Auswirkungen und mögliche Lösungen von Lebensmittelverschwendung in Deutschland


Facharbeit (Schule), 2017

29 Seiten


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

I) LEBENSMITTELVERSCHWENDUNG
1. Problemstellung
2. Zielsetzung
3. Begriffsdefinitionen

II) LEBENSMITTELVERSCHWENDUNG IN DEUTSCHLAND
1. Deutschland im globalen Vergleich
2. Orte und Ursachen der Verschwendung — eine quantitative Analyse
2.1 Landwirtschaft
2.2 Lebensmittelverarbeitung
2.3 Groß- und Einzelhandel
2.4 Verbraucher
2.4.1 Großverbraucher
2.4.2 Endverbraucher
3. Auswirkungen der Lebensmittelverschwendung
3.1 Beeinflussung des Klimas
3.2 Welthunger
4. Lösungsansätze zur Vermeidung von Lebensmittelverlusten
4.1 Groß- und Einzelhandel
4.2 Großverbraucher
4.3 Endverbraucher
4.3.1 Was ist dir dein Essen wert? — eine Umfrage in den 9./10. Klassen
4.3.2 Handlungsmöglichkeiten des Einzelnen
4.4 Politik
4.5 Beispiele zur alternativen Verarbeitung von Lebensmitteln
5. Selbstreflexion
5.1 Bestandsaufnahme: Wie viel verschwendet unser Haushalt?
5.2 Einsparpotential

III) PERSÖNLICHE STELLUNGNAHME

IV) ANHANG
1. Literaturverzeichnis
1.1 Printmedien
1.2 Filme
1.3 Webquellen
2. Abbildungsverzeichnis
2.1 Abbildungen
2.2 Was ist dir dein Essen wert? — eine Umfrage in den 9./10. Klassen
2.2.1 Der Umfragebogen
2.2.2 Auswertung
2.3 Selbstreflexion

I) LEBENSMITTELVERSCHWENDUNG

1. Problemstellung

„Das Essen, das wir in Europa wegwerfen, würde zwei Mal reichen, um alle Hungernden der Welt zu ernähren.“[1]

In Zahlen ausgedrückt sind dies 88 Mio. Tonnen verschwendete Lebensmittel im Jahr. Auf Deutschland bezogen ergeben sich folglich 18,4 Mio. Tonnen an ursprünglich für den menschli­chen Verzehr bestimmten, aber weggeworfenen Lebensmitteln. Dies entspricht ungefähr einem Drittel der jährlichen Nahrungsmittelproduktion hierzulande[2], sodass die inhärente ökonomische und ökologische Problematik evident ist. Vor allem angesichts der 815 Millionen hungernden Menschen auf der Erde[3] ergeben sich begründete ethische Bedenken.

Aus all diesen Gründen rückte diese Thematik in den letzten Jahren immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit. Zunehmend wurden wissenschaftliche Studien erarbeitet, die halfen, Licht in die noch weitgehend unerforschte Problematik der Lebensmittelverschwendung zu bringen. Den­noch bedarf es auch künftig aufgrund der nach wie vor „sehr vagen Datenlage“[4] fundierter wis­senschaftlicher Prüfungen und quantitativer Studien.

2. Zielsetzung

Bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt lässt sich das erhebliche Ausmaß an verschwendeten Le­bensmitteln zu einem großen Teil damit begründen, dass sich die Einstellung der Bevölkerung gegenüber Nahrungsmitteln tiefgreifend gewandelt hat. In unserer globalisierten Welt wird eine immer größere Produktvielfalt mit diversen exotischen Lebensmitteln angeboten. Der Mensch befindet sich in einer Art „Schlaraffenland“, ohne der Gefahr baldiger Lebensmittelknappheit aus­gesetzt zu sein. Dementsprechend hat sich auch seine Einstellung gegenüber Lebensmitteln ver­ändert: „Zu den grundlegenden Problemen unserer Zeit gehört die Unfähigkeit, zwischen Preis und Wert unterscheiden zu können.“[5]

Ziel der Arbeit ist es daher, die realen Ausmaße der Lebensmittelverschwendung und ihre weitrei­chenden Auswirkungen unter Berücksichtigung des globalen Kontextes darzulegen, um im Leser ein Bewusstsein für die damit verbundene Problematik zu entwickeln. In diesem Zusammenhang werden praktische Lösungsvorschläge zur Vermeidung diskutiert und anhand eines Selbstversu­ches überprüft.

3. Begriffsdefinitionen

Um sich vertieft mit der Thematik der Lebensmittelverschwendung auseinandersetzen zu können, müssen zuerst geeignete Verlustkategorien definiert werden. In der wissenschaftlichen Literatur wie auch in der vorliegenden Arbeit werden hierbei drei Kategorien unterschieden[6]:

- vermeidbare Lebensmittelabfälle, die zum Zeitpunkt ihrer Entsorgung noch uneinge­schränkt genießbar wären,
- teilweise vermeidbare Lebensmittelabfälle, die u.a. aufgrund von diversen Gewohn­heiten der Verbraucher weggeworfen werden (z.B. Brotrinden, Teile von Speiseresten oder Gurkenschalen),
- nicht vermeidbare Lebensmittelabfälle, die vorwiegend aus nichtessbaren Bestandtei­len bestehen (z.B. Knochen oder Wachsränder von diversen Käsesorten).

Des Weiteren können Lebensmittelabfälle auf zwei verschiedene Arten anfallen. Bei den Nah­rungsmittelverlusten („food losses“) handelt es sich um all jene Verluste, die von der Produk­tion bis zur Vermarktung entstehen, wie z.B. Transportschäden. Im Gegensatz dazu beziehen sich die Lebensmittelabfälle („food waste“) auf alle von den Verbrauchern verursachten Verluste, darunter beispielsweise Produkte, die aufgrund des abgelaufenen Mindesthaltbarkeitsdatums weg­geworfen oder aussortiert werden.

II) LEBENSMITTELVERSCHWENDUNG IN DEUTSCHLAND

1. Deutschland im globalen Vergleich

Geht man für Deutschland also von ca. 18,4 Mio. Tonnen Lebensmittelverlusten pro Jahr aus und bezieht dies auf die aktuelle Einwohnerzahl von ca. 82,67 Mio. Menschen[7], so ergibt sich für jeden Bürger ein jährlicher Verlust von 222,37 Kilogramm. Damit liegt Deutschland deutlich über dem EU-Durchschnitt von 173 Kilogramm pro Person. Allerdings sind diese Bezugsdaten des Euro­paparlaments offenbar veraltet, da der dort angenommene Verlust, speziell auf Deutschland be­zogen, auf lediglich 149 Kilogramm pro Person beziffert wird[8]. Entsprechend den neuesten wis­senschaftlichen Erkenntnissen werden im Folgenden die bereits erwähnten 222,37 Kilogramm verschwendeter Güter pro Person zugrunde gelegt.

Demnach wird in Deutschland rund ein Drittel aller Nahrungsmittel entsorgt[9]. Vergleicht man diese Werte mit jenen aus Abb.1, so erkennt man, dass Deutschland im globalen Durchschnitt liegt. Bemerkenswert ist, dass, unabhängig davon, ob das betrachtete Land ein Entwicklungs- oder aber ein Industrieland ist, die verschwendeten Lebensmittel zwischen 30-40% der gesamten Pro­duktion liegen. Allerdings unterscheiden sich die Entwicklungsländer von den bereits industriali­sierten dadurch, dass in den ersteren die meisten Verluste in der Landwirtschaft und Produktion entstehen, wohingegen in den letzteren der Großteil an Lebensmittelverlusten auf Verbraucher­seite entsteht.

2. Orte und Ursachen der Verschwendung — eine quantitative Analyse

Im Folgenden soll die Verschwendung von Nahrungsmitteln entlang der Wertschöpfungskette betrachtet und analysiert werden. Dabei weicht die Gliederung der Analyse leicht von den in The High Level Panel of Experts (2014) empfohlenen Kategorien ab, so dass der Fokus deutlicher auf die Verursacher der Verschwendung gelegt werden kann[10]. Durch die Einbeziehung entsprechender quantitativer Daten wird neben den Ursachen der Verschwendung auch deren Ausmaß betrachtet. Um anschaulichere Vergleichswerte liefern zu können, sind die Verluste u.a. in Prozentzahlen aus­gedrückt. Hierbei beziehen sich die Angaben auf den Anteil des jeweiligen Verursachers an der gesamten Lebensmittelverschwendung. Allerdings ist ausdrücklich auf die eher unsichere Daten­lage hinzuweisen, welche auf Hochrechnungen und Schätzungen basiert (vgl. I.1.). Da die meisten Studien mit ihren Ergebnissen jedoch den „unteren Rand der Einbußen“[11] abdecken, dürfte das tatsächliche Ausmaß noch höher liegen. Somit können auf dieser Grundlage stichhaltige qualita­tive Aussagen über die Verschwendung und deren Ursachen getroffen werden.

2.1 Landwirtschaft

Am Anfang der Wertschöpfungskette steht die Ernte in den einzelnen landwirtschaftlichen Be­trieben. Auf dieser ersten Stufe der Lebensmittelgewinnung entstehen bereits Nahrungsmittelver­luste in nicht unerheblichem Ausmaß. Sie sind für Einbußen in einer Höhe von 0,98 Mio. Tonnen (5,3%) verantwortlich[12]. Hierzu zählen all jene pflanzlichen Produkte, die infolge von Beschädi­gungen während des mechanischen Erntevorgangs oder anderen Mängeln (z.B. Reifegrad oder Größe) aussortiert werden. Analog sind im Bereich der tierischen Produkte verschüttete Milch oder beschädigte Eier einzuordnen[13]. Diese meist durch mechanische Fehler verursachten Verluste werden entsprechend der hohen technologischen Standards in Deutschland indessen als unver­meidbare Lebensmittelverluste betrachtet[15]. Wie in der WWF-Studie von 2015 betont wird, sind in diesen Daten keine Vorernteverluste enthalten. Darunter versteht man Erzeugnisse, die bereits vor der Ernte, z.B. durch Schädlingsbefall, verloren gehen oder aufgrund von Vermarktungsnor­men, etwa ästhetischen Standards, nie geerntet wurden. Es ist jedoch in diesem Bereich gerade bei Obst und Gemüse von einer sehr hohen Dunkelziffer auszugehen. So werden die Verluste für Gemüse durch Abweichungen von regulatorischen Standards auf 30% der Primärproduktion ein­gestuft[14]. Da im Bereich der Vorernteverluste keine verlässlichen Forschungsergebnisse vorliegen, können nur schwer Aussagen über deren Vermeidbarkeit getroffen werden. Allerdings ist per se die Verwerfung von Nahrungsmitteln aufgrund ästhetischer Normabweichungen vermeidbar.

2.2 Lebensmittelverarbeitung

Auf die Ernte folgt der Transport der Güter zur jeweiligen Fabrik oder Verteilungsstelle. Alle während des Prozesses der Distribution entstehenden Nahrungsmittelverluste werden als soge­nannte Nachernteverluste bezeichnet und belaufen sich auf 1,59 Mio. Tonnen (8,7%). Verursacht werden diese Verluste vorwiegend durch falsche Lagerung (Temperatur, Feuchtigkeit, etc.) bzw. unsachgemäße Handhabung vor und während des Transports[15]. Da in Deutschlands das infra­strukturelle Netzwerk sowie die technologischen Voraussetzungen für den Transport und die La­gerung von Lebensmitteln jedoch weitestgehend ausgereift sind, werden auch die Nacherntever­luste als unvermeidbar eingestuft[16].

Anschließend werden die Agrarerzeugnisse der Verarbeitung zugeführt. Die während der Weiter­verarbeitung sowohl im industriellen als auch im privaten Maßstab entstehenden Einbußen wer­den vorwiegend durch technologische Fehler, beispielsweise Beschädigungen oder Verschmut­zungen, verursacht[17]. Auch sind ineffiziente Arbeitsweisen, wie sie beim Schälen von Gemüse vorkommen, denkbare Ursachen. Die aus diesen Gründen verschwendeten Nahrungsmittel be­laufen sich auf 2,61 Mio. Tonnen (14,2%). Trotz ihres nicht unerheblichen Anteils sind diese Le­bensmittelverluste weitestgehend unvermeidbar. Gerade in industriellen Betrieben besteht ein gro­ßes finanzielles Interesse an möglichst geringe Einbußen, was eine sehr hohe Effizienz im Verar­beitungsprozess zur Folge hat[18].

2.3 Groß- und Einzelhandel

Nach der industriellen Verarbeitung werden die Nahrungsmittel im Groß- und Einzelhandel ver­marktet. Die auf Handelsebene verursachten Verluste lassen sich auf 2,58 Mio. Tonnen (14,0%) beziffern und liegen vorwiegend im Kaufverhalten der Konsumenten begründet[19]. Neben gesund­heitlichen Aspekten, die durch Temperaturstörungen vorwiegend im Bereich der Fleischwaren, aber auch bei anderen verdorbenen Lebensmitteln zum Tragen kommen, sind hier meist vermark­tungstechnische Entscheidungen relevant. Der Anspruch des Konsumenten an optisch makellose, genormte Ware und die schwierige Kalkulierbarkeit seines Kaufverhaltens sind zentrale Gründe für die Verluste. Aber auch die bis zum Abend gefüllten Regale haben ihren Teil an der Ver­schwendung[20]. So müssen beispielsweise viele Bäcker, die ihre Waren in einer Supermarktkette anbieten, die Brotregale bis kurz vor Ladenschluss komplett gefüllt halten[21]. Überdies trägt das Aussortieren von Waren, deren Mindesthaltbarkeitsdatum in den folgenden Tagen überschritten wird, maßgeblich zu den Verlusten bei. Unschwer ist zu erkennen, dass diese Einbußen zu einem großen Teil vermeidbar wären. Der Anteil der im Groß- und Einzelhandel vermeidbaren Lebens­mittelverluste liegt nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen bei ca. 90%[22].

2.4 Verbraucher

Die drei bisher durchlaufenen Schritte der Wertschöpfungskette verursachen demnach insgesamt 42,2% der gesamten Nahrungsmittelabfälle. Hieraus folgt, dass auf der Seite der Verbraucher über die Hälfte, genauer gesagt 57,8%, aller Abfälle entstehen. Dies entspricht der unvorstellbaren Menge von über zehn Millionen Tonnen Lebensmittel[23].

2.4.1 Großverbraucher

Großverbraucher haben hierbei 3,40 Mio. Tonnen (18,5%) an Lebensmittelabfällen zu verantwor­ten und sind somit der kleinere Verursacher im Sektor der Konsumenten. Zu den Großverbrau­chern gehören Krankenhäuser, Schulen, gastronomische Betriebe sowie diverse andere Institutio­nen. Auch hier sind als Ursachen meist die falsche Kalkulation der benötigten Vorräte und diverse hygienische Richtlinien zu nennen. Beispielsweise dürfen keine Speisereste wiederverwertet wer­den. Diese Speisereste wiederum resultieren aus zu ungenau angepassten Portionsgrößen und dem verschwenderischen Umgang der Verbraucher mit Nahrungsmitteln[24]. Auslöser ist demnach ein komplexes Ursachengeflecht, an dem der Konsument maßgeblich beteiligt ist.

2.4.2 Endverbraucher

Nicht anders ist es bei den Endverbrauchern. Hier liegt der Anteil bei 7,23 Mio. Tonnen (39,3%). Warum gerade in diesem Bereich ungefähr 40% aller Verluste entstehen, hat multikausale Ursa­chen. Zentraler Aspekt ist die fehlende Wertschätzung der Konsumenten gegenüber Nahrungs­mitteln. Lebensmittel werden ohne schlechtes Gewissen weggeworfen (vgl. II.4.3.1) und können ohne Probleme im nächsten Supermarkt wieder nachgekauft werden. Das große und vielfältige Nahrungsangebot beeinflusst den Konsumenten in erheblichem Maß. Schnell geraten eingekaufte Lebensmittel in Vergessenheit und werden durch andere ersetzt. Dies wiederum hat zur Konse­quenz, dass der Verbraucher die Übersicht über seine Nahrungsmittelvorräte im Kühlschrank o­der in der Speisekammer verliert. Geradezu prädestiniert dafür, vergessen zu werden, sind im Son­derangebot eingekaufte Waren. Diese verursachen gleich in zweierlei Hinsicht Lebensmittelver­luste. Einerseits werden die Konsumenten dazu verführt, zu viele Nahrungsmittel zu kaufen, die nicht alle verbraucht werden können und folglich verfallen. Andererseits kommt es zum soge­nannten Kannibalisierungseffekt. Ist ein bestimmtes Produkt einer Marke im Angebot, so wird dieses vermehrt gekauft, was aber wiederum zu einem Rückgang der Nachfrage von Produkten anderer Marken führt. Daher bleiben diese Produkte im Laden zurück und verfallen letztendlich auch. Ein weiterer bedeutender Faktor ist die Fehlinterpretation des Mindesthaltbarkeitsdatums bzw. dessen Verwechslung mit dem Verbrauchsdatum. Verluste bei der Zubereitung spielen nach bisherigem Wissensstand eine eher untergeordnete Rolle[25]. Hieraus ergibt sich, dass der größte Teil der auf Verbraucherseite entstehenden Nahrungsmittelabfälle vermieden werden könnte[26].

3. Auswirkungen der Lebensmittelverschwendung

Zwar wurde nun das quantitative Ausmaß der Nahrungsmittelverluste entlang der Wertschöp­fungskette ermittelt; welche weitreichenden Folgen die Verschwendung aber tatsächlich nach sich zieht, bleibt indessen noch unklar. Um ihr gesamtes qualitatives Ausmaß betrachten zu können, muss man verstehen, dass ein Lebensmittel ein komplexes Gut ist. Es ist nicht allein ein Stück Käse, welches achtlos in den Mülleimer geworfen wird. Entlang der ganzen Wertschöpfungskette wurden Rohstoffe, Arbeitskraft und Anbauflächen für dieses spezielle Nahrungsmittel aufgewen­det. All jene Ressourcen werden folglich mitverschwendet. Im konkreten Beispiel werden für die Produktion eines Kilogramms Käse allein 5.000 Liter Wasser aufgewendet. In einem Kilogramm Fleisch stecken sogar absurde 15.455 Liter Wasser. Dementsprechend sind die Auswirkungen auf das Klima immens[27].

3.1 Beeinflussung des Klimas

Grundlegendes Problem im Hinblick auf die ökologischen Auswirkungen ist die begrenzte Bioka­pazität der Erde. Sie beschreibt die Fähigkeit des Ökosystems, biologische Güter zur Verfügung zu stellen und die anfallenden Abfallprodukte wiederaufzunehmen. Da die Menschheit jedoch immer mehr Güter produziert, steigt auch die Menge der vor allem in Form von Treibhausgasen freigesetzten Abgase an. Das Ökosystem kann diesen enormen Ausstoß nicht mehr regulieren, was dazu führt, dass übermäßig viele Treibhausgase in die Atmosphäre gelangen. Diese speziellen Gase, zu denen u.a. Methan, Distickstoffmonoxid und Kohlenstoffdioxid gehören, lassen zwar das Eindringen der von der Sonne ausgesandten kurzwelligen Lichtstrahlen zu, absorbieren aber die im Gegenzug von der erwärmten Erdoberfläche stammenden langwelligen Strahlen. Durch Absorption und anschließende Emission (Reflexion), d.h. durch thermische Gegenstrahlung, ge­langt letztendlich ein Großteil der Energie wieder auf die Erde, wodurch es zu einer starken Er­wärmung kommt. Die so ausgelösten Umweltschäden sind massiv und noch nicht in vollem Um­fang abschätzbar[28]. Wie aber trägt die Lebensmittelproduktion zu diesem Phänomen bei?

Die Produktion von Lebensmitteln verursacht auf vielfältige Weise den Ausstoß von Treib-haus- gasen, sei es durch den Transport, die Verdauung der Tiere, den Reisanbau, durch Düngemittel, oder sei es durch die Abholzung von Waldflächen, um Agrarland zu gewinnen. Hierbei verursacht allein die Landwirtschaft in Deutschland ungefähr 16 bis 22% aller Treibhausgase — ebenso viel wie der gesamte Straßenverkehr[29]. Wenn es also gelänge, die vermeidbaren Lebensmittelverluste tatsächlich zu umgehen, könnte der Treibhauseffekt stark verringert werden. Hierbei entspricht das Einsparpotential pro Einwohner und Jahr 272 kg an CO2-Äquivalenten. Insgesamt ist dies eine Menge von knapp 22 Mio. Tonnen[30]. Zum Vergleich: Die deutsche Abfallwirtschaft verur­sacht jährlich ungefähr 11 Mio. Tonnen an CO2-Äquivalenten[31]. Damit könnte die Umwelt weit­reichend geschont werden. Dies stellt einen großen Schritt auf dem Weg zur Erfüllung der Ziele des Pariser Klimaabkommens dar.

Hierbei wurde ein zentraler Aspekt hinsichtlich der CO2-Emmissionen allerdings noch nicht be­rücksichtigt. Ein derartiger Rückgang des Nahrungsmittelbedarfs würde zu Einsparungen in Deutschlands Flächenfußabdruck führen. Dieser würde vor allem im Ausland realisiert. Insgesamt könnten rund 2,570 Mio. Hektar eingespart werden[32]. Bildlich ausgedrückt entspräche dies unge­fähr der Fläche von ganz Mecklenburg-Vorpommern. Diese Flächeneinsparungen wiederum hät­ten zur Folge, dass im Boden vorhandenes CO2 aufgrund fehlender Bearbeitung der Gebiete nicht freigesetzt würde. Hieraus ergäbe eine zusätzliche Reduktion von 470 Mio. Tonnen CO2-Äquiva- lenten. Bei diesen Einsparungen ist jedoch zu beachten, dass sie einmalig wären. Würde die Durch­setzung, wie vom Deutschen Bundestag gefordert, im Zeitraum von 2012 bis 2030 verwirklicht, entspräche dies einer Ersparnis von 26,1 Mio. Tonnen jährlich. So könnten bis 2030 pro Einwoh­ner 597 kg CO2 eingespart werden (insgesamt 47,9 Mio. Tonnen)[33]. Letztlich ergäbe sich hieraus eine erhebliche Entlastung des Ökosystems.

3.2 Welthunger

Aber nicht nur die ökologischen Folgen sind immens. Die ökonomische und ethische Problema­tik, gerade in Bezug auf den Welthunger, erreicht ebenfalls ein gravierendes Ausmaß. „Auch wenn und der Spruch ,Iss auf, die Kinder in Afrika müssen hungern’ absurd erscheinen mag, hängen doch Hunger und Lebensmittelverschwendung eng miteinander zusammen.“[34] Die Annahme, dass man durch eine Einstellung der Verschwendung von Nahrungsmitteln keinen positiven Effekt auf die Hungerkrisen in der Welt ausüben können ist nachweislich unzutreffend. Der verschwenderische Konsum der westlichen Welt führt dazu, dass wir immer mehr Nahrungs­mittel des Weltmarktes aufkaufen müssen, um unseren Bedarf zu decken. Da die Lebensmittel­kette global ist, folgt entsprechend der wirtschaftlichen Theorie von Angebot und Nachfrage, dass durch eine Erhöhung der Nachfrage der Weltmarktpreis steigt. Da gleichzeitig keine adäquate Produktionssteigerung ausgeführt werden kann, bleiben die Preise für Nahrungsmittel hoch. Dies wiederum hat zur Folge, dass arme Länder, z.B. in Afrika, die Güter nicht mehr in ausreichendem Maß importieren können und Hungerkrisen entstehen[35]. Tanja Busse kommentiert diese Entwick­lung mit den Worten: „Wir sitzen am globalen Mittagstisch und essen den Armen den Teller leer.“[36]

Allerdings sind für eine Erhöhung des Weltmarktpreises außerdem diverse andere Ursachen, wie der steigende Nahrungsbedarf durch die stetig wachsende Weltbevölkerung, die Erzeugung von Biotreibstoff oder Spekulationen mit Nahrungsmitteln an der Börse von gravierender Bedeutung. Dennoch sollte allein aus ethischer Perspektive ein bewussterer Umgang mit Nahrungsmitteln und eine erhöhte Wertschätzung eben dieser erreicht werden.

4. Lösungsansätze zur Vermeidung von Lebensmittelverlusten

Die bisherigen Ausführungen hatten das Ausmaß der Lebensmittelverschwendung und vor allem ihre gravierenden Folgen zum Gegenstand. Im weiteren Verlauf sollen einige Lösungsansätze be­trachtet und geprüft werden, wobei der Fokus auf dem Endverbraucher liegt. Da die Verluste in den Bereichen der Landwirtschaft und Lebensmittelverarbeitung weitestgehend unvermeidbar sind, werden diese im Folgenden nicht berücksichtigt.

4.1 Groß- und Einzelhandel

Im Hinblick auf die Großhändler ist ein zentraler Ansatz zur Verringerung der Lebensmittelver­schwendung eine verbesserte Kollaboration zwischen Lieferanten und Einzelhändlern.

[...]


[1] Thurn, V. Taste the Waste (Tiailei). [02:26:00 Min.]

[2] Cartsburg M./Noleppa S. Das große Wegschmeißen. [S.43]

[3] WFP. Hunger weltweit — Zahlen und Fakten. [S.1]

[4] Cartsburg M./Noleppa S. Das große Wegschmeißen. [S.28]

[5] Kreuzberger S./ Thurn V. Die Essensvemichter. [S.7]

[6] KErn. Lebensmittelverluste und Wegwerfrate im Freistaat Bayern. [S.5]

[7] The World Bank. Bevölkerung.

[8] European Commission. MEMO/11/598. [S.1]

[9] Cartsburg M./Noleppa S. Das große Wegschmeißen. [S.43]

[10] HLPE. Food losses and waste in the context of sustainable food systems. [S.39 ff.]

[11] Cartsburg M./Noleppa S. Das große Wegschmeißen. [S.33]

[12] Cartsburg M./Noleppa S. Das große Wegschmeißen. [S.43]
Alle weiteren quantitativen Daten sind dieser Quelle zu entnehmen, falls nicht anders gekennzeichnet.

[13] Gustavsson J./ Cederbberg C./ Sonesson U./ van Otterdijk R./ Meybeck A. Global food losses and food waste. [S.2 f.]

[14] Caitsbuig M./Noleppa S. Das große Wegschmeißen. [S.29]

[15] Caitsbuig M./Noleppa S. Das große Wegschmeißen. [S.28]

[16] Caitsbuig M./Noleppa S. Das große Wegschmeißen. [S.30]

[17] Caitsbuig M./Noleppa S. Das gioße Wegschmeißen. [S.31]

[18] BVE. FAKT: ist 2 Lebensmittelveischwendung. [S.7]

[19] Caitsbuig M./Noleppa S. Das gioße Wegschmeißen. [S.34]

[20] BVE. FAKT: ist 2 Lebensmittelveischwendung. [S.7]

[21] Thurn, V. Taste the Waste. [31:59:00 Min.]

[22] Cartsburg M./Noleppa S. Das große Wegschmeißen. [S.36]

[23] Cartsburg M./Noleppa S. Das große Wegschmeißen. [S.43]

[24] BVE. FAKT: ist 2 Lebensmittelverschwendung. [S.8]

[25] Oliver Wyman. Schluss mit der Lebensmittelverschwendung. [S.9 ff.]

[26] Cartsburg M./Noleppa S. Das große Wegschmeißen. [S.40]

[27] Vereinigung Deutscher Gewässerschutz. Produktgalerie: Virtueller Wassergehalt ausgewählter Produkte.

[28] Umweltbundesamt. Klima und Treibhauseffekt. [S.1 ff.]

[29] Schulz, C. Nahrungsmittelproduktion und — verschwendung. [S.7]

[30] Cartsburg M./Noleppa S. Das große Wegschmeißen. [S.52]

[31] Umweltbundesamt. Treibhausgas-Emissionen in Deutschland.

[32] Cartsburg M./Noleppa S. Das große Wegschmeißen. [S.55]

[33] Cartsburg M./Noleppa S. Das große Wegschmeißen. [S.56]

[34] Die Verbraucherinitiative e.V., Lebensmittelmüll und Hunger. Zit.n. Hein, J. Hunger und Lebens­mittelverschwendung. [S.11]

[35] Hein J. Hunger und Lebensmittelverschwendung. [S.4, S.11]

[36] Kreuzberger S./ Thurn V. Die Essensvernichter. [S.172]

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Auswirkungen und mögliche Lösungen von Lebensmittelverschwendung in Deutschland
Autor
Jahr
2017
Seiten
29
Katalognummer
V421653
ISBN (eBook)
9783668713291
ISBN (Buch)
9783668713307
Dateigröße
800 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
lebensmittelverschwendung, deutschland, auswirkungen, lösungen
Arbeit zitieren
Constanton Pilz (Autor:in), 2017, Auswirkungen und mögliche Lösungen von Lebensmittelverschwendung in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/421653

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