Multiperspektivität im Geschichtsunterricht. Eine Schulbuchanalyse


Hausarbeit, 2018

12 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Multiperspektivität im Geschichtsunterricht
2.1 Geschichtsdidaktische Begründung von Multiperspektivität
2.2 Ziele von multiperspektivem, historischen Lernen
2.3 Schwierigkeiten und Problem von multiperspektivem Geschichtsunterricht
2.4 Methoden des multiperspektiven Unterrichts

3. Multiperspektivität im Schulbuch „mitmischen 1“
3.1 Multiperspektivität in der narrativen Darstellung
3.2 Multiperspektive Text- und Bildquellen
3.3 Multiperspektivität in den Arbeitsaufträgen

4. Multiperspektivität im Schulbuch „ Die Reise in die Vergangenheit 5/6“
4.1 Multiperspektivität in der narrativen Darstellung
4.2 Multiperspektive Text- und Bildquellen
4.3 Multiperspektivität in den Arbeitsaufträgen

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Kein guter Geschichtsunterricht ohne gute Schulbuchanalyse!“1

Das Schulbuch dient zur Planung, Initiierung, Unterstützung und Evaluation von Lernprozessen. In vielen Fällen strukturiert es die Unterrichtsplanung in methodischem Aufbau und didaktischer Aufbereitung, sodass das Schulbuch maßgebend für die Unterrichtsqualität ist.2 Das Schulbuch hat didaktische, methodische, pädagogische und politische Anforderungen, somit hat es eine bildungs- und identitätsfördernde Funktion und zählt zu den bedeutsamsten Literaturgattungen. Laut Thünemann beruht guter Geschichtsunterricht im Wesentlichen auf anspruchsvollen, historischen Fragestellungen, Formulierungen angemessener Lernziele und der Auseinandersetzung mit Quellen, Darstellungen und Methoden.3 Diese Kriterien für guten Unterricht müssten folglich auch für das Schulbuch gelten. Das Schulbuch muss nur im weitesten Sinne dem Lehrplan entsprechen, fungiert aber tatsächlich als „heimlicher“ Lehrplan.4

Innerhalb von Deutschland durchlaufen Schulbücher vor ihrer Einführung ein staatliches Zulassungsverfahren, indem Verfassungs- und Gesetzeskonformität, Übereinstimmung mit dem Lehrplan, Altersentsprechung und Übereinstimmung mit fachwissenschaftlicher Forschung überprüft wird. Je nach Bundesland wird der Kriterienkatalog um einige Punkte erweitert oder verringert. Die Fachlehrer einer Schule dürfen dann aus den Schulbüchern, die auf der Liste der zugelassenen Lehrmittel des jeweiligen Bundeslandes stehen, auswählen.5 Das Schulgeschichtsbuch ist zum einen eines der wichtigsten Medien für die politische Bildung, zum anderen ein wichtiger Kanal zum Transport historischer Forschungsergebnisse an die Gesellschaft. Im Hinblick dieses großen Interesses ist es verwunderlich, dass es weder Normen noch Standards bezüglich Form, Inhalt und Funktion des Geschichtsbuches gibt, wodurch es eine große Menge, an teilweise sehr unterschiedlichen Schulgeschichtsbüchern. Sylvia Rottensteiner vertritt die Meinung, dass die Geschichtswissenschaft in diesem Zusammenhang eindeutig Nachholbedarf hat.6

Im Rahmen dieser Hausarbeit werde ich die Kapitel, die sich mit der Kirche im Mittelalter beschäftigen, der beiden Schulgeschichtsbücher „mitmischen 1“ und „Die Reise in die Vergangenheit“ im Hinblick auf Multiperspektivität analysieren. Ich werde untersuchen, wo in den Kapiteln Multiperspektivität zu finden ist und wie sie methodisch umgesetzt wird. Dazu wird zwischen narrativer Darstellung, Arbeitsaufträgen sowie Text- und Bildquellen unterschieden. Die beiden Schulbücher wurden ausgewählt, da sie beide für die Haupt- und Gesamtschulen konzipiert wurden, sie für die gleiche Klassenstufe sind, sie dem gleichen Jahrgang entstammen und von unterschiedlichen Verlagen sind, wodurch sie einen guten Ansatz zum Vergleich bieten. Zuvor werde ich im Rahmen dieser Hausarbeit neben der geschichtsdidaktischen Begründung und Ziele von multiperspektivischen, historischen Lernen auch die Probleme und Schwierigkeiten sowie die Methoden von Multiperspektivität im Geschichtsunterricht darstellen.

2. Multiperspektivität im Geschichtsunterricht

2.1 Geschichtsdidaktische Begründung von Multiperspektivität

Geschichtsunterricht beruht nicht auf einer Einlagerung von vorgeordnetem narrativem Wissen. Die Schülerinnen und Schüler müssen sich mit unterschiedlichen Quellen und unterschiedlichen Urteilen der Geschichtswissenschaft oder der weiteren Geschichtskultur auseinandersetzen, sodass sie lernen, wie man sich in der Zeit orientieren kann und wie man sich darüber richtig informiert. Nur so können sie zu eigenen Aussagen und Urteilen, zu einer eigenen tragfähigen historischen Erinnerung und zu einem eigenen narrativen Wissen gelangen.7

Die Lernenden übernehmen im multiperspektivischen Geschichtsunterricht selber die Rolle des Geschichtshistorikers, denn sie durchlaufen die Phasen der Heuristik, der Quellenkritik sowie der Quelleninterpretation. Dabei müssen die Materialien auf mindestens zwei unterschiedlichen Quellen von demselben historischen Ereignis beruhen. Dabei wenden laut Bergmann die zwei geistigen Operatoren Erklären und Verstehen angewendet, welche für den Erwerb einer Sozialkompetenz von didaktischer Bedeutung sind. Die Schülerinnen und Schüler müssen sich in eine fremde, frühere Welt einarbeiten und dabei versuchen, sich in die Menschen hineinzuversetzen, damit sie den Bedingungen von menschlichen Handeln nachgehen können.8 Sebastian Woye sieht die Quelle als einen zuverlässigen Ort des historischen Lernens, denn sie fördert und verlangt eigenständiges Arbeiten, aber verhindert gleichzeitig zu viel Phantasie.9 Zudem verweist er auf eine Forderung aus den 70-er Jahren, die immer noch aktuell ist. Der Unterricht soll in lebendiger, konkreter Form erteilt werden und im Zusammenhang dazu gewährleistet werden.10

Im Kompetenzmodell des Verbandes der Geschichtslehrer Deutschlands wird die Medien-Methoden-Kompetenz im dritten Punkt näher erläutert. Es wird gefordert, dass die Schülerinnen und Schüler Quellen und Darstellungen unterscheiden können, sie die Perspektive von Quellen wahrnehmen, verschiedene Quellengattungen nach ihrem Aussagewert unterscheiden sowie mit den einzelnen Quellengattungen adäquat umgehen können.11

2.2 Ziele von multiperspektivem, historischen Lernen

„Geschichte selber denken zu können, sich selber ohne vormundige Dreinrede aufklären zu können über das Geworden sein der gegenwärtigen Lebens-, Macht- und Herrschaftsverhältnisse, sich selber aufklären können über Beweggründe und Erfahrungen von Menschen, die vor kurzer oder langer Zeit vor uns gelebt haben, um daraus Orientierung für die eigene Lebenspraxis zu gewinnen – darauf sollte historisches Lernen gerichtet sein.12

Multiperspektivität macht einen wachsam, skeptisch und kritisch gegenüber Kundgebungen jeder Art, weil sie zum ideologiekritischen Hinterfragen anstiftet.13 Sie verfolgt das Ziel, nicht nur den eigenen kulturellen Standpunkt zu sehen, sondern den Blickwinkel anderer Personen oder Gruppen zu berücksichtigen. Die Multiperspektivität ist der Schlüssel zum Erlernen des Fremdverstehens, also Teil eines interkulturellen historischen Lernens.14 Die Schülerinnen und Schüler sollen zur Erkenntnis der Standortgebundenheit historischer Sinnbildung gelangen.15 Zudem wird in der Multiperspektivität eine Immunisierung gegen die Übernahme vorgeordneter Geschichtsbilder, welche nicht nur die Geschichte der großen Männer, sondern besonders auch die Kultur-, Sozial- und Alltagsgeschichte betreffen.16

2.3 Schwierigkeiten und Problem von multiperspektivem Geschichtsunterricht

Der multiperspektive Geschichtsunterricht bietet zwar viele Chancen und Vorteile, jedoch gibt es auch Schwierigkeiten und Probleme, die bei der Planung eines solchen Unterrichts berücksichtigt werden müssen.

Die Präsentation von multiperspektiven Quellen trifft bei den Lernenden auf ein Geschichtsverständnis, dass von einem einzigen, scheinbar objektiven und historischen Sachverhalt ausgeht, der absolute Gültigkeit besitzt und somit auswendig zu lernen ist. Ein plötzlicher multiperspektiver Geschichtsunterricht verunsichert viele Schülerinnen und Schüler und spiegelt ihr Bedürfnis wieder, wissen zu wollen, wie es gewesen ist.

Desweiteren bereitet den Lernenden die Perspektivenübernahme Schwierigkeiten. Die Schülerinnen und Schüler haben Schwierigkeiten, sich in Menschen der Vergangenheit hineinzuversetzen und deren Interessen, Wahrnehmungen und Wertevorstellungen annähernd nachzuvollziehen. Diese oft fehlende Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinversetzen zu können, führt leicht zu einer Abwertung der Lebens- und Verhaltensweisen der Menschen früherer Zeiten.

Zudem haben Lernende häufig Probleme dabei, sich in eine Zeit einzufühlen. Standpunkte werden häufig aus heutiger Sicht beurteilt, wodurch die historische Perspektive vernachlässigt wird. Ein weiteres Problem der Perspektivenübernahme besteht darin, dass Schüler, die gelernt haben Menschen aus vergangener Zeit zu verstehen und sich in diese hinein zu versetzten, Gefahr laufen, sich eventuell nicht mehr auch dieser Rolle hinaus versetzten können, um ein kritisches Urteil zu fällen. Weiterhin besteht die Gefahr, dass Schüler dazu neigen, alles zu verzeihen.

[...]


1 Holger Thünemann, Schulbucharbeit. S. 111, Zeile 1

2 Vgl. Sylvia Rottensteiner, Textrezeption von Schulgeschichtsbüchern im Spannungsfeld von Lesesozialisation und Unterrichtspraxis. S. 13, Zeile 6-15

3 Vgl. Holger Thünemann, Schulbucharbeit. S. 111, Zeile 15-20

4 Vgl. Sylvia Rottensteiner, Textrezeption von Schulgeschichtsbüchern im Spannungsfeld von Lesesozialisation und Unterrichtspraxis. S. 14, Zeile 18-20

5 Vgl. ebenda. S. 14, Zeile 15-20

6 Vgl. ebenda. S. 15, Zeile 12-19

7 Vgl. Bergamnn, Multiperspektivität, S. 31, Zeile 21 – S. 32, Zeile 3

8 Vgl. ebenda. S. 33

9 Vgl. Sebastian Woye, Historische Quelle vs. Geschichtserzählung. S. 16, Zeile 24-26

10 Vgl. ebenda. S. 11, Zeile 1-3

11 Vgl. Peter Gautschi, Guter Geschichtsunterricht. S. 63

12 Klasus Bergmann, Multiperspektivität, S. 85, Zeile 1-7

13 Vgl. ebenda. S. 85, Zeile 23-25

14 Vgl. Anne Ingrid Kollenrott, Sichtweisen auf deutsch-englisch bilingualen Geschichtsunterricht. S. 46, Zeile 7-12

15 Vgl. Matthias Martens, Implizites Wissen und kompetentes Handeln. S. 103, Zeile 3-5

16 Vgl. Ulrich Bongertmann, Leitfaden Referendariat im Fach Geschichte. S. 56

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Multiperspektivität im Geschichtsunterricht. Eine Schulbuchanalyse
Hochschule
Universität zu Köln
Veranstaltung
Heterogenität und historisches Lernen
Note
2,7
Autor
Jahr
2018
Seiten
12
Katalognummer
V424441
ISBN (eBook)
9783668699953
ISBN (Buch)
9783668699960
Dateigröße
560 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Multiperspektivität, narrative Darstellungen, Textquellen, Bildquellen, Arbeitsaufträge, Schulbuchvergleich, Geschichtsunterricht, Schulbuchanalyse, Schulbuch
Arbeit zitieren
Saskia Böhm (Autor:in), 2018, Multiperspektivität im Geschichtsunterricht. Eine Schulbuchanalyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/424441

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