Förderung der Kommunikationsfähigkeit des Verkaufsgesprächs im Einzelhandel


Masterarbeit, 2017

115 Seiten, Note: 1,0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Ziel und Vorgehen der Arbeit

2. Theoretische Grundlagen zur Sozialkompetenz
2.1 Begriffsklärung und Einordnung in das Kompetenzstrukturmodell
2.2 Das Grundverständnis sozialer Kommunikation
2.3 Soziale Kommunikation am Modell von Schulz von Thun
2.3.1 Das Kommunikationsquadrat
2.3.2 Die vier Seiten einer Nachricht durch den Sender
2.3.3 Die vier Seiten einer Nachricht durch den Empfänger
2.4 Verbale und nonverbale Kommunikation

3. Der Situationstypenansatz von Euler & Hahn
3.1 Überblick über den Ansatz
3.2 Übertragung auf das Verkaufsgespräch
3.2.1 Aufgaben, Rollen und Rahmenbedingungen
3.2.2 Phasenmodelle
3.2.3 Kritische Ereignisse

4. Analyse kommunikativer Fähigkeiten bei einem Verkaufsgespräch im Einzelhandel
4.1 Phase 1: Begrüßung und Gesprächseinstieg
4.2 Phase 2: Bedarfsanalyse
4.3 Phase 3: Angebotsphase
4.4 Phase 4: Preisgespräch
4.5 Phase 5: Einwandbehandlung
4.6 Phase 6: Verkäufe neben dem Hauptkauf
4.7 Phase 7: Gesprächsabschluss und Verabschiedung

5. Lernzielkatalog

6. Trainingseinheit zur Förderung der Kommunikationsfähigkeit im Verkaufsgespräch
6.1 Lernzielauswahl
6.2 Bedingungsanalyse
6.3 Theorie zur Methode des Rollenspiels
6.4 Verlaufsplan
6.5 Erläuterung und Begründung des Verlaufsplans

7. Literaturverzeichnis

8. Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Kompetenzstrukturmodell

Abbildung 2: Das Kommunikationsquadrat

Abbildung 3: Die vier Ohren des Empfängers

Abbildung 4: Modell des Situationstyps

Abbildung 5: Die Bedeutung des Erstkontakts zwischen Verkäufer und Kunde

Abbildung 6: Typische Kundenansprüche

Abbildung 7: Vorteilsformulierungen im Sie-Stil

Abbildung 8: Formulierung der 'Ja-aber'-Methode – Beispiele

1. Ziel und Vorgehen der Arbeit

Das übergeordnete Ziel dieser Masterarbeit ist die Entwicklung einer Trainingseinheit zur Förderung der Kommunikationsfähigkeit beim Verkaufsgespräch im Einzelhandel. Zur Erreichung dieser Zielsetzung gliedert sich die Arbeit in drei Teile auf.

Im ersten Teil (Kapitel 2) werden die theoretischen Grundlagen bearbeitet. Die zentralen Begrifflichkeiten ‚Sozialkompetenz‘ und ‚kommunikative Kompetenz‘ werden zunächst getrennt voneinander erörtert und in das Modell der allgemeinen Handlungskompetenz eingeordnet. Die Erkenntnisse werden schließlich zusammengeführt und Sozialkompetenz als „ Disposition zur zielgerichteten Kommunikation mit andern Menschen über sachliche, soziale oder persönliche Themen in spezifischen Typen von Situationen “ (Euler & Hahn, 2014, S. 237) definiert. Im Anschluss daran wird ein Grundverständnis von sozialer Kommunikation geschaffen, das anhand des Kommunikationsquadrats von Schulz von Thun vertieft wird. Nach Schulz von Thun beinhaltet Kommunikation vom Artikulieren des Senders bis hin zur Interpretation durch den Empfänger stets vier Ebenen: Sachebene, Beziehungsebene, Selbstkundgabeebene und Absichtsebene. Die ‚vier Schnäbel‘ des Senders, sowie die ‚vier Ohren‘ des Empfängers werden ausführlich erläutert. Botschaften auf allen vier Seiten einer Nachricht können explizit – ausdrücklich formuliert – oder implizit – nicht direkt ausgesprochen – gesendet werden. Kommunikation kann also verschiedene Ausdruckformen annehmen, weshalb abschließend eine Thematisierung der verbalen und nonverbalen Kommunikation erfolgt.

Nach den theoretischen Ausführungen zur Kommunikation stellt der zweite Teil dieser Arbeit (Kapitel 3-5) den Bezug zum Verkaufsgespräch im Einzelhandel her. Zunächst werden der Situationstypenansatz von Euler und Hahn (2014) und dessen vier Bestandteile - sozial-kom-munikative Aufgaben und Rollen, Rahmenbedingungen, Ablauf, kritische Ereignisse - allgemein beschrieben. Im Anschluss daran erfolgt die Übertragung dieses Ansatzes auf den Situationstyp ‚Verkaufsgespräch im Einzelhandel‘. Erläutert werden dabei die sozial-kommunika-tiven Aufgaben und Rollen, Rahmenbedingungen und kritische Ereignisse eines Verkaufsgesprächs in einem Tischtennisfachgeschäft. Im Kapitel ‚Phasenmodelle‘ werden aus der Literatur 7 Phasen eines Verkaufsgesprächs abgeleitet: Begrüßung und Gesprächseinstieg, Bedarfsanalyse, Angebotsphase, Preisnennung, Einwandbehandlung, Verkäufe neben dem Hauptkauf, Gesprächsabschluss und Verabschiedung. Im weiteren Verlauf (Kapitel 4) werden diese hinsichtlich ihrer Merkmale, Funktionen und erforderlichen kommunikativen Fähigkeiten analysiert. In den jeweiligen Phasen wird ein Rückbezug zu den theoretischen Grundlagen in Kapitel 2 hergestellt. Auf Basis der Analyse in Kapitel 4 wird schließlich ein Lernzielkatalog (Kapitel 5) mit 67 Lernzielen erstellt.

Im dritten Teil (Kapitel 6) wird eine 180-minütige Trainingseinheit zur Förderung kommunikativer Fähigkeiten bei Auszubildenden zum Einzelhandelskaufmann[1] konzipiert. Hierzu werden zunächst 12 Lernziele des Lernzielkatalogs zur Phase ‚Einwandbehandlung‘ ausgewählt. Danach wird eine Bedingungsanalyse durchgeführt, wobei ideale Bedingungen für die Trainingseinheit angenommen werden. Kommunikative Fähigkeiten zur Einwandbehandlung lassen sich am besten über sprachliches Handeln lernen. Daher werden im Anschluss die theoretischen Grundlagen des Rollenspiels aufgearbeitet, abschließend dann der tabellarische Verlaufsplan dargelegt, erläutert und begründet. Hier wird insbesondere der Methode-Ziel-Zusammenhang herausgestellt.

2. Theoretische Grundlagen zur Sozialkompetenz

2.1 Begriffsklärung und Einordnung in das Kompetenzstrukturmodell

Das Konstrukt Sozialkompetenz ist in der Wissenschaft sehr präsent. Verschiedenste Disziplinen wie Pädagogik, Psychologie, Soziologie oder Kommunikationswissenschaften beschäftigen sich intensiv mit dieser Thematik. Die Zahl an Veröffentlichungen zur Sozialkompetenz ist immens. Euler (2009, S. 13) weist in diesem Zusammenhang jedoch auf ein grundlegendes Problem hin: „ Ein differenzierter Blick auf die Literatur verstärkt [...] den Eindruck, dass der Begriff <Sozialkompetenzen> zu jenen Wieselwörtern zählt, die zwar häufig zitiert, aber nur selten präzisiert werden. [...] Sofern Präzisierungen angeboten werden, ist der theoretische Kontext meist nicht erkennbar “.

In der Praxis werden unter Sozialkompetenz eine Vielzahl an positiv besetzten Fähigkeiten, Fertigkeiten und Einstellungen subsummiert, wobei sämtliche Ansätze große Unterschiede untereinander aufweisen. Da in der Literatur also häufig eine Präzisierung der Sozialkompetenz fehlt, bleibt sie oft ein sehr vages Konstrukt. Gemäß Kanning (2009, S. 11) ist der kleinste gemeinsame Nenner aller Ansätze, dass Sozialkompetenz ‚irgendwas‘ mit zwischenmenschlicher Interaktion zu tun hat.

Dieser umfassende und vielseitige Charakter von Sozialkompetenz in der Literatur erfordert eine Klärung des Begriffs. Im Folgenden wird herausgearbeitet, was unter Sozialkompetenz verstanden wird. Die Ausführungen dienen als Grundlage für den weiteren Verlauf der Arbeit (Euler, 2009, S. 13; Euler, Bauer-Klebl, Gomez, Keller & Walzik, 2009, S. 69; Kanning, 2005, S. 6-9; Kanning, 2009, S. 11; Schumann, 2008, S. 10-11).

Grundsätzlich lässt sich der Begriff Sozialkompetenz in zwei Bestandteile aufgliedern: den Wortteil ‚Kompetenz‘ und den Wortteil ‚sozial‘. Kompetenz wird definiert als „ Disposition, die es dem Individuum ermöglicht, variable Situationen selbständig, erfolgreich und verantwortungsvoll zu gestalten “ (Wilbers, 2014, S. 64). Diese Formulierung verdeutlicht, dass Kompetenz ein subjektives, intrapersonales Konzept ist, das den Fokus auf die ‚Person‘ in Bezug auf ihr Können, ihre Einstellung und ihr Wissen legt.

Im Gegensatz dazu beschreibt das Wort ‚sozial‘ eine wertfreie – positive oder negative - Verbundenheit eines Menschen zu seinen Mitmenschen. Es konkretisiert also den Rahmen, in dem Kompetenz Anwendung findet, nämlich in Situationen zwischenmenschlicher Interaktion. Sozialkompetenz umfasst daher zwei Komponenten: das Individuum und sein soziales Umfeld (Wellhöfer, 2004, S. 1; Wilbers, 2014, S. 64; Blatter, 2010, S. 6-8; Dürnberger, 2009, S. 20-21; Euler & Bauer-Klebl, 2009, S. 27-28).

1971 hat Heinrich Roth den Terminus Sozialkompetenz in die deutsche Pädagogik eingeführt. Nach Roth ist Sozialkompetenz, neben der Sachkompetenz und der Selbstkompetenz, ein wichtiger Baustein bei der Entwicklung zu einem mündigen und handlungsfähigen Subjekt (Wellhöfer, 2004, S. 1; Hauf, 2005, S. 11-12; Roth, 1971, S. 180).

Für eine Annäherung an den Begriff Sozialkompetenz im schulischen Kontext eignen sich die Ausführungen der Kultusministerkonferenz. Dort wird Sozialkompetenz als Komponente der allgemeinen Handlungskompetenz definiert. Handlungskompetenz ist die „ Bereitschaft und Befähigung des Einzelnen, sich in beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen sachgerecht durchdacht sowie individuell und sozial verantwortlich zu verhalten “ (Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder (KMK), 2011, S. 14).

Die Handlungskompetenz umfasst drei Hauptdimensionen: Fachkompetenz, Selbstkompetenz und Sozialkompetenz. Dabei ist Sozialkompetenz „ die Bereitschaft und Fähigkeit, soziale Beziehungen zu leben und zu gestalten, Zuwendungen und Spannungen zu erfassen und zu verstehen sowie sich mit Anderen rational und verantwortungsbewusst auseinander zu setzen und zu verständigen “ (KMK, 2011, S. 14).

Im Kompetenzmodell der KMK sind Methodenkompetenz, kommunikative Kompetenz sowie Lernkompetenz ein „ immanenter Bestandteil “ (KMK, 2011, S. 15) der drei Hauptkompetenzen. Sie sind demnach nicht als eigenständige Kompetenzdimensionen ausgewiesen, sondern liegen ‚quer‘ zu ihnen und haben dimensionsübergreifenden Charakter. In diesem Verständnis ist kommunikative Kompetenz „ die Bereitschaft und Befähigung, kommunikative Situationen zu verstehen und zu gestalten. Hierzu gehört es, eigene Absichten und Bedürfnisse sowie die der Partner wahrzunehmen, zu verstehen und darzustellen “ (KMK, 2011, S. 15).

Über die Definitionen hinaus werden die Kompetenzen nicht näher von der KMK spezifiziert (KMK, 2011, S. 14-15; Wilbers, 2014, S. 69-70; Riedl, 2011, S. 40-41).

Das Modell der KMK ist trotz seines hohen Stellenwerts jedoch nicht ganz unumstritten. Für Wilbers (2014, S. 71) ist die Abgrenzung zwischen Sozialkompetenz und kommunikativer Kompetenz beispielsweise nicht trennscharf. Im Gegensatz zum Ansatz der KMK wird in dieser Arbeit daher die kommunikative Kompetenz als Hauptdimension der Handlungskompetenz formuliert. Aufgrund der inhaltlichen Überschneidungen wird kommunikative Kompetenz jedoch der Sozialkompetenz zugeordnet. Dadurch erlangt die Sozialkompetenz als eigenständige Unterkompetenz der Handlungskompetenz eine sozialkommunikative Ausrichtung. Grundsätzlich ist soziale Kompetenz keine singuläre Eigenschaft sondern vielmehr ein ganzes Kompetenzbündel. In vielfältigen Bestimmungsversuchen in der Literatur und auch in der pädagogischen Landschaft werden stets unterschiedliche Konstrukte, u.a. Kommunikationsfähigkeit, Kooperationsfähigkeit, Teamfähigkeit, Konfliktfähigkeit und Empathie, zur Konkretisierung der Sozialkompetenz herangezogen. Das Verständnis von sozialer Kompetenz ist demnach keineswegs einheitlich. In dieser Arbeit liegt der Schwerpunkt bei der Bestimmung des Begriffs Sozialkompetenz auf der Kommunikationsfähigkeit.

Das modifizierte Kompetenzmodell (siehe Abbildung 1), das dieser Arbeit zugrunde liegt, teilt Handlungskompetenz in Fachkompetenz, Lernkompetenz, Sozialkompetenz mit sozialkommunikativem Schwerpunkt und Selbstkompetenz auf. Einzig die Sprachkompetenz bleibt weiterhin ein immanenter Bestandteil der vier Hauptkompetenzen (Wilbers, 2014, S. 70-71; S. 76; Kanning, 2005, S. 6-8; Euler & Hahn, 2014, S. 235-236; Jürgens, 2006, S. 58).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Kompetenzstrukturmodell (Eigene Darstellung in Anlehnung an Wilbers, 2014, S. 76)

Bislang wurde der Zusammenhang von Sozialkompetenz, kommunikativer Kompetenz und allgemeiner Handlungskompetenz hergestellt und ein grobes Verständnis von Sozialkompetenz geschaffen. Im weiteren Verlauf wird der Begriff Sozialkompetenz weiter präzisiert.

Euler (2009, S. 18) weist darauf hin, dass die Definition von Sozialkompetenz abhängig von der jeweiligen Verwendung ist. Daher kann keine allgemein gültige Bestimmung des Konstrukts vorgenommen werden. Das jeweilige Verständnis richtet sich nach dem spezifischen Anwendungs- und Verwendungszweck.

An den Definitionsversuchen zur Sozialkompetenz in der Literatur wird kritisiert, dass häufig offen bleibt, über welche Inhalte, z.B. Sachthema oder Werthaltung, mit welchen Personen, z.B. Vorgesetzter, Kollege oder Freund, und in welchen Situationen, sei es beruflich oder privat, soziale Kommunikation stattfindet. Es sind stets spezifische Kompetenzen notwendig, um die in den verschiedensten Fällen auftretende soziale Kommunikation zu bewältigen. So wird deutlich, dass die vorherige Bestimmung der Verhaltens-, Inhalts- und Situationskomponente die Grundlage ist, eine präzise Bestimmung der Sozialkompetenz vornehmen zu können (Euler, 2009, S. 18; Euler & Hahn, 2014, S. 235-237).

Die Zusammenführung aller bisherigen Ausführungen führt schließlich zu folgender Definition: „ Sozialkompetenzen sollen definiert werden als Disposition zur zielgerichteten Kommunikation mit anderen Menschen über sachliche, soziale oder persönliche Themen in spezifischen Typen von Situationen“ (Euler & Hahn, 2014, S. 237). Im Folgenden wird auf ausgewählte Bestandteile dieser Definition näher eingegangen.

Kommunikation zwischen Menschen stellt Anforderungen an die handelnden Personen. Diese erfüllen zu können, erfordert Sozialkompetenz.

Soziale Kommunikation hat zwangsweise einen Inhalt. Im beruflichen Kontext ergeben sich daher häufig Überschneidungen mit der Sachkompetenz, so dass sich Sachkompetenz, z.B. Wissen über Produkte, und Sozialkompetenz, z.B. ein Produkt dem Kunden zu präsentieren und zu erläutern, gegenseitig ergänzen. Auch Kommunikation selbst kann zum Inhalt werden (Meta-Kommunikation). Eine Unterscheidung zwischen sachlichen Themen, wie Theorien und Ereignissen, sozialen Themen, z.B. Kommunikation, und persönlichen Themen, wie Gefühlen und Absichten, erfolgt aufgrund der Tatsache, dass in Abhängigkeit des Themas unterschiedliche Kompetenzanforderungen gestellt werden.

Der Situationskontext präzisiert die Kommunikationsthemen näher. Situationen mit vorwiegend ähnlichen Anforderungen an den Kommunizierenden werden zu einem Situationstyp zusammengefasst. Ein Mensch ist nicht allgemein sozialkompetent, sondern speziell in Hinsicht auf einen abgegrenzten Situationstyp. Sozialkompetenz wird also nur situationsspezifisch erworben und angewendet.

Sozialkompetenz weist nicht auf eine eindeutige Wert- und Zielausrichtung hin. Im Alltag ist Sozialkompetenz ein positiv besetzter Begriff, der mit Werten wie Hilfsbereitschaft, Höflichkeit oder Glaubwürdigkeit assoziiert wird. Dieser positive Charakter gilt jedoch nicht grundsätzlich, da eine Person beispielsweise auch dann Sozialkompetenz besitzt, wenn sie sich geschickt und gezielt einer gemeinsamen Verpflichtung entzieht. Auch im Hinblick auf den Zweck ist spezifische Sozialkompetenz ambivalent, z.B. können rhetorische Fähigkeiten dazu eingesetzt werden, einerseits die Zuhörer für ein Thema zu begeistern oder andererseits zur unterschwelligen Propaganda und Manipulation beitragen (Euler & Hahn, 2014, S. 237-240; Jürgens, 2006, S. 58).

Sozialkompetenz ist ein Teilbereich der Handlungskompetenzen. Die Systematisierung der Sozialkompetenz erfolgt anhand der drei Handlungsdimensionen, die zur Differenzierung von Handlungskompetenzen genutzt werden können:

- Dimension ‚Erkennen bzw. Wissen‘: kognitiver Schwerpunkt
→ Theorien und Konzepte

- Dimension ‚Werten bzw. Einstellung‘: affektiver und moralischer Schwerpunkt
→ Werte und Ziele

- Dimension ‚Können bzw. Fertigkeiten‘: psychomotorischer Schwerpunkt
→ Prinzipien und Techniken (Euler & Hahn, 2014, S. 238, S. 240)

2.2 Das Grundverständnis sozialer Kommunikation

In dieser Arbeit wird Sozialkompetenz als Disposition zum Umgang mit anderen Menschen in verschiedensten Kommunikationssituationen verstanden. Der Mensch ist ein soziales Wesen. Grundsätzlich ist Kommunikation geradezu lebensnotwendig, da sie als soziale Kommunikation dem Austausch, der Vermittlung und Aufnahme von Informationen, Botschaften oder Nachrichten zwischen Menschen dient. Sie stellt eine soziale Handlung dar, bei der ein Mensch seinem Gegenüber begegnet und mit ihm in Kontakt tritt. Soziale Kommunikation ist daher das Medium zur Mitteilung und zur Verständigung zwischen Menschen.

Beim Grundvorgang zwischenmenschlicher Kommunikation gibt es immer mindestens einen Sender und einen Empfänger der Nachricht. Der Sender, der etwas kommunizieren möchte, verschlüsselt hierzu einen Sachverhalt in erkennbare verbale und nonverbale Zeichen. Diese Nachricht wird dem Empfänger übermittelt. Der hat nun die Aufgabe, die Nachricht zu entschlüsseln. Der Sender übt mit seiner Nachricht eine Wirkung auf den Empfänger aus. Im Anschluss erfolgt in der Regel eine Rückkopplung, da der Empfänger eine neue Nachricht als Reaktion auf die empfangene Nachricht an den Sender zurückschickt. Die Rollen der Kommunikationspartner wechseln laufend. Der Empfänger übernimmt nun die Rolle des Senders und umgekehrt. Dieses Grundmodell nennt Merten (2007, S. 55) das „ klassische Paradigma: Kommunikation als Stimulus-Response “.

In der Tradition von Sender-Empfänger-Modellen stellen die älteren Kommunikationstheorien nicht die Handelnden, sondern die Information in den Mittelpunkt. Demgegenüber überwiegen heutzutage konstruktivistische Zugänge. „ Versteht man Kommunikation handlungsanalytisch als eine Ereignisfolge wechselseitiger Artikulation und Interpretation von verbalen und non-verbalen Äußerungen zwischen Gesprächspartnern, so muss streng unterschieden werden zwischen einer Äußerung und den Bedeutungen, die der Adressat ihr zuordnet“ (Euler & Hahn, 2014, S. 242). Nicht das eigentlich Gemeinte, sondern die Interpretation bzw. Deutung der Äußerung ist entscheidend dafür, wie der Mensch in der Situation reagiert und demzufolge handelt. Jeder Mensch sieht die Welt durch seine individuelle Brille. Im Prozess der Kommunikation hebt er gewisse Ereignisse hervor und stellt sie in einen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang. Vor diesem Hintergrund ist für das Verstehen des Gegenübers stets auch ein Maß an Selbst(er)kenntnis und Selbsterfahrung notwendig. Eine wichtige Grundlage für die Kommunikation mit Mitmenschen ist die Kenntnis der eigenen Interpretationsgrundlagen. Darüber hinaus ist zur sozialen Verständigung das Einlassen auf den anderen erforderlich. Somit sind Sender und Empfänger mitverantwortlich für den Kommunikationsverlauf. Die Wahrheit beginnt zu zweit.

Trotz des sehr individuellen Charakters von Kommunikation wird eine Verständigung im sog. „ konsensuellen Bereich “ (Maturana, 1982, S. 73) möglich. Insbesondere bei einer ähnlichen sozialen und kulturellen Herkunft stimmen die gesendete und die empfangene Nachricht meist überein, so dass Verständigung erfolgreich verläuft. Kommunikation ist jedoch auch störanfällig. Sehr schnell kann es zu einer Diskrepanz kommen zwischen dem, was der Sender zum Ausdruck bringen möchte und dem, was der Empfänger interpretiert. Missverständnisse sind die Folge. Dieses Problem kann durch eine Rückmeldung des Empfängers vermieden werden. Diese Rückmeldung wird auch als Feedback bezeichnet. Damit kann der Sender überprüfen, ob Übereinstimmung seiner Sendenachricht mit dem Empfangsresultat vorliegt.

Ein zentrales Charakteristikum menschlicher Kommunikation ist die Simultanität zahlreicher verbaler, nonverbaler, impliziter oder expliziter Vorgänge: „ sich zeigen (verbergen) und erkannt (verkannt) werden; einen Sachverhalt [...] darstellen und verstanden (missverstanden) werden; eine Beziehung stiften und eine Beziehungsdefinition anbieten (die akzeptiert oder verworfen werden kann); der Versuch einer Einflussnahme (Appell), der befolgt, ignoriert oder reaktant verweigert werden kann “ (Schulz von Thun, Zach & Zoller, 2015, S. 113). Die Bewältigung der vielfältigen Kommunikationsprozesse stellt alle Beteiligten vor eine große Herausforderung. Um ein vertieftes Verständnis der zwischenmenschlichen Kommunikation zu schaffen, wird im weiteren Verlauf das Kommunikationsmodell nach Schulz von Thun ausführlich beschrieben (Schmidt, 1995, S. 5; Schulz von Thun, 2016, S. 27; Melzer & Methner, 2012, S. 17; Euler & Hahn, 2014, S. 237; S. 241-243, S. 248; Klippert, 2006, S. 30; Klippert, 2010, S. 90; Schulz von Thun et al., 2015, S. 67-68, S. 113-114; Ant, Nimmerfroh & Reinhard, 2014, S. 26-29; Röhner & Schütz, 2016, S. 5-7).

2.3 Soziale Kommunikation am Modell von Schulz von Thun

2.3.1 Das Kommunikationsquadrat

Schulz von Thun ist deutscher Psychologe, Kommunikationswissenschaftler und Gründer des ‚Schulz von Thun – Instituts für Kommunikation` in Hamburg. Er gilt ebenso als Begründer einer humanistisch-systemischen Kommunikationspsychologie (Schulz von Thun Institut für Kommunikation, 2017b). Nach seiner Ansicht geht Kommunikation weit über den reinen Austausch von Informationen auf der Sachebene hinaus. „ Für mich selbst war es eine faszinierende <Entdeckung>, die ich in ihrer Tragweite erst nach und nach erkannt habe, dass ein und dieselbe Nachricht stets viele Botschaften gleichzeitig enthält. Dies ist eine Grundtatsache des Lebens, um die wir als Sender und Empfänger nicht herumkommen“ (Schulz von Thun, 2016, S. 27). Auf dieser Grundlage entwickelte Schulz von Thun im Jahre 1981 schließlich das Kommunikationsquadrat, das die Struktur einer Nachricht abbildet.

Die theoretische Struktur einer Nachricht wurde erstmals im Jahre 1934 von Bühler thematisiert. Als erster Psychologe analysierte er ausführlich das menschliche Sprechverhalten. Nach seiner Auffassung setzt sich Sprache aus den verschiedensten wahrnehmbaren Informationen zusammen, wobei drei Aspekte unterschieden werden können: Symptom, Appell und Symbol. Die Ausdrucks- bzw. Symptomfunktion informiert über die Befindlichkeit des Senders. Zudem wird der Empfänger beeinflusst. Dies entspricht der Appell- oder Signalfunktion. Die Darstellung- oder Symbolfunktion gibt Auskunft über Gegenstände und Sachverhalte (Wellhöfer, 2004, S. 116).

Die Erkenntnisse von Bühler wurden im weiteren Verlauf von der ‚Palo-Alto-Schule‘ aufgegriffen, ausgearbeitet und vertieft. Die ‚Palo-Alto-Schule‘, eine Arbeitsgruppe unter der Leitung von Bateson in Palo Alto/Californien, befasste sich intensiv mit sozialen Interaktionen und erforschte deren Grundregeln. Auf Basis langfristiger Beobachtungen ermittelten sie schließlich fünf Grundregeln – ‚Axiome‘ – einer jeglichen menschlichen Kommunikation, die im Jahre 1969 von Watzlawick, Beavin und Jackson detailliert beschrieben wurden:

(I) Man kann nicht nicht kommunizieren.
(II) Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, derart, dass letzterer den ersteren bestimmt und daher eine Metakommunikation ist.
(III) Die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktion der Kommunikationsabläufe seitens der Partner bedingt.
(IV) Menschliche Kommunikation bedient sich digitaler und analoger Modalitäten.
(V) Zwischenmenschliche Kommunikationsabläufe sind entweder symmetrisch oder komplementär, je nachdem, ob die Beziehung zwischen den Partnern auf Gleichheit oder auf Unterschiedlichkeit beruht (Watzlawick, Beavin & Jackson, 1990, S. 50-71; Melzer & Methner, 2012, S. 12-14; Wellhöfer, 2004, S. 117-121)

Auf der Grundlage der bereits existierenden Modelle beschäftigte sich Schulz von Thun mit der Fragestellung, wie die verschiedenen, bereits existierenden Ansätze und Erkenntnisse - u.a. Bühler, ‚Palo-Alto-Schule‘, Watzlawick, Konzept der Humanistischen Psychologie - kombiniert und verdichtet werden können. Im Prinzip erweiterte er das zweite Axiom Watzlawicks und entwickelte es zum Modell der vier Ohren und der vier Schnäbel bzw. zum Kom-munikationsquadrat (siehe Abbildung 2) (Wilbers, 2014, S. 103; Wellhöfer, 2004, S. 126; Schulz von Thun, 2016, S. 13-15; Melzer & Methner, 2012, S. 14-15; Schmidt, 1995, S. 4).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Das Kommunikationsquadrat (Schulz von Thun Institut für Kommunikation, 2017a)

Das Kommunikationsquadrat ist ein Modell, das vielfältig einsetzbar ist. Es dient zur Analyse von Nachrichten, zur Identifikation zahlreicher Kommunikationsstörungen und auch zur Gliederung dieses gesamten Problemfelds. Die vielseitige Struktur einer Nachricht macht die zwischenmenschliche Kommunikation einerseits sehr schwer, kompliziert und für Störungen äußerst anfällig. Andererseits ist Kommunikation dadurch nie langweilig, sondern ganz im Gegenteil äußerst spannend und aufregend. Um die Vielfalt an Botschaften einer Nachricht ordnen zu können, werden vier verschiedene Ebenen definiert, die sich in den vier Seiten des Kommunikationsquadrats wiederfinden: Sachebene, Beziehungsebene, Selbstkundgabeebene und Absichtsebene.

Kommunikation beinhaltet beim Artikulieren des Senders und bei der Interpretation des Gegenübers stets alle vier Ebenen. Sie sind eine Grundtatsache, mit der Sender und Empfänger immer konfrontiert sind. In nur einer Äußerung wird ein ganzes Paket an Sachinformationen, Absichten sowie Informationen über die Befindlichkeit und die Beziehungsdefinition des Senders übermittelt. Die vom Sender tatsächlich angesprochene bzw. vom Empfänger interpretierte Ebene ist dabei nicht objektiv erkennbar, sondern zunächst lediglich durch den Kommunizierenden bestimmbar (Schulz von Thun, 2016, S. 27; Schulz von Thun et al., 2015, S. 114-115; Euler & Hahn, 2014, S. 244-245; Melzer & Methner, 2012, S. 14-15).

Nach diesem Überblick erfolgt eine detaillierte Beschreibung des Kommunikationsquadrats.

2.3.2 Die vier Seiten einer Nachricht durch den Sender

(a) Die Sachebene

Auf der Sachebene – ‚Es‘ – wird die Sachinformation der Nachricht zum Ausdruck gebracht. Dies entspricht dem Inhaltsaspekt im zweiten Kommunikationsaxiom von Watzlawick. Die Sachebene spiegelt wider, worüber der Sender sein Gegenüber informieren möchte. Beim Thema des Gesprächs rückt folglich die Sachseite offiziell in den Vordergrund. Auf dieser Seite des Kommunikationsquadrats werden Sachverhalte, Zahlen, Daten, Fakten und Ereignisse kommuniziert, die nach einer inhaltlichen Überprüfung als richtig oder falsch, wichtig oder unwichtig, sowie ausreichend oder einseitig bewertet werden können. Auf der sachlichen Ebene werden Informationen meist direkt – ‚explizit‘ – formuliert.

Beispiel: Der Mann (Sender) sagt zu seiner am Steuer sitzenden Frau (Empfänger): ‚Du, da vorne ist Grün!‘.

Auf der Sachebene kommuniziert der Sender den Zustand der Ampel – sie steht auf Grün (Schulz von Thun, 2016, S. 28).

Für den Sender steht auf dieser Ebene die Fragestellung im Vordergrund, wie er dem Empfänger den Sachverhalt möglichst klar und verständlich mitteilen kann. Das Kriterium der Verständlichkeit ist daher stets vom Adressaten abhängig, z.B. ob dieser Experte oder Laie ist. Das Hamburger Verständlichkeitsmodell von Langer, Schulz von Thun und Tausch aus dem Jahre 1974 nennt vier sog. ‚Verständlichmacher‘: Einfachheit, Gliederung/ Ordnung, Kürze/ Prägnanz und Verlebendigung.

Das Kriterium ‚Einfachheit‘ wird durch eine einfache Darstellung, kurze und unkomplizierte Sätze, eine gängige Wortwahl, einfache Fachbegriffe, visuelle Präsentationen sowie konkrete und plastische Formulierungen erreicht. Der Komponente ‚Gliederung/Ordnung‘ wird durch die Einhaltung folgender Merkmale Rechnung getragen: Gliederung, Folgerichtigkeit, Übersichtlichkeit, Differenzierung von Wesentlichem und Unwesentlichem, roter Faden und Logik der Abfolge, Zusammenfassungen, Hinweise auf gedankliche Beziehungen und Querverbindungen. Der Aspekt ‚Kürze/Prägnanz‘ bewegt sich auf einem Kontinuum zwischen den beiden einander entgegengesetzten Polen der komprimierten Ausdrucksweise auf der einen Seite und der Weitschweifigkeit andererseits. Wesentlich ist, dass die Länge der Ausführungen in einer guten Relation zum Informationsgehalt steht. Pointierte Formulierungen ohne ein Abschweifen vom Thema sind gefordert. Das letzte Kriterium ‚Verlebendigung‘ kann durch lebensnahe Beispiele, persönliche Anrede, Vergleiche, Metaphern und sämtliche Stilmittel, die den Gefühlszustand beeinflussen, umgesetzt werden. Es ist auf einen adäquaten Einsatz zu achten, um den eigentlichen Inhalt nicht zu verdrängen.

Zur Gewährleistung von Sachlichkeit ist neben der verständlichen Informationsvermittlung zusätzlich ein Bewusstsein dafür erforderlich, dass das Gegenüber möglicherweise einen anderen Standpunkt wie der Sender selbst einnimmt. „ Denn nur wenn beim Informationsaustausch die Unterschiedlichkeit der Sichtweisen akzeptiert und das Gegenüber respektiert wird, lässt sich Sachlichkeit erzielen (Schulz von Thun et al., 2015, S. 188).

Im beruflichen Kontext sollte bei Konversationen der Sachinhalt die Hauptrollte spielen, unabhängig davon wie der Sender persönlich zum Gesprächspartner steht. Doch auch die Sachseite der Kommunikation ist störanfällig, z.B. wenn sie zum Austragen von Machtfragen oder nicht offenkundiger Konflikte eingesetzt wird. Schulz von Thun et al. (2015, S. 188-189) betonen: „ Die Sachebene und die Beziehungsebene gehören urtümlich zusammen, wann immer Menschen miteinander zu tun haben. Es gilt, die Erfordernisse der Sache mit den Erfordernissen des Menschlichen und Mitmenschlichen in Einklang zu bringen. Sache und Beziehung sind vorstellbar als zwei Schienenstränge: Laufen die parallel nebeneinander (= Einklang von Sachlichem und Menschlichen), kann der Zug (z.B. das Projekt einer Arbeitsgruppe) Fahrt aufnehmen. Leiche Störungen im Schienenverlauf äußern sich als mehr oder weniger starkes Ruckeln des Zuges, größere Irritationen machen die Weiterfahrt unmöglich – der Zug muss langsamer werden oder sogar ganz stehen bleiben “. Im Falle einer derart massiven Beeinträchtigung der sachlichen Zusammenarbeit ist Metakommunikation erforderlich (Schulz von Thun, 2016, S. 27-28; Schulz von Thun et al., 2015, S. 89-90, S. 114-116, S. 187-189; Euler & Hahn, 2014, S. 244, S. 251-252; Melzer & Methner, 2012, S. 15; Wellhöfer, 2004, S. 127-128).

(b) Die Selbstkundgabe- bzw. Selbstoffenbarungsebene

Jede Nachricht enthält aber nicht nur Sachinformationen, sondern auch Informationen über den Sender selbst. „ Wenn einer etwas von sich gibt, gibt er auch etwas von sich – dieser Umstand macht jede Nachricht zu einer kleinen Kostprobe der Persönlichkeit “ (Schulz von Thun, 2016, S. 14). Er gibt z.B. preis, was für ein Mensch er ist, wie es ihm geht, was er denkt und fühlt oder in welcher Stimmung er ist. Auf der Selbstkundgabe- bzw. Selbstoffenbarungsebene – ‚Ich‘ – steht somit die ‚subjektive Welt‘ des Senders an erster Stelle.

Individuelle Aspekte des Senders wie Stimmungen, Gefühle, moralische Werte, Bedürfnisse, ästhetische Empfindungen oder die persönliche Einstellung zum Thema beeinflussen den Aufbau der Nachricht, die Art und Weise, wie der Sender spricht, und damit dessen Selbstkundgabe. Mögliche Fragestellungen, mit denen der Kommunizierende auf dieser Ebene konfrontiert ist, lauten: ‚Was zeige ich von mir, wenn ich mich äußere?‘ oder ‚Was wird von meiner eigenen Persönlichkeit preisgegeben?‘.

Die Selbstkundgabe umfasst dabei die Kombination aus beabsichtigter Selbstdarstellung und unfreiwilliger oder versteckter Selbstenthüllung des Senders. Die Selbstoffenbarung kann mehr oder weniger tiefgreifend und reichhaltig sein, sie kann aber niemals nicht stattfinden. Auf der Selbstkundgabeebene werden somit stets Ich-Botschaften mitgeteilt, die einerseits explizit formuliert oder andererseits implizit angedeutet sein können. Insbesondere auf dieser Ebene findet Kommunikation häufig auf dem nonverbalen Weg statt. Dieses Charakteristikum ist jedoch ein Nährboden für Kommunikationsprobleme. „ Wenn es schwierig wird in der Kommunikation, dann sag einfach was mit dir ist – das ist das beste Rezept, das ich kenne“ (Ruth Cohen, zitiert nach Schulz von Thun, Ruppel & Stratmann, 2003, S. 38). Zur Vermeidung von Störungen wird die Empfehlung zum Senden expliziter Ich-Botschaften gegeben (Schulz von Thun, 2016, S. 29; Schulz von Thun et al., 2015, S. 195-196; Euler & Hahn, 2014, S. 244; Schmidt, 2005, S. 9; Melzer & Methner, 2012, S. 15; Wellhöfer, 2004, S. 129).

Beispiel: Der Mann (Sender) sagt zu seiner am Steuer sitzenden Frau (Empfänger): ‚Da vorne ist Grün!‘.

Auf der Selbstoffenbarungsebene wird deutlich, dass der Sender wach, innerlich aufmerksam, deutschsprachig und vermutlich farbtüchtig ist. Darüber hinaus teilt der Beifahrer mit, dass er es womöglich eilig hat. Sollte letzteres der Fall sein, wurde der Empfehlung, explizite Ich-Botschaften zu senden, nicht Rechnung getragen (Schulz von Thun, 2016, S. 29).

Die Tatsache, dass mit jeder Äußerung etwas von sich selbst preisgegeben wird, begünstigt bei vielen Personen die Entstehung der sog. ‚Selbstkundgabe-Angst‘. Sorgen und Selbstzweifel beeinträchtigen die zwischenmenschliche Situation: Wie stehe ich da? Was für einen Eindruck mache ich? Was werden die anderen von mir denken und halten?

In Abhängigkeit der Stärke der Selbstzweifel gestaltet der Sender ganz bewusst oder unbewusst seine Selbstoffenbarungsseite. Hierzu stehen ihm eine Vielzahl an Techniken zur Verfügung, die sich grob in Imponiertechniken sowie Fassadentechniken differenzieren lassen. Zum Selbstschutz erscheinen Imponier- und Fassadentechniken für den Sender durchaus sinnvoll. Insgesamt schadet jedoch ein unverhältnismäßig häufiger Einsatz beider Techniken sowohl dem Fortschritt auf der sachlichen Ebene, als auch der eigenen seelischen Verfassung und dem zwischenmenschlichen Austausch. Zur Aufrechterhaltung der Fassade nach außen muss ein hohes Maß an psychischer Energie und Aufmerksamkeit aufgewendet werden. Nicht zuletzt ist eine Selbstkundgabe über die oberflächliche Vorzeigeseite hinaus ein wesentlicher Baustein für einen tragfähigen zwischenmenschlichen Kontakt. Hinsichtlich der Selbstkundgabe wird daher zu einer ‚selektiven Authentizität‘ angeraten. Der Sender präsentiert sich als Mensch, in Anhängigkeit der Situation jedoch in einem eingeschränkten bzw. selektiven Ausmaß. Er wirkt dadurch greifbar und sichtbar, sodass Verständnis und Solidarität gesichert sowie dem Entstehen von Missverständnissen und Befremden vorgebeugt wird (Schulz von Thun, 2016, S. 118-119, 129-130; Schulz von Thun et al., 2015, S. 196-198; Richter, 1974, S. 23-25, S. 39-45).

(c) Die Beziehungsebene

Kommunikation und Beziehung sind eng ineinander verwoben und in ständiger Wechselwirkung. In jeder kommunikativen Situation wird unweigerlich die Beziehungsebene betreten.

Auf der Beziehungsebene –‚Wir‘- kommen offene und verdeckte Regeln und Einstellungen zum Tragen, die zeigen, wie der Sender einer Nachricht zum Empfänger steht, was er von ihm hält und wie der Sender die Beziehung zwischen sich und dem Empfänger sieht. So kann auf dieser Ebene beispielsweise ausgedrückt werden, ob und inwieweit das Gegenüber sympathisch gefunden, wertgeschätzt oder respektiert wird. Auf der Beziehungsebene stehen für den Sender Fragstellungen wie ‚Wie behandle ich mein Gegenüber durch die Art meiner Kommunikation?‘ im Vordergrund.

Beispiel: Der Mann (Sender) sagt zu seiner am Steuer sitzenden Frau (Empfänger): ‚Da vorne ist Grün!‘

Der Hinweis des Mannes im Beispiel verdeutlicht, dass er seiner Frau wohl nicht zutraut, ohne seine Hilfe ideal Auto zu fahren. Auf der Beziehungsebene teilt der Mann der Frau mit: ‚Du brauchst meine Hilfestellung!‘.

Womöglich widersetzt sich die Frau und antwortet im Gegenzug ruppig: ‚Fährst du oder fahre ich?‘. Ihre Ablehnung ist lediglich gegen die Beziehungsbotschaft des Mannes gerichtet, nicht gegen den Sachinhalt.

Auf der Beziehungsseite lassen sich zwei Arten von Botschaften unterscheiden: Du-Botschaften und Wir-Botschaften. Letztere enthalten die Beziehungsdefinition, also eine Aussage darüber, welche Umgangsart zwischen den Personen angemessen ist. Der Beziehungsaspekt wird primär nonverbal, z.B. durch Mimik, Gestik oder Tonfall, kommuniziert.

Selbst beim reinen Austausch von Sachinformationen ist die Beziehungsseite maßgeblich mitbestimmend für den weiteren Verlauf des Gesprächs. Ein hohes Maß an Sensibilität ist erforderlich, da der Empfänger für diese Nachrichtenseite meist ein sehr empfindliches Ohr hat. Er fühlt sich als Person in gewisser Weise beurteilt oder behandelt.

Streng genommen ist der Beziehungsaspekt eine spezielle Komponente der Selbstoffenbarung. Trotz der Überschneidungen ist eine Trennung sinnvoll. Die Selbstoffenbarung umfasst Ich-Botschaften des Senders, wobei der Empfänger selbst nicht involviert ist. Demgegenüber dominieren beim Beziehungsaspekt Du- und Wir-Botschaften, bei denen der Empfänger selbst betroffen ist (Schulz von Thun, 2016, S. 30-31; Schulz von Thun et al., 2015, S. 40-43, S. 115-116; Euler & Hahn, 2014, S. 244, S. 252; Melzer & Methner, 2012, S. 15; Wellhöfer, 2004, S. 128-129).

(d) Die Appellebene

Die Appellebene bzw. Absichtsebene - ‚Ich‘ – ist die letzte Ebene des Senders im Modell von Schulz von Thun. Sie thematisiert die Wirkungsabsicht des Handelnden mit seiner Nachricht. Jeder Sender möchte mit seiner Nachricht etwas erreichen und verfolgt daher einen bestimmten Zweck. Er möchte auf den Kommunikationspartner Einfluss nehmen, damit dieser etwas tut, unterlässt, fühlt oder denkt. Die Kernfrage für den Sender lautet: ‚Was will ich mit meinen Äußerungen bewirken?‘.

Beispiel: Der Mann (Sender) sagt zu seiner am Steuer sitzenden Frau (Empfänger): ‚Da vorne ist Grün!‘.

Auf der Appellebene kommuniziert der Sender beispielsweise: ‚Gib ein bisschen Gas, dann schaffen wir es noch bei grün!‘.

Der Versuch der Einflussnahme kann sich prinzipiell offen – explizit - oder verdeckt – implizit - vollziehen. Der Sender bekundet mit einem offenen Appell klar und deutlich, was er vom Empfänger erwartet. Dadurch weiß letzterer, woran er ist. Er hat die Möglichkeit, ebenfalls klar und deutlich zu antworten. Ein offener Appell sollte zudem mit einer Selbstkundgabe anstatt einer entwertenden Beziehungsbotschaft versehen werden. Für eine zielgerichtete Kommunikation ist eine explizite Formulierung in vielen Situationen empfehlenswert.

Bei einer verdeckten Einflussnahme teilt der Sender dem Empfänger nicht offen, sondern lediglich implizit mit, was er von ihm möchte. Ein verdeckter Appell wird häufig auch zur Manipulation eingesetzt. Schulz von Thun (2016, S. 32) warnt: „ Wenn Sach-, Selbstoffenbarungs- und Beziehungsseite auf die Wirkungsverbesserung der Appellseite ausgerichtet werden, werden sie funktionalisiert, d.h. spiegeln nicht wider, was ist, sondern werden zum Mittel der Zielerreichung “. Nicht selten bemerken die Gesprächspartner jedoch, wenn eine Äußerung keine ernste Absicht verfolgt, sondern einen strategischen Charakter zur Erreichung gewisser Absichten aufweist. Damit ist ein verdeckter Appell anfällig für Störungen und Missverständnisse in der Kommunikation, z.B. wenn er überhört wird oder das Gegenüber ihn entdeckt und sich getäuscht fühlt.

Verdeckte Appelle haben aber gelegentlich auch Vorteile. Sofern der Empfänger den unausgesprochenen, angedeuteten Appell liest, kann er von sich aus Folge leisten. Der Empfänger wahrt sein Gesicht, da er in der Außensicht nicht als gehorsamer Befehlsempfänger oder Kritisierter in Erscheinung tritt. Zudem wird beim impliziten Appell die Autonomie des Empfängers respektiert, da dieser ihm zunächst die Wahlfreiheit lässt, selbst über seine Antwort zu entscheiden. Sofern verdeckte Appelle sensibel eingesetzt werden, gehören sie zur Kunst der indirekten Kommunikation.

Eine spezielle Art von Appellen sind die sogenannten ‚paradoxen Appelle‘. Sie enthalten gezielt das Gegenteil des Gewünschten, wenn der Empfänger nie so handelt wie der Sender es möchte. Diese spezielle Form gründet auf der Tatsache, dass Appelle in der Regel Druck aufbauen, der von Seiten des Empfängers einen Gegendruck erzeugt. Appelle werden häufig als Eingriff in die persönliche Entscheidungsfreiheit und Eigenständigkeit erlebt, auch wenn der Empfänger sie sachlich nicht ablehnt. Die Nichtbefolgung unterstreicht die Unabhängigkeit des Empfängers und er kann seine eigene Größe fühlen. Auch wenn paradoxe Apelle gelegentlich Erfolg versprechen, gefährden sie die aufrichtige Beziehung zwischen Sender und Empfänger. Daher sollten sie, wenn überhaupt, nur vereinzelt und in einem humorvollen Rahmen eingesetzt werden (Schulz von Thun, 2016, S. 32-33; Schulz von Thun et al., 2015, S. 22-24, S. 115-116, S. 161-162; Euler & Hahn, 2014, S. 244, S. 253; Melzer & Methner, 2012, S. 15; Wellhöfer, 2004, S. 129).

2.3.3 Die vier Seiten einer Nachricht durch den Empfänger

Bislang wurde das Nachrichtenquadrat (siehe Abbildung 2) überwiegend aus der Senderperspektive betrachtet. Eine Nachricht ist ein ganzes Paket mit vielen Botschaften. Ein kommunikationsfähiger Sender muss alle vier Seiten beherrschen, um selbst Kommunikationsstörungen bestmöglich zu vermeiden. Die hohe Komplexität und Störanfälligkeit der zwischenmenschlichen Kommunikation ergibt sich jedoch insbesondere aus dem Zusammenspiel von Sender und Empfänger (Schulz von Thun, 2016, S. 48; Schmidt, 1995, S. 17). Der Sender spricht mit vier Schnäbeln und der Empfänger hört mit vier Ohren (siehe Abbildung 3).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Die vier Ohren des Empfängers (Schulz von Thun, 2016, S. 49)

Die ankommende Nachricht ist ein Machwerk des Empfängers. Jedes Ohr ist wie ein Filter, der gewisse Informationen registriert und andere ausschließt. Damit ist die Empfangstätigkeit stets eine andere, je nachdem, mit welchem Ohr der Empfänger hört. Die Fragestellungen zum jeweiligen Ohr können Abbildung 3 entnommen werden. Er kann frei entscheiden, auf welche der vier Seiten der Nachricht er reagiert. Häufig ist ein bestimmtes Ohr auf Kosten der anderen Ohren sehr ausgeprägt. Ursache für den einseitigen Empfang sind in der Regel unterschiedliche Erfahrungen und Lebensgeschichten. Meist ist dem Empfänger überhaupt nicht bewusst, welches Ohr er auf Empfang geschaltet und welches Ohr er abgeschaltet hat. In Abhängigkeit davon kann ein Gespräch sehr unterschiedlich verlaufen.

Die freie Auswahl des Empfängers kann zu Störungen führen, beispielsweise wenn der Empfänger mit einem bestimmen Ohr hört, das der Sender aber gar nicht ansprechen wollte oder wenn der Empfänger stets nur mit einem Ohr hört und damit taub für alle weiteren Botschaften ist. Ideal ist daher eine ausgewogene ‚Vierohrigkeit‘ (Schulz von Thun, 2016, S. 48-51; Schmidt, 1995, S. 17-19; Schulz von Thun et al., 2015, S. 237-238; Euler & Hahn, 2014, S. 250).

Im Folgenden werden die vier Ohren des Empfängers näher betrachtet. Dabei werden auch die Konsequenzen beleuchtet, die sich aus einer einseitigen Wahrnehmung auf dem jeweiligen Ohr ergeben.

(a) Die Sachebene

Auf dem Sach-Ohr (Abbildung 3: Ohr rechts oben) - ‚Es‘ - fragt sich der Empfänger typischerweise, welchen Sachverhalt ihm das Gegenüber mitteilen möchte und wie der Sachverhalt zu verstehen ist. Dabei entschlüsselt er die Sachinformationen, Daten, Zahlen und Fakten der Nachricht. Dieses Ohr ist sinnvoll und nützlich, wenn die Sache im Fokus steht.

Viele Empfänger, insbesondere Männer und Akademiker, nehmen bei einer Nachricht primär die Sachbotschaft wahr. Die zwischenmenschliche Ebene, Gefühle, Befindlichkeiten und Wünsche bleiben vorwiegend außen vor. Typischerweise antwortet der Empfänger auf die Nachricht mit einer sachlichen Information, mit inhaltlichen Fragen oder er korrigiert gewisse Sachinformationen. Damit wird die Kommunikation möglichst sachlich gehalten und eigene Gefühle verborgen. Ein möglicher Grund für die Einseitigkeit auf der Sachebene ist das Ausspielen eines ‚Heimvorteils‘. Die Sachebene wird gezielt angesteuert, da die persönlichen Stärken in diesem Bereich gesehen werden. Die restlichen Ebenen werden gemieden, um Schwächen im Verborgenen zu halten. Die verstärkte Wahrnehmung auf dem Sach-Ohr ist damit nicht unproblematisch.

Schnell können massive Störungen in der Kommunikation entstehen, wenn das eigentliche Problem nicht auf der Sachebene liegt, z.B. bei einer sachlichen Differenz, sondern auf der zwischenmenschlichen Ebene, z.B. wenn sich das Gegenüber nicht ausreichend verstanden fühlt und es seine Anstrengungen, Gefühle und Beziehungsbotschaften mitzuteilen, nicht anerkannt sieht. Daher sollte ein Beziehungsproblem zwischen Sender und Empfänger nie auf der Sachebene ausgetragen werden. Vielmehr wird empfohlen, auf die zwischenmenschliche (Beziehungs-)Ebene zu wechseln, damit das Problem an der richtigen Stelle ausgetragen wird und nicht ungeklärt bestehen bleibt (Schulz von Thun, 2016, S. 51-55; Schmidt, 1995, S. 19-21; Euler & Hahn, 2014, S. 244, S. 255-256; Melzer & Methner, 2012, S. 15-16; Schulz von Thun et al., 2015, S. 237-240).

(b) Die Beziehungsebene

Auf der Ebene des Beziehungs-Ohrs (Abbildung 3: Ohr links unten) - ‚Wir‘ - stehen für den Empfänger Fragestellungen wie ‚Wie redet der Sender eigentlich mit mir?‘ oder ‚Wie definiert er unsere Beziehung?‘ im Vordergrund. Prinzipiell reagiert der Empfänger eher defensiv oder aggressiv, wenn er eine negative Beziehungsbotschaft wahrnimmt.

Ist das Beziehungs-Ohr sehr ausgeprägt, bezieht der Empfänger alles auf sich selbst. Er liegt permanent auf der ‚Beziehungslauer‘. Selbst in beziehungsneutralen Nachrichten entdeckt er eine Stellungnahme zur eigenen Person und misst dieser häufig eine zu große Bedeutung bei. Daher reagiert er überempfindlich und fühlt sich schnell beleidigt, herabgesetzt und angegriffen. Oftmals sind die Reaktionen für die Umwelt kaum nachvollziehbar. Die Mitmenschen kommunizieren zunehmen vorsichtiger, damit sie sich nicht permanent gegen eine einseitige Interpretation des Gesagten wehren müssen. Dies beeinträchtigt schließlich die Bereitschaft zu einer offenen und ungezwungenen Konversation.

Im Vergleich zu dem im letzten Abschnitt beschriebenen Kommunikationsfehler (Verlagerung der Beziehungsauseinandersetzung auf die Sachebene) macht ein Empfänger mit einem großen Beziehungs-Ohr den entgegengesetzten Fehler: Er meidet die Sachauseinandersetzung, indem er auf die Beziehungsseite schwenkt.

Zur Vermeidung von Problemen in der Kommunikation sollte der Empfänger zunächst gelassen reagieren, sich hinsichtlich eines überspitzten Beziehungs-Ohrs selbst hinterfragen und die Sachseite der Nachricht nicht außen vor lassen. Darüber hinaus zeigt eine Nachricht oft Selbstoffenbarung statt Beziehungscharakter. Der Empfänger sollte also auch klären, ob nicht ein anderes Ohr, das Selbstoffenbarungs-Ohr, hauptzuständig ist (Schulz von Thun, 2016, S. 56-59; Schmidt, 1995, S. 19, S. 22-23; Melzer & Methner, 2012, S. 15-16; Euler & Hahn, 2014, S. 244, S. 256; Schulz von Thun et al., 2015, S. 237, S. 240).

(c) Die Selbstkundgabe- bzw. Selbstoffenbarungsebene

Ein sehr großes Selbstoffenbarungs-Ohr (Abbildung 3: Ohr links oben) - ‚Du‘ - ist im Gegensatz zum überempfindlichen Beziehungs-Ohr für den Empfänger psychisch wesentlich gesünder. Er bezieht nicht alles auf sich selbst, sondern ganz im Gegenteil, er stellt sich Fragen wie ‚Was sagt mir die Nachricht über den Sender?‘ oder ‚Was ist mit ihm?‘.

Insbesondere bei Auseinandersetzungen, Vorwürfen und Anklagen des Senders ist ein ausgeprägtes Selbstoffenbarungs-Ohr sehr hilfreich, auch im Hinblick auf eine konstruktive Klärung. Der Empfänger fühlt sich selbst nicht sofort angegriffen und wehrt die Äußerungen daher nicht umgehend auf der Beziehungsebene ab. Stattdessen kann er gelassener zuhören und damit besser verstehen, was in der Welt des anderen tatsächlich los ist. Doch auch zur Verbesserung der alltäglichen zwischenmenschlichen Kommunikation ist aktives Zuhören mit einem gut ausgebildeten Selbstoffenbarungs-Ohr sehr bedeutend. Schulz von Thun (2016, S. 64) betont: „ Es wäre viel gewonnen, wenn der Empfänger [...] zunächst einmal in der Lage wäre, sich präzise in die [Gefühls- und Gedanken-] Welt des anderen einzufühlen und diese Welt gleichsam mit dessen Augen zu sehen (Empathie) “.

Demgegenüber ist eine ausschließliche Wahrnehmung mit dem Selbstoffenbarungs-Ohr jedoch in zweifacher Hinsicht problematisch. Eine ‚Immunisierung‘ durch das (ausschließlich) diagnostische Ohr liegt vor, wenn der Empfänger gar nichts mehr an sich herankommen lässt und das Beziehungs-Ohr vollständig taub ist. In diesem Fall „ wird der andere als Partner nicht mehr ernst genommen und als zu diagnostizierendes Objekt herabgesetzt “ (Schmidt, 1995, S. 25). Der Empfänger hört nicht angemessen zu, so dass eine konstruktive Kommunikation schließlich scheitert.

Ein zweiter Missbrauch des (ausschließlichen) Selbstoffenbarungs-Ohrs ist das ‚Psychologisieren‘. Nach Schmidt (1995, S. 26) werden dabei „ Sachaussagen nur noch danach untersucht, welcher psychische Antrieb dahinter versteckt ist, ohne das Gesagte sachlich zu würdigen “ – nach dem Motto: ‚Das sagst du nur, weil du ...‘. Eine konstruktive Kommunikation scheitert auch in diesem Fall (Schulz von Thun, 2016, S. 59-64; Schmidt, 1995, S. 19, S. 24-26; Melzer & Methner, 2012, S. 15-16; Euler & Hahn, 2014, S. 244; Schulz von Thun et al., 2015, S. 237, S. 240).

(d) Appellebene

Auf der Ebene des Appell-Ohrs (Abbildung 3: Ohr rechts unten) - ‚Du‘ - fragt sich der Empfänger, was er aufgrund der Mitteilung des Senders tun, denken oder fühlen soll.

Ein Empfänger mit einem sehr ausgeprägten Appell-Ohr ist permanent auf dem ‚Appell-Sprung‘. Er hat das Bedürfnis, es jedem Menschen recht zu machen und möchte auch die unausgesprochenen Erwartungen des Gegenübers erfüllen. Selbst kleinste Signale werden im Hinblick auf ihre Appell-Komponente analysiert. Schmidt (1995, S. 27) warnt: „ Ein solcher Empfänger mit einem übergroßen Appell-Ohr ist meist wenig bei sich selbst und hat vor lauter Bemühen hinsichtlich der anderen kaum eine ‚Antenne‘ für das, was er selbst will und fühlt. Eine entsprechende Überanpassung an die Erwartungen der anderen erlaubt es dem Empfänger kaum noch, genügend Energie für seine eigenen Bedürfnisse zu entwickeln und anstatt klischeehafter Schnellreaktionen auch innengeleitete Reaktionen mit dem ‚Gewicht‘ der eigenen Persönlichkeit zu zeigen “. Der Empfänger verhält sich also vielmehr wie ein Automat, anstatt als Mensch. Dies ist jedoch keine Grundlage für eine klare und partnerschaftliche Kommunikation. Störungen treten insbesondere dann auf, wenn die fremden Erwartungen und die persönlichen Interessen in einem starken und dauerhaften Missverhältnis zueinander stehen (Schulz von Thun, 2016, S. 64-66; Schmidt, 1995, S. 19, S. 26-27; Wellhöfer, 2004, S. 129; Melzer & Methner, 2012, S. 15-16; Euler & Hahn, 2014, S. 244, S. 256; Schulz von Thun et al., 2015, S. 237, S. 240-241).

Bisher wurde deutlich, dass eine Nachricht eine Vielzahl an expliziten, impliziten, gewünschten oder unabsichtlichen Botschaften beinhaltet. Der Empfänger kann frei entscheiden, auf welche Komponente er reagiert. In dieser Auffassung von Kommunikation sind Miss- und Unverständnis allgegenwärtig. Kommunikationsstörungen entwickeln sich einerseits aus dem Handeln der jeweiligen Partner, unverständliche Artikulation oder eingeschränkte Interpretation, andererseits aus der Dynamik des wechselseitigen Zusammenwirkens.

Zur Kommunikation kodiert der Sender seine Gedanken, Gefühle und Absichten in Zeichen, z.B. Worte oder Gesten. Der Empfänger erhält nun dieses Gesamtpaket. Er muss die Zeichen dekodieren. Die Sprachgewohnheiten, Erwartungen, Vorerfahrungen und Befürchtungen des Empfängers beeinflussen dabei in großem Maße die Zurückübersetzung und Bedeutungsverleihung. Der empfangene Inhalt muss jedoch nicht zwangsläufig dem gesendeten Inhalt entsprechen. Es geschieht sehr schnell, dass eine Nachricht beim Empfänger überhaupt nicht, oder völlig anders als vom Sender beabsichtigt, ankommt. Dadurch entstehen mehr oder weniger offenkundige Missverständnisse, die sofort thematisiert werden sollten. Sofern Missverständnisse verdeckt bleiben und nicht aufgearbeitet werden, beeinträchtigen sie im weiteren Verlauf nachhaltig die Beziehung aus dem Verborgenen (Schulz von Thun, 2016, S. 67-72; Schmidt, 1995, S. 31-32; Argyle, 1992, S. 17-18; Euler & Hahn, 2014, S. 250).

2.4 Verbale und nonverbale Kommunikation

Botschaften auf allen vier Seiten einer Nachricht können explizit – ausdrücklich formuliert – oder implizit – nicht direkt ausgesprochen – gesendet werden. Die Behauptung, explizite Botschaften seien die Hauptbotschaften, kann nicht gestützt werden. Oftmals wird die zentrale Botschaft sogar implizit gesendet. Implizite Äußerungen werden häufig über die nonverbale Ebene gesendet. An dieser Stelle wird deutlich, dass Kommunikation verschiedene Ausdrucksformen annehmen kann.

Neben der verbalen Kommunikation wird eine Vielzahl an Botschaften und Informationen in einer Konversation durch nonverbale Elemente übermittelt. Während bei der verbalen Kommunikation primär der Inhalt – ‚was‘ – im Vordergrund steht, konzentriert sich die nonverbale Kommunikation auf die Art und Weise, ‚wie‘ etwas zum Ausdruck gebracht wird. Im Rahmen der nonverbalen Kommunikation können Botschaften simultan in beide Richtungen übermittelt werden, z.B. durch Blickkontakt gegenseitiges Interesse bekunden. Demgegenüber weist verbale Kommunikation meist eine sequenzielle Struktur auf, z.B. abwechselndes Sprechen.

Beide Kommunikationsmodalitäten laufen in einer kommunikativen Situation parallel zu einander ab, so dass eine voneinander losgelöste Betrachtung der verbalen und nonverbalen Kommunikation kaum möglich ist (Schulz von Thun, 2016, S. 36-37; Ant et al., 2014, S. 38-39; Röhner & Schütz, 2016, S. 65; Argyle, 1992, S. 17).

Die verbale Kommunikation erfolgt primär über das Sprechen und Schreiben. Sie liefert klare Signale zur Übermittlung von verschiedensten Inhalten. Verbale Kommunikation weist innerhalb einer Sprachgemeinschaft eine eindeutige Struktur auf. Laute und Lautfolgen bilden den Wortschatz, der unter Berücksichtigung von Syntax und Grammatik regelgeleitet genutzt wird. Bei einem ‚Overlapping‘ der sprachlichen Kompetenzen ist die Grundlage für eine erfolgreiche verbale Kommunikation gegeben. „ Overlapping meint ein gemeinsames Grundvokabular und ein minimal gleiches Grundverständnis der grammatikalischen oder kulturellen Regeln “ (Ant et al., 2014, S. 39).

Die beschriebene Struktur der verbalen Kommunikation in Verbindung mit den Erfahrungen in sprachlichen Kontexten und der eigenen Kognition ermöglichen es dem Sender, sich in Worte zu fassen. Primär werden dabei kognitive Aspekte mitgeteilt. Die verbale Ebene unterliegt der Kontrolle der Person. Äußerungen können gezielt ausgesprochen oder bewusst unterdrückt und zurückgehalten werden (Ant et al., 2014, S. 38-39; Röhner & Schütz, 2016, S. 65; Euler & Hahn, 2014, S. 245).

Bei der nonverbalen Kommunikation rückt der eigene Körper in den Fokus. Die außergewöhnliche Bedeutung des Körpers in der Kommunikation ist an verschiedensten Redewendungen ersichtlich: ‚Die Nase hoch tragen‘, ‚Jemanden mit offenen Armen aufnehmen‘, ‚Jemandem etwas auf die Nase binden‘.

Der Mensch spricht mit seinem Körper eine eigene Sprache. Die vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten im Bereich der nonverbalen Kommunikation sind ein sehr bedeutendes und leistungsfähiges Kommunikationsinstrument. Gleichwohl ist diese Kommunikationsform im Vergleich zur verbalen Kommunikation weniger eindeutig. Ihr liegen keine allgemein anerkannten grammatikalischen Regeln zugrunde. Sie ist höchst subjektiv, spontan, sowie emotional und kulturell bedingt. Diese Charakteristika der nonverbalen Kommunikation erschweren eine eindeutige Interpretation der Signale beträchtlich.

Die Körpersprache ist zudem kaum abschalt- und unterdrückbar. Daher ist das Lügen oder sich Verstellen im Vergleich zur verbalen Kommunikation nur sehr schwer möglich. „ Körpersprache ist Ausdruck innerer Bewegungen und wenn sie ernst genommen wird, kann man an der Körpersprache den momentanen Gefühlszustand eines Menschen ablesen. Aber nicht nur das, seine gesamte Lebensgeschichte offenbart sich in Bewegungsdynamik, Körperhaltung, Falten im Gesicht etc. Der Körper lügt nie “ (Galli, 2008, S. 13). Die nonverbale Kommunikation erfolgt größtenteils unbewusst. Sie wird gegenüber verbalen Äußerungen schneller ausgedrückt und interpretiert. Die Körpersprache ist zwar bis zu einem gewissen Grad beeinflussbar, jedoch gestaltet sich eine gezielte Steuerung oder Manipulation insgesamt als äußerst komplex.

Die nonverbale Ebene fungiert als Kanal, um zusätzliche Informationen zu übermitteln, die in der Wortwahl nicht enthalten sind oder nicht enthalten sein sollen. Dadurch kann die Wirkung des Gesagten oder der Gesprächsverlauf erheblich beeinträchtigt oder begünstigt werden. Das Gegenüber erhält vielfältige Erkenntnisse, die auf der verbalen Ebene oftmals nicht übermittelt werden. Besonders Informationen über Emotionen (z.B. Angst, Glück, Freude, Ekel), Werthaltungen, Beziehungsbotschaften und Einstellungen (z.B. Sympathie, Antipathie, Zustimmung, Ablehnung) werden kommuniziert.

Darüber hinaus eignen sich die Instrumente der nonverbalen Kommunikation zur Steuerung von Gesprächen. Ein Blick auf die Uhr oder ein anerkennendes Lächeln und Nicken sind beispielsweise Maßnahmen, um eine Konversation entweder dem Ende entgegen zu führen oder sie weiter zu intensivieren (Ant et al., 2014, S. 39-42; Röhner & Schütz, 2016, S. 65-68; Euler & Hahn, 2014, S. 245-246; Birkenbihl, 2006, S. 89-90; Kanning, 2010, S. 201; Galli, 2008, S. 22-23; Argyle, 1992, S. 17; Klippert, 2006, S. 18-19).

Die Körpersprache des Menschen läuft über verschiedene Kanäle. In der Literatur existieren zahlreiche Ansätze zur Klassifizierung der Formen der nonverbalen Kommunikation. Grundlegend wird zwischen folgenden Ausdrucksformen differenziert: Mimik, Gestik, Körperhaltung und Körperdynamik, Raum- und Distanzverhalten sowie Stimme (Euler & Hahn, 2014, S. 246-247; Püttjer & Schnierda, 2001, S. 5-6; Ant et al., 2014, S. 39-40; Birkenbihl, 2006, S. 43-45; Klippert, 2006, S. 19).

Die Mimik ist im Wesentlichen das Resultat der Evolutionsgeschichte des Menschen. Sie hat einen universellen Charakter, da die mimischen Signale verschiedener Kulturkreise eine hohe Übereinstimmung aufweisen. Die Mimik umfasst sämtliche Ausdrucksformen des Gesichts. Das Gesicht wird typischerweise in drei Bereiche unterteilt: Stirn und Augenbrauen, Mittelgesicht (Augen, Nase, Wangen) und Mund- und Kinnpartie. Die Informationen, die von den drei Bereichen mitgeteilt werden, sind nicht voneinander isoliert zu betrachten, sondern sie sind meist aneinander gekoppelt. „ Im Gesicht gelten mimische Ausdrucksformen der drei Bereiche immer nur im Verband miteinander als Signale, die man interpretieren kann “ (Birkenbihl, 2006, S. 111).

Die Form der Nase sowie die Augenfarbe oder die Form der Lippen sind unveränderbar und zählen daher zu den statischen Formen. Dagegen werden Bewegungen, die beim Sprechen Gemütszustände oder aktuelle Empfindungen offenbaren, als dynamische Formen bezeichnet. „ Freude, Ärger, Sympathie, Trauer gestalten sich durch eine Veränderung des Mundes, der Augenbrauen, der Stirnfalten “ (Galli, 2008, S. 16). Bereits minimale Modifikationen der Mimik verändern die übertragene Botschaft.

Ein zentrales Element der Mimik ist der Blickkontakt, der als wechselseitiger Augenkontakt in Erscheinung tritt. Beim Blickkontakt sind Kontext sowie interindividuelle Faktoren von wesentlicher Bedeutung dafür, ob ‚das Angesehenwerden‘ generell und die Dauer als angenehm oder unangenehm bewertet werden. Im Allgemeinen ermöglicht der Blickkontakt, eine Brücke zum Gegenüber zu schlagen und eine Beziehung aufzubauen. In kommunikativen Situationen wird ihm eine besondere Bedeutung beigemessen. Ein permanentes Ausweichen des Blickes anderer signalisiert meist Unsicherheit, wohingegen ein starrer und zu langer Blickkontakt oftmals als Konfrontation aufgefasst wird. Ein angemessener Blickkontakt zeichnet sich durch abwechselndes Hin- und Wegsehen aus. Der Redner sollte den Gesprächspartner anblicken und zur Sammlung der Gedanken gelegentlich den Blick senken. Der Zuhörer sollte stets den Blickkontakt aufrechterhalten, um aufmerksames Zuhören zu signalisieren. Meist mit kurzen Kontrollblicken versichert sich der Redner, ob das Gegenüber noch interessiert zuhört.

Darüber hinaus zählen die physiologischen Prozesse, z.B. Erröten oder Erblassen, zu den Ausdrucksformen des Gesichts und damit zur Mimik (Euler & Hahn, 2014, S. 246; Kanning, 2010, S. 198; Ant et al., 2014, S. 39; Röhner & Schütz, 2016, S. 74-75; Püttjer & Schnierda, 2001, S. 61-65; Birkenbihl, 2006, S. 44, S. 89-119; Galli, 2008, S. 15-16; Argyle, 1992, S. 201-203, S. 217-218, S. 220, S. 226, S. 229-232).

Die Gestik umfasst sowohl Arm-, Hand-, und Fingerbewegungen als auch Verneigungen, Verbeugungen und sonstige Kopfbewegungen. Der Bewegungsausdruck kann sich z.B. hinsichtlich des Umfangs oder des Tempos unterscheiden. Je nach Ausprägung dieser Parameter variiert die Wirkung meist stark. Grundsätzlich gilt: „ Je stärker die Gefühle angesprochen werden, desto akzentuierter wird auch die Gestik “ (Birkenbihl, 2006, S. 122).

Gegenüber der Mimik ist die Gestik stärker kulturell bedingt. Während einige Gesten universell verstanden werden, entspringen andere im Gegensatz dazu einer spezifischen Kultur. Daher ist die Gestik auch oftmals die Ursache für Missverständnisse.

Die große Aussagekraft der Gesten unterstützt dabei, Aufmerksamkeit zu gewinnen, Wortäußerungen zu unterstreichen und wichtige Argumente herauszustellen. Gesten haben eine eigenständige Mitteilungsfunktion, selbst ohne eine begleitende verbale Kommunikation. In der Regel rufen sie eine unverzügliche Reaktion beim Empfänger hervor.

Die Gesamtheit aller Gesten lässt sich in Aggressionsgesten (z.B. Faust ballen), Unsicherheitsgesten (z.B. vor dem Antworten mit dem Finger am Kopf kratzen) und Kooperationsgesten (z.B. die offene Handfläche präsentieren) differenzieren.

Aggressionsgesten treten häufig in angespannten Situationen auf und sind direkt auf das Gegenüber gerichtet. Sie signalisieren Unmut, widersprüchliche Interessen und Wünsche sowie Auseinandersetzungsbereitschaft. Dagegen ist der Kommunizierende bei Unsicherheitsgesten eher mit sich selbst konfrontiert. Unsicherheitsgesten dienen häufig dazu, in einer Situation Zeit zu gewinnen. Eine Häufung lässt eine Überforderung vermuten. Des Weiteren treten Unsicherheitsgesten insbesondere beim Selektieren von Aussagen zur Einhaltung von Informationsgrenzen, beim bewussten Zurückhalten von Informationen sowie beim Lügen in Erscheinung. Sie beinträchtigen die Kommunikation, da sich das Gegenüber mehr auf die nonverbalen Signale als auf die Inhalte der Konversation konzentriert. Kooperationsgesten treten meist in einer entspannten und kooperativen Gesprächsatmosphäre auf. Friedliche Absichten, Offenheit sowie Verhandlungsbereitschaft werden mit ihnen signalisiert. Darüber hinaus werden sie vom Kommunizierenden eingesetzt, um besondere Aufmerksamkeit einzufordern, das Gegenüber ins Gespräch einzubinden, von ihm einen Beitrag einzufordern oder selbst einen Vorschlag einzubringen.

In kommunikativen Situationen sind Gesten dieser drei Klassen besonders ausdrucksstark. Die strikte Kategorisierung einer Geste ist jedoch nicht immer möglich. Vor der Brust verschränkte Arme können beispielsweise Aggression oder aber auch Unsicherheit signalisieren. Für eine korrekte Interpretation ist eine Geste daher immer im Kontext weiterer Signale zu sehen (Euler & Hahn, 2014, S. 246; Ant et al., 2014, S. 39; Kanning, 2010, S. 198; Püttjer & Schnierda, 2001, S. 70-80; Röhner & Schütz, 2016, S. 72-73; Birkenbihl, 2006, S. 44, S. 120-122; Galli, 2008, S. 16, Argyle, 1992, S. 237).

Die Körperhaltung umfasst sowohl die vorübergehende Haltung einer Person, als auch Bewegungen, die zu einer Beeinflussung und Veränderung der Körperhaltung führen, z.B. Überschlagen der Beine oder Verlagerung des Körpergewichts durch Beugen. Die Köperhaltung gibt Auskunft über die eigenen Einstellungen und Emotionen, aber auch über die Beziehung zu den Mitmenschen und den Status einer Person. Dementsprechend stehen und sitzen statushöhere Personen zum Beispiel entspannter als vergleichsweise statusniedrigere Personen, deren Haltung oftmals eher verkrampft und aufrecht wirkt.

Jede eingenommene Köperhaltung beeinflusst die innere Haltung der Person – und umgekehrt. Hinsichtlich einer abrupten Veränderung der Körperhaltung beschreibt Birkenbihl (2006, S. 81) daher folgende Regel: „ Jede plötzliche Veränderung der äußeren Haltung spiegelt immer eine plötzliche Veränderung der inneren Haltung wider “.

Zur Körperdynamik zählen Ausdrucksformen wie die Gangart oder die Atmung (Euler & Hahn, 2014, S. 247; Birkenbihl, 2006, S. 44, S. 72-85; Ant et al., 2014, S. 39; Röhner & Schütz, 2016, S. 73-74; Püttjer & Schnierda, 2001, S. 81; Galli, 2008, S. 16; Argyle, 1992, S. 258).

Das Raum- und Distanzverhalten umfasst den Abstand, der zu anderen Personen, Lebewesen und Gegenständen eingenommen wird, sowie plötzliche Bewegungen zur Veränderung der Distanz. Im persönlichen Kontakt wird von den Mitmenschen die Einhaltung bestimmter Mindestabstände erwartet. Dennoch ist bei der zwischenmenschlichen Kommunikation auch eine gewisse Mindestnähe erforderlich. Sie ist die Grundlage dafür, einen persönlichen Kontakt überhaupt aufbauen und die körpersprachlichen Signale ausreichend wahrnehmen und analysieren zu können.

Bei Interaktionen von Angesicht zu Angesicht werden der persönliche Raum und die interpersonelle Distanz in vier Bereiche aufgeteilt. Die intime Distanz - ‚bubble‘ - umfasst einen Abstand von ca. 15 bis 45 cm und signalisiert Vertrautheit, z.B. Liebe, Schutz. Doch nicht jedem, dem man vertraut, ist der Eintritt in diese Zone gestattet. Der freiwillige Eintritt ist für Familienmitglieder und für sehr enge Freunde reserviert. Eine Missachtung der Intimzone des Gegenübers gleicht einer Missachtung dieser Person selbst. Die gesellig-persönliche Distanz, ca. 45 cm bis 1,20 m, weist auf eine enge Verbindung hin. Sie wird gewöhnlich bei informellen Anlässen mit Freunden, Bekannten und Kollegen, zu denen ein gutes Verhältnis besteht, sowie bei all denjenigen Menschen, mit denen man herzlich und gerne kommuniziert, eingenommen. Unpersönliche oder berufliche Interaktionen finden in der sozialen Distanz, ca. 1,20 m bis 3,70 m, statt. Die öffentliche Distanz erstreckt sich von ca. 3,70 m bis zur Seh- bzw. Hörweite. Sie wird typischerweise beim öffentlichen Sprechen eingenommen, z.B. bei einer Versammlung, wenn das Erkennen der Zuhörenden nicht unbedingt erforderlich ist.

Die beschriebene Kategorisierung ist jedoch nicht kulturübergreifend gültig. Sie gilt lediglich als Daumenregel für den westlichen Kulturkreis. Je nach Kultur wird die interpersonelle Distanz stets anders erlebt. Neben der Vertrautheit und der Kultur gibt es noch weitere Faktoren, die das Distanzverhalten beeinflussen.

Interaktion im Sitzen findet eher in sozialer oder öffentlicher Distanz statt, wohingegen Kommunikation im Stehen vielmehr in intimer oder gesellig-persönlicher Distanz erfolgt. Auch der Bekanntheitsgrad, der Status und das Geschlecht sind Faktoren, die maßgeblich das Distanzverhalten beeinflussen und entscheidend dafür sind, ob und wie sehr sich eine Person in der Nähe der anderen Anwesenden wohlfühlt.

Je nach eingenommener Distanz wird das Verlassen der Zone meist durch eine adäquate Verhaltensweise, z.B. einen Händedruck, eine Körperberührung, eine Umarmung oder einen Kuss, zum Ausdruck gebracht (Euler & Hahn, 2014, S. 247; Ant et al., 2014, S. 40; Röhner & Schütz, 2016, S. 78-80; Birkenbihl, 2006, S. 44, S. 139-160; Püttjer & Schnierda, 2001, S. 99-102; Argyle, 1992, S. 282).

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[1] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Arbeit nur die männliche Form verwendet. Alle Personenbezeichnungen stehen für beide Geschlechter gleichermaßen.

Ende der Leseprobe aus 115 Seiten

Details

Titel
Förderung der Kommunikationsfähigkeit des Verkaufsgesprächs im Einzelhandel
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Note
1,0
Jahr
2017
Seiten
115
Katalognummer
V424277
ISBN (eBook)
9783668696594
ISBN (Buch)
9783668696600
Dateigröße
1179 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kommunikationsfähigkeit, Verkaufsgespräch, Einzelhandel, Kommunikation, Soziale Kommunikation, Situationstypenansatz, Rollenspiel
Arbeit zitieren
Anonym, 2017, Förderung der Kommunikationsfähigkeit des Verkaufsgesprächs im Einzelhandel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/424277

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