Die aristotelische Klugheit


Zwischenprüfungsarbeit, 2004

17 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die aristotelische Tugendlehre
2.1. Die dianoethischen Tugenden
2.2. Die Klugheit
2.3. Die Klugheit in Abgrenzung zu den anderen Wahrheitsvermögen der Seele
2.4. Die veränderte Betrachtung & Gewichtung der Klugheit in der Geschichte seit Aristoteles

3. Schlussbetrachtung

4. Literaturverzeichnis

Die aristotelische Klugheit

1. Einleitung

Man kann nicht im eigentlichen Sinne tugendhaft

sein ohne Klugheit, noch klug ohne sittliche Tugend.

Aristoteles[1]

Die Klugheit gilt als die zentrale Tugend im Werk des Aristoteles, da „keine Handlung, keine Tugend - jedenfalls keine handelnde Tugend - [...] ohne sie [auskäme].“[2]. Was die Klugheit zu einer solch entscheidenden Tugend macht, soll im Verlauf der vorliegenden Arbeit dargestellt werden. Dazu werde ich zu Beginn meiner Arbeit genauer auf die allgemeine Tugendlehre des Aristoteles eingehen, um sein Modell der ethischen und dianoethischen Tugenden zu erklären. Auf letztere werde ich mich dann im ersten Unterpunkt meiner Arbeit genauer konzentrieren, um dann speziell auf die Tugend der Klugheit eingehen zu können, um zu klären, ob sie wirklich so wichtig für das Aristotelische Modell der Tugendlehre ist, wie das oben angegebene Zitat vermuten lassen möchte. Um die Klugheit dann differenzierter beleuchten zu können, werde ich danach alle von Aristoteles genannten Wahrheitsvermögen der Seele unter dem Aspekt ihrer Ähnlichkeiten mit dieser Tugend betrachten.

Abschließend werde ich erläutern, inwieweit sich der aristotelische Begriff der Klugheit seit der Antike bis heute verändert hat und welche Rolle dieser Begriff in der aktuellen Ethikdiskussion spielt. Dabei werde ich versuchen, anhand von einigen historischen Beispielen den Wandel der Bedeutung dieser Tugend darzulegen.

2. Die aristotelische Tugendlehre

„[Aristoteles war ] der erste Philosoph, der die Domäne der Ethik als eigenständige Disziplin betrachtete“, und sie entgegen seinen Vorgängern, namentlich Platon, als praktische Philosophie verstanden wissen wollte.[3]

Dabei wird in der Nikomachischen Ethik besonders deutlich, daß Aristoteles seine Umgebung genauestens studiert haben muß, denn „er definiert die Tugend, teilt ein, beschreibt sie im einzelnen mit einem erstaunlichen Blick für die vielgestaltigsten Details und zeigt praktische Wege, die zur Tugend führen.“[4] Doch was ist mit dem Begriff der Tugend gemeint? Was heißt, man muß tugendgemäß handeln, um glücklich zu werden?

Tugend ist für Aristoteles „ein Verhalten der Entscheidung, begründet in der Mitte im Bezug auf uns, einer Mitte, die durch Vernunft bestimmt wird und danach, wie sie der Verständige bestimmen würde.“[5] Kurz: „Tugend ist das naturgerechte Handeln des Menschen in seiner Vollkommenheit.“[6]

Dabei unterscheidet Aristoteles zwei Arten von Tugenden. Zum einen die ethischen Tugenden, die wir zwar von Natur aus als Vermögen besitzen, welche wir aber erst durch Gewöhnung vollenden bzw. verwirklichen können.[7] Als Beispiel beschreibt Aristoteles hier die Arbeit des Baumeisters, der erst durch das Bauen sein Handwerk lernt; und je nachdem, ob er dabei seiner Arbeit gut oder schlecht nachkommt, wird er zum guten oder schlechten Baumeister. Und so verhält es sich auch mit den Tugenden: Der Mensch kommt nicht mit der Ausprägung „gerecht“ oder „ungerecht“ auf die Welt, sein wiederholtes Verhalten im kommerziellen Verkehr machen ihn entweder zum einen oder zum anderen.[8]

Ein weiteres Charakteristikum dieser Tugenden ist das Prinzip der Mitte, daher auch ihr Name „Mesotoslehre“[9]. Sie besagt, daß Tugenden immer die Mitte zwischen zwei Extremen bilden. Dazu heißt es bei Aristoteles: ..die Tugend [ ist ] hinsichtlich ihres Wesens und ihres Was - Seins eine Mitte, nach der Vorzüglichkeit und Vollkommenheit aber das Höchste.“[10]

Als Beispiel sei hier der Mut als Mitte gewählt, der zwischen den Extremen der Feigheit - dem zuwenig - und der Tollkühnheit - dem zuviel - steht.

Anderer Natur sind die dianoethischen Tugenden, auf die ich im nächsten Unterpunkt genauer eingehen werde.

Ziel beider Tugenden ist das höchste Glück des Menschen, das Aristoteles in der Glückseligkeit gesehen hat, und das der Mensch nur durch tugendhaftes Handeln erreichen kann. Daher ist seine Tugendlehre bzw. seine Ethik auch als praktische Ethik bekannt geworden, deren Zweck das (gute) Handeln ist.

2.1. Die dianoethischen Tugenden

Entgegen den ethischen bzw. sittlichen Tugenden, die sich mit den Leidenschaften und Handlungen befassen[11], lassen sich die dianoethischen Tugenden am Besten mit „Verstandestugenden“ übersetzen. Diese behandelt Aristoteles erst im sechsten Buch der Nikomachischen Ethik. Dazu schreibt er, „[d]a wir früher gesagt haben, man müsse die Mitte wählen, nicht das Übermaß und den Mangel, und da die Mitte durch die rechte Vernunft bestimmt wird, so wollen wir dieses jetzt näher erklären.“[12] Um dies zu erläutern, verweist er auf die Zweiteilung der Tugenden der Seele am Anfang des Buches Buch I. Kap. 13 in sittliche und dianoethische Tugenden[13] und teilt letztere wiederum in zwei Teile. Der eine Teil ist der epistemonische bzw. wissende Teil, der andere der logistische bzw. folgernde.[14] Mit dem einen betrachten „wir jene Wesen [..] deren Ursprünge nicht so oder anders sein können“[15], also zum Beispiel die Mathematik oder die Naturwissenschaften, welche Aristoteles der theoretischen Vernunft zuordnet. Mit dem anderen, dem praktischem Teil der Vernunft betrachten wir „jene [Dinge],die sich so oder anders verhalten können“[16], also das Handeln.

Nach dieser Aufteilung der beiden dianoethischen Selenteile heißt es am Ende des zweiten Kapitels jedoch, daß „Leistung beider vernünftigen Teile die Wahrheitserkenntnis ist“[17]. Um die Verknüpfung beider Teile möglich zu machen, führt Aristoteles den Begriff des Willens ein, der die Vernunft bzw. das Denken des theoretischen mit dem Streben bzw. Begehren des praktischen (dianoethischen) Seelenteils verbindet. „[U]nd so ist denn die Willenswahl entweder begehrendes Denken oder denkendes Begehren, und das Prinzip, in dem sich beides, Denken und Begehren, verbunden findet, ist der Mensch.“[18] Somit macht Aristoteles auch deutlich, daß die Tugend bzw. das tugendhafte Handeln, das ja zur Glückseligkeit führen soll, etwas ist, das nur vom Menschen ausgeführt werden kann. Denn, wie bereits erläutert, ist die Tugend ein „Habitus des Wählens, der die nach uns bemessene Mitte hält und durch die Vernunft bestimmt wird, und zwar so, wie ein kluger Mann ihn zu bestimmen pflegt“[19], und die Vernunft ist nur dem Menschen eigen.

[...]


[1] Vgl. Aristoteles: Nikomachische Ethik, übers. Eugen Rolfes, Hamburg 1985, VI., 13, S.149, 1144b31

[2] Comte-Sponville,Andrè: Ermutigung zum unzeitgemäßen Leben, Ein kleines Brevier der Tugenden und Werte, 2. Aufl., Reinbek bei Hamburg 2001, S.47

[3] vgl. Graeser, Andreas: Geschichte der Philosophie, Bd. II., 2. überarb. und erw. Aufl., München 1993, S.243

[4] Hirschberger, Johannes: Geschichte der Philosophie, Bd. I., 12. überarb. Aufl., Freiburg im Breisgau 1980, S.232

[5] Aristoteles: Nikomachische Ethik, übers. Olof Gigon, München 2002, II., 6, S.141, 1106b36ff

[6] Hirschberger, J.: G.d.P., S. 232

[7] vgl. Aristoteles: N. E., Rolfes, II., 1, S.26 , 1103a25

[8] vgl. Aristoteles: N. E., Rolfes, II., 1, S.26 , 1103b15

[9] Höffe, Otfried: Aristoteles, Die Nikomachische Ethik, München 1995, S. 310

[10] Aristoteles: N. E., Gigon, II., 6, S. 141, 1107a6

[11] vgl. Aristoteles: N. E., Gigon, II., 5, S. 140, 1106b17

[12] Aristoteles: N. E., Rolfes, VI., 1, S.130, 1138b19ff

[13] vgl. Aristoteles: N. E., Rolfes, I.,13, S.25, 1103a4ff

[14] vgl. Aristoteles: N. E., Rolfes,VI., 2, S. 131, 1139a13f

[15] Aristoteles: N. E., Gigon, VI., 2, S. 232, 1139a6

[16] Aristoteles: N. E., Gigon, VI., 2, S. 232, 1139a7

[17] Aristoteles: N. E., Rolfes, VI., 2, S. 133, 1139b12f

[18] Aristoteles: N. E., Rolfes, VI., 2, S. 132, 1139b6f

[19] Aristoteles: N. E., Rolfes, II., 6, S. 36, 1107a1ff

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Details

Titel
Die aristotelische Klugheit
Hochschule
Universität Münster  (Philosophisches Seminar)
Note
1,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
17
Katalognummer
V42013
ISBN (eBook)
9783638401470
Dateigröße
483 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Klugheit
Arbeit zitieren
Aline Wisniewski (Autor:in), 2004, Die aristotelische Klugheit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/42013

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