahr 2002 wechselte nach Stimmenzuwächsen für die Grünen die Zuständigkeit für die erneuerbaren Energien vom Wirtschafts- zum Arbeitsministerium. Bald danach wurde eine Neufassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes aus dem Jahr 2000 auf den Weg gebracht.

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage danach, wie sich diese Änderung auf den Novellierungsprozess auswirkte.

Dass die Untersuchung sich also an der Rolle der beteiligten Akteure ausrichtet, liegt auf der Hand. Dabei liegt die Annahme nahe, dass die Kompetenzübernahme des, die Förderung der Nutzung erneuerbarer Energien durch eine Einspeisevergütung befürwortenden, Umweltministeriums die Zusammenarbeit zwischen Kabinett und und Parlament vereinfachen werde, zumal in den Koalitionsfraktionen dieselbe Auffassung vorherrscht. Allerdings darf hier nicht übersehen werden, dass besonders innerhalb der SPD-Fraktion eine starke Gruppe nach ökonomischen Kriterien argumentierender Parlamentarier gibt, die dem Gesetz skeptisch gegenüberstanden.

Die beiden Bundesministerien können, wie dargelegt werden wird, bei all dem als zentrale Akteure der sich gegenüberstehenden Interessenkoalitionen verstanden werden und sind als solche lohnenswerte Untersuchungsgegenstände. Dennoch sind sie keineswegs die einzigen relevanten Akteure. Der Konflikt zwischen den beiden Ministerien zeichnete sich bereits im Entstehungsprozess des ersten EEG ab. Damals hatte bedingt durch die Blockadehaltung des Wirtschaftsressorts das Parlament die gestaltende Rolle übernommen.

Zunächst soll also ein historischer Abriss zur Entwicklung der Förderung der erneuerbaren Energien durch Einspeisevergütungsregelungen seit den frühen 1990er Jahren gegeben werden. Danach folgt die Darstellung der Akteurs- und Interessenkoalitionen im Bereich der Nutzung erneuerbarer Energieträger zur Stromerzeugung, um zuletzt deren Rolle im Novellierungsprozess unter besonderer Berücksichtigung der beiden Ministerien zu untersuchen und darzustellen.

2. Entwicklung der Einspeisevergütung in Deutschland bis zur Novellierung des EEG

Das im Jahr 2000 beschlossene Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) basiert auf dem Stromeinspeisegesetz (Gesetz über die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien in das öffentliche Netz - StrEG), das bereits 1991 inkrafttrat. Dieses Gesetz verpflichtete die Netzmonopolisten zur Abnahme der aus erneuerbaren Quellen produzierten Energiemengen und deren Vergütung nach dem zwei Jahre zuvor erzielten durchschnittlichen Endverbraucherpreis.

Aus Wind- und Sonnenenenergie produzierter Strom wurde mit 90 Prozent des Endpreises, die Stromerzeugung aus Wasserkraft, Klär- und Deponiegas wurden bis 500 kW mit 80, darüber mit 65 Prozent des durchschnittlichen Endkundenpreises an die Erzeuger vergütet. Die Obergrenze der Anlagengröße für die Förderung betrug 5 MW. Damit wurde bewusst die Förderung kleiner Anlagen unabhängiger Betreiber angestrebt (vgl. Reiche 2004: 145).

Vom Gesetz profitierten vor allem Wind- und Wasserkraft. Bis 1998 waren Windkraftanlagen mit mehr als 2 GW Leistung installiert – 1990 waren es nur etwa 64 MW gewesen (Luber 2004).

1998 wurden in einer Novelle die schon im ursprünglichen StrEG enthaltene Härtefallregelung durch die Einführung des doppelten 5-Prozent-Deckels konkretisiert, die die Energieversorgungsunternehmen in Gebieten mit großem Potential für die Nutzung erneuerbarer Energien zur Stromerzeugung davor bewahren sollte, ihre Preise deutlich über die vorgelagerter Netzbetreiber erhöhen zu müssen, indem die maximalen jährlichen Kosten der Energieversorgungsunternehmen (EVU) nach dem StrEG 5 Prozent nicht übersteigen sollten. Andernfalls konnten diese auf vorgelagerte Netzbetreiber umgelegt werden. War ein solcher nicht vorhanden, musste für neu ans Netz genommene Anlagen keine Vergütung nach StrEG gezahlt werden. Da die Adressaten der Regelung letztlich die lokalen Netzbetreiber als Gebietsmonopolisten waren, wurde eine Neuregelung infolge der Strommarktliberalisierung und der bestehenden Rechtsunsicherheiten[1] nötig (vgl. Bechberger 2000: 6f., 10ff.). Überdies war in einigen norddeutschen Gebieten der 5%-Deckel bereits erreicht, eine Förderung neu errichteter Anlagen wäre dort also nicht mehr erfolgt. Weitere Gründe für eine Neuregelung der Einspeisevergütung lagen in der Strommarktliberalisierung begründet – die Bindung der Vergütungshöhe an die Endverbraucherpreise hätte bei sinkenden Marktpreisen eine zeitverzögerte Absenkung der Vergütungssätze zur Folge gehabt. Darüber hinaus wären einige norddeutsche EVU im Wettbewerb durch einen vergleichsweise hohen Anteil einspeisender Windkraftwerke benachteiligt gewesen. Außerdem hatte sich gezeigt, dass eine angemessene Förderwirkung für Solar-, Biomasse- und Deponie- und Klärgasanlagen bei den gegebenen Fördersätzen nicht erreicht wurde und sich andererseits an einigen besonders günstigen Windkraftstandorten bereits Mitnahmeeffekte einstellten. Geothermie und Grubengas waren im StrEG noch nicht berücksichtigt (vgl. Reiche 2004: 145).

Angesichts weitreichender Ziele der neuen Regierung wurde nach den Wahlen im Jahr 1998 eine Modernisierung der Förderung der Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen angestrebt, die die angesprochenen Defizite beseitigen, die Marktchancen erneuerbarer Energien verbessern und zur Senkung der CO2-Emissionen beitragen sollten. Derartige Aussagen verweisen auf eine insgesamt ausgeprägtere ökologische Schwerpunktsetzung der Politik hin (vgl. SPD 1998 u. Bechberger 2000: 7f.).

Im April 2000 trat das Gesetz über den Vorrang Erneuerbarer Energien (EEG) nach Abstimmung in Bundestag und Bundesrat inkraft. Der Gesetzgebungsprozess war durch Konflikte zwischen den Koalitionsfraktionen und dem zuständigen Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi), dem die Ausarbeitung der geplanten StrEG-Novelle oblag, geprägt, so dass die Koalitionsfraktionen letztlich nach drei Referentenentwürfen aus dem BMWi, in denen zum Teil konkrete Absprachen mit den anderen beteiligten Ministerien und den Fraktionen missachtet wurden, einen eigenen Gesetzesentwurf in den Bundestag einbrachten und am 25. Februar 2000 verabschiedeten (vgl. dazu ausführlich: Bechberger 2000). Konkrete Konfliktpunkte waren Höhe und Ausgestaltung der Vergütungssätze, insbesondere für Photovoltaik, die Einbeziehung bestimmter Technologien und die Ausgestaltung des Ausgleichsmechanismus für die unterschiedlichen Kosten der Netzbetreiber durch regional verschieden hohe Mengen nach dem Gesetz eingespeisten Stroms.

Das Gesetz bietet mit garantierten, um Anreize zur Effizienzsteigerung zu setzen, degressiven Vergütungssätzen Planungssicherheit über 20 Jahre. Dies kann als Erfolgsbedingung zum Boom der regenerativen Stromerzeugung nach Einführung des EEG gelten (vgl. Reiche 2004: 150). Die regional unterschiedliche Belastung der Netzbetreiber durch die im Verlauf eines Jahres geleisteten Vergütungszahlungen nach dem EEG wurde über einen bundesweiten Ausgleichsmechanismus zwischen den EVU geregelt.

Bechberger (2000: 51ff.) stellt die Akteurskonstellation, die Aufstellung von Gegner- und Befürworterkoalition des EEG, als wichtigen Erfolgsfaktor für die Einführung des EEG heraus. Die Befürworter, die Regierungsfraktionen im Bundestag, das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU), der Bundesverband Eneuerbare Energie (BEE) und Umweltverbände, konnten durch eine „offene und pluralistische“ Netzwerkstruktur (ebd.) und eine gute Zusammenarbeit im Diskussionsprozess schnell reagieren[2] und so die klassische Gegnerkoalition schwächen, zumal der Verband der deutschen Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) als eigentlich traditioneller Industrieverband in zunehmendem Maße im Sinne der Produzenten der Windkraftbranche für die Befürworter sprach. Überdies führte die wenig kooperative Haltung des Wirtschaftsministeriums dazu, dass die eine weitergehende Neufassung des Gesetzes unterstützenden Fraktionen der Koalition im Bundestag das Heft in die eigenen Hände nahmen und einen eigenen Gesetzesentwurf einbrachten und schnell und effektiv verabschiedeten. Dass schließlich auch der Bundesrat mit seiner CDU-Mehrheit das Gesetz annahm, ist ein weiterer Hinweis darauf, dass eine wesentliche Erfolgsbedingung der Verabschiedung des EEG die größere Geschlossenheit seiner Befürworter als Gegner war: die Christdemokraten jedenfalls waren weder der einen noch der anderen Gruppe ganz zuzurechnen.

Im Juni 2001 wurden die Regelungen des EEG durch die Biomasseverordnung des BMU ergänzt, die festlegt, welche Arten und Technologien der Energiegewinnung aus Biomasse unter die Bestimmungen des Gesetzes fallen. Im Mai 2002 wurde das beim EuGH anhängige Beihilfeverfahren gegen die Regelungen des EEG beigelegt. Das schuf zusätzliche Rechtssicherheit für Einspeisevergütungsregelungen zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Um Planungssicherheit bezüglich der Förderung der Photovoltaik nach dem Auslaufen des 100.000-Dächer-Programms und die im EEG vorgeschriebene Anpassung der Vergütungssätze zu gewährleisten, wurde Ende 2003 das Photovoltaik-Vorschaltgesetz verabschiedet. Bereits im Juli 2002 musste der 350 MW-Deckel für die Vergütung von Solarstrom nach dem EEG wegen des großen Erfolgs des Marktanreizprogramms auf 1000 MW angehoben werden (Luber 2004: 6).

Zu Beginn des Jahres 2003, bereits im Zuge der Novellierung des EEG, wurde auf Betreiben von Industrie und Wirtschaftsministerium eine Härtefallregelung eingeführt, die energieintensive Unternehmen mit einem Stromkostenanteil von mehr als 20 Prozent an der Bruttowertschöpfung und einem Verbrauch von mehr als 100 GWh von der Zahlung der Umlage der Kosten der Einspeisevergütung nach dem EEG befreit.

3. Akteure und Interessen

3. 1. Akteure

Staatliche Akteure

Die maßgeblichen staatlichen Akteure der EEG-Novellierung waren das Umwelt- und das Wirtschaftsministerium. Nachdem Bündnis 90/Die Grünen mit Stimmenzuwachs aus den Bundestagswahlen 2002 hervorgegangen waren, hatten sie erfolgreich eine Stärkung der von ihnen geleiteten Ministerien gefordert, darunter die Übertragung der Zuständigkeiten für die erneuerbaren Energien vom Wirtschafts- auf das Umweltministerium. Alle weiteren Kompetenzen im Energiebereich verblieben beim nunmehrigen Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA). In der Folge dieser Neuordnung oblag die Novellierung des EEG dem BMU.

Das BMWA hat nach der Neustrukturierung nur mehr mittelbare Zuständigkeit für die erneuerbaren Energien, setzt aber die allgemeinen Rahmenbedingungen der Energiepolitik etwa durch die Entscheidung des Ausmaßes der Förderung von Energieträgern, die wie insbesondere die Kohle mit den erneuerbaren konkurrieren. Überdies verfügt das BMWA immer noch über „zumindest die personelle Kapazität, um Debatten anzustoßen“ und kann über selbst in Auftrag gegebene Gutachten seine Auffassungen in die öffentliche Diskussion einbringen (Reiche 2004: 91).

Insgesamt und insbesondere in Fragen der erneuerbaren Energien verstehen sich die beiden Ministerien gegenseitig als hauptsächliche Konkurrenz in den Aushandlungsprozessen innerhalb der Regierung (ebd. 85).

Parteien

Da die Kompetenz zur Gesetzgebung beim Parlament liegt, sind die Positionen der im Bundestag vertretenen Parteien zu den erneuerbaren Energien von vornehmlicher Wichtigkeit für die hier untersuchte Novellierung des EEG.

Den größten Stellenwert hat das Thema innerhalb der Partei Bündnis 90/Die Grünen, wo ihm viel Raum in der Programmatik eingeräumt wird, da ihm eine identitätsstiftende Bedeutung für die Partei zukommt. Langfristig möchten die Grünen ganz ohne fossile Energieträger auskommen; bis 2006 soll der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung gegenüber 2002 verdoppelt werden (Bündnis 90/Die Grünen 2002: 30ff.; Reiche 2004: 93). Die anderen Parteien verfolgen weniger ambitionierte Pläne zur Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien: die SPD möchte die Verdopplung bis 2010, CDU/CSU streben die Erfüllung der EU-Zielvorgabe eines Anteils von 12,5 Prozent an, eine gesetzliche Regelung darüber hinaus wird „nicht für sinnvoll gehalten“ (CDU/CSU-Bundestagsfraktion 2004). Die FDP formuliert kein Ziel (Reiche 2004: 93f.).

CDU/CSU und FDP äußern darüber hinaus grundsätzliche Kritik an der Gestaltung der Förderung erneuerbarer Energien im EEG. Die FDP sieht das Gesetz als extremen, innovationshemmenden und Mitnahmeeffekte hervorrufenden Eingriff in den Markt und strebt eine Quotenregelung an (vgl. Krauch 2003). Die CDU sieht im EEG einen Grund für die, den Wirtschaftsstandort schädigende, Höhe der Strompreise und fordert eine Beschränkung der Windkraft auf besonders günstige Standorte und im Gegensatz eine gezieltere Förderung grundlastfähiger Technologien der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien insbesondere durch eine verstärkte Förderung von Biomasse-Technologien und Wasserkraft (CDU/CSU-Bundestagsfraktion 2004: 2). Der Windenergie steht die Partei eher ablehnend gegenüber (Luber 2004: 7).

Im Koalitionsvertrag für den Bund legen SPD und Grüne (2002: 38) fest, das EEG und die Förderpolitik mit dem Ziel weiterzuentwickeln, den Anteil erneuerbarer Energien am Primärenergieverbrauch bis spätestens 2010 gegenüber 2000 zu verdoppeln. Im Offshorebereich wurden, bei entsprechender Förderung durch das EEG, bis 2006 Windkraftanlagen mit einer Leistung von wenigstens 500 MW und mindestens 3000MW bis 2010 angestrebt. Die Förderung sollte degressiv und technologiebezogen ausgestaltet werden.

Im Bundestag besteht ein Netzwerk rot-grüner Energiepolitiker, dessen Mitglieder sich treffen, wenn sie den Bedarf dazu sehen (Reiche 2004: 133).

Wirtschaft

Mit Atomausstieg, Strommarktliberalisierung und Versuchen der Reregulierung[3], Emissionshandel, und steigenden Marktanteilen regenerativer Energieerzeugung sieht sich die Energiewirtschaft derzeit in einer Phase erheblicher Veränderungen, die zum guten Teil durch einen ökologisch motivierten politischen Gestaltungswillen hervorgerufen werden. Darüber hinaus müssen in wenigen Jahren große Teile der Kraftwerksparks durch neue Anlagen ersetzt werden (vgl. Luber 2004: 7). Das ist der energiewirtschaftliche und –politische Hintergrund, vor dem die sich die aktuelle Novellierung des EEG abspielte und aus dem sich die Argumentation der wirtschaftlichen Akteure speiste.

Dabei ist es keineswegs so, dass diese Akteure einen einheitlichen Block in Argumentation und Auftreten darstellten, gibt es doch unter ihnen Gewinner und Verlierer der ökologisch ausgerichteten Umstrukturierung des Energiesektors durch den Vorrang erneuerbarer Energien.

Durch die Einspeiseregelungen direkt betroffen sind die vier großen[4] und derzeit 38 regionalen und 189 kommunalen Verteilungsnetzbetreiber, die sich im Verband der Netzbetreiber zusammengeschlossen haben. Diese agieren allerdings nicht allein als Netzbetreiber, sondern stellen de facto vertikal integrierte Energieversorgungsunternehmen[5] dar, die Erzeugung, Übertragung und Verteilung elektrischen Stroms übernehmen. Besonders die vier großen Versorger verfügen über beträchtliche Marktmacht: sie stellen mehr als 80% der Übertragungsnetze und Kraftwerkskapazitäten (Reiche 2004: 96f.). Daneben stellen ihre Konzernbeauftragten Kommunikation und Informationsflüsse zwischen Unternehmen und den Akteuren aus Legislative und Exekutive sicher und können versuchen, den politischen Prozess zu beeinflussen.

Die regionalen Energieversorgungsunternehmen sind zudem im Verband der Verbundunternehmen und regionalen Energieversorger in Deutschland (VRE) und die kommunalen im Verband kommunaler Unternehmen (VKU) zusammengeschlossen.

Der größte Teil, 95 Prozent, der stromwirtschaftlichen Akteure sind im Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) vertreten. In diesem existieren mehrere Gremien zum Themenfeld erneuerbare Energien, darunter eine Arbeitsgruppe, die sich ausschließlich mit der EEG-Novellierung beschäftigte. Der Verband befürwortet den Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien, drängt aber auf Kosteneffizienz (Reiche 2004: 132).

Bedingt durch die Strommarktliberalisierung gibt es zudem weiterhin eine große Zahl weiterer Anbieter auf dem Markt, unter denen im hier untersuchten Zusammenhang sicherlich die Anbieter des sogenannten Ökostroms eine besondere Bedeutung innehaben. Sie sind im Bundesverband Neuer Energieanbieter organisiert, der sich für gleiche Marktchancen und den diskriminierungsfreien Netzzugang einsetzt.

Von großer Wichtigkeit für die Untersuchung sind auch die Untenehmen, die die fossilen Energieträger Öl, Gas und Kohle bereitstellen und handeln. Insbesondere betrifft das die deutsche Kohlewirtschaft, die zum einen mit erneuerbaren Energieträgern in Konkurrenz steht, zum anderen über ausgezeichnete politische Verbindungen verfügt[6]. Der Sektor wird mit großen Summen öffentlich gefördert und ist in einigen Regionen bedingt und durch die Bereitstellung von Arbeitsplätzen sehr bedeutend. Es wird auch in diesem Sinne politisch argumentiert. Im sogenannten Kohlekompromiss von 1997 handelten das Land Nordrhein-Westfalen und der Bund eine Fördersumme von 35 Milliarden Euro bis 2005 aus, bis 2012 tragen Bund und Länder die Differenz zwischen den Förderkosten und dem Weltmarktpreis (FAZ 2003).

Für die Mineralölbranche ist anzumerken, dass sie mit Shell (Siemens und Shell Solar GmbH) und BP (BP Solar) zwei große Produzenten von Solarmodulen stellt. Insgesamt spielen im Bereich der Hersteller Unternehmen der traditionellen Energiewirtschaft eine wichtige Rolle. Die Produktionsanlagen werden oftmals stark öffentlich gefördert (siehe Reiche 2004: 102f.).

Im Bereich der erneuerbaren Energien ist die Windbranche am bedeutendsten. Die Hersteller sind im Verband deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) vertreten, der siehe oben, zwar einerseits ein klassischer Industrieverband, andererseits aber ein bedeutsamer Befürworter der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien ist.

Nachdem seit 2000 auch die Bereitstellung von Strom aus erneuerbaren Quellen durch Vertreter konventioneller Unternehmen nach dem EEG vergütet wird, haben auch diese den Bereich verstärkt berücksichtigt. Hier sind die Wasserkraft, große Biomasseanlagen und Geothermie von Bedeutung (Reiche 2004: 103).

Im Bereich der erneuerbaren Energien existieren verschiedene, zumeist an den Sektoren Biomasse[7], Windenergie[8], Wasserkraft[9] und Geothermie[10] ausgerichtete Branchenverbände, während für Solarenergie mehrere unabhängig voneinander operierende Organisationen[11] bestehen (Reiche 2004: 103ff.).

Umweltverbände

Einige Umwelt- und Naturschutzorganisationen können ein zum Teil beträchtliches Maß an Öffentlichkeit mobilisieren und Politikformulierung beeinflussen. Zu den großen, auf vielen Themengebieten tätigen, Verbänden zählen der Naturschutzbund Deutschland (NABU), der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der World Wide Fund for Nature (WWF) und Greenpeace. Auf Bundesebene agieren alle vier Verbände im wesentlichen für die erneuerbaren Energien, während lokale und regionale Gruppen teilweise mit tier- oder landschaftsschützerischen Argumenten gegen einzelne Windkraftanlagen ins Feld ziehen. Auch auf Bundesebene werden Zielkonflikte zwischen Umwelt- und Naturschutz gesehen, die aber im Zusammenhang mit dem EEG nicht unbedingt vor einer breiten Öffentlichkeit diskutiert werden, um den Eindruck einer ablehnenden Haltung zu vermeiden (vgl. Reiche 2004: 111ff., 131).

Neben diesen Organisationen ist die Europäische Vereinigung für erneuerbare Energien Eurosolar als single-issue-Verband mit dem Ziel die Energieversorgung vollständig auf regenerative Technologien umzustellen ein wichtiger Akteur, der zudem eng mit der Politik verbunden ist. Präsident von Eurosolar ist Hermann Scheer, Bundestagsabgeordneter für die SPD, Vorsitzender von Eurosolar Deutschland ist das bündnisgrüne Bundestagsmitglied Hans-Josef Fell. Beide spielten im Novellierungsprozess des EEG und auch sonst in diesem Politikfeld wichtige Rollen (Reiche 2004: 118).

Die Umweltverbände sind im Deutschen Naurschutzring (DNR) zusammengeschlossen, der mehr als 90 Mitgliedsverbände hat. In manchen Fragen umgehen die großen Verbände den Naturschutzring und äußern sich einzeln oder in Kooperation (Reiche 2004: 131).

Gewerkschaften

Die Einzelgewerkschaften des DGB vertreten je nach Branche unterschiedliche Positionen gegenüber den erneuerbaren Energien. Zur Illustration sollen hier die Position der IG Metall und der IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) genügen, die das Feld gewerkschaftlicher Diskussion des Themas abstecken.

Die IG Metall sieht in der vergleichsweise arbeitsintensiven Branche der Technologien zur Energiegewinnung aus erneuerbaren Quellen eine Chance, Arbeitsplätze zu schaffen beziehungsweise anderswo verlorengehende zu ersetzen. Zudem vertritt sie die Beschäftigten der Hersteller von Anlagen zur Energiegewinnung. Die IG Metall setzt auf den kompletten Umstieg auf erneuerbare Energien (Reiche 2004: 122ff.).

Die IG BCE als Vertreterin der Beschäftigten in Chemie, Mineralöl- und Gaswirtschaft, der Stein- und Braunkohlebranche sowie der Energieunternehmen setzt auf die Energieerzeugung mit konventionellen Mitteln durch einen Energiemix von Kohle, Gas, Öl und Kernenergie. Insbesondere die heimische Kohleförderung soll als Sicherheitsfaktor erhalten bleiben, zudem wird hier mit der Erhaltung vieler Arbeitsplätze argumentiert. Auch die Option Kernenergie soll offengehalten werden. Eine dezidierte Position zu den erneuerbaren Energien äußert die IG BCE in der Darstellung ihrer Grundsatzpositionen nicht (nach Reiche 2004: 124f.).

3. 2. Akteurskonstellationen in der EEG-Novellierung

Ein grundlegendes Merkmal der Diskussion der Förderung erneuerbarer Energien in Deutschland, ist die Tatsache, dass sich keiner der Akteure grundsätzlich gegen diese an sich stellt (vgl. Reiche 2004: 139). Gestritten wird lediglich über Art, Ausmaß und Details der Förderungsregelungen. Selbst entschiedene Gegner des EEG wie die FDP, die sehr geschlossen gegen das Gesetz auftritt, stellen nicht grundsätzlich die Nutzung oder auch nur die Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen infrage, sondern wünschen lediglich Änderungen an den Mechanismen oder dem Maß der Förderung. Insofern beziehen sich die Begriffe Gegner- bzw. Befürworterkoalition (vgl. Luber 2004: 7f.) auf die grundlegende Zustimmung oder Ablehnung der Art und Weise der Förderung durch das EEG. Die Details der Regelungen wurden jedoch sicherlich auch von den Befürwortern des Gesetzes unterschiedlich bewertet.

Im Sinne der hier untersuchten Fragestellung sollen die beiden in der Neufassung des EEG wichtigsten staatlichen Akteure, das BMU und das BMWA, als Angelpunkte der Koalitionen von Gegnern und Befürwortern der Einspeisevergütung nach dem EEG verstanden werden (vgl. ebd.). Es kann davon ausgegangen werden, dass die Gegner bzw. Befürworter der Regelung über Mittel und Wege verfügen, ihre Meinungen an die staatlichen und parlamentarischen Akteure zu kommunizieren, beziehungsweise können jene von sich aus die Äußerungen der ersteren rezipieren, so dass im folgenden hauptsächlich die Aktionen der Ministerien als Repräsentation der beiden Interessenskoalitionen untersucht werden sollen. Die beiden mehr oder minder informellen Koalitionen werden zunächst kurz eingeführt.

Die Befürworterkoalition

Die einzelnen Branchenverbände aus dem Bereich erneuerbare Energie und nahezu alle weiteren maßgeblichen Akteure[12] des Feldes mit einer befürwortenden Haltung haben sich im Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) zusammengeschlossen. Diese Plattform ermöglicht eine effektive Abstimmung der Einzelverbände und kann auf politischer und medialer Ebene schnell und wirkungsvoll agieren. Der Zusammenschluss verweist auf ein hohes Maß an Kooperation selbst innerhalb des Kreises der ökonomischen Akteure, die sicherlich zum Teil damit zu erklären ist, das eine angestrebte Transformation von der fossil-atomaren hin zur regenerativen Energieversorgung eines Mix der verschiedenen Erzeugungsformen bedarf. Der BEE verfügt über einen parlamentarischen Beirat, dem Mitglieder der Bundestagsfraktionen von SPD, CDU/CSU und den Grünen angehören (Reiche 2004: 129ff.).

Akteure mit den unterschiedlichsten Hintergründen arbeiten zusammen: es gibt Kooperationen von Gewerkschaften, Kirchen, Kommunen und Unternehmen[13] oder vom Ökostromanbietern mit Umweltverbänden. Einerseits kann durch die Vielfalt der beteiligten Akteure die von Reiche (vgl. 2004: 138ff.) als ökologische bezeichnete Koalition eine breite öffentliche Wirkung erzielt werden, andererseits finden sich hier auch unterschiedliche Bewertungen von Sachverhalten wieder. So ist zum Beispiel umstritten, ob primär nach klimapolitischen oder unter naturschützerischen Gesichtspunkten gefördert werden soll, wobei die erstgenannte Meinung vorherrscht.

[...]


[1] Das bezieht sich auf die Klage der Preußen Elektra sowie unterschiedliche Rechtsauffassungen in der Frage, ob die Vergütungen für Stromerzeugung aus EE nach EU-Recht unzulässige staatliche Beihilfen darstellten. Über die Klage wurde abschlägig entschieden.

[2] So gelang es, die Ausgleichsregelung für die unterschiedliche regionale Belastung der EVU so zu regeln, dass sich das am stärksten belastete Unternehmen Preußen Elektra aus der Gegnerkoalition herauslöste und diese dadurch schwächte (Bechberger 2000: 52).

[3] Die derzeit stattfindende Neufassung des Energiewirtschaftsgesetzes und Einsetzen der Regulierungsbehörde.

[4] RWE, Eon, Vattenfall Europe und EnBW.

[5] Sie verfügen dabei teilweise, wie RWE und Eon, auch über weitere Tätigkeitsbereiche.

[6] Hier kann als Beispiel der Fall des früheren Wirtschaftsministers Müller dienen, der nach dem Ende seiner Ministertätigkeit direkt als Vorstandsvorsitzender zur RAG wechselte. Deren Hauptanteilseigner sind RWE und Eon.

[7] Bundesverband BioEnergie (BBE)

[8] Bundesverband WindEnergie (BWE) sowie die kleineren Verbände Fördergesellschaft Windenergie (FGW) und Wirtschaftsverband Windkraftwerke (WVW)

[9] Bundesverband deutscher Wasserkraftwerke (BDW)

[10] die Geothermische Verinigung (GtV)

[11] die Deutsche Gesellschaft für Sonnenergie (DGS), den Bundesverband Solarindustrie (BSi) und die Unternehmensvereinigung Solarwirtschaft (UVS)

[12] mit Ausnahme von Eurosolar

[13] In dieser Konstellation seit 1996 als Energieallianz.

Ende der Leseprobe aus 35 Seiten

Details

Titel
Der Novellierungsprozess zum EEG. Die Rolle von BMU und BMWA in der Politikformulierung
Hochschule
Freie Universität Berlin
Veranstaltung
Liberalisierung, Deregulierung und Reregulierung in der Energiepolitik
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
35
Katalognummer
V42537
ISBN (eBook)
9783638405461
Dateigröße
551 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Akteursanalyse zur Politikformulierung in der Novellierung des EEG 2003/2004.
Schlagworte
Novellierungsprozess, Rolle, BMWA, Politikformulierung, Liberalisierung, Deregulierung, Reregulierung, Energiepolitik
Arbeit zitieren
René Riedel (Autor:in), 2005, Der Novellierungsprozess zum EEG. Die Rolle von BMU und BMWA in der Politikformulierung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/42537

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