Relationship Marketing und persönlicher Verkauf


Diplomarbeit, 2004

82 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Aufbau der Arbeit

2 Grundlagen des persönlichen Verkaufs und des Relationship Marketing
2.1 Begriff und Gegenstand des Relationship Marketing
2.1.1 Begriffliche Darstellung des Relationship Marketing
2.1.2 Relationship Marketing als Neuorientierung des Marketing
2.1.3 Fokus des Relationship Marketing
2.1.4 Austauschtheorie als Erklärungsansatz zur Entstehung und Fortsetzung von Kundenbeziehungen
2.1.5 Kritische Würdigung der austauschtheoretischen Erklärung
2.2 Grundlagen und Besonderheiten des persönlichen Verkaufs
2.2.1 Begriff und Merkmale des persönlichen Verkaufs
2.2.2 Stellung des persönlichen Verkaufs im Marketing
2.2.3 Aufgaben des persönlichen Verkaufs
2.2.4 Interaktionstheoretischer Ansatz zur Erklärung der Entstehung einer Käufer – Verkäufer - Beziehung
2.2.3.1 Strukturelle Interaktionsansätze
2.2.3.2 Prozessuale Interaktionsansätze

3 Rolle des persönlichen Verkaufs im Relationship Marketing
3.1 Relationship Verkauf als Ausprägungsform des persönlichen Verkaufs im Relationship Marketing
3.1.1 Entwicklungsursachen des Relationship Verkaufs
3.1.2 Aufgaben des Relationship Verkäufers
3.1.2.1 Konfliktmanager
3.1.2.2 Vertrauensförderer
3.1.2.3 Teamplayer
3.1.3 Relevante Kundengruppen des Relationship Verkaufs
3.2 Konzeptualisierung des Relationship Verkaufs
3.2.1 Aufbau der Käufer-Verkäufer-Beziehung
3.2.2 Ausbau der Käufer-Verkäufer-Beziehung
3.2.3 Erhaltung einer Käufer-Verkäufer-Beziehung
3.3 Beziehungsqualität als Erfolgsdeterminante einer Käufer-Verkäufer-Beziehung
3.3.1 Elemente der Beziehungsqualität
3.3.2 Wechselbeziehungen der Elemente der Beziehungsqualität
3.4 Beziehungsnutzen als Erfolgsgröße einer Käufer-Verkäufer-Beziehung
3.4.1 Beziehungsnutzen des Kunden
3.4.2 Beziehungsnutzen des Anbieters
3.4.2.1 Kunde als Nutzenquelle des Anbieters
3.4.2.2 Verkäufer als Nutzenquelle des Anbieters

4 Schlussbetrachtung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Gegenüberstellung von Transaktionsmarketing und Relationship Marketing

Abbildung 2: Phasenbezogener Kundenbeziehungsverlauf

Abbildung 3: Elemente der Beziehungsqualität

Abbildung 4: Loyalitätsbasiertes Geschäftssystem (Quelle: Reichheld 1994, S. 14)

„The relationhsip between a seller and a buyer seldom ends when a sale is made.“ (Levitt 1985, S.87)

1 Einleitung

1.1 Problemstellung

Durch das Aufkommen des Relationship Marketing ist ein neuer Fokus der Marketingorientierung in den Vordergrund gerückt. Während in der Vergangenheit einzelne Transaktionen sowie die Gewinnung von Neukunden die Marketingkonzeptionen dominierten, wird heute die Bedeutung des Aufbaus und Pflege von Kundenbeziehungen für die Sicherung des langfristigen Unternehmenserfolges erkannt. Diese Umorientierung innerhalb des Marketings von der Transaktion hin zu einer Beziehung wurde hervorgerufen durch die gesättigten und stagnierenden Märkte, sowie ansteigenden Konkurrenzdruck (Sheth/Parvatiyar 1995 a). Ferner bieten die überragenden Qualitäts- oder Quantitätsvorteilen keine ausreichende Sicherung der Marktposition, da sie wegen dem ansteigenden technologischen Fortschritt von der Konkurrenz leicht imitiert werden können. Der starke Wettbewerbsdruck auf den Märkten hat zufolge, dass ein Anbieter seinen Marktanteil nur noch zu Lasten eines anderen Anbieters erweitern kann. Diese Situation zwingt die Unternehmen zur Entwicklung und Einsatz effektiverer Maßnahmen, um so den langfristigen Unternehmenserfolg sichern zu können. Einen neuen Weg, der aus dieser kritischen Situation herausführen könnte, stellt das Relationship Marketing Konzept dar und damit einhergehend rückt die Beziehungsorientierung zum Mittelpunkt der Betrachtung.

Durch eine Beziehung mit dem Anbieter empfängt der Kunde ein für diese Beziehung spezifisches Angebot. Dadurch kann er enger an das Unternehmen gebunden und werden und seine Resistenz gegenüber dem Angebot des Wettbewerbs steigt. Ferner stellt der Beziehungsnutzen eine einzigartige Größe dar, weil dieser Nutzen aus der bestimmten Käufer-Verkäufer-Konstellation resultiert (Reynolds/Beatty 1999 a). Eine langfristige Beziehung im Rahmen des Relationship Marketing ist wegen der langfristigen Kundenbindung zum Erfolgsfaktor avanciert. Dabei ist der Rahmen möglicher Relationship Marketing-Instrumente breit und umfasst unter anderem Kundenclubs, Loyalitätsprogramme, Beschwerdemanagement oder Nachkaufservice (Diller 1995, S.445), die zur Erreichung einer langfristigen Kundenbeziehung führen sollen.

In der gängigen Relationship Marketing-Literatur wird einstimmig hervorgehoben, dass zu den Schlüsselgrößen einer langfristig angelegten Kundenbeziehung das gegenseitige Vertrauen und Commitment zählen (Morgan/Hunt 1994). Die Herausbildung dieser Größen bedarf jedoch einer engen persönlichen Interaktion zwischen zwei Akteuren. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll aufgezeigt werden, dass der persönliche Verkauf eine hervorragende Möglichkeit zur Gestaltung von Kundenbeziehungen bietet. Denn im Gegensatz zu anderen Instrumenten des Relationship Marketing erfolgt hier der Kontakt überwiegend auf persönlicher Basis, wodurch die Käufer viel eher in eine Beziehung eingeschlossen werden können (Beatty et al. 1996). Ferner ist der Verpflichtungsgrad den der Käufer einem Verkäufer entgegenbringt weitaus höher als der Verpflichtungsgrad gegenüber einem Produkt (Liljander/Strandwik 1995). Deshalb geht die vorliegende Arbeit der Frage nach, wie günstig die Bedingungen des persönlichen Verkaufs für eine Kundenbeziehung sind.

1.2 Aufbau der Arbeit

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Relevanz des persönlichen Verkaufs im Relationship Marketing aufzuzeigen. In diesem Zusammenhang wird die Vorteilhaftigkeit des persönlichen Verkaufs im Hinblick auf die Gestaltung erfolgreicher Kundenbeziehungen dargelegt.

Um diese Relevanz sowohl theoretisch als auch anhand der Ergebnisse empirischer Untersuchungen zu begründen, bietet sich folgende Vorgehensweise an. Im Anschluss an Problemaufriss und Aufbau werden im zweiten Abschnitt die Grundlagen und Merkmale der zentralen Begriffe dargestellt. Zunächst erfolgt eine begrifflich-definitorische Darstellung des Begriffs Relationship Marketing und die Betrachtung von Kundenbeziehungen als zentraler Gegenstand des Relationship Marketing. Darauf aufbauend wird das Relationship Marketing-Konzept dem Transaktionsmarketing-Konzept gegenübergestellt und Unterschiede beider Konzepte aufgezeigt. In diesem Zusammenhang wird der Frage nachgegangen, inwiefern die Beziehungsorientierung das Relationship Marketing ein Paradigma in der Wissenschaft darstellt. Der theoretische Bezugsrahmen des Relationship Marketing erfolgt auf Basis der sozialpsychologischen Austauschtheorie. Dieser Ansatz bietet eine mögliche Erklärung zur Entstehung und Aufrechterhaltung von Beziehungen im Marketing. Im Anschluss daran wird der zweite Themenbereich der vorliegenden Arbeit, der persönliche Verkauf, beleuchtet. Dazu erfolgt zunächst die Begriffsbestimmung des persönlichen Verkaufs, bei der der kommunikative Charakter des persönlichen Verkaufs hervorgehoben wird. In der Konsequenz erfolgt die Einordnung des persönlichen Verkaufs als Instrument der Kommunikationspolitk im Marketing. Darauf aufbauend erfolgt die Analyse der relevanten Aufgabenbereiche des Verkäufers. Auf der Basis der sozialpsychologischen Interaktionstheorie erfolgt eine systematische Darstellung möglicher Faktoren, die den Erfolg des Verkaufs bestimmen. Die Aufführung der erfolgbestimmenden Determinanten im Verkaufsgespräch stellt eine mögliche Erklärung zur Entwicklung von Käufer-Verkäufer-Beziehungen im persönlichen Verkauf.

Ziel des dritten Kapitels ist die Darstellung und Untersuchung der Wirkungsweise des persönlichen Verkaufs im Relationship Marketing. Dazu erfolgt zunächst die Darstellung der neuen Ausprägungsform des persönlichen Verkaufs, nämlich des Relationship Verkaufs. Aus den Anforderungen des Relationship Marketing abgeleitet, werden die neuen, beziehungsorientierten Aufgaben und Schwerpunkte des persönlichen Verkaufs vorgestellt. Im Anschluss darauf erfolgt die Identifizierung der relevanten Käufergruppen des Relationship Verkaufs. Anschließend erfolgt eine Konzeptionalisierung des Beziehungsverlaufs im persönlichen Verkauf in Anlehnung an das „Relationship Development Process“ von Dwyer et al. (1987). Aus dem Verlauf dieses Prozesses können Schwerpunkte der Verkäuferaktivitäten abgeleitet, die zur Entwicklung und Aufrechterhaltung einer erfolgreichen Beziehung führen. Im Anschluss daran wird der Beziehungsnutzen einer erfolgreichen Käufer-Verkäufer-Beziehung vorgestellt. Zunächst jedoch wird die Beziehungsqualität als Determinante der Nutzenstiftung in einer Beziehung, einschließlich der Elemente Zufriedenheit, Vertrauen und Commitment, dargelegt. Der daraus resultierende Beziehungsnutzen wird sowohl von der Kunden- als auch Anbieterseite beleuchtet.

2 Grundlagen des persönlichen Verkaufs und des Relationship Marketing

2.1 Begriff und Gegenstand des Relationship Marketing

In folgenden Abschnitt soll der Begriff „Relationship Marketing“, der im deutschsprachigen Raum teilweise als „Beziehungsmarketing“ (Hentschel 1991; Diller/Kusterer 1988) wiedergegeben wird, genauer erläutert werden. Ferner sollen die Ursachen der Abwendung vom konventionellen Marketingansatz zum Relationship Marketing aufzeigt werden. Dabei wird der Frage nachgegangen, ob es sich dabei tatsächlich um einen Paradigmenwechsel handelt oder lediglich um „alten Wein in neuen Schläuchen“ (Bruhn/Bunge 1996, S.173).

2.1.1 Begriffliche Darstellung des Relationship Marketing

Das Aufkommen des Relationship Marketing (Berry 1983; Diller/Kusterer 1988; Jackson 1985; Grönroos 1997; Gummesson 1994; Morgan/Hunt 1994) resultierte aus der Überzeugung, dass die transaktionsorientierte Marketingperspektive unzureichend sei, bzw. einer Umfokussierung und Erweiterung bedürfe (Grönroos 1997, S. 328; Gummesson 1994, S.9). Der im Bereich des Transaktionsmarketing entwickelte Ansatz des strategischen Marketing nach Kotler (1988) sowie die vier Instrumente des operativen Marketing (product, price, place, promotion) nach McCarthy (1960) wurden als obsolet angesehen. Dies resultiert daraus, dass sich beide Ansätze auf die einmalige Transaktion mit einer nicht näher identifizierbaren Anzahl von Kunden konzentrieren (Bruhn 2001, S.8; Gröroos 1997, S.322). Eine Vielzahl von Veröffentlichungen stellte die Relevanz des traditionellen Marketings bezüglich der Anwendung im Investitionsgüterbereich (Grönroos 1990; Gummesson 1994; Jackson 1985), Dienstleistungsbereich (Berry 1983; Iacobucci/Ostrom 1996) oder sogar Konsumgüterbereich (Shani/Chalasani 1992) in Frage. Dabei wurde kritisiert, dass die kurzfristige, transaktionsorientierte Ausrichtung des Marketings bei Investitionsgütern, aber auch Gebrauchsgütern zu keinem langfristigen Erfolg führe, weil insbesondere in diesen Fällen direkte Kundenkontakte sowie der Aufbau langfristiger Geschäftsbeziehungen mit dem Kunden unausweichlich seien. „As a general framework the 4P´s of the marketing mix […] is far too simplistic and frequently does not cover all resources and activities that appear in the customer relationship at various stages of the customer relationship life cycle“ (Grönroos 1990, S.4). Insbesondere wurde in diesem Zusammenhang kritisiert, dass das traditionelle Marketing die durchaus relevante Nachkaufphase und auf diese Weise den gesamten Kernprozess des Beziehungskaufs vernachlässige.

Die Orientierung des Relationship Marketing liegt demzufolge im Aufbau langfristiger Beziehungen mit Kunden, und nicht wie bisher praktiziert, in der kurzfristigen Orientierung an einzelnen Transaktionen. Dennoch soll keine Abwendung von der Transaktionsbetrachtung an sich stattfinden, denn Kundenbeziehungen setzen sich aus einer Vielzahl einzelner Transaktionen zwischen Anbieter und Nachfrager zusammen. Demnach wird von einer Beziehung erst dann gesprochen, wenn es zu Folgetransaktionen kommt (Liljander/Starndvik 1995, S.150). Dabei wird Transaktion als „one-time exchange of value between two parties with no prior or subsequent interaction” definiert (Webster 1992, S.6). Beispielsweise zählt der zufällige Bar-Einkauf auf dem Markt zu den einmaligen Transaktionen. Falls es jedoch zur wiederholten Begegnung kommt, weil beispielsweise die Auslieferung der Ware oder die Bezahlung zu einem späteren Zeitpunkt stattfindet, wird die Basis für eine Beziehung festgelegt (Dwyer et al. 1987, S.12). Die Hauptaufgabe des Relationship Marketing ist demzufolge, aus diesem Strom zusammenhängender interaktiver Transaktionshandlungen eine Beziehung aufzubauen und aufrechtzuerhalten (Müller/Riesenbeck 1991, S.68).

Das Konzept vom Relationship Marketing findet seinen Ursprung bei Berry (1983), und wurde seitdem von vielen Autoren aufgegriffen und weiterentwickelt. Der Kerngedanke des Relationship Marketing ist „attracting, maintaining and enhancing customer relationships“ (Berry 1983, S.25). Daraus folgt, dass das Kernanliegen des Relationship Marketing darin besteht, die Gewinnung neuer Kunden als Teilaufgabe zu betrachten, und den Fokus auf die Entwicklung bestehender Beziehungen zu legen. Kernidee des Relationship Marketing ist damit die Gestaltung und Aufrechterhaltung bestehender Kundenbeziehungen (Grönroos 1997; Morgan/Hunt 1994; Gummesson 1994), und nicht die Akquisition neuer Kunden, die im transaktionsorientierten Marketing den Mittelpunkt der unternehmerischen Aktivitäten bildet. Eine zutreffende Bezeichnung des Relationship Marketing liefern Dwyer et al. (1987, S.14), die es als „The Marriage of Buyer and Seller“ bezeichnen. Der Vergleich des Relationship Marketing mit einer Ehe ist insoweit zutreffend, als dass beide Parteien sich freiwillig für eine längerfristig angelegt Beziehung entscheiden, aus der sie - verglichen mit einer einfachen Transaktion- einen weitaus höheren Nutzen ziehen könne.

Der von Berry (1983) aufgebrachte Grundgedanke des Relationship Marketing wurde später um den Aspekt des gegenseitigen Nutzens (Shani/Chalasani 1992, S.44; Grönroos 1990, S.138) und beiderseitigen Wertkreierung (Baker et al. 1998; S.58; Grönroos 1997, S. 327; Sheth/Parvatiyar 1995 a, S.399 ff.) erweitert. Im Allgemeinen wird Nutzen als „Grad der Bedürfnisbefriedigung, den ein Wirtschaftssubjekt aus der Nutzung eines Objektes/einer Handlung zieht“ definiert (Nieschlag et al. 2002, S.7). Der im Rahmen des Relationship Marketing geförderte gegenseitige Nutzen entsteht durch „interactive, individualized and value-added contacts over a long period of time“ (Shani/Chalasani 1992, S.44). Dies führt zu der Erkenntnis, dass die Anbieter nur dann Vorteile realisieren können, wenn die Beziehung für den Nachfrager genauso vorteilhaft wie für den Anbieter selbst ist. Sheth und Parvatiyar (1995 a, S.256) bringen diese Erkenntnis auf den Punkt, indem sie aufzeigen, dass „advantages of relationship marketing can accrue to a firm if, and only if, consumers are willing and able to engage in relationship patronage“ . Die Zielsetzung einer gegenseitigen Nutzenstiftung verleiht dem Kunden die Stellung eines gleichberechtigten Partners und trägt auf diese Weise zur vertieften Interaktion bei (Shani/Chalasani 1992, S.47). Die Nutzenstiftung bezüglich der Anbieterseite wurde von Reichheld und Sasser (1990) empirisch untersucht. Die Ergebnisse der Studie zeigen auf, dass Beziehungsaufrechterhaltungskosten weit geringer sind als Kosten, die zur Neukundenakquisition aufgebracht werden müssen. Deshalb ist es langfristig gesehen vorteilhafter, in bestehende Beziehungen zu investieren, als neue Beziehungen aufzubauen.

Gemäß der Thematik der vorliegenden Arbeit wird der Schwerpunkt auf die Betrachtung von Kundenbeziehungen im Business-to-Consumer-Bereich gelegt. Diese Eingrenzung liegt darin begründet, dass Kundenbeziehungen als „geregelte, häufig auch durch Verträge abgesicherte Austauschprozesse zwischen Kunden und Unternehmen“ charakterisiert werden und „beim Kunden die Bedürfnisbefriedigung, beim Unternehmen die langfristige Gewinnsicherung im Vordergrund“ steht (Bruhn/Homburg 2001, S.343). Demgegenüber werden Geschäftsbeziehungen, als „von ökonomischen Zielen zweier Organisationen geleitete Interaktionsprozesse zwischen zwei oder mehr Personen ab dem ersten Geschäftsabschluss“ bezeichnet (Diller 1988, S.211).

2.1.2 Relationship Marketing als Neuorientierung des Marketing

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Relationship Marketing die Gestaltung von langfristigen Kundenbeziehungen in den Vordergrund stellt. Diese Umorientierung von einzelner Transaktion hin zu einer Beziehung wird in der Literatur häufig als Paradigmenwechsel bezeichnet (Grönroos 1997; Gummesson 1994; Payne et al. 1993). An dieser Stelle soll hervorgehoben werden, dass in der Wissenschaft dann vom Paradigmenwechsel gesprochen wird, „wenn sich innerhalb einer Wissenschaft ein grundlegender Erklärungsumbruch einstellt, der ein neuartiges wissenschaftliches Grundverständnis zutage fördert“ (Backhaus 1998, S.30).

Die Auffassung vom Relationship Marketing als neues Paradigma wird von Clark, Peck, Christopher und Payne (2003) damit begründet, dass das Relationship Marketing neuer Organisationsstrukturen bedürfe, weil es im Gegensatz zum Transaktionsmarketing prozess- und nicht funktionsorientiert ist. Die Ursache der Abwendung von der Funktionsorientierung wird durch Schnittstellenprobleme, Zeitverluste, Intransparenzen und angestiegene Koordinationskosten begründet. Das neue Marketingparadigma bricht die traditionellen, bereichsfokussierten Organisationsstrukturen herunter, und führt bereichsübergreifende Strukturen ein. Die von Clark et al. (2003) aufgestellte „Relationship Management Kette“ bietet eine ganzheitliche Sichtweise des Marketingprozesses und impliziert eine „bereichsübergreifende, koordinierte Fokussierung“ auf den Kunden (Clark 2003, S.32). Gummesson (1994, S.18) vertritt die Meinung, dass Relationship Marketing deshalb als neues Paradigma gelten soll, weil wichtige und dennoch bisher kaum berücksichtigte Bereiche in Betrachtung einbezogen werden. Der neuartige Fokus der Kundenbeziehung und der gegenseitigen Wertstiftung sind seiner Meinung nach derart neuartig, dass sie zum Paradigmenwechsel führen. Ferner plädiert Gummesson (1994) für die Auffassung vom neuen Paradigma, weil die bisherigen transaktionsorientierten Marketingansätze ausgedient hätten und zur Erklärung der neuen Marketingprozesse unausreichend seien.

Den Standpunkt, dass Relationship Marketing als Paradigmenwechsel in der Marketingwissenschaft aufgefasst werden soll, stellen einige Autoren in Frage (Baker et al. 1998; Backhaus, 1998; Sheth/Parvatiyar 1995 a). Sie vertreten die Meinung, dass Relationship Marketing keine vollständige Neuorientierung des Marketings darstelle, sondern als Ergänzung des Transaktionsmarketing um die Beziehungsorientierung verstanden werden sollte. Bruhn und Bunge (1996, S.185) betonen beispielsweise, dass das Konzept eine Vielzahl bereits vorhandener Modelle und Theorien zur Analyse der Geschäftsbeziehungen umfasse und deshalb den an ein Paradigmenwechsel gestellten Anforderungen nicht genüge. Ferner Baker et al. (1998) fassen das Relationship Marketing als Weiterentwicklung des traditionellen Marketing auf, und stellen es als dritte Dimension dar, die durch die Anforderungen heutiger Märkte entstanden ist.

Die Idee der Weiterentwicklung des Relationship Marketing aus dem Transaktionsmarketing wird anhand folgender Gegenüberstellung in der Abbildung 1 verdeutlicht:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Gegenüberstellung von Transaktionsmarketing und Relationship Marketing

(Quelle: in Anlehnung an Bruhn 1999, S.32)

Aus der Gegenüberstellung wird ersichtlich, dass das Relationship Marketing trotz der geänderten Schwerpunktsetzung auf den Bausteinen des Transaktionsmarketings aufbaut und somit als dessen Weiterentwicklung betrachtet werden kann (Baker et al. 1998; Backhaus 1998).

Betrachtet man darüber hinaus die Entwicklung des Relationship Marketings unter praxisorientierten Gesichtspunkten, kann die bewusste Steuerung von Kundenbeziehungen genauso wenig als revolutionär gelten. Denn im Handel haben langfristige, größtenteils auf Vertrauen basierende, Geschäftsbeziehungen seit Jahrhunderten eine Rolle gespielt (Sheth/Parvatiyar 1995 a; Diller 1995). Das verstärkte Aufkommen des Relationship Marketing wird deshalb als Wiedergeburt der vorindustriellen Marketingpraktiken und nicht als völlig neuartige Orientierung des Marketings angesehen (Sheth/Parvatiyar 1995 a, S.399). In der vorindustriellen Zeit stellten persönliche Kontakte sowie kundenindividuelle Leistungen die Basis eines erfolgreichen Geschäftsabschlusses dar. Die Trennung vom Anbieter und Nachfrager stieg mit wachsender Industrialisierung und daraus folgender Standardisierung der Produkte. Die Konsequenz dieser Entwicklung waren stagnierende und schrumpfende Märkte sowie - als Folge des steigenden Verdrängungswettbewerbs resultierend - sinkende Profite (Hesse 1997, S.21). Der Ansatz des Relationship Marketing, mit deren Hilfe die anonyme Kundenmasse individualisiert oder zumindest identifiziert werden kann, wirkt dieser negativen Entwicklung teilweise entgegen (Grönroos 1997, S.333). Eine persönliche, langfristig angelegte Beziehung zwischen Käufer und Verkäufer stellt den Schlüssel zum langfristigen Erfolg eines Unternehmens dar.

2.1.3 Fokus des Relationship Marketing

Im folgenden Abschnitt wird der Fokus des Relationship Marketing, die Kundenbeziehung, analysiert. Dabei erfolgt eine Einordnung der Käufer-Verkäufer-Beziehungen in die möglichen Beziehungsarten.

In der Sozialpsychologie wird zwischen zwei Beziehungsarten unterschieden, Austauschbeziehungen (Exchange Relationships) und Gemeinschaftsbeziehungen (Communal Relationships) (Herkner 1991, S.440f.). Charakteristisch für die Austauschbeziehungen ist die, die auf dem Gerechtigkeitsprinzip basierende, rational gesteuerte Interaktion der Partner. Die Rationalität spiegelt sich in den Vorstellungen der Partner bezüglich einer gerechten Belohnung aus der eingegangenen Beziehung wieder. Hingegen zeichnen sich Gemeinschaftsbeziehungen durch ein hohes Maß an Wohlwollen gegenüber dem Partner aus und werden deshalb als altruistisch bezeichnet. Die handelnden Personen sind folglich weniger rational orientiert, als dies bei der Austauschbeziehung der Fall ist.

Die Einordnung der Kundenbeziehungen in einen der dargestellten Beziehungstypen erweist sich jedoch nicht als eindeutig. Denn auf der einen Seite streben die Interaktionspartner vor dem Hintergrund des Relationship Marketing nach langfristigen Gemeinschaftsbeziehungen, weshalb ihr Verhalten durch ein hohes Grad an Wohlwollen gekennzeichnet ist. Andererseits ist es kaum annehmbar, dass das Verhalten der Beziehungspartner altruistisch ist. Daher und weil der Austausch und die daraus folgende Belohnung im Vordergrund stehen, können Kundenbeziehungen eher den Austauschbeziehungen zugeordnet werden (Georgi 2000, S. 30). Dennoch sollte beachtet werden, dass die beiden Beziehungstypen nach Herkner (1991) die äußerste Grenze eines Kontinuums möglicher sozialer Beziehungen darstellen und deshalb eine Einordnung nicht ganz eindeutig ist. Deshalb soll im Folgenden die Einordnung von Kundenbeziehungen mit Hilfe der vier Beziehungstypen nach Iacobucci und Ostrom (1996) erfolgen. Die Beziehungstypen wurden anhand einer empirischen Studie festgelegt und beziehen sich dabei sowohl den individuellen als auch den geschäftlichen Bereich.

Der erste Beziehungstyp umfasst Beziehungen, die sich durch hohe Integrativität und gegenseitige Abhängigkeit auszeichnen. Diese Art von Beziehung wird wegen der gegenseitigen Abhängigkeit der Partner als symmetrisch bezeichnet. Ferner zeigt diese Studie auf, dass beinahe alle Business-to-Business-Dyaden sowie der größte Teil der Individual-to-Individual-Dyaden diesem Beziehungstyp zugeordnet werden können. Als Beispiele werden unter anderem die Beziehungen zwischen Produzent und Vermittler, Unternehmen und Werbeagentur, Unternehmer und Bank, Kunde und Anwalt oder Steuerberater und Kunde angeführt.

Der zweite Beziehungstyp beinhaltet enge und unterstützende Beziehungen, die opportunistisches Verhalten der Partner ausschließen. Demzufolge zeigt dieser Beziehungstyp Parallelen zur soziologischen Gemeinschaftsbeziehung. Diesem Beziehungstyp werden Beziehungen auf individueller Ebene zugeordnet, etwa zwischen Nachbarn, engen Freunden oder Eltern und Kindern. Die wenigen Kundenbeziehungen, die an dieser Stelle genannt werden können, sind die zwischen Friseur und Kunde, Kleinunternehmen und Kunde oder Therapeut und Patient. Die diesem Beziehungstyp zugeordnete Kundenbeziehungen umfassen Freundschaften, und zeichnen sich nicht nur durch hohe Integrativität, wie dies beim ersten Typ der Fall ist, sondern auch durch tiefer gehende Faktoren wie Vertrauen und Loyalität.

Der dritte Beziehungstyp umfasst transaktionale Beziehungen, in denen Begegnungen zwischen den Partnern eher episodenhaft und distanziert sind. Als Beispiel hierzu werden Kundenbeziehungen wie die zwischen Großunternehmen und Kunden, Bankangestellte und Kunden, Stewardess und Fluggäste oder Kellner und Restaurantgast, genannt. Diese Kunden zeigen mehr Loyalität gegenüber der Marke als gegenüber dem Kundenkontaktpersonal. Als Erklärung wird in diesem Fall angeführt, dass das Personal einer unübersichtlichen Anzahl von Kunden gegenübersteht, mit der keine vertieften Interaktionen erfolgen. Die schlechte Identifizierbarkeit der Kunden führe dazu, dass das Personal für die Betreuung des einzelnen Kunden kaum persönliche Verantwortung aufbringt und sie entsprechend oberflächlich erfolgt.

Kennzeichnend für den vierten Beziehungstyp sind asymmetrische Beziehungen, die für die beteiligten Partner eher unangenehm sind. Darunter fallen Beziehungen wie die zwischen geschiedenen Paaren oder Gefängnisinsassen und Wärter. Dieser Beziehungstyp ist jedoch im Rahmen dieser Arbeit irrelevant.

Die für die einzelnen Typen aufgeführten Beispiele deuten darauf hin, dass durch die vielfältige Ausprägung von Kundenbeziehungen eine eindeutige Zuordnung zum bestimmten Beziehungstyp erschwert wird. Dennoch können Kundenbeziehungen des Relationship Marketing am ehesten dem ersten Beziehungstyp, der sich durch hohe Integrativität und Abhängigkeit auszeichnet, sowie dem zweiten Beziehungstyp, der enge und unterstützende Beziehungen einbezieht, zugeordnet werden. Dies ist die Folge des Umstandes, dass der Anbieter einer identifizierbaren Kundenanzahl gegenübersteht und deshalb viel mehr Engagement und Verantwortung für die Kundenbetreuung aufbringt. Eine genauere Darstellung des Wesens des persönlichen Verkaufs erfolgt im späteren Abschnitt der vorliegenden Arbeit. Festzuhalten ist, dass die Kreierung stabiler, symmetrischer und auf gegenseitiges Vertrauen basierender Beziehungen das Ziel des Relationship Marketing ist. Wie lässt sich aber in diesem Zusammenhang die Beziehungsbereitschaft des Kunden erklären?

Die möglichen Beziehungsmotive sehen Sheth und Parvatiyar (1995 b) in dem Bestreben des Käufers nach kognitiver Konsistenz begründet. „The fundamental axiom of relationship marketing is […] that consumers like to reduce choices by engaging in an ongoing loyality relationship with marketers“ (ebd. S.256). Die Autoren nehmen an, dass das Bestreben nach Reduktion der Wahlmöglichkeiten und damit einhergehend Reduktion des wahrgenommenen Risikos im Kaufprozess die Basis des Beziehungsaufbaus im Verkauf ist. Denn durch eine Beziehung und der damit zusammenhängenden Verpflichtung gegenüber einem Anbieter beugen die Käufer der Entstehung einer kognitiven Dissonanz vor. Die Theorie der kognitiven Dissonanz geht auf Festinger (1978) zurück, und besagt, dass der Mensch grundsätzlich danach strebt eigene Kognitionen, wie Wertvorstellungen, Überzeugungen, Einstellungen oder Erfahrungen, in einer konsistenten Weise, d.h. widerspruchsfrei zu organisieren. Denn sobald Widersprüche auftreten, tritt eine innere Spannung auf, und der Mensch ist danach bestrebt, diese zu beseitigen (ebd., 24ff.). Demzufolge zeigen Käufer insbesondere in Verkaufssituationen, die eine erhöhte Informationsverarbeitung bedürfen und zusätzlich mit Risiko behaftet sind, erhöhte Bereitschaft sich auf eine Beziehung mit dem Verkäufer einzulassen.

2.1.4 Austauschtheorie als Erklärungsansatz zur Entstehung und Fortsetzung von Kundenbeziehungen

Im Allgemeinen ist die Austauschtheorie den sozialpsychologischen Interaktionstheorien zuzuordnen, die sich mit den gegenseitigen Abhängigkeiten und Beeinflussungen in menschlichen Austauschbeziehungen beschäftigen (Backhaus 1997, S.81f.). Obwohl in der gängigen Literatur keine einheitliche Theorie des Relationship Marketing existiert (Bagozzi 1995), bietet die sozialwissenschaftliche Austauschtheorie, die in ihren Ursprüngen auf Homans (1961) und Blau (1964) zurückgeht, eine gut begründete Basis zur Erklärung der Entstehung und Fortführung sozialer Beziehungen. In ihrem Ursprung fasst die Austauschtheorie soziale Interaktionen als interpersonellen Austausch von Belohnungen und Strafreizen bzw. Kosten und Nutzen auf, und beurteilt diese nach Ausgewogenheit und Gerechtigkeit (Wiswede 1991, S.153). Daraus resultiert, dass den Austauschprozessen das Ziel der Gleichheit zu Grunde liegt, dass auf dem Ansatz des Gleichgewichts von Anreiz und Beitrag basiert (Homans 1961).

Der Gedanke der „ausgleichenden Gerechtigkeit“ beim Austausch wurde zuerst von Homans (1972, S.62f.) aufgegriffen und besagt, dass der Ausgleich zwischen der Belohnung und den für diese Belohnung aufgebrachten Kosten von dem jeweiligen Akteur als gerecht empfunden werden muss. Somit trifft die Theorie von Homans Aussagen darüber, dass Individuen den Austausch als Aufwand sehen und für diesen Aufwand belohnt werden wollen. Die Konsequenz dieser Überlegung ist, dass ungerecht bzw. unausreichend belohnter Austausch eine Beendigung der Interaktion zur Folge hat. Eine weitere und für die Betrachtung von Kundenbeziehungen durchaus relevante Hypothese von Homans (1972, S.59) besagt, dass die Häufigkeit der Belohnung bestimmter Aktivitäten die Wahrscheinlichkeit steigert, dass diese Aktivitäten wiederholt ausgeführt werden. Darauf baut die Hypothese zur Interaktion und Sympathie auf (Homans 1972, S.153ff), laut derer Sympathie aus einem gerecht belohnten Austausch resultiert, und deshalb zur Wiederholung von Interaktion beiträgt.

Eine nutzenorientierte Betrachtung des Austauschs in einer sozialen Beziehung erfolgt durch Thibaut und Kelley (1959, S.12ff.). Dabei wird angenommen, dass angesichts des nutzenmaximierenden Verhaltens der Akteure nur dann zum Austausch kommt, wenn die beteiligten Individuen ein Gleichgewicht zwischen Nutzen (Outcome) und Kosten (Costs) der Transaktionen erkennen. Dabei ist der Wert des Austauschs individuell vom einzelnen Beteiligten bestimmt, und wird aus der Differenz zwischen Nutzen und Kosten errechnet. Weiterhin wird angenommen, dass die Akteure den so resultierenden Nutzen anhand eines Vergleichsmaßstabes (Comparison Level) festlegen. Der Comparison Level wird definiert als „being some modal or avarage value of all outcomes known by the person“ (Thibaut/Kelley 1959, S.81). Wenn der Nutzen aus der Beziehung über dem Vergleichsmaßstab liegt, wird Zufriedenheit hervorgerufen. Dennoch ist ein zufrieden stellender Austausch keine Voraussetzung für die Entstehung bzw. Fortführung einer Austauschbeziehung. Erst wenn der empfangene Nutzen, verglichen mit möglichen Alternativen (Comparison Level Given Alternatives) über diesem Maßstab liegt, fällt die Entscheidung zur Fortsetzung der Beziehung. Das alternative Vergleichsniveau stellt dabei den Ergebniswert dar, der in alternativen Beziehungen erreicht werden könnte (Thibaut/Kelley 1959, S.21). Aus diesem Grund ist zu betonen, dass die Theorie von Thibaut und Kelley (1959) Determinanten festlegt, die die Fortführung von Interaktionen zwischen zwei Akteuren beeinflussen (Homburg/Bruhn 2003, S.12).

Bagozzi (1975; 1979) unternahm als erster den Versuch, mit Hilfe der Austauschtheorie das Wesen des Austauschs im Marketing zu erklären. Dabei definierte er den Austausch als „a transfer of something tangible or intangible, actual or symbolic, between two or more social actors“ (Bagozzi 1979, S. 434). Diese Definition zeigt auf, dass der aus einem Austausch resultierende Wert über den üblichen Transfer von Geld gegen Produkt liegt, was durch die soziale und psychologische Signifikanz der Werte herbeigeleitet wird. Deshalb differenziert Bagozzi (1975, S.36) zwischen drei Austaucharten, die eine unterschiedliche Wertstiftung mit sich ziehen: utilitaristischer (nutzenorientierten) Austausch, symbolischer Austausch und kombinierter Austauschwert. Die erstgenannte Art entspricht dem klassischen ökonomischen Austausch von Gütern und Geld, der zwischen zwei Akteuren infolge einer einmaligen Transaktion stattfindet. Zum symbolischen Austausch zählen psychologische, soziale und andere immaterielle Größen, die über den eigentlichen materiellen Wert der Güter hinausgehen. Im Vordergrund des symbolischen Austauschwertes stehen demzufolge nicht der eigentliche Nutzen des Produktes selbst, sondern andere symbolische Werte wie Anerkennung oder Erfahrung (Bagozzi 1979, S.435). Der gemischte Austauschwert stellt einen Mix aus utilitaristischen und symbolischen Wert dar.

In Anbetracht der Thematik der vorliegenden Arbeit ist der symbolische Austausch besonders relevant, denn gerade die symbolischen Werte implizieren eine wiederholte Zuwendung des Kunden zum Unternehmen (Bruhn 2001, S.34).

2.1.5 Kritische Würdigung der austauschtheoretischen Erklärung

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die soziale Austauschtheorie einen grundlegenden Beitrag zur Erklärung der Entstehung und Erhaltung von Kundenbeziehungen leistet. Zum Ersten ist dieser Ansatz wegen der Universalität des ihm zu Grunde liegenden Denkrahmens, und des daraus resultierenden Allgemeinheits- und Abstraktheitsgrades zu würdigen (Klee 2000, S.36). Ferner zeigt dieser Ansatz, aufgrund welcher Ursachen Beziehungen entstehen können (Homans 1961), welcher Nutzen sich aus der Fortführung der Beziehung ergibt (Bagozzi 1975) und wie dieser zum weiteren Bestehen der Beziehung beiträgt (Thibaut/Kelley 1959). Ein weiterer, besonderer Aspekt der Austauschtheorie ist die Bewertung des Austauschs (Bagozzi 1975; 1978). Dieser Aspekt trägt zum Verständnis und zur Erklärung von Kundenbeziehungen bei, denn eine Voraussetzung für die Fortführung einer Käufer-Verkäufer-Beziehung sind gerade die symbolischen, immateriellen Werte. Dies resultiert daraus, dass durch den symbolischen Austausch der Beziehungsnutzen wesentlich erhöht wird und auf diese Weise die Bereitschaft des Kunden zum Verbleib in einer Beziehung gesteigert. Dieser Aspekt wird an einer weiteren Stelle der vorliegenden Arbeit anhand der Ausführungen zum Beziehungsnutzen des Kunden erläutert.

Des weiteren werden im Rahmen der Austauschtheorie die für die Fortsetzung einer Beziehung notwendigen wiederholenden Interaktionen erklärt. Insbesondere liefert die Theorie von Homans (1972)[1] einen Beitrag hierzu, indem die Wiederholung von Interaktionen durch die aus vergangenen Begegnungen resultierenden Nutzen und Sympathie begründet wird. Zum Ersten wird anhand der Langfristigkeitsperspektive der sich wiederholenden Interaktionen der dynamische Charakter einer Kundenbeziehung erfasst. Ferner verdeutlicht der Zusammenhang zwischen Sympathie und Interaktion, dass für die Erhaltung langfristiger Beziehungen soziale Elemente wie Zuneigung und Anerkennung unabdingbar sind (Klee 2000, S.37). Daraus lässt sich schlussfolgern, dass Beziehungen dann Aussichten auf Erfolg haben, wenn sich in dessen Rahmen freundschaftliche Aspekte wie Sympathie und gegenseitige Anerkennung entwickeln können.

Durch die von Thibaut und Kelley (1959, S.21ff.) aufgestellte Bewertung der Leistung durch den Kunden können Einsichten im Hinblick auf Kundenzufriedenheit gewonnen werden. Denn eine Leistung, die über dem erwarteten Vergleichniveau liegt, ruft Zufriedenheit hervor. Da die Betrachtung der Kundenzufriedenheit für die Untersuchung von Kundenbeziehungen und dabei insbesondere der Beziehungsqualität notwendig ist, trägt der Ansatz von Thibaut und Kelley zur theoretischen Fundierung der vorliegenden Arbeit bei. Ein weiterer, wichtiger Fokus der Austauschtheorie ist die Betrachtung der Stabilität von Austauschbeziehungen. Diese Frage wird unter anderem von Thibaut und Kelley (1959) anhand des Vergleichs der empfangenen Leistung mit möglichen Alternativen untersucht. Ferner wird der Aspekt der Stabilität auch von Homans hervorgehoben, der das Ausmaß der wahrgenommenen Gerechtigkeit bei der Verteilung der Beziehungsgewinne als motivierende Variable zum Verbleib in einer Beziehung sieht. Die Betrachtung der Stabilität im Beziehungskontext erweist sich als besonders relevant, weil es die Erhaltung von Beziehungen erklärt.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Austauschtheorie einen guten Einstieg in die Thematik der vorliegenden Arbeit bietet, indem sie den Austausch und die damit zusammenhängenden Handlungen als die Basis von Kundenbeziehungen darstellt. Im Vordergrund stehen dabei die Kosten-Nutzen-Orientierung des Kunden sowie die Gerechtigkeit des Austauschs, die als grundlegende Voraussetzungen für die Bereitschaft eines Kunden bezüglich einer wiederholten Zuwendung an den Anbieter zu sehen sind.

2.2 Grundlagen und Besonderheiten des persönlichen Verkaufs

Vor dem Hintergrund der skizzierten Entwicklung des Relationship Marketing und der steigenden Relevanz der Kundenbeziehung wird im folgenden Abschnitt der Arbeit persönlicher Verkauf sowie seine steigende Bedeutung im Rahmen des Relationship Marketing vorgestellt. Zunächst wird der definitorische Rahmen dieses Begriffs dargestellt. Anschließend wird die Zielsetzung und Aufgabenbereiche des persönlichen Verkaufs erläutert sowie ein theoretischer Erklärungsansatz zur dieser Thematik beschrieben.

2.2.1 Begriff und Merkmale des persönlichen Verkaufs

Im Allgemeinen wird der persönliche Verkauf definiert als „Verkaufsgespräch mit einem oder mehreren möglichen Käufern, um auf einen Verkaufsabschluss hinzuwirken“ (Kotler/Bliemel 2001, S.882), oder als „Gesprächskontakte des Verkaufspersonals der Unternehmung mit potenziellen Käufern […], welche darauf ausgerichtet sind, Kundenbestellungen zu erlangen“ (Hill/Rieser 1993, S.419). Der zentrale Bestandteil des persönlichen Verkaufs stellt demzufolge das persönliche Verkaufsgespräch dar, das den „unmittelbare Kontakt zwischen dem Käufer und Verkäufer umfasst“ (Weis 1995 b, Sp. 1979). Anhand des Kriteriums des direkten Kontaktes, bei dem die beteiligten Personen in „unmittelbarer physischer Präsenz“ (Meffert 2000, S.888) zueinander stehen, lässt sich der persönliche Verkauf vom semipersönlichen sowie unpersönlichen Verkauf, abgrenzen (Schwab 1992, S.19). Beim semipersönlichen Verkauf stehen die beteiligten Personen in indirektem, telefonischem Kontakt. Der Vollständigkeit halber sollte angemerkt werden, dass beim unpersönlichen Verkauf der Kontakt in schriftlicher Form (Schwab 1992, S.19) oder über ein Medium, wie beispielsweise beim Automatenverkauf (Meffert 2000, S.888), erfolgt. Dennoch hat angesichts der Thematik der vorliegenden Arbeit sowohl der semipersönliche als auch unpersönliche Verkauf lediglich eine verkaufsunterstützende Funktion (Meffert 2000, S.888), und sollte deshalb nicht näher erläutert werden.

Weiterhin sei angemerkt, dass die Zielsetzung des persönlichen Verkaufs, das Bemühen um einen erfolgreichen Verkaufsabschluss, übereinstimmend in der Literatur hervorgehoben wird (Homburg/Krohmer 2003, S.736; Meffert 2000, S.886; Pepels 1994, S.274; Schwab 1992, S.11). Ferner wird der persönliche Verkauf, bei dem sämtliche Handlungen des Verkaufspersonals darauf gerichtet sind, einen Verkaufsabschluss zu erzielen, als persuasiv interpretiert (Kramer 1993, S.200 ff.). Davon sollte die austauschbezogene Interpretation des Verkaufs abgegrenzt werden, wo der Verkauf als Tausch von materiellen als auch immateriellen Gütern interpretiert wird (ebd.). Dennoch konzentrieren sich die meisten, in der gängigen Literatur vorzufindenden Definitionen auf die persuasive Auslegung des persönlichen Verkaufs (Homburg/Krohmer 2003, S.737; Meffert 2000, S.886; Schwab 1992, S.11). Denn das vorrangige Ziel des persönlichen Verkaufs ist es, „durch die mündliche Präsentation von Argumenten in einem Gespräch mit einem oder mehreren potentiellen Käufern einen Verkaufsabschluss zu bewirken“ (Meffert 2000, S.886).

Eine teilweise Abwendung von der persuasiven Auslegung des persönlichen Verkaufs bieten Weitz, Castelberry und Tanne (2000, S.4). Sie definieren den persönlichen Verkauf als „business activity involving a person-to-person communication process during which a salesperson uncovers and satisfies the needs of a buyer to the mutual, long-term benefit of both parties”. Die Besonderheit dieser Definition ist, dass der persönliche Verkauf nicht primär auf die Erzielung eines Verkaufsabschlusses zielt, sondern den gegenseitigen, langfristigen Nutzen in den Vordergrund stellt. Ferner führen Weitz et al. (2000, S.4) an, dass zu den Schwerpunkten des Verkaufs Aspekte wie Problemidentifikation, Informationsübermittlung sowie Problemlösung gezählt werden, um auf diese Weise eine langfristige Kundenzufriedenheit sicherstellen zu können. Diese Auslegung zeigt auf, dass der persuasive Charakter des Verkaufs eine sekundäre Rolle spielt. Eine ähnliche Auffassung des persönlichen Verkaufs vertreten Kotler und Bliemel (2000, S.915f.), die in der direkten und persönlichen Interaktion im Rahmen des persönlichen Verkaufs eine Möglichkeit zur Erfüllung individueller Kundenwünsche sowie zum Aufbau längerfristigen Beziehungen sehen.

Trotz der unterschiedlichen Auslegung der Schwerpunkte ist allen oben genannten Definitionen gemeinsam, dass im Fokus der Betrachtung ein näher identifizierbarer Kunde und nicht die anonyme Kundenmasse steht. Gerade durch den unmittelbaren Kontakt mit einem näher identifizierbaren Kunden und der daraus folgenden gegenseitigen Kommunikation können im Rahmen des persönlichen Verkaufs relevante Kundenwünsche und –bedürfnisse aufgedeckt werden (Hansen 1990, S.265). Die vorliegende Arbeit wird sich an der Definition von Weitz et al. (2000, S.4) orientieren, da hier sowohl der interaktive Kontakt als auch das Bemühen um gegenseitige, langfristige Nutzenstiftung hervorgehoben wird. Daran anlehnend soll unter persönlichem Verkauf ein direkter und interaktiver Kontakt zwischen einem Verkäufer und einem Käufer verstanden werden, bei dem im Rahmen eines Kommunikationsprozesses die Wünsche des Kunden aufgedeckt und erfüllt werden sollen, um auf diese Weise langfristig einen gegenseitigen Nutzen zu stiften.

2.2.2 Stellung des persönlichen Verkaufs im Marketing

Im folgenden Abschnitt wird die variierende Relevanz des persönlichen Verkaufs in einzelnen Marketingbereichen aufgezeigt und der persönliche Verkauf den Marketing-Mix-Instrumenten zugeordnet. Aufgrund des unmittelbaren Kontaktes zwischen Käufer und Verkäufer und der daraus resultierenden Kommunikationsmöglichkeit wird der persönliche Verkauf als Instrument der Kommunikationspolitik, neben Werbung, Direktmarketing, Verkaufsförderung und Public Relation, eingeordnet (Kotler/Bliemel 2001, S.882; Meffert 2000, S.887; Weis 1995 S. 17). Weis (1995) betrachtet den persönlichen Verkauf als ein besonderes Instrument, da er bei zunehmend substituierbaren Produkten und dem daraus resultierenden verstärkten Wettbewerb eine effektivere Wirkung als die anderen Kommunikationsinstrumente hat. Insbesondere bei erklärungsbedürftigen und mit hohen Investitionskosten verbundenen Gütern steigt seine Bedeutung gravierend an. Hiervon abzugrenzen ist die Einordnung von Nieschlag, Dichtl und Hörschgen (2002, S.883), die den persönlichen Verkauf als ein Aktionsparameter der Distributionspolitik einordnen. Dies begründen die Autoren damit, dass die zentrale Aufgabe des Verkaufs in der Kundenkontakterstellung liegt, um somit Voraussetzungen für den Absatz zu schaffen.

Der vorliegenden Arbeit wird die Einordnung des Verkaufs als Instrument der Kommunikationspolitik zu Grunde gelegt. Dies kann damit begründet werden, dass das persönliche Verkaufsgespräch eine besonders effektive Möglichkeit zur Entwicklung und Aufrechterhaltung von Kundenbeziehungen bietet. Dies resultiert aus dem unmittelbaren Kontakt zwischen Käufer und Verkäufer während des Verkaufsgesprächs (Kotler/Bliemel 2001, S.915f.; Weis 1995, S. 419). Goehrmann (1984, S.15) wendet in diesem Zusammenhang ein, dass die Einordnung des persönlichen Verkaufs als Kommunikations-Mix-Instrument nur auf Konsumgütermärkten sinnvoll sei. Dies resultiert daraus, dass bei der Marktbearbeitung einer großen Kundenanzahl der Einsatz anderer Instrument genauso bedeutend ist und der persönliche Verkauf, wegen den hohen Kosten, nur in bestimmten Bereichen sinnvoll wäre. Bei Investitionsgütermärkten wiederum solle der persönliche Verkauf als eigenständiges Marketing-Mix-Instrument betrachtet werden, da der Absatz der Unternehmensleistlungen überwiegend im Rahmen des persönlichen Verkaufs erfolgt. Des weiteren stellt es oft den einzigen Wettbewerbsvorteil dar, da gerade bei wertvollen Investitionsgütern die Problemlösung und umfangreiche Betreuung genauso bedeutend wie das Produkt selbst sei (Goehrmann 1984, S.17).

[...]


[1] Hierzu insbesondere Homans 1972, Kapitel 4, S.44ff.

Ende der Leseprobe aus 82 Seiten

Details

Titel
Relationship Marketing und persönlicher Verkauf
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Institut für Marketing, FB Wirtschaftswissenschaft)
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
82
Katalognummer
V41979
ISBN (eBook)
9783638401241
ISBN (Buch)
9783638843287
Dateigröße
687 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Durch das Aufkommen des Relationship Marketing ist ein neuer Fokus der Marketingorientierung in den Vordergrund gerückt. Während in der Vergangenheit einzelne Transaktionen sowie die Gewinnung von Neukunden die Marketingkonzeptionen dominierten, wird heute die Bedeutung des Aufbaus und Pflege von Kundenbeziehungen für die Sicherung des langfristigen Unternehmenserfolges erkannt. Diese Arbeit beschreibt die nutzenstiftende Seite des Relationship Verkaufs.
Schlagworte
Relationship, Marketing, Verkauf
Arbeit zitieren
Agnes Trojan (Autor:in), 2004, Relationship Marketing und persönlicher Verkauf, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/41979

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