Die Anwendbarkeit von Islamic Banking im europäischen Bankensektor


Bachelorarbeit, 2018

48 Seiten, Note: 1,00


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Forschungsziel
1.3 Aufbau der Arbeit

2 Das islamische Wirtschaftssystem
2.1 Grundlagen und die fünf Hauptpflichten im Islam
2.2 Rechtsquellen und dessen Auslegung

3 Das Konzept des Islamic Banking
3.1 Die Entwicklung des islamischen Bankwesens
3.2 Unterschiede zum konventionellen Bankgeschäft
3.3 Die KundInnen des Islamic Banking
3.4 Potenzielle Zielgruppen des Islamic Banking in Europa
3.5 Erkenntnisse aus dem Ethno Marketing

4 Marketing Mix für islamkonforme Banken
4.1 Moralische Aspekte als zentrales Produktversprechen
4.2 Das Transparenzgebot bei der Preisgestaltung
4.3 Vertriebskanäle als Berührungspunkte mit den KundInnen
4.4 Schariakonforme Verkaufsförderungsmaßnahmen
4.5 Ethisch gesinnte MitarbeiterInnen als Erfolgsfaktor

5 Conclusio
5.1 Zusammenfassung und Beantwortung der Forschungsfragen
5.2 Ergebnisdiskussion und Limitation
5.3 Ausblick

6 Literaturverzeichnis
6.1 Wissenschaftliche Quellen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Weltbevölkerung nach Religionszugehörigkeit

Abbildung 2: Muslimische Bevölkerung in großen europäischen Ländern

Abbildung 3: Die fünf P’s des Marketing Mix

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Unterschiede zwischen islamischen und konventionellen Banken

Tabelle 2: Typische Eigenschaften von islamkonformen Produkten

Abstract

Die letzte große Finanzkrise hat dazu geführt, dass das Vertrauen in die Finanzwelt zusammengebrochen ist. Zu den Hauptgründen zählt unter anderem die leichtfertige Kreditvergabe der Finanzinstitute. Damit Banken diese Krise überleben können, müssen sie neue Möglichkeiten finden Gewinne zu erwirtschaften. Im Rahmen dieser Arbeit wird die Anwendbarkeit von Islamic Banking im europäischen Bankensektor untersucht. Dabei werden einerseits die Unterschiede zum konventionellen Bankgeschäft analysiert und andererseits der Marketing Mix für glaubenskonforme Banken hervorgehoben. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass vor Allem im deutschsprachigen Raum, aufgrund der hohen Anzahl an Muslimen, ein großes Potenzial gegeben ist. Außerdem ist Islamic Banking durch seine ethische Gesinnung und seiner Transparenz bei der Produktgestaltung, auch für KundInnen interessant, die Islam nicht als Glaubensbekenntnis haben, jedoch besonderen Wert auf Nachhaltigkeit setzen.

Abstract

Due to the recent financial crisis, customers no longer trust the financial institutions. One of the main reasons is, among other things, the imprudent lending of financial institutions. To survive, banks must find new ways to generate profits. This paper examines the applicability of Islamic banking in the European banking sector. On the one hand the differences to the conventional banking business are analyzed and on the other hand the marketing mix for faith-compliant banks is emphasized. The results indicate that there is great potential, especially in German-speaking countries, due to the high number of Muslims. In addition, Islamic Banking, with its ethical attitude and transparency in product design, is also of interest to clients who are not Muslim but who value sustainability.

1 Einleitung

1.1 Problemstellung

Die jüngste globale Finanzkrise hat eine Reihe von Misserfolgen vieler konventioneller Banken ausgelöst (vgl. Bourkhis/Nabi 2013, S. 1).

Einer der Hauptgründe für die Finanzkrise von 2008 war die unvorsichtige Kreditvergabe der Banken (vgl. Rashwan 2012, S. 150).

Studien belegen, dass die Krise die islamischen Banken nicht im gleichen Ausmaß getroffen hat wie die konventionellen Banken. Der Grund dafür, ist die Eigenheit der islamischen Banken, riskante Finanzprodukte zu meiden, sowie die Tatsache, dass es sich dabei um ein besichertes Bankgeschäft handelt. (vgl. Parashar/Venkatesh 2010, S. 54)

Der Islam wird in Europa sehr oft negativ betrachtet. Das bedeutet, dass ein Großteil der nichtmuslimischen Öffentlichkeit sich mit der islamischen Kultur und den islamischen Werten nicht wohl fühlt. Dennoch steigt das Interesse an dem islamischen Finanzwesen im europäischen Bankensektor. Viele große europäische Banken betrachten es als eine profitable Gelegenheit, neue Geschäfte zu generieren. Ziel ist es, Finanzprodukte zu entwickeln, die als ethisch und sozial verantwortliche Investments angesehen werden. (vgl. Wilson 2007, S. 1)

Islamic Banking (auch Islamic Finance genannt) steht im Einklang mit den Prinzipien des islamischen Rechts. Dieses Bankensystem soll den europäischen Finanzinstituten als ein neues strategisches Geschäftsfeld dienen, welches nicht auf zinsbasierte Transaktionen, sondern auf Gewinn- und Verlustbeteiligung basiert. Dadurch ergeben sich die Möglichkeiten, neue Märkte zu erschließen, und in weiterer Folge dem steigenden Kostendruck in der Branche entgegenwirken zu können.

1.2 Forschungsziel

Das Hauptziel dieser Bachelorarbeit ist es, die Anwendbarkeit des Islamic Banking im europäischen Bankensektor zu analysieren. Dabei beschäftigt sich die Arbeit mit den Themen, die das islamische Bankwesen kontrovers und zugleich erfolgreich machen. Hierfür werden einerseits Vermarktungsmöglichkeiten des Islamic Banking und andererseits die Herausforderungen mit denen islamische Banken konfrontiert sind, untersucht. Hervorgehoben werden unter anderem die Kriterien für eine hohe KundInnenloyalität unter den KundInnen der islamischen Banken. Zusätzlich wird den LeserInnen ein Überblick über die Zielgruppen des Islamic Banking gegeben und auf das Potenzial im europäischen Bankensektor eingegangen. Erkenntnisse aus dem Ethno Marketing werden in dieser Arbeit abgeleitet, um mögliche Konflikte bei der Einführung von Islamic Banking im europäischen Raum hervorzuheben.

Die Forschungsfragen lauten:

FF1: Was sind die Unterschiede zum konventionellen Bankgeschäft?

FF3: Was sind die Zielgruppen des Islamic Banking in Europa?

FF2: Welche Kriterien sind für eine hohe KundInnenloyalität im Islamic Banking maßgebend?

FF4: Welche Erkenntnisse aus dem Ethno Marketing können bei der Einführung von Islamic Banking nützlich sein?

FF5: Was sind die Spezifika des Marketing-Mix im Islamic Banking?

1.3 Aufbau der Arbeit

Diese Bachelorarbeit basiert auf wissenschaftliche Quellen, die aus akademischen Journals bzw. Büchern stammen. Um die oben genannten Forschungsfragen bestmöglich zu beantworten, wurden die Erkenntnisse systematisch bewertet und gefiltert. Der Aufbau dieser Arbeit ist wie folgt gestaltet:

Das nachfolgende Kapitel stellt das islamische Wirtschaftssystem und dessen Grundlagen vor. Diesbezüglich werden einerseits die fünf Hauptpflichten im Islam und andererseits die Rechtsquellen und deren Auslegung analysiert. Außerdem soll dieses Kapitel als Basis für die darauffolgenden Abschnitte dienen.

Anschließend wird im dritten Kapitel das Konzept des Islamic Banking nähergebracht. Dabei werden die Anfänge des islamischen Bankwesens und die Unterschiede zum konventionellen Bankgeschäft erläutert. Zusätzlich werden KundInnen, sowie potenzielle Zielgruppen der islamischen Banken vorgestellt und Erkenntnisse aus dem Ethno Marketing im Zusammenhang mit glaubenskonformen Banken betrachtet.

Im vierten Kapitel wird der Marketing Mix für islamkonforme Banken analysiert. Inhalt dieses Kapitels sind die sogenannten fünf P‘s. Neben dem Produktversprechen, dem Transparenzgebot bei der Preisgestaltung und der Bedeutung von Vertriebskanälen, werden die Verkaufsförderungsmaßnahmen und die Relevanz von ethisch gesinnten MitarbeiterInnen vorgestellt.

Das fünfte Kapitel beantwortet die Forschungsfragen anhand der gewonnenen Erkenntnisse und fasst den Inhalt dieser Arbeit zusammen. Im Anschluss werden die Ergebnisse diskutiert, um im nächsten Abschnitt auf zukünftige Forschungsbereiche einzugehen.

Im letzten Kapitel werden alle Quellen aufgelistet, die in dieser Arbeit verwendet wurden.

2 Das islamische Wirtschaftssystem

Der Islam hat jedes Detail der menschlichen Tätigkeit einschließlich Handel und Geschäft geregelt und bildet zugleich das Fundament aller Islamic Banking Produkte. Demnach müssen islamische Banken all ihre Handlungen und Taten innerhalb der Grenzen des islamischen Rechts halten. Um die Idee hinter islamkonformen Bankgeschäften besser nachvollziehen zu können, müssen zunächst die Grundlagen und Rechtsquellen des Islam analysiert werden.

2.1 Grundlagen und die fünf Hauptpflichten im Islam

Seinen Ursprung hat der Begriff Islam aus dem arabischen Raum und er steht für Frieden, Unterwerfung, Versöhnung und die Hingabe an Gott. Menschen die sich der Religion Islam bekennen, werden Moslems genannt. (vgl. Ahmad 2010, S. 21)

Der Islam ist die dritte Religion, nach dem Judentum und Christentum, die historisch in der abrahamitischen Familie der Religionen erscheint (vgl. Dsouli et al. 2012, S. 1059).

Der Prophet Muhammad (auch Mohammed geschrieben), der von 570 bis 632 n.Chr. gelebt hat, war der Gründer des Islam. Auf der arabischen Halbinsel lebte er bis zu seinem Empfang der Offenbarung Gottes vom Erzengel Gabriel im Jahr 610 n.Chr. als ein angesehener Kaufmann. Mit dem Erhalt der Offenbarung begann Muhammad die Lehre des Gottes Allah zu verbreiten. Seine Auswanderung aus Mekka endete in der Stadt Medina. Das Bestreben eine neue Gemeindeordnung, welche nicht auf Blutsverwandtschaft, sondern auf den gemeinsamen Glauben aufbaut, konnte er in dieser Stadt verwirklichen. Nach Muhammads Tod kam es unter den Glaubensmitgliedern zu einer Auseinandersetzung um seine Nachfolge. Dieser Konflikt führte zu einer Spaltung der Glaubensgemeinschaft, so dass zwei Interpretationsrichtungen entstanden: die Schiiten und die Sunniten. Zur zweiten Glaubensrichtung bekennen sich 90% der islamischen Weltbevölkerung. (vgl. Ecke 2012, S. 10 f.)

Trotz dieses internen Konfliktes wird laut Prognosen im Jahr 2020 der Anteil der Muslime weltweit 24,9 Prozent betragen. Der Islam ist die einzige religiöse Gruppe, die voraussichtlich schneller wachsen wird als die Weltbevölkerung als Ganzes. (vgl. Pew Research Center 2015)

Der Islam schreibt fünf Hauptpflichten vor, die jeder Gläubige im Laufe seines Lebens erfüllen muss. Die fünf Säulen des Islam, wie sie auch genannt werden, lauten folgendermaßen:

Das Glaubensbekenntnis

Die erste Säule des Islam ist das Glaubensbekenntnis, welches die Anerkennung der Einheit Allahs und des Propheten Muhammads als seinen Gesandten, beinhaltet (vgl. Ecke 2012, S. 12).

Sobald eine Person das Glaubensbekenntnis ausgesprochen hat, gilt sie als Muslim/Muslima. Es muss von jedem Gläubigen mit vollem Verständnis seiner Bedeutung und mit einer Akzeptanz des Herzens mindestens einmal im Leben ausgesprochen werden. Es wird fünfmal im Azan, der Aufforderung zum täglichen Gebet, aufgerufen.

Das Gebet

Das fünfmalige Beten am Tag in Richtung Mekka bildet die zweite Säule: im Morgengrauen, am Mittag, am Nachmittag, nach Sonnenuntergang und nach Einbruch der Dunkelheit. Die Gebete unterscheiden sich in ihrer Länge und in ihren Abschnitten. Das Morgengebet hat zwei Abschnitte, das Mittags- und Nachmittagsgebet vier, das Sonnenuntergangsgebet drei und das letzte Gebet in der Nacht abermals vier. (vgl. Abuznaid 2006, S. 128)

Die Almosengabe

Die dritte Säule bezieht sich auf die Almosengabe und die Fürsorge (vgl. Pistrui/Fahed-Sreih 2010, S. 109).

Personen, deren Einkommen bzw. Vermögen eine bestimmte Größe übersteigt, müssen einen Teil ihres Vermögens an Bedürftige abgeben. Somit ist eine Vermögensbildung ohne die gesellschaftlich Ärmeren teilhaben zu lassen nicht möglich. Einer der Grundgedanken dahinter ist, dass es dadurch zu einem allgemein besseren Wohlstand in der Gesellschaft kommen soll. (vgl. Ecke 2012, S. 13)

Das Fasten

Das Fasten beginnt tagsüber mit Sonnenaufgang und endet mit dem Sonnenuntergang am Abend. Die Gläubigen müssen auf Essen, Trinken, Geschlechtsverkehr, Rauchen und Kaugummi kauen verzichten. Von dieser Pflicht sind jedoch Kinder, Schwangere, Kranke, Alte und Reisende ausgenommen. Die Fastenzeit, auch Ramadan genannt, dauert ein Monat. (vgl. Abuznaid 2006, S. 128)

Da das Essen am Abend meistens in größeren Gruppen, vor allem mit Verwandten, stattfindet, hat der Ramadan auch eine familiäre Bedeutung.

Die Pilgerfahrt

Das letzte Gebot ist die Pilgerfahrt, bzw. der Hadsch, nach Mekka und es muss von jedem Gläubigen mindestens einmal im Leben unternommen werden. Während der Pilgerfahrt tragen alle Muslime die gleiche Kleidung, den sogenannten Ihram, was darauf hinweist, dass alle Personen, unabhängig von ihrer Erscheinung, ihrem Status oder ihrem Rang, in den Augen Allahs gleich sind. (vgl. Ecke 2012, S. 14)

2.2 Rechtsquellen und dessen Auslegung

Die Grundlagen des islamkonformen Finanzwesens bilden sich aus den primären bzw. sekundären Rechtsquellen und der Scharia zusammen.

Zu den primären Quellen gehört der Koran, welcher die geschriebenen und gesammelten Offenbarungen beinhaltet, die Mohammed von Gott verbal erhalten hat. Der Koran wird von Muslimen als Gottes letzte Botschaft an die Menschheit angesehen. Das heilige Buch des Islam umfasst 114 Suren (Abschnitte), wobei die Suren aus Versen bestehen. Ungefähr 500 dieser Verse haben eine rechtliche Auffassung. Da im Koran nicht alle Verse ausführlich formuliert sind, sind mehrere Interpretationsmöglichkeiten gegeben. Diese Tatsache muss bei der praktischen Umsetzung und Beantwortung von Rechtsfragen beachtet werden. (vgl. Ecke 2012, S. 15)

Die zweite primäre Quelle der islamischen Rechtslegung ist die Sunna. Sie beinhaltet Überlieferungen der Taten Muhammads. Vor dem Ende des ersten Jahrhunderts im islamischen Kalender begannen die Muslime systematisch die Ereignisse um das Leben des Propheten Muhammad zu dokumentieren. Ein Grund hierfür war, dieses Wissen für die wachsenden rechtlichen, religiösen, politischen und sozialen Bedürfnisse der islamischen Glaubensgemeinschaft zu nutzen. (vgl. Duderija 2015, S. 2)

Der Konsens der Rechtsgelehrten ist die dritte primäre Rechtsquelle im Islam. Obwohl diese Rechtsquelle mittlerweile kaum angewendet wird, sehen viele Gelehrten den Konsens als bindend an. Damit eine Übereinstimmung anerkannt wird, muss die Einigkeit einstimmig und unwiderruflich sein. Das Schweigen eines Rechtsgelehrten gilt dabei nicht als Zustimmung. Außerdem dürfen geäußerte Meinungen und abgegebene Stimmen nicht widerrufen werden. (vgl. Ecke 2012, S. 18 f.)

Da die primären Rechtsquellen nicht detailliert genug sind, um das Zusammenleben der Menschen zu regeln, wurde das islamische Recht um die sekundären Rechtsquellen erweitert. Diese dürfen jedoch weder dem Koran noch der Sunna widersprechen.

Zu den bedeutendsten sekundären Quellen zählt der Analogieschluss, welcher auch Qiyas genannt wird. Dabei wird eine Rechtsfrage mit einem ähnlichen Fall im Koran oder in der Sunna verglichen und daraus eine Lösung abgeleitet. (vgl. Murtaza 2016, S. 33)

Das eigene Gutachten, auch Fatwa genannt, gehört ebenfalls zu den sekundären Quellen und ist eine religiöse Entscheidung, die von einem Gelehrten in Fragen der islamischen Gesetze erlassen oder gegeben wird. Eine Fatwa ist in Angelegenheiten erforderlich, in denen es keine klare und direkte Regelung in Koran und Sunna gibt. (vgl. Malik et al. 2011, S. 42)

Die dritte sekundäre Rechtsquelle ist das Gewohnheitsrecht der islamischen Gemeinden, welches zum Großteil in das islamische Recht eingeflossen ist. Der Teil, der nicht eingeflossen ist, wird akzeptiert, wenn er den Regeln der Scharia (siehe weiter unten) nicht widerspricht. Islamische Rechtsgelehrte müssen bei der Feststellung eines Sachverhalts das in der Gemeinde vorherrschende Gewohnheitsrecht beachten. (vgl. Ecke 2012, S. 20)

Das islamische Recht setzt sich neben den primären und sekundären Rechtsquellen auch aus der Scharia zusammen.

Die islamische Gesetzgebung wird auch Scharia genannt. Als das islamische Reich nach dem Tod Mohammeds im Jahr 632 n.Chr. expandierte, entwickelte sich die Scharia. (vgl. Kelley 2013, S. 604)

Die darin befindlichen Gesetze leiten sich aus dem Koran oder der Sunna ab. Scharia ist ein arabisches Wort, das „den klaren, ausgetretenen Pfad zum Wasser“ bedeutet. Sie soll das alltägliche Verhalten der Menschen regeln und legt Richtlinien für finanzielle und geschäftliche Angelegenheiten fest. Diese Regeln sollen Auswirkungen auf das Leben im Jenseits haben. (vgl. Henderson 2010, S. 246)

3 Das Konzept des Islamic Banking

Islamic Banking bezieht sich auf ein Banksystem, das mit den Prinzipien der Scharia im Einklang steht. Beim islamischen Bankwesen ist es üblich, dass Finanzinstitute einen Vorstand haben, der sich aus Finanzexperten und Gelehrten zusammensetzt, welche sich mit Scharia-Gesetzen auskennen. Aufgrund ihrer Ausbildung und ihrer Erfahrung bestimmen diese Personen, welche Aktivitäten konform sind und welche nicht. Einige sonst typische Bankgeschäfte, wie das Handeln mit Derivaten und Optionen oder das Investieren in Firmen, welche die Produktion oder den Vertrieb von Alkohol, Pornographie oder Schweinefleisch unterstützen, werden daher von Islamic Banking Finanzinstituten nicht angeboten. (vgl. Castro 2013, S. 275)

Um dieses Konzept besser verstehen zu können, ist es vor allem wichtig die Geschichte des Islamic Banking und die Unterschiede zum konventionellen Bankgeschäft kennen zu lernen.

3.1 Die Entwicklung des islamischen Bankwesens

Der Ursprung des islamischen Finanzwesens geht auf den Beginn des Islam vor ungefähr 1400 Jahren zurück. Historische Bücher, die in den frühen Jahren des Islam geschrieben wurden, zeigen, dass im ersten Jahrhundert des Islam (600 n. Chr.) einige Formen von Bankaktivitäten existierten, die den modernen Banktransaktionen ähnelten. In diesen Büchern ist beschrieben, dass Al-Zubair bin Al-Awam, eine der berühmtesten Persönlichkeiten des Islam, Spareinlagen als Kredite akzeptierte, um in weiterer Folge Investitionen zu tätigen. Zum Zeitpunkt seines Todes hatten seine Schulden zwei Millionen Dinar erreicht. (vgl. Alharbi 2015, S. 12)

Im letzten Jahrhundert fanden in den frühen 1930er Jahren und zu Beginn der 1960er Jahre erste Initiationen für Entwicklungen im islamischen Finanzwesen statt, welche jedoch nie über die Theorie hinausgingen. Im Jahre 1963 wurde auf operativer Ebene die erste Bank, welche nach islamischer Scharia agierte, von Mit Ghamar in Ägypten gegründet. Zur gleichen Zeit wurde in Malaysia ein weiterer estitionen gestartet. Dieses Angebot hatte den besonderen Zweck der Finanzierung von Pilgerreisen nach Mekka. (vgl. Rashwan 2012, S. 151)

Nach diesen Ereignissen stieg die Anzahl islamischer Banken. Viele, der in den frühen 1970er und 1980er Jahren gegründeten Finanzinstitute, sind heute noch in Betrieb. Während eine große Anzahl konventioneller Banken in arabischen Ländern neue Geschäftsfelder errichtet hatten, wurden viele andere Banken vollständig in islamische Banken umgewandelt. Darüber hinaus wurden mehrere islamische Körperschaften gegründet, um islamisch orientierte Banken zu regulieren und zu fördern. (vgl. Alharbi 2015, S. 15)

Schließlich islamisierten der Iran, der Sudan und Pakistan ihr gesamtes Finanzsystem (vgl. Valeva 2012, S. 178).

Der erste Versuch das islamische Bankwesen in der westlichen Welt einzuführen fand 1978 in Luxemburg statt, als das Islamic Banking System International Holding gegründet wurde (vgl. Alharbi 2015, S. 20).

Zur gleichen Zeit fingen westliche Banken an, Islamic Banking Produkte in ihren, in muslimischen Ländern befindlichen, Niederlassungen anzubieten. Um Prozesse zu vereinheitlichen wurde 1991 die Accounting and Auditing Organization for Islamic Financial Institutions, kurz AAOIFI, in Bahrain gegründet. Die Organisation ist unter anderem für die standardisierte Handhabung des islamkonformen Rechnungswesens verantwortlich. (vgl. Valeva 2012, S. 179)

Das moderne islamische Bankwesen hat sich nach seiner Entstehung in Ägypten schnell über die ganze Welt ausgebreitet. Imam und Kpodar beschreiben in ihrer Studie über glaubenskonforme Banken, dass diese Expansion insbesondere in Ländern mit einer größeren muslimischen Bevölkerung stattgefunden hat. Trotz eines zunächst unbedeutenden Anfangs ist die Industrie im Jahr 2012 auf über USD 1,6 Billionen angewachsen und wird voraussichtlich USD 6,1 Billionen bis zum Ende dieses Jahrzehnts erreichen. (vgl. Imam/Kpodar 2015, S. 3)

3.2 Unterschiede zum konventionellen Bankgeschäft

Der grundlegende Unterschied zwischen Islamic Banking und dem konventionellen Bankgeschäft liegt in der Tatsache, dass westliche Banken Zinsen verlangen und zahlen, während islamische Banken dies nicht tun, da sie Zinsen aufgrund des Scharia-Rechts als verboten ansehen. Obwohl sich die Geschäfte des islamischen Bankwesens vom herkömmlichen Bankgeschäft unterscheiden, erfüllen beide Arten von Banken die gleichen Bedürfnisse. (vgl. Castro 2013, S. 277)

Bevor die Unterschiede zum herkömmlichen Bankgeschäft analysiert werden, sollte zunächst ein Überblick über die Prinzipien des Islamic Banking gegeben werden.

Riba wird als das Verbot von Zinsen verstanden. Der Ausdruck Riba kommt aus dem Arabischen, welches wörtlich wachsen, erweitern, erhöhen oder aufblasen bedeutet. Es fällt jedoch nicht jedes Wachstum, das im Islam vorkommt, in die verbotene Kategorie. Riba im Schariarecht, bezieht sich auf die Prämie bzw. Zinsen, die von KreditnehmerInnen an die Bank zusammen mit dem Kapital bezahlt werden muss. (vgl. Ahmad/Hassan 2007, S. 2)

Das Wort Gharar wird als Täuschung definiert. In Bezug auf Gharar sagt das islamische Recht, dass es in der vertraglichen Vereinbarung nicht vorhanden sein soll. Man kann zum Beispiel nicht verkaufen, was man nicht besitzt, weil dies als eine Form der Täuschung angesehen wird. Ebenso sollten Produkte mit ungeeigneten Qualitätsmerkmalen nicht verkauft werden. (vgl. ebd. 2007, S. 18)

Maisir wird im Islam als eine Form der Ungerechtigkeit in der Aneignung des Reichtums anderer angesehen und hat daher viel mit dem Konzept von Riba gemeinsam. Der Akt des Glücksspiels, auch, als das Wetten auf das Eintreten eines zukünftigen Ereignisses, bezeichnet, ist verboten. (vgl. ebd. 2007, S. 18)

Während Haram als das Verbotene bezeichnet wird, bedeutet Halal das Erlaubte. Obwohl diese Begriffe zumeist in Verbindung mit Speisevorschriften gebraucht werden, lassen sie sich auch auf Islamic Banking übertragen. Produkte und Dienstleistungen, die von den islamischen Gesetzen als unerlaubt, unrein, unmoralisch und unzulässig deklariert sind, werden als Haram bezeichnet. Im Islam zählen vor allem Alkohol, Tabak, Schweinefleisch, Waffen und Prostitution als verboten. Nicht Verbotenes, wird im Islam daher als Halal bezeichnet. In Bezug auf das Finanzwesen wird die gesamte Prozesskette auf das Verbotene und das Erlaubte analysiert. Folglich kann das Zinsgeschäft (Riba) als Haram bezeichnet werden, da es im Islam nicht erlaubt ist. (vgl. Ecke 2012, S. 31)

Konventionelle Banken akzeptieren Einlagen zu einem niedrigeren Zinssatz und vergeben damit Kredite mit höheren Zinsen. Der Gewinn der Banken bildet sich dabei vereinfacht ausgedrückt aus dem Unterschied der an KundInnen bezahlten Zinsen für Spareinlagen und der Vergabe von Krediten. (vgl. Asif/Anjum 2012, S. 9)

Somit folgt das herkömmliche Bankgeschäft der alten Konvention des zinsbasierten Aufeinandertreffens von Geldmitteln und Krediten. Neben dem Kreditpreis spiegeln die berechneten Zinsen auch die Opportunitätskosten des Kapitals dar. Daher basiert das herkömmliche Bankwesen auf einer Schuldner-Gläubiger-Beziehung zwischen den EinlegerInnen und der Bank einerseits und den KreditnehmerInnen und der Bank andererseits. Ein wichtiges Merkmal des islamischen Bankwesens ist, dass kein Gewinn verdient werden kann, ohne ein angemessenes Risiko einzugehen. Aus diesem Grund können keine Gewinne erzielt werden, ohne sich dem Geschäftsrisiko auszusetzen. Die finanzielle Beziehung im islamischen Rahmen ist daher als eine Art Partnerschaft anzusehen. Dieses Prinzip ermöglicht es den islamischen Banken, Gewinne und Verluste mit ihren EinlegerInnen zu teilen. (vgl. Parashar/Venkatesh 2010, S. 55)

Da es islamkonformen Banken verboten ist, Zinsen zu vergeben bzw. zu erhalten, müssen sie sich wie eine Investmentgesellschaft verhalten, in der sie beispielsweise ihre eigenen Aktien an die Öffentlichkeit verkaufen. In diesem Konzept hat die Bank nicht das Problem der Fristenkongruenz. Darunter ist die Übereinstimmung der Fristen von Kapitalbindung und -überlassung zu verstehen, welches ein Problem für westliche Banken darstellen kann.

In der nachfolgenden Tabelle sind die Unterschiede zwischen dem islamischen und dem konventionellen Bankgeschäft aufgelistet:

Tabelle 1: Unterschiede zwischen islamischen und konventionellen Banken

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: In Anlehnung an Castro 2013, S. 278 und Rashwan 2012, S. 156

3.3 Die KundInnen des Islamic Banking

Bevor die typischen KundInnen des Islamic Bankings näher analysiert werden, ist es notwendig einen Überblick über die Bedeutung des Islam innerhalb der Religionsgruppen zu erhalten.

Der Islam ist mit etwa 1,6 Mrd. AnhängerInnen die zweitgrößte Religion nach dem Christentum (Stand 2010). Das bedeutet, dass ungefähr ein Viertel der Weltbevölkerung dem islamischen Glauben angehört. (vgl. Pew Research Center 2015)

Abbildung 1: Weltbevölkerung nach Religionszugehörigkeit

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Pew Research Center 2015

Länder mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung befinden sich in Nord- bzw. Zentralafrika, im Nahen Osten und in Asien. Muslime leben und arbeiten mittlerweile überall auf der Welt. (vgl. Pistrui/Fahed-Sreih 2010, S. 110)

Die Notwendigkeit, in dem sich schnell verändernden Marktumfeld kundenorientiert zu sein, wird für Banken immer wichtiger. Da KundInnen immer anspruchsvoller und zunehmend mobiler werden, reicht es jedoch vor allem für islamkonforme Banken nicht aus, den Fokus nur auf die KundInnenorientierung zu setzen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 48 Seiten

Details

Titel
Die Anwendbarkeit von Islamic Banking im europäischen Bankensektor
Hochschule
FHWien der WKW  (Institut für Kommunikation, Marketing & Sales)
Note
1,00
Autor
Jahr
2018
Seiten
48
Katalognummer
V423695
ISBN (eBook)
9783668703483
ISBN (Buch)
9783668703490
Dateigröße
733 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Islamic, Banking, Islamic Banking, Bank, Islam, Muslim, Moslem, IB, Islamic Finance, Finance, Retail, Retail Banking, Marketing, Marketing Mix, 4P, 5P, 4Ps, 5Ps, Promotion, Place, Product, Price, People, europa, Banksektor, Vertrieb, Vertriebskanäle, Bankensektor, Bankenbranche, europäisch, Finanzinstitute, Insurance, Ethno, Ethnic, Ethnic Banking, Ethno Banking, Nachhaltigkeit, Westen, konventionell, Konventionelles Bankgeschäft, herkömmlich, Unterschiede, Transparenz, 5 Säulen des Islam, Islamisch, Bankwesen, Österreich, Deutschland, Frankreich, England, Spanien, Vereinigtes Königreich, Niederlande, Holland, Scharia, schariakonform, islamkonform, glaubenskonform, Kunde, Zielgruppen, Rechtsquellen, Sunna, Fatwa, Hauptpflichten
Arbeit zitieren
Mehmet Ünver (Autor:in), 2018, Die Anwendbarkeit von Islamic Banking im europäischen Bankensektor, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/423695

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