Der Sechste Sinn - Antonio R. Damasios "Der Spinoza Effekt - Wie Gefühle unser Leben bestimmen"


Hausarbeit, 2004

17 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Emotionen
a. Huhn oder Ei?
b. Homöostase
c. Eigentliche Emotionen
d. Hirnmechanismen
e. Lachen und Weinen
f. Im Wechselspiel: Gedanken, Gefühle und Emotionen

3. Gefühle
a. Was sind Gefühle?
b. Gefühle im Gehirn: der Sechste Sinn
c. Halluzination und Täuschung
d. Gefühl und Entscheidung
e. Soziale Homöostase
f. Gefühle? Wozu?

4. Das Leib-Seele-Problem

5. Damasio und Spinoza

6. Bibliographie

1. Einleitung

So alt der Mensch, sein Körper, sein Geist und seine Gefühle sind, so alt ist auch die Frage nach der Beschaffenheit dieser Bestandteile des menschlichen Seins und dem Selbst. Das Rätsel um unsere Gefühle ist ein grundlegendes; es weckt automatisch auch existentielle Fragen wie die nach dem Tod, der Ewigkeit und dem Sinn des Lebens – Fragen, die den Menschen an die Grenzen seines Verstandes und Wissens stoßen lassen und auf die bisher allemal Religion oder Philosophie zu antworten wussten. Um ein wenig Licht in das Dunkel an Unwissen über menschliche Phänomene wie das Bewusstsein, die Gefühle, Emotionen und den Verstand zu bringen, hat die Philosophie eine bis heute weit verbreitete und in unserer Gesellschaft noch immer vorherrschende Interpretation des menschlichen Wesens geprägt: die Dualität von Geist und Körper. Während der Körper den greifbaren organischen Teil des Menschen darstellt, ist der Geist – welchem in diesem Denken auch die Gefühle zugesprochen werden – eben nicht greifbar und biologisch erklärbar, sondern manifestiert sich in den Gedanken, Bildern, Wahrnehmungen, die uns durch den Kopf gehen. Er ist in keiner Weise physisch existent. Den Gefühlen wird jedoch nicht nur der Körper, sondern auch der Verstand entgegengesetzt. Emotionalität und Rationalität gelten – auch im heutigen Menschenbild – als unvereinbar und separat. Entscheidungen werden mit dem Verstand, mit der Vernunft, mit der Ratio gefällt. Gefühle und Emotionen stehen bei der Entscheidungsfindung eher im Wege – zumindest ist das noch eine absolut gängige Volksmeinung. Der Dualismus zwischen Körper und Geist, zwischen Gefühl und Ratio geht unter anderem zurück auf einen weltbekannten Philosophen des 17. Jahrhunderts – Descartes – und dominiert unsere Auffassung vom Mensch-Sein bis heute.

Allerdings erscheint all dies langsam in einem völlig neuen Licht – dank der modernen Neurowissenschaft mit dem Neurologen Antonio Damasio an ihrer Spitze. Auf seinem Weg, die Gefühle zu erforschen und ihre Herkunft und Beschaffenheit zu erklären, gelangt auch er zu dem so genannten Leib-Seele-Problem, allerdings zu einer völlig anderen Lösung. Dies liegt an neuen neurologischen Erkenntnissen über Emotionen und Gefühle, die schließlich in ein Menschenbild münden, das den alten Dualismus von Körper und Seele ablöst. Doch nicht nur dieser Antagonismus, sondern auch der Gegensatz von Verstand und Gefühl ist nicht mehr länger haltbar, wie Damasio neurologisch begründet und beweist.

Allerdings ist der Forscher so bescheiden zuzugeben, mehr noch, darauf hinzuweisen, dass nicht er allein Wegbereiter solcher Erkenntnisse ist, sondern ähnliche Ideen und Ansätze auch bei der oben noch als oppositionelle Wissenschaft deklarierten Philosophie vorzufinden sind, und zwar ganz besonders bei einem häufig und vor allem zu seiner Zeit verkannten und oftmals ignorierten Philosophen des 17. Jahrhunderts – Spinoza.

Angelehnt an und inspiriert durch Spinoza, dem er höchste Bewunderung entgegenbringt, begibt sich Damasio in „Der Spinoza-Effekt – Wie Gefühle unser Leben bestimmen“ auf eine neurologisch-philosophische Entdeckungsreise in die Welt der menschlichen Gefühle und stößt dabei auf interessante Folgerungen für das soziale Verhalten, den praktischen Nutzen aus dem Wissen um die Beschaffenheit der Gefühle, das Bewusstsein, den Geist, sowie Ewigkeit, Gott, und – den Sinn des Lebens.

Was bedeuten Gefühle für das menschliche Leben? – so lautet Damasios Ausgangsfrage, die er im ersten Schritt mit einer weiteren Frage zu beantworten versucht: Woraus entstehen unsere Gefühle?

2. Emotionen

2.a. Huhn oder Ei?

Mit der Hauptüberschrift zu Punkt 2 ist die darüber stehende Frage schon beantwortet. Gefühle entstehen aus Emotionen. Damasio zieht eine Trennlinie zwischen diesen beiden im alltäglichen Leben meist synonym gebrauchten Termini: „Die Emotionen treten auf der Bühne des Körpers auf, die Gefühle auf der Bühne des Geistes“.[1] Emotionen sind sichtbar für Außenstehende; Gefühle bleiben verborgen, sie sind Vorstellungen im Gehirn.[2] Es stellt sich die berühmte Frage nach Huhn oder Ei: Was war zuerst da? Gefühle oder Emotionen? „Die Antwort ist ganz einfach: Zuerst sind da die Emotionen und dann die Gefühle, weil die Evolution zuerst die Emotionen und dann die Gefühle hervorgebracht hat“.[3] An dieser Stelle bricht Damasio zum ersten Mal mit einer standardgemäß vorherrschenden Volksmeinung, nämlich der, dass ein im Geist oder in der Seele entstehendes Gefühl durch die entsprechende Emotion nach außen gelangt. Vielmehr sind es die mehr oder weniger instinktiven Emotionen, die den Gefühlen zugrunde liegen und vorausgehen. Will man also den Gefühlen auf die Schliche kommen, muss man zunächst die Emotionen verstehen.

2.b. Homöostase

„Emotionen bestehen aus einfachen Reaktionen, die auf simple Art und Weise für das Überleben eines Organismus sorgen und sich daher in der Evolution leicht durchsetzen konnten“.[4] Wie andere regulative Einrichtungen und Prozesse des Körpers sind demnach auch die Emotionen für das einfache Überleben dienlich. Grundlegende Herausforderungen des Lebens an den Körper wie die Abwehr von Krankheiten oder die Aufnahme und Verwertung von Energie werden automatisch – ohne dass sie uns bewusst werden oder von Denkprozessen abhängen – gesteuert. „Die Gesamtheit dieser Steuerungen und das gesteuerte Leben, das dadurch entsteht, lässt sich in einem einzigen Begriff zusammenfassen: Homöostase“.[5] Damasio ordnet die verschiedenen homöostatischen Mechanismen verschachtelt in verschiedenen Ebenen an, vergleichbar mit einem Baum, der sich vom einfachen Stamm und einigen niederen dicken Ästen bis zu komplizierten kleinen Verästelungen im Wipfel erstreckt. So finden sich an der Basis der menschlichen Homöostase grundlegende Prozesse wie der Stoffwechsel, das Immunsystem und Grundreflexe, auf den nächsthöheren Ebenen liegen Lust- und Schmerzverhalten (bei reibungslosem bzw. gestörtem Ablauf der Körperfunktionen) sowie Triebe und Motivationen (zum Beispiel Hunger, Durst oder Sexualität). Alle Reaktionen der verschiedenen Ebenen dienen der Steuerung des menschlichen Lebensprozesses und der Steigerung des Wohlbefindens. Das Wohlbefinden ist ein Privileg der denkenden und fühlenden Menschen – unser Körper strebt nicht nur nach bloßem Überleben, sondern gar nach einem lustvollen Überleben, einem wohlbefindlichen Leben. Und so stehen (fast) an der Spitze der homöostatischen Mechanismen die eigentlichen Emotionen: „das Kronjuwel der automatischen Steuerung von Lebensprozessen“.[6]

2.c. Eigentliche Emotionen

Die Schlussfolgerung aus der Feststellung, dass Emotionen zu den homöostatischen Mechanismen gehören, ist die, dass auch sie für die vorteilhafte Regulierung der Lebensprozesse verantwortlich sind und so unser Überleben und Wohlbefinden fördern. Dies kann man jedoch in der modernen Gesellschaft von negativen Emotionen wie Furcht oder Wut kaum behaupten, denn sie führen hier in keiner Weise zu Wohlbefinden. Trotzdem haben sie sich in der Evolution durchgesetzt, da sie einst (und zum Teil auch noch heute) Leben retteten und sich so als notwendig und nützlich erwiesen.

Damasio unterscheidet insgesamt drei Arten von Emotionen: Hintergrundemotionen, primäre Emotionen und soziale Emotionen. Aufgrund des Schachtelprinzips der homöostatischen Regulierungen beschreiben die Hintergrundemotionen „die Konsequenz bestimmter Kombinationen von einfacheren regulativen Reaktionen […], die nach dem bereits beschriebenen Schachtelprinzip ineinander greifen“.[7] Alle möglichen homöostatischen Vorgänge des Körpers fließen in die Hintergrundemotionen mit ein, Damasio nennt die Essenz der Hintergrundemotionen „Befindlichkeit“.[8] Weitaus konkreter und griffiger sind die primären Emotionen (zum Beispiel Furcht, Wut, Ekel, Glück, Traurigkeit): Sie „lassen sich an Menschen aller Kulturen und sogar an Tieren beobachten“.[9] Die höchste Form der Emotionen stellen die sozialen Emotionen (zum Beispiel Mitgefühl, Neid, Scham, Verachtung) dar – sie bedienen sich nach dem Schachtelprinzip der Hintergrund- und der primären Emotionen.

Eine Emotion entsteht, oder genauer gesagt wird ausgelöst, wenn ein entsprechender Reiz bzw. ein bestimmtes Objekt vorliegt. Dieses Objekt kann sich a) innerhalb oder b) außerhalb des Körpers befinden. Hunger und Durst, einfache Antriebe, werden dementsprechend intern ausgelöst, Furcht oder Wut hingegen durch ein extern befindliches Objekt.[10] Doch auch die Vorstellung einer Situation, eines emotional besetzten Reizes, reicht schon aus, um das Auslösen der entsprechenden Emotion in Gang zu setzen. So kann der Gedanke an ein saftiges Steak Hunger hervorrufen oder die Vorstellung einer brenzligen Situation Furcht auslösen, um obige Beispiele zu ergänzen. Die Informationen über das jeweilige gegenwärtige emotionsauslösende Objekt werden neuronal (über die Nervenbahnen) oder chemisch (über die Blutbahn) an das Gehirn weitergeleitet, welches die entsprechende Emotion auslöst und ausführt. Viele dieser Reaktionen sind angeboren, andere wiederum werden individuell während des Lebens durch emotionale Erfahrungen geprägt – bewusste wie unbewusste. Die ausgeführte Emotion versetzt schließlich den Körper in einen veränderten Zustand – ebenso wie die Strukturen des Gehirns sowie die Abbildungen, fachsprachlich genannt Kartierungen, des Körpers im Gehirn. „Letztlich führen diese Reaktionen – direkt oder indirekt – zu Bedingungen, die dem Überleben und Wohlbefinden des Organismus dienlich sind“.[11] Doch was geht im Gehirn genau vor und, vor allem, wo?

[...]


[1] Damasio. Der Spinoza-Effekt, S.38

[2] Vgl.: Damasio. Der Spinoza-Effekt, S.38

[3] Vgl.: Damasio. Der Spinoza-Effekt, S.40

[4] Damasio. Der Spinoza-Effekt, S.40

[5] Damasio. Der Spinoza-Effekt, S.41

[6] Damasio. Der Spinoza-Effekt, S.45

[7] Damasio. Der Spinoza-Effekt, S.56

[8] Vgl.: Damasio. Der Spinoza-Effekt, S.57

[9] Damasio. Der Spinoza-Effekt, S.57

[10] Vgl.: Damasio. Der Spinoza-Effekt, S.63f

[11] Damasio. Der Spinoza-Effekt, S.67

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Der Sechste Sinn - Antonio R. Damasios "Der Spinoza Effekt - Wie Gefühle unser Leben bestimmen"
Hochschule
Universität zu Köln  (Musikwissenschaftliches Institut)
Veranstaltung
Affekt, Emotion, musikalischer Ausdruck, Bewegung
Note
2,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
17
Katalognummer
V42230
ISBN (eBook)
9783638403177
Dateigröße
517 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Antonio R. Damasio ist seit einigen Publikationen den menschlichen Emotionen und Gefühlen auf der Spur. Wo und weshalb entstehen sie, was bewirken sie, wie funktionieren sie? Diese Hausarbeit vollzieht Damasios Argumentation nach und zeigt auf, dass der vor allem von Descartes geprägte philosophische Dualismus Körper/Geist bzw. Verstand/Gefühl nicht mehr länger haltbar ist. Dies führt zu einer neuen Sichtweise auf unser Leben und dessen Bedeutung.
Schlagworte
Sechste, Sinn, Antonio, Damasios, Spinoza, Effekt, Gefühle, Leben, Affekt, Emotion, Ausdruck, Bewegung
Arbeit zitieren
Christoph Bietz (Autor:in), 2004, Der Sechste Sinn - Antonio R. Damasios "Der Spinoza Effekt - Wie Gefühle unser Leben bestimmen", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/42230

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