Marlene Dietrich. Eine Diva im Berlin der goldenen Zwanziger Jahre

Musikstadt Berlin


Facharbeit (Schule), 2016

23 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. „Nimm dich in Acht vor blonden Frauen“ - Die Berliner Jahre zwischen Varieté und Film
2.1 Kultureller Wandel im Berlin der „Goldenen Zwanziger“
2.2 Besonderheiten Marlene Dietrichs
2.3 Einstieg in das Showgeschäft

3. Der Blaue Engel
3.1 Handlung
3.2 Bedeutung des Films

4. „Ich hab noch einen Koffer in Berlin“ - Mit Sternberg in Hollywood
4.1 Marlenes Aufstieg zum amerikanischen Star
4.2 Anfangsschwierigkeiten in den USA
4.3 Politische Distanzierung von der Heimat

5. „The Boys in the Backroom“ – Truppenbetreuung im zweiten Weltkrieg
5.1 Engagement gegen das Nazi-Regime von Amerika aus
5.2 Engagement gegen das Nazi-Regime an der Front
5.3 Auswirkungen des Einsatzes für Amerika

6. „Sag mir, wo die Blumen sind“ - Zweite Karriere als Diseuse nach dem Krieg
6.1 Weg zur Diseuse
6.2 Erfolgsgeheimnis der Dietrich

7. „Kleider langweilen mich“ - Die (Mode-) Marke Marlene Dietrich

8. Die beiden Diven Marlene Dietrich und Zarah Leander - Ein kritischer Vergleich
8.1 Kindheit und Jugend
8.2 Karriere
8.3 Truppenbetreuung im zweiten Weltkrieg
8.4 Rückkehr in der Nachkriegszeit

9. Schluss

10. Literatur- und Quellenverzeichnis

10.1 Primärliteratur
10.2 Internetquellen
10.3 Persönlich erstellte Quellen

Marlene

Eine Diva im Berlin der goldenen Zwanziger Jahre

1. Einleitung

„Liebling, die Beine sind nicht so schön - Ich weiß nur, was man mit ihnen macht.“[1] Dies ist eine der bekanntesten Aussagen der Berliner Künstlerin und des späteren Weltstars Marlene Diet­rich. Sie galt ab den 20iger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts als das Sexsymbol schlecht­hin für die Männerwelt und hatte zugleich eine Vorbildfunktion für die Frauen der damaligen Zeit. Einen wichtigen Teil ihres Erfolges verdankte sie ihrem Aussehen, aber auch ihrem beispiellosen Charakter. Marlene verkörperte eine junge, äußerst selbst­bewusste Frau, die mit ihrem Körper umzugehen wusste und diesen entsprechend nutzte, um den Männern den Kopf zu verdrehen. Viele Frauen beeindruckte sie dagegen mit ihrer selbst­bewussten Art, mit der sie viele Tabus der damaligen Zeit brach. Beispielsweise kam dies zum Ausdruck, als sie, ganz im Widerspruch zu den damaligen Konventionen, als erste Frau während eines öffentlichen Auftritts eine andere Dame auf den Mund küsste. Sie „wurde so zu einem Idol der Homosexuellen“[2], was sie mit dem Lied „Wenn die beste Freundin mit der besten Freundin“ untermauerte. Ihr gesamtes Oeuvre spiegelt ihr Wesen und ihre Einstellung zu den Gepflogenheiten dieser Zeit wider. In dem Film „Der Blaue Engel“, mit welchem ihr 1930 der Durchbruch zur Weltkarriere gelang, spielt sie eine hinreißende Tänzerin. In diesem Film erlebt man die frühe Marlene Dietrich par excellence in ihrer typischen „Mischung aus Frivo­lität und Biederkeit.“[3] Aufgrund der Starbesetzung mit Emil Jannings in der Hauptrolle und der erstmals durch den Tonfilm möglichen musikalischen Untermalung durch die junge, at­traktive Marlene wurde der Film zu einem riesigen Erfolg.

Wie kam es zu diesem Erfolg und zur beispiellosen Karriere dieser ungewöhnlichen Frau, die auch bis heute, fast 50 Jahre nach ihrem Tod, vielen Jugendlichen immer noch ein Begriff ist? Viele Hits wie beispielsweise „Lili Marleen“ haben den Status des „Evergreens“ erlangt. Ganz bewusst habe ich diese interessante Frau als Thema für meine Seminararbeit ausgewählt. Dazu inspiriert hat mich ein Aufkleber von Marlene Dietrich, welcher in der Fürther Kultkneipe „Kaffeebohne“ auf der Herrentoilette zu finden ist.

Dieser erinnerte mich an eine Erzählung meines Großvaters über seine Jugendzeit, in der auch er ein Fan der Berlinerin Marlene Dietrich war. Daraufhin entschied ich mich letztlich für dieses Thema. Ein weiterer Name schwingt im Kon­text der „Goldenen Zwanziger“ neben Marlene Dietrich auch immer mit, nämlich Zarah Leander. Was haben diese beiden Frauen gemeinsam? Wodurch haben sie das Bild ihrer Zeit so stark geprägt?

Ziel dieser Arbeit ist es, dem Phänomen „Marlene“ ein Stück näher zu kommen und ihren Lebensweg mit dem der anderen großen Diva dieser Zeit zu vergleichen, um eine differenziertere Sicht auf beide Charaktere zu erhalten.[4]

2. „Nimm dich in Acht vor blonden Frauen“ - Die Berliner Jahre zwischen Varietéund Film

2.1 Kultureller Wandel im Berlin der „Goldenen Zwanziger“

„Eine Art Irrsinn ergriff im Sturz aller Werte gerade die bürgerlichen, in ihrer Ordnung bisher unerschütterlichen Kreise.“[5] Die traditionellen, teilweise biederen Gepflogenheiten wurden in den zwanziger Jahren mehr und mehr aufgeweicht. Einengende bisherige Tugenden traten in den Hintergrund und wurden durch Freiheit und Ungezwungenheit ersetzt. Staatliche Verordnungen wurden ignoriert und der Respekt gegenüber Sitte und Moral ging vielfach verloren. Die Aufbruchstimmung nach dem ersten Weltkrieg führte zum konjunkturellen Aufschwung. Die Agrarnation Deutschland wandelte sich zu einem Industriestaat und die ersten zaghaften demokratischen Strömungen bildeten sich. Diese Entwicklung zu Beginn des 20. Jahrhunderts kann genauso gut auf die künstlerische Entwicklung Marlene Dietrichs, die am 27. Dezember 1901 in Berlin geboren wurde, übertragen werden. Bislang hatten die klassischen Opern das kulturelle Berlin beherrscht. Vermehrt setzten sich nun aber Kabarett, Operette und Revue durch und übernahmen die Rolle der Oper.[6] Die junge Marlene träumte von einer Karriere als Tänzerin in diesem aufstrebenden Genre, was von ihrem konservativen Elternhaus allerdings nicht gern gesehen wurde, da das Milieu der Revuen damals ein unmoralisches Image hatte. Doch Marlene setzte sich unbeirrt gegen den Willen ihre Eltern durch, weil sie in diesem neuen Zweig der Unterhaltung ein unermessliches Angebot an Möglichkeiten für sich sah. Um in dieser Szene Fuß fassen zu können, waren für Frauen be­stimmte Grundvoraussetzungen wie attraktives Aussehen, lange Beine, Selbstbewusstsein und die nötige Frechheit, erforderlich.[7] All dies konnte die Dietrich zweifelsfrei vorweisen, sodass sich schnell eine große Fangemeinde um die junge Schauspielerin bildete.

2.2 Besonderheiten Marlene Dietrichs

Aber was hatte Marlene abgesehen davon, was die anderen Girls[8] nicht hatten? Besonders ihr „[…] merkwürdiges Antlitz lockte stärker noch als mit dem, was es verriet, mit dem, was es verschwieg […].“[9] Zudem bewunderten gerade die Männer an ihr wie es Alfred Polgar nennt, „diese Passivität im Augenblick schicksalsschwe­rer Aktivität, diese seltsame Ruhe im Affekt […].“[10]

Perfekt zu ihrer Erscheinung, ihrem Charakter und ihrer Persön­lichkeit passte auch ihr Name. „Marlene, das ist in drei Silben kontrahiert: Maria Magdalena, der Name der biblischen Sünderin, der viel vergeben werden darf, weil sie viel geliebt hat.“[11] Diesem auf diese Weise so vorbelasteten Namen kommt sie in vielen Rollen ihrer Filme auch sehr nah. Ihr Weg begann jedoch recht steinig, nachdem sie wegen einer Sehnenscheiden­entzündung die zuerst angestrebte Karriere als Konzertgeigerin hatte aufgeben müssen, ver­suchte sie vergeblich einen Platz an Max Reinhardts Schauspielschule in Berlin zu bekommen. Stattdessen nahm sie privaten Schauspielunterricht, welcher sie in Verbindung mit ihrer unvergleichlichen Art und einem enormen Ehrgeiz zu ersten Rollen führte. In über 20 Theaterstücken spielte Marlene bereits bis 1929 auf unter­schiedlichen Bühnen in Deutschland. Ihr Repertoire erstreckte sich von Dramen und Revuen bis hin zu Kabarettauftritten. Diese Vielfalt verhalf ihr zu mehr Erfahrung und verbesserte ihr schauspielerisches Können.[12]

2.3 Einstieg in das Showgeschäft

Über den Zeitpunkt von Marlenes erstem Auftritt scheiden sich jedoch die Geister. In dem Buch „Marlene Dietrich Ihr Stil. Ihre Filme. Ihr Leben.“ von Marie-Theres Arnbom ist von einem Auftritt 1918 in dem Stück „Die Büchse der Pandora“ von Frank Wedekind die Rede.[13] Allerdings wird sowohl auf der offiziellen Website von Marlene Dietrich[14] als auch auf der Homepage der Deutschen Kinemathek[15] ihr erster Auftritt auf das Jahr 1922 datiert. Wahr­scheinlich entsprechen beide Informationen der Wahrheit. Die beiden Websites betrachten wohl das Debüt von 1918 in dem Stück „Die Büchse der Pandora“ als Amateurdarbietung, da Marlene die Aufführung selbst auch folgendermaßen beschreibt:

[Es war] ein Stück, in dem ich eine von den 'stummen Herumsteherinnen' war. So unglaublich es klingen mag, ich hatte keine Ahnung, worum es sich in dem Stück handelte [sic]. Ich war nur im dritten Akt auf der Bühne und saß auf einem Sofa.[16]

Bis zum Jahr 1922 spielte sie weiter nur als Statistin in den Shows mit. Im folgenden Jahr lernte sie bei Dreharbeiten zu dem Film „Tragödie der Liebe“ ihren künftigen Ehemann Rudolf Sieber kennen, mit dem sie 1924 die gemeinsame Tochter Maria bekam. Bald danach schaffte sie den Sprung an das Große Schauspielhaus in Berlin, wo sie als Witwe in der Max Reinhardt-Inszenierung „Der Widerspenstigen Zähmung“ von William Shakespeare zu sehen war. Von nun an spielte Marlene in etlichen kleinen Theaterstücken wie „Duell am Lido“ von Hans Jürgen Rehfisch mit, bis 1928 in Marcellus Schiffers Revue „Es liegt in der Luft. Ein Spiel im Waisenhaus“ ihr Gesangstalent für großen Eindruck in der Öffentlichkeit sorgte. Diese Revue kann als erster deutscher Modellversuch ei­nes Musicals bezeichnet werden.[17] Dank des großen Interesses der deutschen Bevölkerung an dieser neuen Kunstart avancierte Marlene Dietrich schnell zu einem Berliner Star. 1927 erhielt sie die Möglichkeit, für ein Jahr nach Wien zu gehen, um dort den Stummfilm „Café Elek­tric“ von Gustav Ucicky zu drehen und sich auf den Wiener Bühnen zu etablieren. Trotz des großen Erfolges mit ihren zahlreichen Stummfilmen war dieses Genre nicht ganz ihr Metier. Ihr musikalisches Ta­lent sowie ihr Temperament kamen hier nicht ausreichend zur Geltung.[18] Im Jahr 1929 begann schließlich der Siegeszug des Tonfilms. Dieser eröffnete jetzt auch Schauspielern, deren ganzes Talent vor allem durch ihre akustische Darstellung zum Ausdruck kam, neue Chancen.[19] So auch bei Marlene Dietrich, die mit dem 1930 erschienenen Tonfilm „Der Blaue Engel“ weltberühmt wurde und sogar den Sprung nach Amerika in die Filmstadt Hollywood schaffte.[20]

3. Der Blaue Engel

3.1 Handlung

Der Film „Der Blaue Engel“ kann zweifellos als Wendepunkt im Leben von Marlene Dietrich bezeichnet werden. Sie spielt darin die Nachtclubtänzerin Lola, die mit einem „Tingel-Tangel-Theater“ von Stadt zu Stadt zieht. Als der pedantische und verschrobene Professor Unrat, gespielt von Emil Jannings, anstößige Fotokarten von der jungen Tänzerin bei seinen Schülern findet, sieht er es als seine Aufgabe an, seine Schützlinge vor einem moralischen Verfall zu bewahren. Daher sucht er Lola auf, um sie wegen ihrer Unanständigkeit zur Rede zu stellen. Doch auch er verfällt ihrer verführerischen Schönheit sofort und versucht Lola so oft wie möglich zu sehen. Nach geraumer Zeit glaubt der Professor fälschlicherweise, das Herz der Sängerin erobert zu haben. Schließlich heiraten sie sogar. Nachdem er für Lola seine Stelle als Lehrer gekündigt hatte und sein Vermögen aufgebraucht war, verwahrlost Professor Unrat jedoch immer mehr. Für einen anderen Mann verlässt Lola den Professor, der daraufhin vergeblich versucht seine ehemalige Geliebte zu töten. Anschließend geht er schweren Schrittes zu seiner einstigen Schule, schleppt sich in sein Klassenzimmer und wird dort am Ende tot auf dem Lehrerpult liegend vom Hausmeister gefunden.

3.2 Bedeutung des Films

Laut Alfred Polgar setzt Sternberg, der Regisseur für diesen Film, als Hauptdarstellerin bewusst eine Dirne ein, die dies auch durch ihre Sprache, ihren Gang und ihre Haltung kenntlich macht, denn er will damit die Gesellschaft provozieren.[21] Marie-Theres Arnbom beschreibt die Bedeutung des Filmes denn auch folgendermaßen:

Er machte sie berühmt, brachte ihre Talente zum Vorschein, ließ sie aus sich herausgehen und entfachte eine Karriere, die wahrscheinlich einzigartig ist, beruhte sie vor allem auch auf einer Ausstrahlung, einer Aura, die alles überstrahlte und die Menschen in ihren Bann zog.[22]

Diese einnehmende Art sticht besonders in der Szene heraus, in der Marlene als Lola mit ge­langweilter, verführerischer Stimme beteuert: „Ich bin von Kopf bis Fuß / Auf Liebe eingestellt, / Denn das ist meine Welt. / Und sonst gar nichts.“[23]

Bis der Film letztlich ein Erfolg wurde, gab es allerdings am Set immer wieder Unstimmigkeiten zwischen den Hauptdarstellern Emil Jannings und Marlene Dietrich. Der Grund für diese Auseinandersetzungen war, dass Marlene Dietrich der bisher unangefochtenen Filmgröße Jannings nun den Rang ablief. Josef von Sternberg wollte aus ihr einen Weltstar machen und nahm sie deshalb mit in die aufstrebende Filmstadt Hollywood. Noch am Abend der Premiere von „Der Blaue Engel“ im Berliner Gloria-Palast, machte sich Marlene mit ihm auf den Weg nach Amerika.

4. „Ich hab noch einen Koffer in Berlin“ - Mit Sternberg in Hollywood

4.1 Marlenes Aufstieg zum amerikanischen Star

Marlene betrat am 07. April 1930 zum ersten Mal in New York amerikanischen Boden. „The Potsdam Peacherino“[24], wie sie die dortige Presse betitelte, wurde sofort als der neue Star gefeiert. Noch in New York bekam Marlene Angebote für erste Fotoshootings. Aufnahmen davon schickte sie signiert eigenmächtig an ihre Fans in Deutschland. Sternberg war von dieser Aktion nicht sonderlich begeistert und ordnete die unverzügliche Weiterreise nach Hollywood an. Die Ankunft in „La-La Land“[25] war dank der guten Vorbereitung von Sternberg von Glanz und Prunk begleitet. Marlene wurde mit einem grünen Rolls-Royce abgeholt und in ihre neue, luxuriöse Villa gebracht, die über reichlich Komfort, Personal, sowie einen Swimmingpool verfügte.[26]

4.2 Anfangsschwierigkeiten in den USA

Natürlich war die Eingewöhnung in das ungemein konservative, moralische Amerika für Marlene Dietrich am Anfang nicht leicht, besonders weil sie das abwechslungsreiche und frivole Berlin gewohnt war. Viele Amerikaner empfanden die Rolle der Lola im „Blauen Engel“ als unsittlich. Auch fanden es einige unpassend, dass sie, die als Sexsymbol galt, nebenbei ein Kind großzog. Sie war sozusagen ein „mütterlicher Vamp“[27], und dies war für die Amerikaner ein untragbarer Widerspruch. Die Wiener Allgemeine Zeitung schil­derte Marlenes Situation so,

'daß Marlene Dietrich ernste Schwierigkeiten wegen ihres weiteren Verbleibes in Hollywood habe. Die als hypermoralisch, aber auch als sehr einflußreich gelten­den örtlichen Frauenorganisationen von Amerika sollen sich dezidiert gegen ein künstleri­sches Wirken von Marlene Dietrich ausgesprochen haben, da man der Künstlerin nachspricht, sie stehe in sehr nahen Beziehungen zu ihrem Regisseur Sternberg, der seinerseits in Amerika bereits verheiratet sei.'[28]

Jedoch konnte sie das amerikanische Publikum in ihrem ersten in Hollywood gedrehten Film „Marocco“ davon überzeugen, dass sie nicht nur eine „billige“ Nachtclubtänzerin aus dem Film „Der Blaue Engel“, sondern auch eine gereifte, bodenständige Frau sein konnte. Zwar spielte sie in dem Film die Nachtclubsängerin Amy Jolly, aber diesmal konzentrierte sie sich auf zwei Männer, zwischen denen sie sich entscheiden musste. Dass sich ihre Figur in dem Film nicht für das Geld und somit für den reichen Gentleman La Bessiere, sondern aus Liebe für den Fremdenlegionär Tom entschied, gefiel dem amerikanischen Publikum besonders.

4.3 Politische Distanzierung von der Heimat

Insgesamt drehte Marlene mit ihrem Regisseur Sternberg sieben Filme, bis sie schließlich ihre Zusammenarbeit beendeten. Trotz des Ruhmes und ihres prunkvollen Lebens in Amerika hatte Marlene immer den Drang, in ihre alte Heimat Berlin zurückzukehren. So besuchte sie Deutschland hin und wieder. Als jedoch die Nationalsozialisten an die Macht kamen und sie für ihre Zwe­cke instrumentalisieren wollten, verließ sie Deutschland endgültig und wurde amerikanische Staatsbürge­rin. Im Herzen blieb sie allerdings Berlinerin und wollte sich lediglich vom Nazi-Regime ab­grenzen. Um ihrer Heimat zu helfen und diese von Hitler zu befreien – wie sie ihre Aufgabe formulierte – trat sie der US Army bei, um an der Seite von Amerika gegen ihr Heimatland in den Krieg zu ziehen. Ihre Verbundenheit zu Berlin zeigte sie auch in ihren Liedern, wie z.B „Ich hab noch einen Koffer in Berlin“.

In dem Lied beschreibt sie, wie schön es doch in Städ­ten wie Paris oder Rom sei, aber sie trotzdem „[...] heute noch an Berlin“[29] denke. Auch bringt sie hier zum Ausdruck, dass, weil sie diesen Koffer dort extra zurückgelassen habe, sie des­wegen nächstens wieder [nach Berlin] müsse[30].

5. „The Boys in the Backroom“ – Truppenbetreuung im zweiten Weltkrieg

5.1 Engagement gegen das Nazi-Regime von Amerika aus

Marlene bezog deutlich Stellung zur politischen Lage in Deutschland:

Ich bin Deutsche. Meine Eigenschaften, die guten wie die schlechten, sind im we­sentlichen die des deutschen Volkes, und ich hoffe, es sind mehr gute als schlechte Eigenschaften. Man kann seine Herkunft nicht ungeschehen machen. Aber ich konnte dem Weg, den meine Heimat damals ging, nicht folgen[…].[31]

Sie wollte ein Zeichen gegen das Nazi-Regime setzen. Deshalb warb sie im Radio für Kriegsanleihen, mit denen Bomben finanziert werden sollten, um Deutschland zur Kapitulation zu zwingen. Marlene versuchte, verfolgte Freunde und Kollegen bei ihrer Emigration in die USA sowohl finanziell als auch moralisch zu unterstützen. Sie war Mitglied im „Hollywood Ko­mitée“, das Geld für deutsche Kriegsflüchtlinge sammelte. Jedoch wollte sie auch die ameri­kanischen Soldaten mit ihrer Kunst direkt unterstützen. So trat sie regelmäßig in von GI´s besuchten Bars z.B. der „Hollywood Canteen“, einem von der Schauspielerin Bette Davis gegründeten Lokal auf, um ihnen Abwechslung bieten zu können. Das Ziel war die Unterhaltung der Soldaten, die freien Eintritt sowie Getränke und Essen gratis bekamen. Doch die Arbeit der Stars in der „Hollywood Canteen“ beschränkte sich nicht nur auf deren Auftritte. Marlene zum Beispiel half beim Kochen oder spülte das Geschirr ab. Nur dank die­ser freiwilligen Hilfe im Backstagebereich war es überhaupt möglich solche Lokale am Leben zu erhalten.[32]

5.2 Engagement gegen das Nazi-Regime an der Front

Doch Marlene reichte ihr bisheriges Engagement noch nicht. Sie verkaufte einen großen Anteil ihres Besitzes, da sie meinte, sie brauche Geld, um ihre Familie während ihrer Abwesenheit zu unterstützen.[33] Sie hatte den Entschluss gefasst am Kampf gegen die Nazis auch aktiv mitzuwirken. Deshalb meldete sie sich zur Truppenbetreuung und wurde der Gruppe mit dem jungen Conférencier Danny Thomas, der Komödiantin Lynn Mayberry und dem Sänger Milton Fromme zugeteilt.[34] Gemeinsam wurde in New York eine neue Bühnenshow zusammengestellt und am 04. April 1943 war es so weit: Marlene wurde ins Kriegsgebiet geschickt. Sieben Tage später hatte sie ihren ersten Auftritt vor den amerikanischen Soldaten in Algier / Algerien.

Um möglichst viele Shows an ei­nem Tag vorführen zu können, traten die Stars auf fahrbaren „Lkw-Bühnen“ auf, mit denen sie von Einheit zu Einheit reisten[35]. Marlenes nächste Station hieß Neapel. Sie zog mit den Truppen bis Rom, wo sie als Teil der Garnison die Befreiung Roms miterlebte. Allerdings erkrankte sie an einer Lungenentzündung und entkam nur dank des gerade von Sir Alexander Fleming erfundenen Penicillins dem sicheren Tod.[36] Durch die eigenen Erlebnisse im Lazarett geprägt, besuchte sie regelmäßig die Verwundeten, um ih­nen in dieser schweren Zeit beizustehen. Doch wer jetzt denkt, die Diva habe sich immer nur in der sicheren Zone aufgehalten, wortwörtlich „weit weg vom Schuss“, liegt falsch. Marlene entkam nur knapp einem Anschlag der Deutschen, als sie mit ihrem französischem Kollegen Jean-Pierre Aumont auf dem Weg zu einem Auftritt war. Die beiden Künstler schaff­ten es gerade so in sicheres Gebiet hinter die Front zu gelangen.[37] Als die amerikanischen Trup­pen nach langen, verlustreichen Kämpfen endlich in der Normandie landen konnten und das Ende des Krieges in greifbare Nähe rückte, durfte Marlene diese erfreuliche Nachricht bei einem ihrer Auftritte den Soldaten verkünden. Nachdem die Nazis im Mai 1945 kapitulierten, bekam Marlene die Möglichkeit ihre Mutter in Berlin wiederzusehen, die im November 1945 verstarb. Daraufhin verließ sie Berlin und zog nach Paris.

5.3 Auswirkungen des Einsatzes für Amerika

Ihr Engagement für Amerika im zweiten Weltkrieg sorgte in der deutschen Bevölkerung für Unmut, welcher von Aussagen des Stürmers[38] wie Marlene sei „undeutsch“[39] weiter befeuert wurde. Als sie zudem bei der Rückkehr in die USA während des Siegeszuges ihre ausgelassene Freude öffentlich zeigte, verärgerte sie dadurch die Deutschen zusätzlich.

Erst später änderte sich dies. 1960 reiste sie für ein Konzert nach Berlin, wo sie größtenteils von freundlichem Publikum empfan­gen wurde. Allerdings gab es auch dann noch einige Deutsche, die sie als „Vaterlandsverräterin“ oder „Ami-Hure“ be­zeichneten und sie mit Plakaten wie „Marlene, go home“ in ihrer Berliner Heimat beschimpften.[40] Marlene veröffentlichte 1964 den außerordentlich sinnlichen Song „Mutter, hast du mir vergeben“. Darin bedauert sie damals ihre Familie, sowie ihre Heimat verlassen zu haben und erklärt dies mit dem Vers „Das Glück lockte mich fort von dir / Fort von Heimat und Haus.“[41] Gleichzeitig beteuerte sie in ihrem Lied nachdrücklich, dass sie ihre Liebe zu Deutschland und Berlin während ihres Lebens in den USA nie verloren habe und dass sie in Amerika „fremd im fremdem Land“[42] gewesen sei.

6. „Sag mir, wo die Blumen sind“ - Zweite Karriere als Diseuse nach dem Krieg

6.1 Weg zur Diseuse

Marlenes Erfolg in ihren Filmen beruhte sowohl auf ihren schauspielerischen als auch ihren musikalischen Fähigkeiten. Ihre Stimme war einzigartig. Sie ergänzte das Wirken der Dietrich nahezu perfekt. Alfred Polgar beschreibt das besondere Timbre ihrer Stimme sehr metaphorisch folgendermaßen: „etwas wolkig Trübendes ist in ihren Klang eingeflossen“[43] „Dieses Trübende als künstlerisch wohlgelungene, bewusste Färbung des Organs […]“[44] kam besonders im „Blauen Engel“ zum Vorschein.

[...]


[1] http://zitate.net/marlene%20dietrich.html.

[2] Marie- Theres Arnbom: Marlene Dietrich. Ihr Stil. Ihre Filme. Ihr Leben. Christian Brandstätter Verlag, Wien, 2010. S.14

[3] Ebd.

[4] Die Überschriften der Kapitel über Marlene Dietrich zitieren, einer Idee von Marie Theres Arnbom folgend, Liedtitel oder Liedzeilen aus Dietrichs bekanntesten Werken.

[5] Stefan Zweig zitiert nach http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=16993

[6] Vgl. Arnbom S.20

[7] Ebd.

[8] Bezeichnung für die mitwirkenden Mädchen einer Revue

[9] Alfred Polgar: Marlene-Bild einer berühmten Zeitgenossin. Paul Zsolnay Verlag, Wien, 2015. S.8

[10] Ebd. S.9

[11] Ebd. S.12

[12] Vgl. Arnbom S.26

[13] Vgl. ebd. S.28

[14] Vgl. http://www.marlene.com/bio.html

[15] Vgl. https://www.deutsche-kinemathek.de/archive/marlene-dietrich-collection-berlin/lebensdaten

[16] Marlene Dietrich zitiert nach Arnbom S. 28

[17] Vgl. ebd. S. 32

[18] Vgl. Arnbom S.62

[19] Ebd.

[20] Die Informationen zu diesem Kapitel basieren hauptsächlich auf der Führung in der Deutschen Kinemathek.

[21] Vgl. Polgar S. 30

[22] Arnbom S. 66

[23] www.songtexte.com/songtext/marlene-dietrich/ich-bin-von-kopf-bis-fuss-auf-liebe-eingestellt-falling-in-love-again-13c2596d.html

[24] Vgl. Steffen Bach: Marlene Dietrich Life and Legend University of Minnesota, Minnesota, 1992. S. 128

[25] Spitzname für Los Angeles in Künstlerkreisen

[26] Vgl. http://www.dailymail.co.uk/news/article-2071111/Vintage-Rolls-Royce-given-Marlene-Dietrich-arrived-Hollywood-set-fetch-350-000-auction.html

[27] Polgar S. 45

[28] Arnbom S. 98

[29] http://www.songtexte.com/songtext/marlene-dietrich/ich-hab-noch-einen-koffer-in-berlin-bc25972.html

[30] Ebd.

[31] Marlene Dietrich zitiert nach Arnbom S. 143

[32] Vgl. Arnbom S. 144

[33] Vgl. ebd.

[34] Vgl. ebd. S. 147

[35] Vgl. ebd. S. 148

[36] Ebd.

[37] Ebd. S. 153

[38] Antisemitische Wochenzeitung der Nationalsozialisten

[39] Vgl. S.Fischer-Fabian: Sie verwandelten die Welt: Lebensbilder berühmter deutscher Frauen. Bastei Lübbe Verlag, Köln, 2009. S. 184

[40] Vgl. http://www.taz.de/1/archiv/?dig=2001/12/27/a0134a

[41] http://www.golyr.de/marlene-dietrich/songtext-mutter-hast-du-mir-vergeben-368354.html

[42] Ebd.

[43] Polgar S. 40

[44] Ebd.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Marlene Dietrich. Eine Diva im Berlin der goldenen Zwanziger Jahre
Untertitel
Musikstadt Berlin
Note
1,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
23
Katalognummer
V418860
ISBN (eBook)
9783668679924
ISBN (Buch)
9783668679931
Dateigröße
575 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
marlene, dietrich, eine, diva, berlin, zwanziger, jahre, musikstadt
Arbeit zitieren
Philipp Saal (Autor:in), 2016, Marlene Dietrich. Eine Diva im Berlin der goldenen Zwanziger Jahre, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/418860

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