Das Assessment-Center. Auswahlverfahren für neue Mitarbeiter und Führungskräfte


Diplomarbeit, 2002

66 Seiten, Note: 2,8


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1 Einführung

2 Die Personalbeschaffung und ihre Instrumente
2.1 Definition von Personalbeschaffung
2.2 Allgemeine Darstellung von alternativen Auswahlverfahren zur Per- sonalbeschaffung

3 Das Assessment-Center
3.1 Definition des Assessment-Centers
3.2 Ursprung und Herkunft
3.3 Ziel des Verfahrens
3.4 Anforderungsprofil der Kompetenzen
3.4.1 Fachkompetenz
3.4.2 Methodenkompetenz
3.4.3 Sozialkompetenz
3.4.4 Humankompetenz
3.5 Durchführung
3.5.1 Bewertungsmaßstäbe
3.5.2 Verhaltensbeispiele
3.5.3 Beobachtertraining
3.5.4 Ablauf eines Assessment-Centers
3.5.4.1 Zeitplan
3.5.4.2 Rotationsplan
3.5.4.3 Durchzuführende Aufgaben
3.5.5 Auswertung und Abschlusskonferenz
3.5.6 Feedback-Gespräche
3.6 Bewertung des Auswahlverfahrens
3.6.1 Vorteile
3.6.2 Nachteile
3.6.3 Gültigkeit der Messungen
3.6.3.1 Reliabilität
3.6.3.2 Validität
3.6.3.3 Objektivität

4 Einsatz und Durchführung des Assessment-Centers in der Praxis - dargestellt am Beispiel der Barmenia Versiche- rungen
4.1 Einsatzbereich des Assessment-Centers
4.2 Beobachter
4.3 Übungen
4.4 Ausblick

5 Persönliche Einschätzung und Fazit

6 Literaturverzeichnis

1 Einführung

Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Personalauswahl. Im besonderen Fokus stand dabei die Suche von Unternehmungen nach geeigneten Führungs-kräften. Zum zweiten aber auch die Suche nach neuen Mitarbeitern. Bei der Personalauswahl beider Zielgruppen sind in der Theorie viele Dinge im Vorgehen deckungsgleich und werden in den nachfolgenden Ausführun-gen beschrieben. Dort wo es Unterschiede gibt, wird dieses im besonderen beschrieben. Um die Lesbarkeit zu erhöhen und den Text dabei möglichst „flüssig“ zu gestalten, werden beide Gruppen im folgenden zumeist unter Synonymen wie „der Bewerber“ oder „der Kandidat“ zusammengefasst. Das dabei immer die maskuline Form verwendet wird, soll nicht Ausdruck oder Wertung sein, sondern dient auch dem oben beschriebenen Zweck der Lesbarkeit. Natürlich umfassen die Ausführungen nicht nur den männlichen Bewerber, sondern in gleicher Weise auch die weibliche Bewerberin.

Die Ausführungen basieren zum großen Teil auf den Erfahrungen in der Funktion als aktiver Teilnehmer, Beobachter und Rollenspieler in den letzten Jahren. Darüber hinaus wurde dieses durch Literatur unterstützt (angegeben mit Fußnoten), sowie Gespräche mit Britta Gehnen, Personalreferentin bei den Barmenia Versicherungen und zuständige Personalreferentin für Perso-nalauswahl und -förderung.

2 Die Personalbeschaffung und ihre Instrumente

2.1 Definition von Personalbeschaffung

In Dienstleistungsunternehmen wie z.B. Versicherungskonzernen hängt die Produktivität maßgeblich von den Mitarbeitern und ihrem Qualifizierungsniveau ab. Die Mitarbeiter stellen nicht nur nach volkswirtschaftlichem Gesichtspunkt also den Produktionsfaktor dar.

Ein wesentlicher Bestandteil der Personalarbeit besteht vor allem in der Per-sonalplanung und der sich daraus ergebenden Personalbedarfsplanung. Hierbei betrachtet der Personalmitarbeiter bzw. -referent die Qualität und Quantität der Mitarbeiter in der entsprechenden Abteilung im Verhältnis zu der kurz- und mittelfristig anstehenden Arbeit. Die „Aufgabe der Personalbe-schaffung ist die Beseitigung einer personellen Unterdeckung nach Anzahl (quantitativ), Art (qualitativ), Zeitpunkt und Dauer (zeitlich) sowie Einsatzort (örtlich)“.1

Der Schwerpunkt liegt in den weiteren Ausführungen in der qualitativen Beseitigung der personellen Unterdeckung.

2.2 Allgemeine Darstellung von alternativen Auswahlverfahren zur Personalbeschaffung

Bei der Besetzung offener Stellen spielt sowohl der interne, als auch der ex-terne Arbeitsmarkt eine Rolle. Die Bewerber, die sich aus den Personalbe-schaffungsmaßnahmen wie innerbetrieblichen Stellenausschreibungen oder Anzeigen im Stellenmarkt von Tageszeitungen oder im Internet ergeben, werden zunächst gesichtet. Hierbei gleichen Personalreferent und der jewei-lige Fachbereichsleiter ab, welche formalen und persönlichen Qualifikationen

sich aus den Bewerbungsunterlagen (bei externen Bewerbern) oder der Per-sonalakte (bei internen Bewerbern) in Abgleich zu den geforderten Qualifika-tionen ergeben. Ausgangsbasis stellen hier in aller Regel objektive Merkmale dar, wie der Schulabschluss, die Ausbildung oder auch die mögliche Weiter-bildung in Vollzeit- oder Teilzeitstudium, sowie andere Weiterbildungsmaß-nahmen. Natürlich müssen aber auch weitere Faktoren den Vorstellungen entsprechen. Hierbei spielen eine ganze Reihe von Faktoren eine Rolle, wie z.B.:

- das Ausdrucksvermögen, welches durch das Bewerbungsanschreiben deutlich wird
- das Alter; auf der Suche nach einer Führungskraft ist es wahrscheinlich, dass besonders junge Bewerber, die ihre Ausbildung vor kurzem beendet haben, als auch ältere Bewerber, die wenige Jahre vor der Pensionierung stehen, nicht in Frage kommen
- die gehaltlichen Wünsche im Abgleich zum vorgegebenen Rahmen

Entspricht der Bewerber nach der Analyse der Unterlagen den allgemeinen Vorstellungen, nimmt er am weiteren Auswahlprozess teil. Hier sind nun je nach Beruf, Unternehmen oder ausgeschriebener Stelle zahlreiche Auswahlverfahren möglich, die im folgenden kurz beschrieben werden.

Am weitesten verbreitet ist sicherlich das Bewerberinterview. Es lassen sich das freie Interview und das strukturierte biografische Interview unterschei-den.

Die Tatsache, dass Interviews am häufigsten eingesetzt werden, liegt weni-ger an der wissenschaftlichen Rechtfertigung, als an ihrer Praktikabilität. Im freien Interview stellt der Interviewer die Fragen, die sich aus seinem Ge-dankengang ergeben, abgeleitet aus seiner subjektiven Interpretation der Antworten des Interviewpartners. Die Aussagekraft der Erkenntnisgewinnung steht und fällt also mit dem Training und der Erfahrung des Interviewers. Ein erfahrener Interviewer wird Aussagen anders bewerten und sie im Gespräch vertiefen können, als es einem unerfahrenen Interviewer möglich ist. Hier können als nicht nur möglicherweise fehlerhafte Urteile erzielt werden, son-dern auch eine fehlerhafte Gestaltung des Interviews erfolgen. Des weiteren können sich im Verlaufe des Gespräches zwischen Bewerber und Intervie-wer eine Bandbreite von kommunikativen Störungen ergeben. Die Erfahrung ist also ein wesentlicher Erfolgsfaktor bei der Gliederung, Interpretation und Urteilsbildung.

Das strukturierte Interview verfügt in aller Regel über eine „höhere Ver-gleichbarkeit und Quantifizierbarkeit der Befragungsdaten“2 und Verringe-rung der subjektiven Spielräume. Dieses ist vor allem dadurch bedingt, dass der Interviewer alles mitprotokolliert und erst nach dem Gespräch eine Aus-wertung des Protokolls erfolgt. Die Fragen, die im Verlaufe des Interviews gestellt werden, sind bereits im Vorfeld festgelegt; auch Wortlaut und Rei-henfolge sind allen Interviews gleich. Nachfragen sind in aller Regel nicht vorgesehen. Dieses Ausmaß an Strukturiertheit kann die Validität des Urteils erhöhen. Nachteilig ist jedoch sicherlich, dass dadurch auch unmittelbar der Aufwand dieses Beschaffungsinstrumentes erhöht wird. Außerdem wird die persönliche Ansprache im Vergleich zum freien Interview reduziert, da der Befrager nicht bzw. in geringerem Maß seine Persönlichkeit einbringen kann und nicht individuell im Gespräch reagieren kann. Der Bewerber kann einen unpersönlichen Eindruck vom Unternehmen und seiner Gesprächspartners haben.

Am weitesten verbreitet ist als Auswahlkriterium aber die Mischung aus freiem und strukturiertem Interview, das halbstrukturierte Interview. Hier orientiert sich der Gesprächsführer an einem Leitfaden, kann jedoch situativ reagieren und die Fragen individuell formulieren.

Eine ergänzende Form des Bewerberauswahlverfahrens ist der Intelligenz-test. Hier wird auf psychologischer Basis die Denkfähigkeit, sowie spezielle intellektuelle Fähigkeiten, wie z.B. die Denkleistung im Sprachen- oder Zah-lenbereich, ermittelt. Am weitesten verbreitet ist der Intelligenztest im Bereich der Gewinnung von Auszubildenden. Die Ursache hierfür liegt darin, dass der Intelligenztest besonders gut die Leistungskomponente der Bewerber erfassen kann, weniger die Verhaltenskomponente. Daher ist er in seiner

Aussagekraft zu einer möglichen Vorhersage beruflicher Leistungen nur gering geeignet, da nicht ausschließlich die Leistungskomponente bei der Auswahl neuer Mitarbeiter zählt. In der Führungskräfteauswahl spielen erst recht Faktoren wie Sozialkompetenz eine noch größere Rolle, zu denen zu einem späteren Zeitpunkt noch Stellung bezogen wird.

Leistungstests stellen ein weiteres Auswahlverfahren dar. Sie überprüfen Fähigkeiten wie Konzentrationsvermögen, Reaktionsvermögen und Auf-merksamkeit. Der Zeitdruck spielt bei der Durchführung der Übungen eine große Rolle. Somit wird der Druck erhöht, wenn der Bewerber z.B. Muster erkennen muss oder verschiedene Gegenstände in Kategorien einordnen soll. Eine Kombination von Intelligenztests und Leistungstest erhöht die Vor-hersagekraft in beträchtlichem Maß. Der Einsatz beider Auswahlverfahren findet in der Praxis in Deutschland jedoch selten Anwendung, da auch in der Kombination beider Testverfahren nur Ausschnitte der persönlichen Kompe-tenzen gefiltert werden können.

Persönlichkeitstest stellen hier eine sinnvolle Ergänzung zu den beiden oben genannten Testverfahren dar und erhöhen die Aussagekraft der Potenzial-analyse von Bewerbern. Zu beachten ist jedoch, dass Persönlichkeitstest nicht zwangsläufig die Persönlichkeit des Bewerbers wiedergeben. Es han-delt sich im Test um theoretische Fragen, die vom Bewerber zu beantworten sind. Es spielt also eine große Rolle, wie der Bewerber sich selber sieht, welches Selbstbild er hat. Dieses kann allerdings in Dissonanz zum Fremd-bild stehen und sich in der Praxis und in kritischen Situationen dann anders darstellen. Eine Überprüfung des theoretischen Wissens und der praktischen Umsetzung erfolgt hier also nicht.

Der biographische Fragebogen ermöglicht als eine weitere Form des Aus-wahlverfahrens eine systematische und standardisierte Datenerhebung der Bewerber. Die einfache Form der Fragebögen erheben Daten, wie sie aus den Bewerbungsunterlagen hervorgehen und teilweise auch im Bewerberin-terview erfragt werden. Die aufwendigeren Formen der Fragebögen erheben neben den objektiven Daten auch Einstellungen und Interessen, sowie die subjektiven Stellungnahmen zu verschiedenen Themenfeldern. Ein sehr de-

taillierter Fragebogen geht also schon in den Bereich von Persönlichkeitstests über.

Die wichtigste Aussage in diesen verschiedenen Testverfahren besteht in ihrem Kern darin, wie die einzelnen Verfahren für ihren praktischen Nutzen zu bewerten sind. In einer Untersuchung der Übereinstimmung von prognos-tiziertem im Verhältnis zum tatsächlichen späteren Berufserfolg wurde ver-sucht, die Validität mit Korrelationskoeffizienten auszudrücken. Hierbei lag die Bandbreite der Bewertung zwischen „+1“ (=perfekte Übereinstimmung) über „0“ (= keinerlei Übereinstimmung) bis hin zu „-1“ (= negative Überein-stimmung).

Im einzelnen wurden die beschriebenen Auswahlverfahren und das im folgenden dargestellte Assessment-Center so bewertet3:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Nach der Untersuchung konnte also als Ergebnis festgehalten werden, dass das Assessment-Center die beste und höchste Aussagekraft im Vergleich zu anderen Auswahlverfahren darstellt.

3 Das Assessment-Center

3.1 Definition des Assessment-Centers

„Ein Assessment-Center ist eine ein- oder mehrtägige Veranstaltung zur Er-mittlung von Eignungen bzw. Eignungspotenzialen. Ein oder mehrere Teil-nehmer bearbeiten eine Reihe von Rollenübungen und Fallstudien. Dabei werden sie von mehreren geschulten Führungskräften oder Personalfach-leuten hinsichtlich definierter Anforderungsmerkmale beobachtet und beur-teilt. Diese Rollenübungen und Fallstudien sind charakteristisch für beste-hende oder zukünftige Arbeitssituationen und Aufgabenfelder.“4 Das As-sessment-Center besteht aus der Kombination bewährter Verfahren, wie In-terviews, simulierten Praxissituationen, Plan- und Rollenspielen, sowie Gruppendiskussionen in einem gegebenen zeitlichen und räumlichen Rah-men.

In diesem Verfahren wird also

- eine Gruppe von Bewerbern
- anhand einer Reihe verschiedenartiger Übungen - in möglichst realitätsnahen Situationen - von mehreren geschulten Beobachtern - nach festgelegten Regeln beobachtet und beurteilt.

3.2 Ursprung und Herkunft

Der Ursprung des Assessment-Centers als Auswahlverfahren ist, wie viele andere Entwicklungen, wie z.B. das Internet, im militärischen Bereich zu su-chen.

Während des ersten Weltkrieges wurden psychologische Testverfahren zur Auswahl von Offizieren in „Assessment-Center-ähnlichen Übungen“5 eingesetzt. Dieses entwickelte sich auch im Laufe der Jahre in den USA. Hier wurden im Verlaufe des zweiten Weltkrieges Agenten unter zur Hilfenahme von Elementen dieses Verfahrens ausgewählt.

Erstmals wurde im Jahr 1958 in der Wirtschaft eine Form der Bewerberauswahl, die wir heute als Assessment-Center bezeichnen, eingesetzt. Das Unternehmen AT & T (American Telephone & Telegraph) war hier der Vorreiter, nachdem es zuvor jahrelange Studien betrieben hatte, deren Ergebnisse jedoch streng geheim waren.

In den nächsten zehn Jahren hatten zwölf weitere Konzerne in den USA dieses Verfahren eingesetzt. Durch Publikationen verbreitete sich diese Form auch nach Europa. 1970 setzten erstmals Unternehmen in Deutschland die Methode ein. Das es sich hierbei mit IBM und BAT um ursprünglich amerikanische Konzerne handelte, überrascht nicht.

Von da an befassten sich eigentlich alle Unternehmen mit dieser neuen Form der Personalauswahl und es ist davon auszugehen, „dass die Prognose nicht zu gewagt erscheint, es dürfte in den neunziger Jahren unter den größeren Unternehmen nur noch wenige geben, die mit dieser Methode nicht zumindest versuchsweise gearbeitet haben.“6

3.3 Ziel des Verfahrens

Das Assessment-Center stellt in seiner Vorbereitung und Durchführung im Vergleich zu den geschilderten alternativen Auswahlmethoden einen höhe-ren Aufwand für die durchführende Unternehmung und die beteiligten Perso-nen dar. Daher stellt sich die Frage, welches Ziel mit dem Assessment- Center verfolgt wird und wie dieses „Mehr“ an Aufwand zu rechtfertigen ist. Was ist also das Ziel des Verfahrens?

Das Ziel des Assessment-Centers zur Auswahl von neuen Mitarbeitern und Führungskräften besteht darin, die Eignung der Bewerber im Hinblick auf die konkreten Anforderungen der zu besetzenden Position festzustellen. „Es sollen Schlüsselqualifikationen und die Eignung zu Führungsaufgaben ge-prüft werden bei Personen, die entweder Mitarbeiter oder externe Bewerber sind.“7

Diese konkreten Anforderungen werden im Verlauf des Auswahlverfahrens in unterschiedlichen Übungen simuliert. Dabei wird beobachtbares Verhalten abgeprüft und analysiert, welches der Bewerber im Verlauf in den Übungen mit ihren unterschiedlichen Anforderungen zeigt. Die modellhaften Übungen stellen eine Simulation der Praxis dar und geben Aufschluss über das mögli-che tatsächliche Verhalten in kritischen Situationen in der zukünftigen Aufga-be.

Entschließt sich die Unternehmung bei der Personalauswahl zum Einsatz des Assessment-Centers, spielt natürlich auch die Eignung einer „validen Prognose“8 eine Rolle. „Unter Validität versteht man die Angemessenheit von Schlussfolgerungen aus Testwerten und anderen diagnostischen Instru-menten.“ Wichtig für den Einsatz des Instrumentes ist also die Gewissheit, dass sein Einsatz von Erfolg geprägt ist. Nach allgemeinen Erkenntnissen ist hier mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Erfolg gegeben, da „die Ergebnisse des Assessment-Center-Verfahrens in empirisch nachweisbarer Beziehung zum späteren Berufserfolg stehen.“8

3.4 Anforderungsprofil der Kompetenzen

Vor Durchführung des Assessment-Centers werden Überlegungen hinsicht-lich der Anforderungen angestellt, die mit der angestrebten Aufgabe verbun-den sind. Ein Anforderungsprofil wird erstellt, an dem die Kandidaten gemes-sen werden. Grundlage für dieses Profil ist die Betrachtung der spezifischen Anforderungen die mit der neuen Aufgabe verbunden sind. Das Profil wird in aller Regel durch die Unternehmensleitung und den Personalbereich als durchführende Institution erstellt. Die Basis hierfür stellen zumeist Interviews mit den bisherigen Stelleninhabern oder deren Vorgesetzten dar. Zentrale Frage dabei ist, mit welchen Verhaltensweisen und Eigenschaften bewältigt der Kandidat häufige und wichtige Situationen seiner neuen Aufgabe erfolg-reich. Ziel ist es, den oder die Kandidaten aus dem Assessment-Center zu „filtern“, die das größte Potenzial mitbringen, um mit der geforderten Hand-lungskompetenz einen möglichen Erfolg auf der vakanten Stelle haben wer-den.

Unter Handlungskompetenz ist die Kombination aus Fach-, Methoden-, So-zial- und Humankompetenz zu verstehen, die zur Aufgabenerledigung rele-vant sind. Die Gewichtung in der Anforderung der einzelnen Bestandteile richtet sich nach dem sich aus der Stelle ergebenden Anforderungsprofil.

3.4.1 Fachkompetenz

Fachkompetenz zeichnet sich durch ein fachliches Wissen und Erfahrungen in einem Aufgabengebiet aus. Sie wird meist durch eine fundierte Ausbildung, ein Studium oder eine langjährige Erfahrung in einem bestimmten Tätigkeitsfeld erworben. Weiterhin umfasst die Fachkompetenz das Vermögen, fachliches Wissen situationsgerecht umsetzen zu können.

Jedoch ist die vorhandene fachliche Qualifikation der Kandidaten bei der Er-stellung des Anforderungsprofils von sekundärer Bedeutung. Es wird davon ausgegangen, dass sich im Verlauf des Assessment-Centers zeigt, wie en- gagiert, lern- und einsatzwillig jemand ist. Es muss nicht das komplette Wis-sen vorhanden sein. Entscheidender ist, dass ein hohes Maß an Lernbereit-schaft vorhanden ist. Dieses ist vor dem Hintergrund wichtig, dass in einer sich entwickelnden Unternehmung auch die Aufgabenfelder eines Bereiches sich flexibel verändern können. Das, was heute wichtig ist und im Aufgaben-bereich liegt, muss morgen nicht auch noch das hauptsächliche Tätigkeits-feld darstellen. Das bedeutet in der Folge, dass das Fachwissen sich mit den Aufgaben flexibel verändern muss und somit auch der Mitarbeiter oder die Führungskraft ihr Fachwissen erweitern bzw. verändern müssen.

Ein Beispiel hierfür ist der Wandel eines klassischen Versicherungskonzerns zu einem Allfinanz-Unternehmen. Durch eine veränderte strategische Ausrichtung einer Unternehmung ändern sich in sehr vielen Bereichen Aufgaben und Schwerpunkte. Da nicht vorausgesetzt werden kann, dass die vorhandenen Mitarbeiter und Führungskräfte über das Wissen des neu zu erschließenden Sektors verfügen, muss dieses Wissen vermittelt werden, gleichzeitig auch die Bereitschaft hierfür vorhanden sein.

3.4.2 Methodenkompetenz

Unter Methodenkompetenz ist die fachunabhängige Fertigkeit zu verstehen, sich mit Themenstellungen und den Anforderungen im Arbeitsalltag ausein-ander zu setzen. Hierbei steht im Mittelpunkt, wie Aufgaben ausgeführt wer-den und wie sich der Kandidat z. B. im Assessment-Center mit neuen Prob-lemstellungen auseinandersetzt. Die Methodik der Problemlösung, also das Vorgehen im Problemlösungsprozess, werden betrachtet. Der Kandidat muss nicht nur wissen, welcher Weg zu gehen ist. Er muss ihn vielmehr auch gehen können!

Die Methodenkompetenz ist eine der wesentlichen Kompetenzen, die im As-sessment-Center abgeprüft werden und deren Beobachtung in dem modell-haften Umfeld eines Assessment-Centers durch geeignete Übungen eine große Validität zulässt. Organisationsübungen, wie z. B. die Postkorbübung (siehe „3.4.4 Durchzuführende Aufgaben“), prüfen die Methodenkompetenz ab, indem sie ihren Fokus auf das Vorgehen im Problemlösungsprozess und das Ergebnis legen.

Eine Führungskraft mit hoher Methodenkompetenz versteht sich in der Ges-taltung, Steuerung, Untersuchung, Absicherung von Vorgängen, Prozessen und Abläufen im Unternehmen. Analytisches Denken, wie das Erkennen von Strukturen und Zusammenhängen oder das Bewerten von Daten, ebenso aber auch die Fähigkeit der Organisation und Planung, z. B. das Setzen von Prioritäten oder systematisches Arbeiten, gehören zu den wichtigsten Merk-malen.

3.4.3 Sozialkompetenz

Mit Sozialkompetenz wird die Fähigkeit verstanden, Einstellungen, Gefühle und Gedanken wahrnehmen zu können und sich personen- und situationsgerecht verständigen zu können.

Diese Kompetenz besitzt gerade bei der Auswahl von Führungskräften zu-meist eine hohe Priorität und wird daher bei der Durchführung des Assess-ment-Centers mit entsprechenden Übungen gewichtet. In allen Abteilungen und Bereichen von Unternehmungen ist es wichtig, Einfühlungsvermögen für Situationen und Mitarbeiter zu haben. Diese Kompetenz ist in den letzten Jahrzehnten in den Vordergrund gerückt. Die Ursache hierfür ist darin zu suchen, dass eine sehr sozialkompetente Führungskraft es z. B. schafft, Stö-rungen im Team wahrzunehmen und Mitarbeiter zu motivieren. Es ist also nicht wichtig, dass die Führungskraft der „beste“ und schnellste Arbeiter ei-ner Einheit ist. Schafft er es vielmehr, den Einzelnen zu motivieren und in Prozesse einzubeziehen, erhöht sich der Nutzen für die gesamte Unterneh-mung.

Aber auch in der Auswahl neuer Mitarbeiter findet die Überprüfung der Sozi-alkompetenz ihre Berücksichtigung. Hier steht der Umgang mit Kollegen und vor allem dem Kunden im Vordergrund. Das Gespür für die richtige Anspra-che gerade in kritischen Situationen ist das Aushängeschild des Unterneh-mens.

3.4.4 Humankompetenz

Ein realistisches Selbstbild zu haben und der eigenen Überzeugung nach handeln zu können, sind Symbol der Humankompetenz (auch Personale Kompetenz genannt).

Es handelt sich hierbei um persönliche Anlagen, die nicht unbedingt immer auf Dritte wirken müssen, sondern mehr in der Person verwurzelt sind. Die Einstellung zu Werten, Menschen und Dingen lassen sich genauso darunter verstehen, wie persönliche Veranlagungen. Diese spiegeln sich nicht zwingend in beobachtbarem Verhalten wieder.

Es ist teilweise unmöglich, zumindest jedoch schwierig, die Humankompetenz mit ihren sämtlichen Facetten in dem Auswahlprozess für die Beobachter deutlich zu machen. Beispielsweise kann das Assessment-Center nicht erfassen, wie zuverlässig der Kandidat im Alltag ist. Möglicherweise wird er es schaffen, sich über die Dauer des Verfahrens als zuverlässig zu erweisen. Dieses muss aber für die Praxis nicht in gleicher Weise gelten, wie z. B. die Nichteinhaltung von Absprachen.

3.5 Durchführung

Zur Durchführung des eigentlichen Assessment-Centers sind eine Reihe von Vorarbeiten zu erledigen. Neben organisatorischen Aspekten wie der Ter-minplanung, Bewerberauswahl und Einladung, spielen vor allem Faktoren wie das Festlegen der Bewertungsmaßstäbe, das Erstellen von Aufgaben und die Auswahl und Absprache mit den Beobachten eine große Rolle.

3.5.1 Bewertungsmaßstäbe

Der Vorteil des Assessment-Center-Auswahlverfahrens liegt in seiner multi-subjektiven Bewertung der Bewerber. Hierzu ist es erforderlich, dass einheit- liche Bewertungsmaßstäbe aufgestellt werden, nach denen alle Beobachter vorgehen und das Verhalten im Verfahren messen.

Die Basis einer Bewertung sind immer die Beobachtungen während der Ü-bungen. Daher hat sich folgendes Vorgehen im Ablauf als geeignet für eine objektive Urteilsfindung herausgestellt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Unterteilung in Beobachten und Bewerten ergibt sich aus dem zeitlichen Ablauf während der Übungen und nach Ablauf der Übungen. Während der Übungen wird beobachtet, was der Teilnehmer sagt und was er tut. Diese wird durch ausführliche Protokollnotizen schriftlich fixiert, wobei keine Bewertung vorgenommen werden soll. Es handelt sich um eine rein sachliche Darstellung. „Beobachtungen und Beurteilungen sind voneinander getrennt vorzunehmen, um die Beobachtungen nicht durch voreilige Bewertungen und den Urteilsbildungsprozess zu verkürzen.

Beobachtet wird auf der Verhaltensebene, d.h. es werden nur Verhaltens-weisen in die Beurteilungsliste aufgenommen, die tatsächlich gesehen wur-den.

Beobachtet und beurteilt wird nach festgelegten Kriterien:

- Arbeitsstil
- Persönlichkeitsbereich
- Interpersonaler Bereich
- Intellektueller Bereich“9

Nach Ablauf der Übungen erfolgt die Zuordnung der protokollierten Beobachtungen zu den Beurteilungskriterien. Die Orientierung geben dafür Beurteilungsbögen oder Verhaltensbeispiele. Zum Abschluss erfolgt dann die eigentliche Bewertung durch eine Skalierung der Beobachtungen und eine Zusammenfassung der Stärken und Schwächen.

Zur abschließenden Darstellung des beobachteten Verhaltens bietet sich an, die Verdeutlichung in Skalen zu transportieren. Dieses hat den Charakter einer „Benotung“ und schafft somit eine hohe Vergleichbarkeit in doppelter Hinsicht. Zum einen macht es bei der Betrachtung des einzelnen Bewerbers deutlich, in welchen Übungen seine Stärken bzw. Schwächen lagen. Zum anderen wird aber auch im Vergleich der Bewerber zueinander innerhalb der jeweiligen Übungen der Beste leicht ersichtlich. Wichtig ist jedoch, dass die Beurteilung absolut erfolgt, d. h. sich ausschließlich an dem orientiert, was das Anforderungsprofil der jeweiligen Übung darstellt. Es soll keine relative Beurteilung erfolgen, bei der die Teilnehmer in einer Übung in einen Bezug zueinander gesetzt werden. Der Grund ist einfach und nachvollziehbar: brin-gen die anderen Teilnehmer in den Übungen eine hohe Qualität, wird das individuelle Ergebnis des Bewerbers schlechter ausfallen, als wenn die Er-gebnisse der anderen Teilnehmer von mäßiger Qualität sind. Hier würde der Bewerber dann, bei gleicher Lösung der Aufgaben, besser abschneiden.

Die Fachliteratur kennt verschiedene Skalenunterteilungen. Zumeist erfolgt aber eine „Sechser-Unterteilung“, ähnlich der im Folgenden dargestellten Skala:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[...]


1 Freund, F. / Knoblauch, R. / Racke, G.: Praxisorientierte Personalwirtschaftslehre, 5. Auflage, Stuttgart / Berlin / Köln 1993, Seite 70

2 Gutjahr, G. , Psychologie des Interviews, Heidelberg 1985, Seite 78

3 Reilly, R.R. & Chao, G.T. „Validity and fairness of some alternative employee selection procedures“. Personnel Psychology 1982, Seite 1 ff.

4 Obermann, C., Assessment-Center: Entwicklung, Durchführung, Trends, Wiesbaden 1992, Seite 11

5 Fargo, L., German psychological warfare, G. P. Putnam’s Sons, New York, 1942

6 Schuler, H. & Stehle, W., Assessment-Center als Methode der Personalentwicklung, Verlag für angewandte Psychologie, Stuttgart, 1992, Seite 1

7 Fisseni, H.J. & Fennekels, G.P., Das Assessment Center - Eine Einführung für Praktiker, Verlag für Psychologie, Göttingen, 1995, Seite 12

8 Kleimann, M. und Strauß, B., Potenzialfeststellung und Personalentwicklung, Verlag für Angewandte Psychologie, Göttingen, 1998, Seite 100 ff

9 Engelking, M. und Stehle, W., Personalauswahl und -entwicklung im Versicherungsvertrieb, Verlag Versicherungswirtschaft e.V., Karlsruhe, 1987, Seite 206

Ende der Leseprobe aus 66 Seiten

Details

Titel
Das Assessment-Center. Auswahlverfahren für neue Mitarbeiter und Führungskräfte
Hochschule
Deutsche Versicherungsakademie GmbH
Note
2,8
Autor
Jahr
2002
Seiten
66
Katalognummer
V42159
ISBN (eBook)
9783638402606
Dateigröße
549 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Assessment-Center, Auswahlverfahren, Mitarbeiter, Führungskräfte
Arbeit zitieren
Andreas Boonekamp (Autor:in), 2002, Das Assessment-Center. Auswahlverfahren für neue Mitarbeiter und Führungskräfte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/42159

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