Der Weg in den 1. Weltkrieg


Hausarbeit, 2001

16 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


1. Wenn man die deutsche Politik bzw. die deutsche Außenpolitik des 20. Jahrhunderts betrachtet, fällt zunächst die deutliche Zäsur des Jahres 1945 ins Auge, die einen grundlegenden Wandel zu Rechtsstaatlichkeit und Marktwirtschaft auf der einen und zum Sozialismus und der Planwirtschaft auf der anderen Seite[1], bewirkte, wie sich dies in den Staatengründungen 1949 auch manifestierte und über 40 Jahre Bestand hatte. Richtet man seinen Blick nun auf die erste des durch die Zäsur in zwei Hälften geteilten Jahrhunderts, ist diese in erster Linie durch zwei grausame Weltkriege geprägt, deren Vorgeschichten und Nachwirkungen ebenfalls von großem Ausmaß waren. So unterschiedlich die Kriege auch waren, hier ist aufgrund der Rolle des Nationalsozialismus und der Doktrin seines Führers Adolf Hitler im Bezug auf den Zweiten Weltkrieg sicherlich Vorsicht vor Verallgemeinerungen geboten, sind die negativen Auswirkungen des Versailler Vertrages, also des Friedensvertrages des Ersten Weltkrieges, auf das politische Klima und die Chancen der jungen Demokratie der Weimarer Republik, die damit bereits ein Teil zur Machtergreifung 1933 beitrugen, unumstritten.

Doch nicht nur im Anbetracht ihrer Folgen wird deutlich, dass die Außenpolitik im Vorfeld des Ersten Weltkrieges ein zentrales Kapitel der deutschen Außenpolitik des 20. Jahrhunderts darstellt. Sie zeigt eindeutig, dass Deutschland als ein wichtiger Teil der „Schicksalsgemeinschaft“ (v.Bismarck) Europa nicht in der Lage war, zu einem friedlichen Zusammenleben der verschiedenen Nationalstaaten beizutragen. Stattdessen griff erstmalig das legitime Kind Europas, die Vereinigten Staaten von Amerika in die Belange der alten Welt ein, die Idee eines weltumfassenden Paktes für den Frieden namens Völkerbund im Gepäck – ein wirklich säkularer Einschnitt. Tatsächlich entwickelte sich nach dem Ersten Weltkrieg die idealistische Schule innerhalb der Internationalen Beziehungen, die zur Sicherung des Friedens eine Verstärkung und Institutionalisierung von internationalen Kooperationen befürwortete, in erster Linie wohl in Form des Völkerbundes.

Die Erörterung der möglichen Gründe für eine solche Entwicklung erfordert das Stellen von Fragen.

Was waren die Hintergründe von bestimmten politischen Aktionen, wie waren diese motiviert, durch was wurden sie eventuell zusätzlich beeinflusst ?

War die Entwicklung, z.B. die deutsche Bündnisentwicklung zwangsläufig, bestanden Alternativen, die vielleicht eine anderes Ergebnis hätten bewirken können?

Gab es in Deutschland oder auch in ganz Europa Friedensbemühungen, in welcher Form? Hatten diese eine wirklich Chance, der allgemeinen Kriegseuphorie entgegenzuwirken?

All dies sind Fragen, die ich im Folgenden behandeln werde.

2. Betrachtet man die deutsche Außenpolitik zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die in den Ersten Weltkrieg führte oder ihn zumindest nicht verhindern konnte, ist es unabkömmlich die Grundzüge der Weltpolitik zu kennen, wie sie sich um den Jahrhundertwechsel darstellten. Natürlich gehen die Ursachen und Gründe politischen Handelns nicht nur Jahrzehnte, sondern oft noch länger zurück und die Geschichte des eigenen Volkes ist ein oft bedeutender Teil eines multikausalen Ursachengeflechts, das jegliches Handeln bestimmt, doch für die Zeit der Regentschaft von Kaiser Wilhelm II., die 1888 begann[2], waren vor allem die vorangegangenen 30 Jahre von wegweisendem Charakter. Als Protagonist der deutschen Politik dieser Jahre lässt sich ohne Zweifel ein Mann bezeichnen, der zunächst als preußischer Ministerpräsident dann fast 20 Jahre als deutscher Reichskanzler nicht nur aufgrund seiner körperlichen Erscheinung einen bleibenden Eindruck hinterließ, Otto von Bismarck[3].

Nach der Tätigkeit als Abgeordneter in der Frankfurter Paulskirche sowie als Botschafter in St. Petersburg und Paris von König Wilhelm I. 1862 zum preußischen Ministerpräsidenten ernannt, strebte Bismarck als oberstes Ziel einen einheitlichen deutschen Staat unter der Führung Preußens und ohne Österreich an. Zusammen mit dem König, der ihm aber in zunehmendem Maße in der Außenpolitik freie Hand gewährte, kam er diesem Ziel mit dem deutschen Krieg zwischen Preußen und Österreich von 1866, der in der Schlacht von Königgrätz zugunsten Preußens entschieden wurde, einen entscheidenden Schritt näher[4]. Tatsächlich wurde mit diesem Krieg Österreich aus der deutschen Frage ausgeschlossen und dadurch sämtlichen großdeutschen Vorstellungen leider nicht für immer eine Absage erteilt.

Vollendet wurde das Deutsche Reich im deutsch-französischen Krieg von 1870/1871, an dessen Ende König Wilhelm I. von Preußen im Spiegelsaal von Versaille am 18.Januar 1871 zum Kaiser Wilhelm I. von Deutschland gekrönt wurde[5].

Bismarck war sich dieser Entstehungsgeschichte des Reiches stets bewusst, und spätestens nach der durch bedrohlich starkes Aufrüsten der Franzosen herbeigeführten sog. Krieg-in-Sicht-Krise 1875, bei der nicht nur Frankreich die gerade errichteten Reichsgrenzen bedrohte, sondern auch England und Russland deutlich machten, dass sie eine weitere Ausdehnung Deutschlands auf keinen Fall dulden würden[6], war Bismarcks Außenpolitik zuallererst eine Friedens- und Sicherheitspolitik. Ihm ging es um die Konsolidierung des „saturierten“ Reiches in der Mitte Europas und um die Bewahrung des nach 1871 bestehenden Status quo. Die Grundsätze seiner Außenpolitik hat der deutsche Reichskanzler in dem Kissinger Diktat von 1877 dargelegt: „Das Bild, welches mir vorschwebt: nicht das irgendeines Ländererwerbs, sondern das einer politischen Gesamtsituation, in welcher alle Mächte außer Frankreich[7] unserer bedürfen und von Koalitionen gegen uns durch ihre Beziehungen zueinander nach Möglichkeit abgehalten werden.“ Aufgrund Deutschlands geopolitischer Lage und der Erfahrung von 1875, als sowohl England, als auch Russland den Friedensbeteuerungen Bismarcks misstrauten, bemühte sich dieser in den folgenden Jahren das Vertrauen der anderen Mächte zu gewinnen, um den ihm stets gegenwärtigen Alptraum vom Zwei-Frontenkrieg zu verhindern.

Wie schwierig, vielleicht sogar unlösbar, Bismarcks Vorhaben war, zeigte sich bereits 1878 auf dem Balkan. Die expansive Machtpolitik der Russen gegenüber dem zerfallenden Osmanischen Reich, die sich bis vor die Tore von Konstantinopel erstreckte, bedrohte nicht nur den natürlichen Rivalen der Russen auf dem Balkan Ungarn-Österreich, sondern auch die englischen Interessen im Mittelmeer. Dieser Krise wurde versucht auf dem Berliner Kongress beizukommen und Bismarck als selbst ernannter „ehrlicher Makler“ spielte die Hauptrolle.

[...]


[1] Selbstverständlich war 1945 die folgende Entwicklung zu zwei deutschen Staaten nicht so deutlich abzusehen, im Verlauf der folgenden vier Jahre zeichnete sich diese Richtung jedoch mehr und mehr ab.

[2] Das Jahr 1888 ging als Dreikaiserjahr in die Geschichte ein. Nach dem Tode Wilhelm I. am 9. März, übernahm dessen Sohn Friedrich III. den Thron, verstarb aber bereits 99 Tage später am 15. Juni an Kehlkopfkrebs. Sein Sohn Wilhelm II. wurde nächster deutscher Kaiser, er sollte der letzte sein.

[3] Otto Eduard Leopold von Bismarck wurde am 1. April 1815 in Schönhausen geboren und verstarb am 30. Juli 1898 in Friedrichsruh.

[4] Nach dem erfolgreichen Krieg pochte König Wilhelm auf einen glanzvollen Siegeseinmarsch in Wien, doch Bismarcks Auffassung, dass auf so eine kränkende Behandlung des Unterlegenen aufgrund zukünftiger Konflikte verzichtet werden sollte, setzte sich durch und zeigt die sich anbahnenden wirklichen Machtverhältnisse.

[5] Diesmal ließ sich Bismarck im Siegesrausch mit der Annexion von Elsaß-Lothringen zu einer folgenschweren Tat verleiten, die er später bereute. Die wohl aus militärischen Gründen getroffene Entscheidung legte dem Deutschen Reich die Erbfeindschaft mit Frankreich förmlich in die Wiege.

[6] Hier zeichneten sich erstmals die späteren Koalitionen aus dem Ersten Weltkrieg ab. Sebastian Haffner spricht gar von dem „Vorschatten des Krieges“ (S.Haffner, Von Bismarck zu Hitler, S.64, 1989, Knaur Verlag, München).

[7] 1860 hatte Bismarck noch in einem Brief geschrieben, er müsse sich die Möglichkeit eines Zusammengehens auch mit Frankreich trotz aller Bedenken offen halten, „weil man nicht Schach spielen kann, wenn einem 16 Felder von 64 von Hause aus verboten sind“. 1877 nahm er diese Einschränkung als unvermeidlich hin.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Der Weg in den 1. Weltkrieg
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Institut für Politische Wissenschaft)
Veranstaltung
Deutsche Außenpolitik vor 1945
Note
1,7
Autor
Jahr
2001
Seiten
16
Katalognummer
V42115
ISBN (eBook)
9783638402255
ISBN (Buch)
9783638790796
Dateigröße
457 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Aus der Perspektive der deutschen Außenpolitik wird die Entwicklung von dem Bündnissystem Bismarcks zum 1.Weltkrieg analysiert und interpretiert.
Schlagworte
Weltkrieg, Deutsche, Außenpolitik
Arbeit zitieren
David Christoph Lerch (Autor:in), 2001, Der Weg in den 1. Weltkrieg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/42115

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