Eine multidisziplinäre Einführung in die Arbeit. Kapitalismus, Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit


Hausarbeit, 2018

19 Seiten, Note: 1,4


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Die Entwicklung und Bedeutung des Kapitalismus
1.1 Der Kapitalismus und die Marktwirtschaft
1.2 Die europäische Emergenz
1.3 Auswirkungen auf die Nachfrage nach Arbeit

2 Der Arbeitsmarkt
2.1 Arbeit als Ware
2.2 Verhältnis zwischen Anbietern und Nachfragern
2.3 Soziale Arbeit im Machtgefüge

3 Arbeitslosigkeit – Gesundheitliche und psychosozialen Folgen

4 Vollbeschäftigung oder zunehmende Prekarisierung

Literaturverzeichnis

1 Die Entwicklung und Bedeutung des Kapitalismus

Kapitalismus und Marktwirtschaft werden häufig miteinander verglichen, wobei Kapitalismus nicht selten mit negativen Attributen wie Ungleichheit, Ausbeutung und Gier beschrieben, die Marktwirtschaft hingegen gesellschaftspolitisch positiver bewertet und in Korrelation zu Fortschritt, Freiheit, Wachstum gebracht wird (vgl. Herrmann, 2013: 65). Im Folgenden werden zunächst die Begriffe Marktwirtschaft und Kapitalismus hinsichtlich ihrer Disparität kurz dargestellt. Anschließend wird die Entstehungsgeschichte des modernen Kapitalismus beleuchtet und die Bedingungen, warum sich das historische Phänomen ausgerechnet in Europa gebildet hat, skizziert. Abschließend wird die Nachfrage nach Arbeit im Kontext des kapitalistischen Systems betrachtet und in den wesentlichen Aspekten zusammengefasst.

1.1 Der Kapitalismus und die Marktwirtschaft

Nach Hermann beschreibt der Kapitalismus die heutige Wirtschaftsform und ist nicht mit der Marktwirtschaft zu verwechseln. Die Marktwirtschaft, wie auch der Kapitalismus, stellen eine Wirtschaftsordnung dar und Marktwirtschaft wird nach Herrmann dadurch definiert, dass „erstmals alles einen Preis [hat] und Land, Arbeit und Produkte frei gekauft und verkauft werden [können]“ (Herrmann, 2013: 66). Die Anbieter wägen nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten ab und treffen selbstbestimmte Entscheidungen. „Der Preis allein macht jedoch noch keinen freien Markt – zentral ist die Konkurrenz. In einer ungestörten Begegnung von Angebot und Nachfrage […] soll sich der faire Preis herausbilden“ (ebd.). Die Käufer können mit ihrem Konsumverhalten indirekt Einfluss nehmen, denn die Qualität, Quantität und Preis werden durch den Wettbewerb der Anbieter um die Konsumenten beeinflusst (vgl. ebd.) Aus Herrmanns weiteren Erläuterungen geht hervor, dass der Staat lediglich die Rahmenbedingungen konstituiert und ein Intervenieren aufgrund der gleichen Machtverteilung in der Marktwirtschaft nicht indiziert ist (vgl. ebd.: 82). Die Märkte sind offen und für jeden zugänglich (vgl. ebd.: 66), der starke Wettbewerb stellt jedoch auch ein unternehmerisches Risiko dar und es ist kein sicheres Einkommen garantiert (vgl. ebd.: 69).

Der Begriff Kapitalismus geht auf die Wirtschafts und Gesellschaftsordnung im Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert zurück, in dem die wohlhabenden Adligen über die Besitzlosen herrschten und durch das Fehlen staatlicher Regelungen freien Handlungsspielraum besaßen (Duden Wirtschaft von A bis Z, 2016). Dabei geht es nach Herrmann „um den Einsatz von Kapital mit dem Ziel, hinterher noch mehr Kapital zu besitzen, also einen Gewinn zu erzielen. Es handelt sich um einen Prozess, der exponentielles Wachstum erzeugt“ (Herrmann, 2013: 9). Jedoch profitierte lediglich die schmale Oberschicht, was zu Massenarmut und existenziellen Bedrohungen führte. In diesem Zusammenhang wird Kapital oftmals synonym zu Geld verwendet, doch auch hier betont Herrmann einen Unterschied. Geld ist ein historisch bis in die Antike zurück verfolgbarer Begriff, Kapital hingegen verweist auf die „effizienten Produktionsprozesse und [den] technische[n] Fortschritt“ (Herrmann, 2013: 10) der im Zuge der Industrialisierung einen unvorhergesehenen Wohlstand hervorbrachte, den Geld, isoliert betrachtet, niemals hätte erzeugen können (vgl. ebd.: 9f.). Im exponentiellen Wachstum liegt der Unterschied zum Markt, denn an einem Ort, der ausschließlich Tauschprozessen dient, kann dies nicht beobachtet werden. Der Kapitalismus wird sowohl zur Beschreibung einer Wirtschaftsform verwendet, verweist aber auch auf die damit einhergehenden Machtverhältnisse (vgl. ebd.). Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel inkludierte auch ein Weisungsrecht über die Arbeitskraft, die sich in einer Abhängigkeit zu den verhältnismäßig wenigen Kapitalbesitzern befand, und deren Interessen die wirtschaftliche und soziale Gesellschaft steuerten (Duden Wirtschaft von A bis Z, 2016).

1.2 Die europäische Emergenz

„Der moderne Kapitalismus ist zufällig entstanden, es ist das erste dynamische System, dass der Mensch je erschaffen hat“ (Herrmann, 2013: 12), jedoch spielten bestimmte Faktoren eine entscheidende Rolle. Warum Europa, um es genauer einzugrenzen, England zum geographischen Ursprungsland wurde, ist letztendlich auf eine unikale Verzahnung von den höchsten Löhnen der Arbeiter, günstigsten Energien und sozialpolitischen Entscheidungen, die wiederum zu einer ökonomischen, politischen und sozialen Sonderstellung führten, zu konkludieren (ebd.: 46). Unabdingbare Voraussetzungen, die den phänomenalen Wachstumsschub herbeiführten, kumulierten sich in England und können prägnant als finanzielle Mittel, Gewinnstreben, unternehmerisches Denken, kolonialer Drang zur Vergrößerung, Innovationsreproduktion, Staatenkonkurrenz, Wettbewerb, Außenkontakte, Effizienzsteigerung und günstige Energiequellen benannt werden.

Gewinnstreben, finanzielle Mittel und Wissen standen auch schon den Römern und Griechen zur Verfügung, sie konnten es jedoch nicht umsetzen. Obwohl bereits eine durchstrukturierte Geldwirtschaft existierte, entwickelte sich kein zunehmender Wohlstand durch kapitalistische Strategien, da der Habitus als modus operandi auf Ästhetik und Praktikabilität statt auf Effizienz gerichtet war. Gewinne wurden traditionell durch lukrativen Fernhandel oder Sklaverei und Ausbeutung erzielt, führten aufgrund der ausbleibenden Produktivitätssteigerung jedoch nicht zum Wachstum. Die Oberschicht, der entsprechende Investitionsmöglichkeiten und das Wissen zur Verfügung standen, zeigte keinerlei Interesse an einer Vermehrung ihres Reichtums (vgl. ebd.: 21 ff.). Ute Herrmann fasst zusammen, dass die antiken Römer und Griechen nicht zu Kapitalisten wurden, da „die Reichen zu reich waren, […] der große Rest zu arm, [und] die Arbeitskraft zu billig war“ (ebd.: 24.). Das chinesische Kaiserreich hingegen stellte über 2000 Jahre das mächtigste Reich der Welt dar, verfügte wie auch Indien über Luxusgüter und somit über eine privilegierte Stellung. Warum sich insbesondere die Chinesen diese nicht zu Nutzen machen konnten, kann auf ihre Dominanz zurückgeführt werden. Sie fühlten sich keinem Wettbewerb ausgesetzt und die Superiorität der Verwaltungselite stellte eine Entwicklungsbarriere für das Land dar. Innovationen wurden erschaffen, verschriftlicht, verbreitet. Sie wurden z. B. in der Landwirtschaft effizient genutzt, um Erträge und Steuereinnahmen zu erhöhen, doch kommerzielle Ziele unterbunden. Außenkontakte zu anderen Ländern und Kulturen wurde keine Wichtigkeit zugemessen (vgl. ebd.: 25 ff.). Herrmann konstatiert, dass „3 Phänomene im Rückblick sehr überraschend [erscheinen]“ (ebd.: 34), aus denen sich und dass sich, gerade im ärmsten Teil Englands, schleichend der Kapitalismus bis hin zur industrielle Revolution entwickelte und dabei weder als Wissensrevolution anzusehen war noch viel Kapital eingesetzt wurde (vgl. ebd.: 34ff.). England zeigte eine ökonomische, politische und soziale Originalität, die sich in der Agrarrevolution und der Landverteilung unter den Agrarkapitalisten zum Ausdruck brachte. Sie befanden sich im permanenten Wettbewerb, setzten Technikspione ein und verbreiteten die neuen Erkenntnisse in unnachahmlicher Schnelligkeit. Die relativen Kosten der Landwirtschaft sanken zunehmend und ermöglichten den Bürgern einen unerwarteten Wohlstand und großzügiges Konsumverhalten. Der Adel brach das in anderen Teilen herrschende Prinzip der Degoration und investierte mit Blick auf Renditen und engagierte sich zudem, da es verfassungsmäßig ab 1688 legitimiert war, auch politisch. Die, durch das Erstgeburtsrecht, klar hierarchisierten Verhältnisse sicherten ihre Stellung, erlaubten ihnen aber auch ein Handeln auf Augenhöhe mit den Commons, um ein steuerfinanzierte Konjunkturprogramm konzediert zu bekommen. Nachfrage schuf Nachfrage, die Wirtschaft wuchs durch den Konsum und in Folge dessen entstanden neue Arbeitsplätze (vgl. ebd.: 37.). Den Anstieg der Löhne und somit entstandenen Nachteil zu indischen Produktionsbedingungen glichen sie durch strukturierten Protektionismus in Form von Einfuhrbestimmungen und profitablen Handelsdreiecken aus. Das Unterbieten der indischen Löhne gelang jedoch erst durch maschinengestützte Produktivitätssteigerungen (vgl. ebd.: 40 ff.). Diese Strategie zeigt sich jedoch nur rentabel, wenn die Löhne hoch sind und somit im Verhältnis zu den Ausgaben stehen. Nach Herrmann war Indien mit seinen niedrigen Löhnen „im Paradox gefangen“ (ebd.: 43). Und auch in diesem Umbruch verhilft England seine privilegierte geographische Lage, ausreichend Energiequellen erschließen und im Vergleich zu den Römern und Chinesen, die Kohle auch unter guten infrastrukturellen Gegebenheiten transportieren zu können (vgl. ebd.: 45 ff.). Die effiziente Ausnutzung der dampfbetriebenen Eisenbahn, nicht nur zum Kohle sondern auch zum Menschentransport, erforderte eklatant hohe Investitionen, die zum early growth paradox führten. Die Gesamtwirtschaft wuchs zwar, jedoch ohne Wohlstand zu erzeugen, da das Wachstum der Gesamtwirtschaft und der Profit einer kleinen Minderheit auf dem Rücken der Arbeiter lasteten, die unter fatalen Arbeitsbedingungen beschäftigt wurden. Die Prosperität konnte erneut nur mit der Erhöhung der Reallöhne durch die, 1880 gesetzlich zugelassenen, Gewerkschaften entstehen (vgl. ebd.: 47 ff.).

1.3 Auswirkungen auf die Nachfrage nach Arbeit

In der Darstellung der Entstehung des modernen Kapitalismus lässt sich erkennen, dass neue Arbeitsplätze nur entstehen können, wenn die Wirtschaft wächst. Diese wiederum kann nur durch Nachfrage, sprich gesteigerten Konsum angetrieben werden. Um diesen Prozess zu generieren und/oder zu fördern, müssen die potentiellen Käufer über entsprechende finanzielle Ressourcen verfügen. Dieser Zustand tritt jedoch erst ein, wenn die Löhne die Kosten der Existenzerhaltung und des Lebensbedarfs übersteigen und über weiteren Konsum erneut in den Wirtschaftskreislauf eingespeist werden können (vgl. ebd.: 37, 49). „Doch damit entsteht [nach Herrmann] noch kein dauerhaftes Wachstum. Die Wirtschaftsleistung kann nur stetig zunehmen, wenn die Produktivität der Arbeitskraft steigt. Daher muss man in technische Verbesserungen investieren, wenn man Wachstum will“ (ebd.: 23). Kostspielige Innovationen stehen mit Wohlstand in Verbindung, werden nach einer gewissen Zeit aber aufgrund der sinkenden Kosten auch für finanzschwache Länder profitabel. An diesem Punkt besteht die Gefahr, dass die Arbeitsplätze in sogenannte Niedriglohnländer verlagert werden, um die Effizienz über Lohnkosteneinsparungen zu steigern (vgl. ebd.: 44). Doch bis heute gilt, „der Kapitalismus entwickelt sich nur stabil, solange die Reallöhne steigen“ (ebd.: 11). Zusammenfassend lässt sich festhalten, Arbeitsplätze werden nur durch eben diesem Wachstum gesichert und geschaffen.

2 Der Arbeitsmarkt

Claus Offe und Carl Hinrichs konstatieren in ihrem Werk „Opfer des Arbeitsmarktes – Zur Theorie der strukturierten Arbeitslosigkeit“ unteranderem die marktstrategische Sonderstellung von Arbeitskraft als Ware. Dass diese für den Anbieter zu einer benachteiligten Position führt, kann aus dem Titel erahnt werden, wird aber im Folgenden in ihrer Charakteristik und Auswirkung auf das Verhältnis von Nachfragern nach und Anbietern von Arbeit dargestellt. Die Autoren beschreiben ausführlich ein Machtgefälle, auf welches anschließend Bezug genommen wird, um die Bedeutung von Sozialer Arbeit herauszuarbeiten.

2.1 Arbeit als Ware

Offe und Hinrichs stellen heraus, dass die Ware Arbeitskraft insofern eine Irregularität aufweist, als dass sie zwar als Ware behandelt wird, sich aber im Wesentlichen von allen anderen Waren unterscheidet. Im Vergleich zu anderen Gütern, kann die Arbeitskraft marktstrategisch kaum modifiziert und nur graduell in Quantität, Qualität Ort und Zeitpunkt des Angebots an vorherrschende Absatzbedingungen angepasst werden, da das Angebot sowohl von der demografischen Entwicklung als auch von sozioökonomischen Prozessen designiert wird. Somit kann Arbeitskraft hinsichtlich der Verkaufserwartung nicht kalkuliert und disponiert werden. Durch politische und kulturelle Bestimmungen ist die Summe in ihrer bestimmten Menge relativ starr, d. h. sie verändert sich über einen langen Zeitraum nur wenig (vgl. Offe; Hinrichs, 1977: 8). „Die Besonderheit von Arbeitskraft besteht also darin, daß sie zwar auf dem Markt als Ware behandelt wird, aber aus anderen Gründen, als sie bei Waren vorliegen, auf diesen Markt auftrifft“ (ebd.: 9). Weiter ist sie für den Anbieter in ihrer Subsistenzwirkung wertlos und wird erst durch die Kopplung an Produktionsmitteln aus dem Eigentum der Nachfrager profitabel. Zur Sicherung seiner Existenz ist der Anbieter darauf angewiesen, seine Ware Arbeit zu verkaufen ohne auf verkaufsstrategische Maßnahmen zurückgreifen und somit im Konkurrenzkampf seine Position beeinflussen zu können (vgl. ebd.: 11). Offe und Hinrichs verdeutlichen als Folge des alternativlosen Kontrahierungszwangs und der stark eingeschränkten Operationalisierbarkeit, dass ungünstige Konditionen akzeptiert oder sogar erst durch das Erhöhen des quantitativen Angebots als Nachfrage selbst generiert werden müssen (vgl. ebd.: 13).

2.2 Verhältnis zwischen Anbietern und Nachfragern

Die Gemeinsamkeiten der Arbeitsmärkte und der Gütermärkte bestehen in den sich durch Austauschprozesse gegenüberstehenden Anbietern und Nachfragern, parallel fließenden Geld und Leistungsströmen sowie den dreidimensionalen Konkurrenzverhältnissen. Diese herrschen jeweils unter den Anbietern und Nachfragern in ihrer Gesamtheit aber auch binnen der beiden Seiten des Marktes (vgl. ebd.: 6f.).

Eine strukturell bedingte Benachteiligung führt den Verfassern nach, zu einem für Arbeitsmärkte charakteristischen Machtgefälle (vgl. ebd.: 15f.). Als Macht definieren sie, die zur Verfügung stehenden Optionen einer Seite, in Tauschbeziehungen zu agieren. Das Gefälle konstruiert sich aus der Tatsache, dass „den Nachfragern, mehr Optionen zur Verfügung stehen als von der anderen Seite […] realisiert werden können“ (ebd.: 16). Die Nachfrageseite kann sich durch das Anwenden von Marktstrategien in eine überlegene Position bringen, in dem sie die internen Konkurrenzbeziehungen partiell aufhebt. Diese restriktiven Strategien der Marktbeschränkung, sprich quantitative und qualitative Nachfrageregulierung sowie Nachfragebeschränkung führen zu einer Asymmetrie, da der Angebotsseite entsprechende Verfahrensweisen, bedingt in der Struktur ihrer Ware Arbeit, nicht zur Verfügung stehen (vgl. ebd.: 7f.) Die Anbieter können weder die Menge, noch den Preis ihrer Ware beeinflussen oder Zusammenschlüsse bilden, da jedem Einzelnen der Zwang des sofortigen Verkaufs obliegt (vgl. ebd.: 8f.). Dieser Verkaufszwang ergibt sich aus den stark eingeschränkten Anpassungsmodalitäten in den strategischen Dimensionen Qualität, Quantität, Zeit und Raum. Auf die Veräußerung seiner Ware kann der Anbieter nur verzichten, wenn er Kompromisse schließt, die mit weiteren Benachteiligungen einhergehen. Er könnte, sofern sie zur Verfügung stehen, in eine unbezahlte Alternativrolle außerhalb des Arbeitsmarktes, wie z. B. Hausfrau wechseln oder den geographischen Standpunkt ändern, wobei in beiden Fällen mit materiellen und/ oder individuellen Einschränkungen und Belastungen zu rechnen ist (vgl. ebd.: 10, 15). Über die bestehende Abhängigkeit kann die Nachfrageseite uneingeschränkt und vierdimensionalen Einfluss auf den Kontrahierungszwang nehmen, da der Anbieter in jedem Fall die Gefahr der Freisetzung abwenden möchte, die sich wiederum als Ergebnis der Konkurrenzstrategien der Nachfrager aufdrängt. Nach Offe und Hinrichs stehen der Anbieterseite selbst keine Möglichkeiten zur restriktiven Mengenpolitik zur Verfügung. Diese, falls überhaupt, können nur teilweise in Form von z. B. Tarifbestimmungen und Arbeitsstreiks mit Hilfe von Gewerkschaften auf der Grundlage staatlicher Schutzmaßnahmen und sozialpolitischen Regelungen angewendet werden (vgl. ebd.: 10f.). Das Zurückhalten des Angebots ist demnach nur zeitlich begrenzt ausführbar. Weiter wirkt auf der Angebotsseite eine Verminderung von Arbeitsvolumen und qualität via Rationalisierung der Produktionsverfahren überdimensional verstärkend auf die Höhe der Konkurrenzintensität unter den Anbietern. Eine analoge Reproduktionstechnologie auf Anbieterseite existiert nicht, die Senkung des Lohns würde nur zur Mehrarbeit in Stunden führen (vgl. ebd.: 13). Diese ungleiche Strategieverteilung komprimiert das Machtgefälle zusätzlich und es wird noch deutlicher, dass „die Arbeitskraft stärker vom Kapital, als das Kapital von der Arbeitskraft abhängig ist“ (ebd.: 14). Die „negativen Auswirkungen [des systematischen Machtungleichgewichts können], wenn überhaupt, dann nur durch den Einsatz marktexterner politischer Machtmittel neutralisiert werden […]“ (ebd.: 17). Darunter verstehen die Autoren staatliche Eingriffe innerhalb des sozialpolitischen Versorgungssystems, z. B. Schulpflicht oder Umzugsbeihilfen, um das entstehende Überangebot und die Intensität der untereinander vorherrschenden Konkurrenz zu mindern (vgl. ebd.: 17). Offe und Hinrichs konstatieren, dass eine bestimmte Gruppe von Arbeitnehmern, sie bezeichnen sie als Problemgruppe, besonders häufig Arbeitsmarkt und im besonderen Beschäftigungsrisiken ausgesetzt sind. Bei den Mitgliedern ist ein typischer Zusammenhang zwischen einer benachteiligten Arbeitsmarktlage, einem geringen marktstrategischen Verteidigungs und Widerstandspotenzial sowie askriptiven Status und Funktionszuschreibungen erkennbar (vgl. ebd.: 34). Insbesondere Frauen, Jugendliche, ältere Arbeitnehmer Behinderte und Ausländer sind nicht nur von Arbeitslosigkeit, sondern auch von prekären Beschäftigungsverhältnissen wie z. B. minderwertigen und unattraktiven Arbeitsplätzen, geringem Lohn, hohe Arbeitsintensität betroffen (vgl. ebd.: 34).

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Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Eine multidisziplinäre Einführung in die Arbeit. Kapitalismus, Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit
Hochschule
Hochschule Koblenz (ehem. FH Koblenz)
Note
1,4
Autor
Jahr
2018
Seiten
19
Katalognummer
V421567
ISBN (eBook)
9783668690516
ISBN (Buch)
9783668690523
Dateigröße
541 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kapitalismus, Arbeitsmarkt, Arbeitslosigkeit, Vollbeschäftigung, psychosoziale Folgen
Arbeit zitieren
Sina Eichler (Autor:in), 2018, Eine multidisziplinäre Einführung in die Arbeit. Kapitalismus, Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/421567

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