Die Situation berufstätiger alleinerziehender Mütter aus Perspektive des Capability Approach


Hausarbeit (Hauptseminar), 2017

22 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Soziale Probleme
2.1 Definitionen

3. Pluralisierung und Individualisierung von Familienformen

4. Die Lebenslage Alleinerziehender berufstätiger Mütter
4.1 Zwischen Erwerbstätigkeit, Kindererziehung und Haushalt
4.2 Analyse des Armutsrisiko
4.3 Ausgrenzung und Stigmatisierung

5. Der Capability Approach
5.1 John Rawls Theorie der Gerechtigkeit
5.1.1 Sens Kritik an Rawls Ansatz
5.2 Der Capability Approach nach Amartya Sen
5.3 Der Capability Approach nach Martha Nussbaum
5.4 Kritik an den Ansätzen

6. Relevanz des Capabilitiy-Ansatzes für berufstätige alleinerziehende Mütter
6.1 Prozess der Neuorganisation
6.2 Soziale Unterstützung
6.3 Persönlichkeitsentfaltung der Frauen
6.4 Zukunftsperspektiven von berufstätigen alleinerziehenden Mütter

7. Fazit

1. Einleitung

Die Zahl der Alleinerziehenden Müttern und Väter steigt von Jahr zu Jahr an. Mittlerweile ist jede fünfte Familie in der Bundesrepublik Deutschland alleinerziehend. Die Lebenslage von alleinerziehenden berufstätigen Müttern stellt eine besonders kritische Lage dar, die im Folgenden dargelegt werden soll. Im Anschluss wird der Capability-Approach von Amartya Sen und Martha Nussbaum erläutert und überprüft, inwiefern berufstätige alleinerziehende Müttern durch Handlungsbefähigung, ein selbstbestimmtes und menschenwürdiges Leben führen können.

2. Soziale Probleme

Die Thematik der sozialen Probleme wurde im vielfachen Ausmaß aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven analysiert und diskutiert. Soziale Probleme sind, neben anderen wissenschaftlichen Disziplinen, auch Gegenstand der Sozialen Arbeit. Soziale Arbeit versteht sich als „praxisorientierte Profession“, die „gesellschaftliche Veränderungen, soziale Entwicklungen und den sozialen Zusammenhalt, sowie Stärkung der Autonomie und Selbstbestimmung von Menschen“ fördert (Deutscher Berufsverband der Sozialen Arbeit e.V., 2017).

2.1 Definitionen

Um soziale Probleme erstmal allgemein zu halten, kann man sagen, dass sie eine Abweichung zwischen einem Ist und einem Soll-Zustand darstellen, der von einem Kollektiv wahrgenommen wurde, und durch lösungsorientierte Maßnahmen reduziert oder gar aufgehoben werden soll.

Soziale Probleme kennzeichnen sich, wie sich im Vergleich mehrerer Definitionen herausgestellt, durch einen besonderen Aspekt des Schadens. Die Betroffenen leiden unter dem sozialen Problem (Groenemeyer, 2012, S.28). Sie sondern sich jedoch von einem individuellen Problem dadurch ab, dass das Problem das kollektiv betrifft und eine politische oder gesellschaftliche Veränderung angestrebt wird (Groenemeyer, 2017, S.797).

In der Definition von Case (1924) wird dargestellt, wie bedeutungsvoll die öffentliche Thematisierung und Problematisierung ist. Soziale Probleme sollen angegangen werden, indem Lösungen zur Veränderung der Situation ermittelt werden (Groenemeyer, 2012, S.29).

Groenemeyer interpretiert soziale Probleme ebenfalls als politisch veränderbar, da sie Störungen der sozialen Ordnung sind (Groenemeyer, 2017, 797). Silvia Staub-Bernasconi legt soziale Probleme aus der individuumzentrierten Sicht dar und sieht sie als Probleme an, in denen sich das Individuum nicht selbstverwirklicht und selbstbehindert. Sie beschreibt diese als „Selbstmanagement- und vermarktungsprobleme von Individuen“ (Staub- Bernasoni, 2011, S.271).

Ebenfalls sieht sie soziale Probleme als Versagen von Sozialisation an, da soziale Normen oder Pflichten gegenüber den Gemeinschaft nicht erfüllt werden. Dies kann gar ein Ausschluss aus sozialen Systemen bedeuten.

Staub-Bernasconi betrachtet das Individuum als abhängig seiner gesellschaftlichen Position. Soziale Probleme sind demnach auch Probleme, die in Verbindung mit sozialen Systemen und Sozialstrukturen zusammenhängen (Staub-Bernasconi, 2011, S.271f).

Durch diese Abhängigkeit entstehen individuelle Nöte wie zum Beispiel: geringe sozioökonomischen Ausstattung, fehlende Fähigkeiten zu handeln, soziale Isolation, fehlende Ressourcen bzw. dessen unfaire Verteilung. Im Gegensatz zu Groenemeyer vertritt Staub-Bernasconi die Position, dass man nicht davon ausgehen kann, dass Menschen oder Gruppen ihre Probleme äußern, da sie ihre Probleme als Schicksal ansehen könnten und somit verstummen (Staub-Bernasconi, 2011, S.272).

Soziale Probleme werden zudem vom Kollektiv (z.B. soziale Bewegungen, Medien, Interessengruppen) sozial konstruiert. Manche sozialen Probleme werden erst als Problem angesehen, indem sie aktiv hergestellt werden (Groenemeyer, 2017, S.797).

So ist die Alleinerziehung von Kinder einer berufstätigen Frau kein soziales Problem. Doch das damit einhergehende Armutsrisiko trotz Erwerbsarbeit, und die Stigmatisierung als Rabenmutter, setzt Alleinerziehende Mütter stark unter Druck (Lenze und Funcke, 2016, S.9).

Im Folgenden soll auf den sozialen Wandel in Bezug auf die Familienformen eingegangen werden und die daraus folgende Lebenslage von berufstätigen alleinerziehenden Müttern dargestellt werden.

3. Pluralisierung und Individualisierung von Familienformen

Zeitliche Veränderungen haben gezeigt, dass das Leitbild der bürgerlichen modernen Familie sich wandelt. Die lebenslange Ehe, die geschlechtsspezifische Rollenverteilung, in der der Mann als Haupternährer und die Frau für den Haushalt und die Erziehung der Kinder zuständig ist, wird durch alternative Lebensformen ersetzt (Peuckert, 2005, S.29f).

In den Jahren 1972 bis 2000 haben Haushalte von Alleinerziehenden mit ledigen Kindern ohne Lebenspartner im Haushalt um 35% zugenommen (Peuckert, 2005, S.32).

Die Institutionen, wie beispielsweise die Ehe, die Partnerschaft, das Muttersein oder das Vatersein, wird mit einem Paket verglichen, dass die letzten Jahre aufgeschnürt wurde. Die einzelnen Elemente sind zugänglich und sind je nach Umständen oder Prinzip in verschiedenen Varianten kombinierbar (Peuckert nach Tyrells, 2005, S.40). Mit dieser sogenannten Destandardisierung, gehen zwar Verhaltensunsicherheiten einher, aber auch Wahlmöglichkeiten des Lebensstils aufgrund der Unabhängigkeit und Freiheit (Peuckert, 2005, S.41).

Ob alleinerziehende Frauen Opfer oder Täter dieses Prozesses ist, wird umstritten. Sicher ist jedoch, dass für die meisten Frauen das Alleinerziehen ihrer Kinder kein bewusster Lebensentwurf ist. In der Forschung wurde lange eine pathologische Sicht auf einzelne Mitglieder von Ein-Eltern Familien vertreten. Allmählich werden Ein-Eltern Familien als eine Lebensform anerkannt, die zwar wie jede andere Familie Belastungen ausweist, aber keine isolierte Problemgruppe darstellen sollen (Heiliger, 1993, S.31).

4. Die Lebenslage Alleinerziehender berufstätiger Mütter

In der Bundesrepublik Deutschland leben 1,64 Millionen Alleinerziehende mit 2,3 Millionen minderjährigen Kindern. Davon sind 89% weiblich, weshalb sich die vorliegende Hausarbeit mit Alleinerziehenden Müttern beschäftigt (Lenze und Funcke, 2016, S.14).

78. der alleinerziehenden Mütter verfügen über einen mittleren bis hohen Bildungsabschluss.

Alleinerziehende Mütter sind in ähnlichem Maße erwerbstätig wie verheiratete Mütter oder Frauen, die in nichtehelichen Lebensgemeinschaften wohnen. 60,8% der alleinerziehenden Frauen gehen einer Erwerbstätigkeit nach, wobei wichtig zu beachten ist, dass je jünger das Kind ist, desto seltener sind Alleinerziehende erwerbstätig.

Oftmals sind Alleinerziehende teilzeitbeschäftigt. Während 1996 noch von 60,7% erwerbstätigen alleinerziehenden Müttern 38,7% teilzeitbeschäftigt waren (Vollzeit 61,1%) , ist die Zahl im Jahr 2013 bei 60,8% erwerbstätigen alleinerziehenden Müttern auf 58,0% angestiegen (Vollzeit: 42,0%) (Lenze und Funcke, 2016, S.16f).

4.1 Zwischen Erwerbstätigkeit, Kindererziehung und Haushalt

Alleinerziehende Mütter, ob sie selbstgewählt oder unfreiwillig auf eine Partnerschaft oder eine Ehe verzichten, tragen die alleinige Verantwortung für das ganzheitliche Wohl ihrer Kinder. Zudem haben sie ihre Lebensgrundlage durch ihre Arbeit zu sichern (Enders-Dragässer und Sellach, 2002, S.34). Alleinerziehende zeichnen sich im Gegensatz zu Familien mit zwei Eltern durch ihre sozio-ökonomische deprivierte soziale Lage aus.

Trotz Erwerbstätigkeit reicht das Einkommen für Alleinerziehende Mütter oft nicht für die anfallenden Kosten aus. Von 614.500 erwerbsfähigen alleinerziehenden Eltern, die SGB II beziehen, waren im Jahr 2014 35% davon erwerbstätig, also waren auf die Aufstockung ihres Einkommens angewiesen (Lenze und Funcke, 2016, S.27).

Die Eingliederung in Arbeit, um Alleinerziehende langfristig zu vermitteln, läuft nur sehr unbefriedigend für die Mütter.

Zwar wird rein rechtlich gemäß §10 Abs.1 Nr.3 SGB II Alleinerziehenden keine Arbeit zugemutet, wenn sie ein Kind unter drei Jahren erziehen. Sobald dass Kind aber drei wird, wird von Alleinerziehenden eine Erwerbstätigkeit in Vollzeit erwartet. Eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zeigt jedoch, dass Alleinerziehende Frauen, die Arbeitslosengeld II erhalten, häufig in Ein-Euro-Jobs vermittelt werden (Lenze und Funcke, 2016, S.28).

So ist es für Alleinerziehende schwierig ein existenzsicherndes Einkommen zu erzielen. Zudem können Alleinerziehende Mütter dem Arbeitsmarkt nicht in gleichem Maße verfügbar sein, wie Alleinstehende. Außerdem herrscht ein Mangel an flexiblen und qualitativ hochwertigen Betreuungsmöglichkeiten, der es berufstätige alleinerziehenden Müttern zusätzlich verkompliziert, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen (Lenze und Funcke, 2016, S.30).

Erwerbstätige alleinerziehende Frauen sind im Vergleich zu erwerbstätigen Müttern, die in einer Ehe oder in einer Lebensgemeinschaft leben, täglich und wöchentlich länger erwerbstätig. Sie benötigen mehr Arbeitszeit um für den Familienunterhalt aufzukommen und sind stärker auf Ganztagsbetreuung angewiesen.

Aufgrund infrastrukturellen Mängel scheitern die Erwerbs- und Bildungswünsche von alleinerziehenden Frauen. Fast die Hälfte der Alleinerziehenden beschreibt die Betreuungssituation ihres Kindes als voll unzureichend bzw. nicht ausreichend (Enders-Dragässer und Sellach, 2002, S.37).

Der Erwerb eines Einkommens und einer erforderlichen Kinderbetreuung hängen jedoch eng zusammen, und steht in wechselseitiger Abhängigkeit voneinander. (Enders-Dragässer und Sellach, 2002, S.38).

Der Beruf erfordert oftmals ganzen Einsatz der Person, wobei zu Hause der Ort ist, an dem man sich regeneriert. Diese Möglichkeit besteht aber nicht für alleinerziehende berufstätige Mütter, da sie für den häuslichen Bereich, sowie das Erwerbs eines Einkommens, sowie für die Kindeserziehung verantwortlich ist. Viele Frauen versuchen diesem Dilemma durch Teilzeitbeschäftigung zu entgehen, für Alleinerziehende ist dies jedoch keine Option, die in Betracht gezogen werden kann, da ein Teilzeiteinkommen für den Haushalt in dem meisten Fällen nicht ausreichen würde (Nave-Herz, 2012, S.42).

4.2 Analyse des Armutsrisiko

Armut wird als eine fehlende oder mangelhafte Ausstattung an materiellen und finanziellen Ressourcen verstanden, womit unzureichende gesellschaftliche Teilhabe an gesellschaftlichen Institutionen einhergeht (Groenemeyer und Ratzka,

20.2. S.367).

Um das Armutsrisiko festzustellen gibt es unterschiedliche Methoden. Eine bekannte davon ist die Armutsgefährungsquote. Sie gibt an, wie hoch der Anteil der armutsgefährdeten Personen an einer Gesamtgruppe ist. Armutsgefährdet gilt man, wenn man weniger als 60% des mittleren Einkommens dieser Gesamtgruppe zur Verfügung hat (Bundeszentrale für politische Bildung, 2016). Im Jahr 2014 betrug das Einkommensarmutsrisiko von Alleinerziehenden in Deutschland 41,9%, während Paare mit einem Kind ein Armutsrisiko von 9,6% aufweisen, bei Paaren mit zwei Kinder lag es bei 10,6% und bei Paaren mit drei oder mehreren Kindern bei 24,6%.

Von den 1,92 Millionen Kinder unter 18 Jahre , die in Deutschland leben und die Leistungen aus dem zweiten Sozialgesetzbuch beziehen, wohnt etwa die Hälfte in Alleinerziehenden Haushalten. Kinderarmut lässt damit zur Hälfte auf das Armutsrisiko von Alleinerziehenden zurückführen. Auch in der geographischen Standort kann man keine Unterschiede feststellen, Alleinerziehende, ganz gleich wo sie in Deutschland wohnen, sind in höchstem Maße armutsgefährdet (Lenze und Funcke, 2016, S.18).

Besonders von Armut betroffene sind ledige, getrennte und geschiedene Alleinerziehende (Peuckert, 2005, S.208).

Alleinerziehenden, deren Mann gestorben ist, geht es aufgrund der Waisenrente im Vergleich zu anderen Alleinerziehenden, am Besten.

Das größte Risiko für Armut nach der Scheidung ist durch mangelnde Erwerbserfahrung zu erklären. Die Rollen der beiden Partner wird geschlechtstypisch, der Mann als Haupternährer, und die Frau als Nicht- oder Geringzuverdienerin, aufgeteilt. Diese Rollenverteilung führt nach der Trennung oder Scheidung zu den größten Problemen für die Frau (Peuckert, 2005, S.208). Eine zusätzliche finanzielle Quelle wäre eigentlich der zweite Elternteil. Jedoch geben von 1.233 Befragten Alleinerziehenden Mütter und Väter 44% an, keinen Unterhalt von dem ehemaligen Partner für das gemeinsame Kind zu erhalten. 70% berichteten von Schwierigkeiten mit der Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs (Lenze und Funcke, 2016, S.21).

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Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Die Situation berufstätiger alleinerziehender Mütter aus Perspektive des Capability Approach
Hochschule
Evangelische Fachhochschule Freiburg
Veranstaltung
Wissenschaft Soziale Arbeit II
Note
1,3
Autor
Jahr
2017
Seiten
22
Katalognummer
V419871
ISBN (eBook)
9783668684874
ISBN (Buch)
9783668684881
Dateigröße
539 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Berufstätige Mütter, Alleinerziehende Mütter, Capability Approach, Martha Nussbaum, Amartya Sen
Arbeit zitieren
Sarah Hrzibek (Autor:in), 2017, Die Situation berufstätiger alleinerziehender Mütter aus Perspektive des Capability Approach, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/419871

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