Die Aufnahme des Konnexitätsprinzips in die niedersächsische Landesverfassung


Hausarbeit, 2005

23 Seiten, Note: 2.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Problemstruktur
1.2. Begriffserklärungen
1.2.1. Das Konnexitätsprinzip in den Landesverfassungen
1.2.2. Das Konsultationsverfahren in den Bundesländern
1.3. Aktuelle Entwicklungen der letzten Jahre
1.3.1. Konnexitätsprinzip
1.3.2. Konsultationsverfahren

2. Analyse des Gesetzes zur Änderung der niedersächsischen Landesverfassung
2.1. Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU und FDP
2.2. Diskussionsstand zwischen den Fraktionen

3. Ökonomische Wirkungen des Konnexitätsprinzips
3.1. Dezentralisierungs- und Zentralisierungstendenzen
3.2. Institutionelle Kongruenz

4. Bewertungen
4.1. Bewertung der aktuellen Situation
4.2. Bewertung möglicher Alternativen

5. Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

1. Einleitung

1.1. Problemstruktur

Diese Arbeit befasst sich mit einem aktuellen Aspekt der Reform der Kommunalfinanzen: dem Problem der zusätzlichen Aufgabenbelastungen der Kommunen ohne entsprechenden finanziellen Ausgleich, welche die Hauptursache für die momentan in vielen Kommunen bestehenden Finanz-krisen darstellen.

Staatsrechtlich sind die Kommunen in Deutschland Teil der Länder, obwohl sie funktional eine dritte Verwaltungsebene neben Bund und Ländern dar-stellen. Sie werden somit bei Entscheidungen des Bundes nicht direkt mit-einbezogen, müssen jedoch trotzdem den ihnen zugeteilten landes- und/oder bundesrechtlichen Aufgaben als eigene Verwaltungseinheit nachkommen. Dies führt dazu, dass Bund und Länder neue Gesetze oder Rechtsnormen schaffen können, die die kommunale Ebene in ihrer Summe finanziell stark belasten, ohne dass die Kommunen an diesen Entscheidungen beteiligt wären oder sich wehren könnten.

Als Folge haben in den letzten Jahren die kommunalen Spitzenverbände einen rechtlichen Schutz vor unmittelbaren Aufgabenübertragungen sowie die Verankerung einer entsprechenden Kostentragungsregelung gefordert, teilweise mit Erfolg:

Der populärwissenschaftliche Grundsatz „Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen“ wurde in einigen Bundesländern in den Verfassungen veran-kert. Die notwendigen weitergehenden Konkretisierungen für die Anwen-dung dieses Prinzips blieben in den letzten Jahren allerdings häufig aus.

Im Folgenden sollen die Thematik und die aktuelle Situation verdeutlicht werden. Es wird aufgezeigt, mit welchen Chancen und Risiken mögliche Entscheidungsalternativen verbunden sind und ob das Konnexitätsprinzip eine adäquate Maßnahme zur Lösung der kommunalen Finanzprobleme ist.

1.2. Begriffserklärungen

1.2.1. Das Konnexitätsprinzip in den Landesverfassungen

Konnexität = der natürliche wirtschaftliche Zusammenhang wechselseitiger Ansprüche

Im wesentlichen ist zwischen dem strikten und dem relativen Konnexitätsprinzip zu unterscheiden:

a) Das relative Konnexitätsprinzip schreibt dem Gesetzgeber vor, bei einer Aufgabenübertragung die Kostenfrage zu regeln. Hieraus ergibt sich nicht zwangsläufig, dass die Gemeinde einen vollständigen Ausgleich erhalten muss.
b) Das strikte Konnexitätsprinzip schreibt dem Gesetzgeber vor, bei einer Aufgabenübertragung einen gleichzeitigen und vollständigen („entsprechenden“) Kostenausgleich zu leisten. Die Gemeinden erhalten damit einen Rechtsanspruch auf finanziellen Ausgleich.

Die staatliche Aufgaben- und die Ausgabenverantwortung sollen durch das Konnexitätsprinzip miteinander verknüpft werden.

Die in Art. 104 a Abs.1 GG1 enthaltene allgemeine Lastenverteilungsregel grenzt die Finanzierungsbefugnisse und -verpflichtungen von Bund und Ländern dadurch voneinander ab, dass sie auf die verfassungsrechtlich festgeschriebene Aufgabenverteilung verweist:

Grundsätzlich sind Ausgaben des Bundes ausschließlich aus Bundesmitteln, Ausgaben des Landes ausschließlich aus Landesmitteln zu finanzieren (mit Ausnahmen z.B. bei Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a und 91b GG).

Gegenüber den Gemeinden ist der Bund verpflichtet, seine eigenen Aufgaben selbst zu finanzieren. Andererseits darf er keine Aufgaben finanzieren, die landesintern nicht den Ländern, sondern den Gemeinden zufallen. Diese Verwaltungskompetenzen sind auch für die Verteilung der Ausgabenlasten maßgeblich: nach dem Prinzip der Vollzugs kausalität trägt die Ebene, die die Verwaltungszuständigkeit für eine staatliche Aufgabe besitzt, auch die Kosten der Erfüllung. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kommt es nicht darauf an, wer die kostenauslösende Aufgabenregelung getroffen oder auf sonstige Weise die Ausgaben veranlasst hat, sondern wer die Aufgaben ausführt.

Während auf der Einnahmeseite die Verfassung den Gemeinden in Art. 106 GG2 näher bestimmte Einnahmen zuweist, ist in Art. 104 a Abs.1 GG nach seinem ausdrücklichen Wortlaut die Aufgabenverantwortung nur zwischen Bund und Ländern geregelt. Die Gemeinden werden hier als Teil der Länder angesehen, was jedoch nicht fälschlicherweise als eine Lastenverteilung auch zwischen Bund und Gemeinden verstanden werden darf: ein Durch-griffsprinzip bundesgesetzlicher Regelungen direkt in die Gemeinden besteht auf finanzieller Ebene grundsätzlich nicht. Auf der Grundlage des Art. 84 Abs.1 GG3 können zwar den Kommunen auch durch Bundesgesetz unmittelbar Aufgaben übertragen werden, die für diese zu Mehrbelastungen führen, wie z.B. Einräumung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergarten-platz (§ 24 SGB VIII) und Zuständigkeit der Kreise und kreisfreien Städte für die Grundsicherung (§ 4 GSiG). Dieser unmittelbare Durchgriff des Bundes ist jedoch nicht mit der Verpflichtung zum Ausgleich der entstehenden Kosten verbunden. Gerade durch Art. 104 a Abs.1 GG ist der Bund in diesen Fällen sogar daran gehindert, die Kostenlasten zu übernehmen. Die Länder wiederum sind weder aufgrund von Art. 104 a Abs. 1 GG noch aufgrund ihrer bisherigen landesverfassungsrechtlichen Konnexitätsprinzipien verpflichtet, die den Kommunen entstehenden Kosten vollständig, also zu 100% und nicht nur zu 75% gemäß bestehender Interessenquote, auszugleichen.

1 Art.104 Abs.1 GG: „Der Bund und die Länder tragen gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt.“, siehe relevante GG-Artikel im Anhang
2 Art 106 GG: siehe relevante GG-Artikel im Anhang
3 Art. 84 Abs.1 GG: siehe relevante GG-Artikel im Anhang

Auf Bundesebene ist folglich eine gesetzliche Regelung der Konnexität nach dem Verursacher prinzip verfassungsrechtlich nicht zulässig. Der Bund kann weder selbst einen finanziellen Ausgleich schaffen noch die Länder zur Berücksichtigung des Konnexitätsprinzips durch Gesetz verpflichten. Um in den Fällen, in denen der Bund direkt kostenintensive Aufgaben an die Gemeinden überträgt, auch finanzielle Mittel zur Kostendeckung direkt vom Bund an die Gemeinden weiterleiten zu können, wäre eine diesbezügliche Verfassungsänderung unabdingbar. Ebenso wäre ein erlassenes Bundes-gesetz, das die Länder zur Berücksichtigung des Konnexitätsprinzips "zwingen" würde, wegen Verstoßes gegen Art. 104 a Abs.1 GG nichtig.

Art. 28 Abs.2 Satz 3 GG1 sieht trotz dieser fehlenden Mitbestimmungsrechte die finanzielle Eigenverantwortung der Gemeinden als Grundlage ihrer Selbstverwaltung. Eine Aufgabenübertragung ohne gleichzeitige Mittel-zuweisung würde den den Gemeinden verbleibenden Finanzspielraum allerdings einengen und somit ihre Selbstverwaltung beschränken. Alle Landesverfassungen der Flächenländer enthalten deshalb bereits Regelun-gen, die zumindest das relative Konnexitätsprinzip berücksichtigen.

Das heißt, dass das Land nur dann Aufgaben auf die Gemeinden überträgt, wenn es gleichzeitig die Verantwortung für die Finanzen übernimmt bzw. übernehmen kann, die mit der Erfüllung der Aufgaben verbunden sind. Diese Regelungen der Landesverfassungen gelten jedoch nur für landes gesetzlich übertragene Aufgaben, nicht für Aufgaben, die in Bundes- gesetzen direkt oder indirekt über die Länder den Kommunen übertragen werden. Zudem gelten je nach Bundesland aufgrund abweichender Formu-lierungen der Verfassungstexte und wegen zum Teil unterschiedlicher Auslegungen durch die Landesverfassungsgerichte unterschiedliche Ausgestaltungen des Konnexitätsprinzips. Ein vollständiger (strikter) Aus-gleich muss in vielen Fällen aufgrund fehlender Konkretisierung nicht zwingend erfolgen.

1.2.2. Das Konsultationsverfahren in den Bundesländern

Die Einführung des strikten Konnexitätsprinzips ist aus kommunaler Sicht nur ein Teilerfolg, da die verfassungsgerichtliche Überprüfung seiner Einhaltung erst im Nachhinein stattfindet. Nachträglicher verfassungs-rechtlicher Schutz kann aus strukturellen Gründen jedoch nicht effektiv gewährt werden, die Präventivwirkung erfolgt somit wenn überhaupt nur mittelbar. Es ist daher ein geeignetes Verfahren zur Umsetzung der inhaltlichen Maßstäbe erforderlich, das in den Prozess der Entscheidungs-findung vorgelagert und nicht erst im Nachhinein auf das Ergebnis bezogen ist. Dieses regelt jeweils, wie eine realitätsnahe Kostenfolgeschätzung organisiert werden kann, wie entstehende Lasten angemessen verteilt werden und was im Falle einer Nichteinigung zu geschehen hat.

1 Art. 28 Abs.2 Satz 3 GG: „Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung...“, siehe relevante GG-Artikel im Anhang

Es muss für alle Beteiligten nachvollziehbar „die Finanzstärke und Aufgabenbelastung fachkundig analysiert, bewertet, gewichtet und zum Ausgleich gebracht werden“1. Mit der Einführung der Konsultationspflicht kann der Bund Regelungen mit Kostenfolgen für die Kommunen nur treffen, wenn diese zustimmen.

1.3. Aktuelle Entwicklungen der letzten Jahre

1.3.1. Konnexitätsprinzip

Bis zu Beginn der 90er Jahre gab es in den Länderverfassungen zumeist lediglich nicht rechtsverbindliche Programmsätze, die etwa vorschrieben, die Städte und Gemeinden seien finanziell ausreichend auszustatten. Nur in Baden-Württemberg gab es schon seit 1953 ein striktes Konnexitätsprinzip in der Verfassung. Inzwischen verfügen alle Flächenländer mit Ausnahme von Rheinland-Pfalz über eine duale Finanzgarantie mit aufgabenange-messenem Finanzausgleich und Konnexitätsprinzip. Die Einführung des letzteren in strikter Form steht allerdings in einer Reihe von Bundesländern noch aus.

Im einzelnen ist folgender Stand erreicht:

(a) striktes Konnexitätsprinzip in:

Baden-Württemberg, Bayern (seit 2003), Brandenburg (seit 1999), Mecklenburg-Vorpommern (seit 2000, Beschränkung auf neue Auf-gabenübertragungen), Sachsen, Saarland (allerdings ohne ausdrückliche Verpflichtung zu aufgabenbezogenem Ausgleich), Schleswig-Holstein

(b) relatives Konnexitätsprinzip in:

Sachsen-Anhalt („angemessener“ Ausgleich unter Abzug einer sogenannten Interessenquote), Thüringen, Nordrhein-Westfalen, Hessen (Ausgleich orientiert an gesamter Aufgabenentwicklung im Verhältnis von Land und Kommunen), Niedersachsen

(c) Verfassungsänderung geplant in:

Rheinland-Pfalz (bisher kein Konnexitätsprinzip), Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen (bisher relatives Konnexitätsprinzip)

In den letzten Jahren zeigte sich bei Entscheidungen zur kommunalen Finanzausstattung die praktische Schutz- und Präventivwirkung eines justiziablen und strikten Konnexitätsprinzips: In einer Reihe von Fällen wurden Landesgesetze für verfassungswidrig erklärt, weil sie keine aufgabenbezogene Kostendeckung vorsahen.

1 Geiger, „Konnexitätsprinzip und Konsultationsgremien“, 2003, S.6

1.3.2. Konsultationsverfahren

Die gegenwärtig bereits bestehenden Regelungen zum prozeduralen Schutz der kommunalen Selbstverwaltung sind je nach Bundesland sehr unter-schiedlich und zudem nicht speziell im Hinblick auf die möglichst präzise Prognose von Kostenfolgen geschaffen worden.

Die den Kommunen nach dem jeweiligen Landesrecht eingeräumten allgemeinen Beteiligungsrechte sind teils nur als Richtlinie vorhanden, teils auf Ebene der Gemeindeordnung oder der Geschäftsordnung des Landtages/ der Landesregierung verankert. Sie reichen inhaltlich von der Beteiligung an allgemeinen kommunalrelevanten Angelegenheiten über die Beteiligung an Gesetzen und Rechtsvorschriften bis hin zur Beteiligung an Verwaltungs-vorschriften.

Eine Pflicht zur Anhörung der kommunalen Spitzenverbände besteht in Baden-Württemberg, Brandenburg, Niedersachsen, Saarland, Sachsen und Thüringen. In Rheinland-Pfalz soll ein Kommunaler Rat die Landes-regierung beraten und hat die Möglichkeit, Empfehlungen abzugeben. In Hessen ist die Beteiligung der Kommunen am Normsetzungsprozess im so- genannten Beteiligungsgesetz detailliert geregelt.

Ein striktes Konnexitätsprinzip in den Landesverfassungen in Verbindung nur mit dieser herkömmlichen Beteiligung der Kommunen reicht jedoch nicht aus, um dessen Inhalt auch in der Durchführung zu gewährleisten. Aus diesem Grund wird über die Einrichtung und verfassungsrechtliche Verankerung von Konsultationsgremien nachgedacht, die die finanziellen Belange der Kommunen bei der Normsetzung des Landes wahren sollen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Die Aufnahme des Konnexitätsprinzips in die niedersächsische Landesverfassung
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen
Veranstaltung
Aktuelle Fragen der Finanz- und Steuerpolitik
Note
2.0
Autor
Jahr
2005
Seiten
23
Katalognummer
V42444
ISBN (eBook)
9783638404716
Dateigröße
695 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Aufnahme, Konnexitätsprinzips, Landesverfassung, Aktuelle, Fragen, Finanz-, Steuerpolitik
Arbeit zitieren
Christina Berghold (Autor:in), 2005, Die Aufnahme des Konnexitätsprinzips in die niedersächsische Landesverfassung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/42444

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