Zu Frank Lloyd Wrights Architektur. Return to the human scale


Hausarbeit, 2018

27 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt:

I. Frank Lloyd Wright
1. Einleitung und Kurzbiografie
2. Die Theorien
3. Die Merkmale seiner Architektur

II. Bauanalyse
1. George W. Smith House
2. Dana Thomas House

III. Fazit.

IV. Anhang.

V. Literaturverzeichnis

VI. Abbildungsverzeichnis

I. Frank Lloyd Wright

1. Einleitung und Kurzbiografie

Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wird in Europa und in den USAals Nachkriegszeit bezeichnet. Für Deutschland und Österreich war esauch eine Phase der Bewältigung der NS-Diktatur. Sie ist geprägt vomBemühen, staatliche Ordnung, Wirtschaft und Infrastruktur neuaufzubauen oder wiederherzustellen und die durch den Kriegentstandenen Schäden zu beheben. Die Nachkriegszeit war häufigvon Hunger und Knappheit an Gütern aller Art geprägt.

Ab 1947 begann der Nachkriegsboom („Wirtschaftswunder“) auchin Deutschland. Während dieser Zeit nutzten auch viele Europäer ihreChance und reisten ins für sie bis damals noch fremde und weitentfernte Amerika. Viele Eindrücke waren neu. Und auch jungeArchitekten und Architektinnen trafen auf die für sie bis dato neueamerikanische Architektur. Die Hauptstadt Washington imponierte mitihren monumentalistischen Gebäuden, welche das amerikanische Motto„think big“ prägten und einen Teil der Modernen bildeten. Hochhäuser,die nahezu endlos in den Himmel ragten, dicht bebaute Quartiere,streng organisiert durch vorgegebene Straßenraster stehen im Fokusdieser neuen amerikanischen Architektur. Der Mensch alsmaßstabgebend schien hier in weiter Ferne. Das also sollte die neueWelt sein, in der so viele vom Human Scale sprachen, wo alles sodemokratisch, so offen, so buchstäblich „modern“ sein sollte?1

Befasst man sich genauer mit dem Thema des „Human Scale“, findetman auch in Amerika neben den vorreitenden Hochhausentwürfendurchaus auch Entwürfe und Einflüsse, die eine Architektur für denMenschen vorsahen und entwickelten. Frank Lloyd Wright gilt hier alseiner der stärksten Beeinflusser in den USA. Mit seinen Theorien derorganischen Architektur gestaltete er eine Art Handbuch oder Vorgabenfür eine moderne Architektur, welche den Menschen in den Vordergrundund Mittelpunkt der Architektur stellen solle. Denkt man an Frank LloydWright, denkt man doch direkt an das Falling Water House und sein Stilder „Prairie Häuser“. Und dann fragt man sich doch, ob diese Art vonEntwürfen auf den menschlichen Maßstab eingeht. Große prachtvolleEinfamilienhäuser in besonderer Lage bilden die Vorbilder für einemenschliche Architektur? Ein genauer Blick zeigt, dass das genannteBeispiel das Falling Water House erst 1937 entstand und damit nach derNiederschrift Wrights Theorien zur organischen Architektur.2

Daher werde ich im Folgenden mehr auf die frühen Entwürfe Frank LloydWrights eingehen. Um diese Entwürfe im Hinblick auf den Aspekt „thehuman scale“ zu analysieren, werde ich im ersten Abschnitt die TheorienWrights aufarbeiten. Diese bilden die Grundlage seiner Interpretation derorganischen Architektur und muss im Zuge der Debatte um eineArchitektur, welche wieder mehr auf den Menschen selbst und diemenschlichen Maßstäbe eingehen solle. Auch noch fast 100 Jahre spätererkennt man, wie sehr die Theorien Wrights noch heute umsetzbar sindund bei der Beschäftigung mit „the human scale“ unumgänglich ist. FrankLloyd Wright und sein Umgang mit dem menschlichen Maßstab gilt alsVorreiter für die menschliche Moderne in der Architektur, wobei seineTheorien oftmals auf konträre Umsetzung stoßen.3

Frank Lloyd Wright wurde am 8. Juni 1867 in Richland Center/Wisconsingeboren. Sein Vater war Anwalt und später Priester des unitarischenGlaubens, seine Mutter war Lehrerin. Schon früh soll seine Mutter ihmBilder von architektonischen Wunderwerken gezeigt haben, um ihm soden Beruf des Architekten näher zu bringen. Er studierte dann auch von1885 bis 1887 an der University of Wisconsin Ingenieurwesen. AusGeldmangel brach er sein Studium jedoch ab und arbeitete in einemArchitekturbüro in Chicago. Inhaber dieses Büros war der bekannteamerikanische Architekt Louis Sullivan, welcher dann zum LehrmeisterWrights wurde. In dieser Zeit beschäftigte er sich vor allem mitWohnhäusern und fing schnell an, sie eigenständig zu planen. 1893 kames zum Bruch mit Sullivan, so dass er sich mit einem eigenen Büroselbstständig machte.

Wright entwickelte schnell sein erstes Wohnkonzept der „Prairie Houses“.Er verband diese perfekt mit ihrer Umgebung und versah sie mit den fürdie Prärie typischen horizontalten Fensterbändern und weitherausragenden flachen Dachplatten. In seinen ersten 8 Jahren alsArchitekt baute Wright 49 Gebäude. Seine Architektur wurde schon indieser Periode als wichtiges Element des „Arts and Crafts Movement“ inAmerika angesehen. Wright arbeitete immer mehr im Einklang mit derNatur, er versuchte Abstand von traditioneller Gestaltung zu gewinnenund verband organische Formen mit geometrischen Elementen. So warWright einer der ersten seiner Zeit, der den Begriff einer „organischenBauweise“ benutzte. Es ging ihm dabei um einen organischenZusammenhang der Architektur mit den verschiedenen Elementen derKunst, der Natur und der menschlichen Lebensbereiche, also weniger imbiologischen Sinne. Die Entwicklung der Theorien zu seiner organischenBauweise entstand bereits Ende des 19. Jahrhunderts, also in den erstenJahren seines Schaffens. 4

Ende des 19. Jahrhunderts lebte Frank Lloyd Wright in der Nähe vonChicago. Er arbeitete in Chicago bei Adler und Sullivan. Hier erhielt ererstmals den Auftrag ein Wohnhaus zu entwerfen. Für seinen Chef Mr.Sullivan. Auf seinem täglichen Weg von und zur Arbeit fuhr Wrightregelmäßig an den typisch amerikanischen Präriehäusern vorbei. Diesegalten als zurückgezogene Wohnhäuser eng mit der Natur verbunden.Doch Wright war der Meinung, dass diese Häuser in allen Punkten eineLüge seien.5 Diese Erfahrungen schrieb er in seinem Buch „The NaturalHouse“ (zu Deutsch: Das Natürliche Haus) nieder und entwickelte ausdiesen Analysen seine Theorien zur Schaffung seiner Architektur. Ausdiesen Theorien kann man anschließend gewisse architektonischeMerkmale ableiten, welche Wright in seinen vielen Bauten immer wiederverwendet und welche schlussendlich die „organische Bauweise“definieren. Es ist nicht ganz einfach diese Merkmale auf jeweils eineBegrifflichkeit zu bringen und so werde ich zu Beginn auf dieanfänglichen analytischen Gedanken Wrights eingehen, umanschließend die Merkmale seiner Architektur zu nennen. In derdarauffolgenden Bauanalyse werde ich anhand der Beispiele auf dieseMerkmale genauer eingehen.6

2. Die Theorien

Ein Mangel an Einheit und Raumgefühl warf Wright dem amerikanischenPräriehaus vor. „Es was gedankenlos aufgebaut.“ Weiter kritisierte erstark die wahllose Platzwahl für das Haus und die damit fehlendeIntegration in die Landschaft und angrenzende Umgebung. Das Inneredes Hauses erhielt ebenso wenig gute Kritik. Als „eine verquälteSchachtel mit einem aufwendigen Deckel“ und „Löcher, um Licht und Lufthineinzulassen“.7

Nach der Analyse der bereits bestehenden Präriehäuser fing Frank LloydWright an seine Gedanken und Meinungen zur Architektur und zurEntwurfsfindung zu formulieren. Sein erstes Gefühl war der Hunger nachWirklichkeit und nach Aufrichtigkeit. Es war ein Wunsch nach Einfachheit,nach einem gewissen instinktiven Verhalten. Und so einfach sollte auchdie Architektur für den Menschen sein, weil Einfachheit eine gewisseGeborgenheit gibt und den Geist stärkt. Wright sagt selbst über diePrärie, dass er ihre große und in sich selbst ruhende Einfachheit liebte.Kleine Anhöhen in der Landschaft der Prärie waren genug, um nachmehr auszusehen, instinktiv und einfach. Eine nahe und ruhigeVerbundenheit mit dem Boden schien für Wright demnach der erstewichtige Aspekt seiner Theorien. Die Verbundenheit zur Natur oder auchdie Natur an sich. Diese Meinung ist für mich sehr gut nachvollziehbar,weil doch viele Häuser scheinbar aus ein und derselben Hand entworfen

wurde. Identitätslos kann man sie von ihrem Grund nehmen undproblemlos an eine andere Stelle platzieren, da es keine spürbareVerbindung zur Umgebung und zum darunter liegenden Boden gibt.„Natur bedeutet nicht einfach nur „draußen im Freien“, nicht nurVegetation, Klima und Gelände, sondern bezieht sich auf ihre Natur wieauf die Natur von Baustoffen und weiter noch auf die Natur desMenschen. Und so müsse ein Bau, um sich mit der Landschaft zuverbinden und um die Natur zu respektieren, nahe dem Boden geplantwerden.“ 8

Parallel zur Erde sich erstreckend kann der Bau sich so mit dem Boden identifizieren. Eine erste Schlussfolgerung aus diesem Aspekt der Verbundenheit zwischen Bau und Boden, führte dazu, dass Wright das Kellergeschoss für seine Gebäude abschaffte.

Mir ist nicht ganz klar, warum er eine stärkere Verbundenheit zur Natursieht, indem er das Gebäude auf anstatt in die Erde stellt. Er beschreibtes dennoch treffend als ein Gefühl, welches er beim Betrachten derPräriehäuser mit Kellergeschoss, hat. Feuchte, dunkle Kellergeschosselehnt er ab, weil sie seinem Gefühl nach nicht wohnlich sind.Durchaus verständlich ist für mich seine Meinung zur Vertikalität. VieleHochhäuser entstanden zu der Zeit. Durch die enorme Höhe erkenntWright meiner Meinung nach richtig, dass ein solcher Gebäudetyp für einWohnhaus gänzlich ungeeignet ist. „Jede Einzelheit in der Vertikalitätwird ungemein unbedeutsam…“9

Er war der Meinung, dass jedes Haus auf dem Boden und nicht im Boden beginnen solle und so plante er Fundamente auf ebener Erde, welches zusätzlich mit einem hervorstehenden Sockelprofil versehen wurde, um eben diesen Aspekt zu verdeutlichen, dass das Haus auf der Erde steht. Das Fundament mit dem Sockelprofil verband die Struktur mit dem Boden und somit auch mit der Natur.

Tief im menschlichen Instinkt verwurzelt ist das Verlangen nach Schutz. Die gestalterische Lösung, wie Wright das für damals neue Fundament noch zusätzlich betont, halte ich für sehr gelungen. Die Verbundenheit zum Boden wird durch dieses Sockelprofil gestärkt und betont gleichzeitig auch die starke Horizontalität.

„Das Schützende eines Hauses ist das Dach, welches dann auchgleichzeitig das Aussehen bestimmen kann. Wright begann nun seineHäuser nicht mehr nur als schützende Höhlen zu sehen, sondernvielmehr als ein geräumiges Obdach im Freien mit einer Beziehung nachAußen und dem damit verbundenen Ausblick zu sehen. Ein Spiel ausEinblick und Ausblick. Die Weiträumigkeit als ein Bedürfnis jedenmodernen Menschen.“10 Bei diesen Gedanken Wrights merkt man meinerMeinung nach bereits, wie stark sich seine Gedanken um die Bedürfnissedes Menschen drehen. Die Rücksichtnahme auf den modernenMenschen und dessen Ansprüche oder Sichtweisen kommen hier gut zum Ausdruck. Im Weiteren wird meine Meinung darüber noch verstärkt,denn dieser Gedanke geht nahezu in den Aspekt des menschlichenMaßstabes über.

„Die Größe der menschlichen Gestalt alle Maße einer Wohnung und diejeden Gegenstandes darin bestimmen müsse. Das menschliche Maß wardas wahre Baumaß. Warum sollten dann also nicht alle Proportionenaller Gebäude nach diesem Maß festgelegt werden? Welchen anderenMaßstab hätte ich denn benutzen können? Das war keine Richtschnur,die mir jemand gegeben hatte.“11 Dies zeigt, wie sehr Wright bei seinerPlanung auf den Menschen eingehen möchte. Für ihn ist es einenatürliche und instinktive Einstellung zur Architektur, den Menschen alsMaßstab zu nehmen, da ja die Architektur schlussendlich auch für denMenschen gebaut wird. Es liegt doch nahe einem Wohnhause imMaßstab des Menschen zu entwerfen, anstatt die Architektur undvielleicht auch das Ego des Architekten zu sehr in den Vordergrund zurücken. Ich denke dies ist leider oftmals der Fall, dass das Wesentliche,also hier der Nutzer des Hauses außer Acht gelassen wird und einemanderem Aspekt eine zu hohe Gewichtung gegeben wird. Dies istvielleicht etwas allgemein gesprochen aber dennoch sehr gut auf dieArchitektur übertragbar. Vordergründig für die Planung einesEinfamilienhauses zum Beispiel sollte doch die Familie und derenBedürfnisse, sowie Wünsche sein. Das heißt in erster Linie, dass eingewünschtes Raumprogramm erfüllt werden sollte. Doch das heißtmeiner Meinung nach auch, dass im folgenden Prozess diese Wünscheund Bedürfnisse immer vor den Wünschen und Vorstellungen desArchitekten stehen. Sonst kann es durchaus sein, dass ein Wohnhausein reines Prestigeobjekt des Architekten wird. Frank Lloyd Wright hatbereits früh erkannt, wie wichtig der Mensch für die Architektur ist und ichbin der Meinung, dass er dies bei der Planung seiner Präriehäuser auchgut umgesetzt hat.

„…und als ich erkannte, dass die Horizontale die Erdlinie desmenschlichen Lebens (die Linie der Ruhe) war, begann diese individuelleEinstellung zur Sache Frucht zu tragen.“ 12 Hier verdeutlicht Wrightnochmals seine Meinung zur horizontalen Ausrichtung seiner Entwürfe.Auch hier sieht er den menschlichen Maßstab als ausschlaggebendbeziehungsweise entscheidend an. Einhergehend mit der horizontalenAusrichtung seiner Gebäude, war auch die Gestaltung seiner Grundrisse.„Störende Zwischenwände wurden entfernt, um der Horizontalität auchim Innenraum einen stärkeren Ausdruck zu verleihen. Eine großzügigeBewegungsmöglichkeit und ein Gefühl angemessener Freiheitentstanden und beeinflussten die Wohnatmosphäre spürbar positiv.“13 Sobeschrieb Wright seine Herangehensweise bei der Gestaltung seinerneuen Präriehäuser Anfang 1900. Diese für die damalige Zeit neueGrundrissplanung hat sich bis heute etabliert und ich finde es durchaus erstaunlich, wie modern und zukunftsweisen Wright zu seiner Zeit bereitsentworfen und gedacht hat. Lichtdurchflutete, offene Räume mit wenigenZwischenwänden wünscht sich wahrscheinlich jeder heutzutage, wennman nach wichtigen Aspekten für die Traumwohnung fragt. Dennochsollte man bei der Betrachtung Wrights Äußerungen etwas genauerhinsehen oder nachlesen. So war es zu dieser Zeit auch üblich, dassman als wohlsituierte Familie Angestellte hatte, welche ebenfalls im Hauswohnten. Die Präriehäuser waren für ebensolche Familien. Demnach gibtes bei der Grundrissgestaltung eine gewisse Zonierung. Die Nebenräumefür die Bediensteten werden dann auch nur als solche Nebenräumeangesehen und folgen nicht dem Mantra „offen und fließend“. Demnachsollte man immer die Zeit und die damit verbundenen gesellschaftlichenNormen zu dieser Zeit betrachten, bevor man vorschnell Vergleiche zuheutigen Normen und Vorstellungen anstellt.

Ein wichtiger Aspekt der Lehre Wrights ist die organische Architektur. Sosieht er es als wichtig an das Gebäude als Ganzes zu entwickeln. Dieserkennt er als das größte Ideal in der Architektur an, welches bewussteinen weiteren Schritt vorwärts auf eine neue Ästhetik zugeführt wurde.Diese ununterbrochene Fortführung des Ideals nennt Wright Kontinuität.Für mich ist diese Kontinuität sehr stark in den fließenden Grundrissen zuerkennen.

Wright bezeichnet die Kontinuität als „ein natürliches Mittel eine echteorganische Architektur…zu erzielen.“ Die Plastizität wurde von Wright zurKontinuität in der Konzeption des Gebäudes als Ganzes erhoben. DieseTheorie geht mit Wrights Widerspruch zur „form follows function“ Theorieeinher. Form und Funktion müssen Teil des Ganzen sein und daher einswerden. Beziehungsweise Wright geht in seinen Aussagen noch weiterund sagt: „…Formen, die nicht nur der Funktion entsprachen, sondernweit über die bloße Funktion hinaus Ausdruck des menschlichen Geisteswaren.“14

„Nein, benutze überhaupt keine Dinge wie Pfeiler, Gebälk und Gesims.Setze keinerlei Träger als „Träger“ in das Gebäude. Nimm dieZwischenwände und die einzelnen Verbindungen heraus.“ SchreibtWright in seinem Buch the natural house. 15 Er nimmt hier eine bereitsvorher erwähnte wichtige Theorie wieder auf. Der fließende Grundrisswird nochmals deutlich mit Hilfe einer weiteren Theorie gemacht.Fließende Grundrisse deshalb, weil Form und Funktion des Hauses einswerden müssen, als Einheit funktionieren müssen. Der fließendeGrundriss ist Grundlage und Schlussfolgerung zugleich für diese neueThese Wright und gibt ihr damit eine enorme Wichtigkeit für dieorganische Bauweise.

„Man stelle sich vor, daß ein ganzes Gebäude aus Bedingungenaufwachsen könnte, so wie eine Pflanze aus dem Boden aufwächst unddich die Freiheit hat, sie selbst zu sein; man stelle sich vor, daß man sosein Leben nach der Natur des Menschen leben könnte…Das Haus: würdevoll wie ein Baum mitten in der Natur, und dennoch ein Kind des menschlichen Geistes!“ 16

Auch hier gibt es wieder eine Verbindung zu vorher gegangen ThesenWrights. Der Geist des Menschen kann seiner Meinung nach auch dannnur in der Architektur sichtbar sein, wenn die Form und Funktion eineEinheit bilden. Sinngemäß hat Wright in seinen Schriften diese Thesenoch mit der Begründung bestärkt, dass das Skelett auch nicht dasEndgültige der menschlichen Gestalt sei, und so auch die Grammatik derArchitektur, die Form, nicht aus der Funktion folgen kann. Beides bildeteine Einheit. Skelett und Gestalt bilden die Einheit, den Menschen. Undso verschmelzen Form und Funktion auch zu einer Einheit. Dieser Aspektseiner Theorien schein sehr schlüssig zu sein und dennoch schießen mirdirekt viele Fragen in den Kopf. Denn was bedeutet dies für dieArchitektur? Ist Architektur nur dann in ihrer Form vollendet, wenn sieauch eine Funktion erfüllt? Wie kann man diese These auf unsereheutige Zeit anwenden? Ist sie überhaupt noch zeitgemäß? Ich tue michschwer diese Fragen zu beantworten. Dennoch denke ich, dass wiederTeilaspekte nach wie vor geltend sind. Mit Vorsicht oder differenziertmuss die These jedoch angenommen werden. Ich bin der Meinung, dassnicht nur gute Architektur entsteht, wenn sie funktioniert. Aus einerinstinktiven Formfindung kann sich auch erst eine Funktion ergeben ohneeine Einheit zu sein. Auch der Kontrast zwischen Form und Funktionkann in der Architektur interessante Facetten hervorbringen. VielerleiFormen haben doch auch keinerlei Funktion, ob nun nur oberflächlichbetrachtet oder auch hinter die Fassade blickend. GeschwungeneGlasfronten scheinen doch, wie beispielsweise bei der Elbphilharmonie,völlig funktionslos. Doch natürlich generieren diese einen anderen,einzigartigen Ausblick. Klar subjektive Ansichtssache, meiner Meinungnach und keineswegs der Theorie „Form und Funktion als eine Einheit“folgend. Demnach sehe ich diese These Wrights als nicht mehr ganzzeitgemäß, aber dennoch diskussionsanregend bei vielenEntwurfsplanungen.17

„…eine organische Architektur, die einzige, die es erlaubt zu leben undzu leben lassen, weil sie nie zum bloßen Stil werden kann.“ Die Aspekteder Kontinuität und der damit verbundenen Theorie, dass Form undFunktion eins sein müssen, bilden den Kern der organischen Architekturnach Wright. Viele weitere Theorien stützen sich auf dieseGrundaussagen. Dieses neue Element der Plastizität bedürfe es sowohleines neues, als auch einer neuen Wissenschaft von Baustoffen. Bis datogab es wenig Literatur über die verschiedenen Baustoffe und so sah sichWright in der Pflicht den Baustoffen und deren Lehre mehr Gewicht zugeben. Wright begann die Natur der Baustoffe zu studieren.18 Nachdiesem Materialstudium entstand wohl ein wichtigster und bis heutebekanntester Teil der Theorien Wrights. Die Natur der Materialien. Das bedeutet, dass jedes Material so zu verwenden ist, wie es seinem Wesenentspricht. Jede Eigenschaft des Materials soll genutzt werden underkennbar sein. Eine Verkleidung von Backstein schien für Wrightgrotesk. Backstein muss wie Backstein aussehen und Holz soll wie Holzaussehen. Um die Materialen dann auch der fließenden Entwürfeunterzuordnen, machte Wright auch keine Trennung der Materialien fürden Innen- und Außenraum. Der fließende Grundriss sollte sich auch imAußenraum fortsetzten.19

„Bald hatte ich der Tatsache ins Auge zu sehen, daß jeder neue Baustoffeine andere (neue) Bauweise erforderte, und das bedeutete, daß einvöllig anderes Haus errichtet werden mußte.“ Diese Aussage mag für unsheute gar selbstverständlich sein. Doch ich bin der Meinung, dass Wrightfür seine Zeit ein sehr fortschrittliches Denken aufzeigte. Materialtreuevon der Anerkennung der einzelnen Baustoffe bis zu der angepasstenBauweise und dem Einsatz dieser Baustoffe ist ein zeitloses undMerkmal der modernen Architektur. Zu der Zeit Wrights hat es sichentwickelt und ist bis heute in der aktuellen Architektur gültig. SeineDenkansätze sind meiner Meinung nach erstaunlich modern. Natürlich istes für einen Architekturstudenten mittlerweile nichts neues mehr und dieheutige Architektur lebt den Begriff der Materialtreue ja förmlich. Dennochmuss man sich wieder erinnern, dass Wright genau die selben AnsätzeJahrzehnte vor unserer Zeit hatte. Erstaunlich finde ich auch, wie seinetheoretischen Überlegungen in sich stimmig sind, aufeinander aufbauenund sich instinktiv ergänzen. Die bisher erörterten Theorien greifenineinander und bauen logisch aufeinander auf. WrightsSchlussfolgerungen führen instinktiv zu einem nächsten Aspekt seinertheoretischen Überlegungen.

So kommt er auch zu der Schlussfolgerung, dass Architektur nun, also zudem Zeitpunkt Anfang 1900, nicht mehr nur als „Form, die der Funktionfolgt“, sondern Architektur für den Geist des Menschen, für das Leben,wie man es heute führt. In diesem Satz wird zum einen nochmals dieWrights Widerspruch zu Sullivans Theorie „form follows function“deutlich. Des Weiteren spricht Wright hier das erste Mal vom Geist derArchitektur. Was versteht Wright unter dem Geist der Architektur?

„In der Sprache der organischen Architektur ist das Geistige niemalsetwas, was sich von oben als eine Art Erleuchtung auf die Sacheherabläßt, sondern es existiert in der Sache selbst als ihr eigentlichesLeben. Der Geist wächst von innen heraus aufwärts und nach außen.“Wie für viele Wörter gibt es auch für das Wort Geist zweiVerwendungsmöglichkeiten. Der „Geist“ in Wrights Theorien zurorganischen Bauweise geht vorrangig auf der Innere und nicht dasÄußere einer Substanz zurück. Wright ist der Meinung, dass das Innereeiner Substanz automatisch nach außen getragen wird.20

„Unausweichlich ist es der tiefere Sinn eines Bauwerks als integrierendeSchöpfung des menschlichen Geistes, den körperhaften Ausdruck unseres Maschinenzeitalters darzustellen.“21 Ich verstehe WrightAussage hier so, dass er trotz des immer weiter entwickeltenMaschinenzeitalters eine menschenwürdige und vor allem menschlicheBauweise fordert. Das heißt, die Maschinen fungieren zwar als wichtigesWerkzeug zum Bau, dürfen aber niemals als Identität des Baus nachaußen getragen werden. Der Mensch gibt dem Gebäude seine Identitätund füllt das Innere, den Geist des Hauses. Fast poetisch kommt dieseAussage Wright daher und doch steckt viel Tiefsinn dahinter. Seinstarkes Beharren der Mensch müsse immer im Vordergrund der Planungstehen, finde ich erstaunlich und wirkt für mich gleichermaßen auch einwenig utopisch beziehungsweise beschränkt sich meiner Meinung nachauf gewisse Gebäudetypen. Zu diesen zähle ich definitiv das Wohnhaus,da es eben auch in seiner Funktion für den Menschen ist. Bei anderenGebäudetypen, wie zum Beispiel öffentliche Bauten, denke ich istschwierig den Menschen und den Geist des Inneren nach außen sichtbarzu machen, da doch diese öffentlichen Bauten nicht nur einen Menschenoder eine kleine Gruppe ansprechen soll, sondern einer breiten Masse.Ich finde hier wird klar, dass Wrights Theorien eher für Wohnhäuseranwendbar sind.

„Es muß uns ein Gefühl vermitteln, aus dem Vollen zu leben, alle Quellender Zeit, des Ortes und des Menschen an ihrem Platz nutzen und unseine Architektur schenken, die gleichzeitig eine inspirierende Umgebungals echten Ausdruck dieses Lebens schafft.“22 Hier denke ich, wirdnochmals klar, wie individuell unterschiedlich dieser Aspekt der Theoriedoch sein kann, da ja jeder Mensch anders Inspiration erfährt.

Das Wort Romantik taucht in den Schriften Wrights öfter auf und manfragt sich, ob er hiermit auf eine Epoche hinweisen möchte. Doch darumgeht es ihm nicht. Für ihn bezieht sich wie das Wort Schönheit auf eine Qualität.

„Der reaktionäre Gebrauch dieses rechtschaffenen, aber sentimentalisierten Begriffs bei Kritikern und heutigen Schriftstellern istverwirrend. Die organische Architektur betrachtet die Aktualität als diewesentliche Romantik der menschlichen Schöpfung, oder sie betrachtetdie wesentliche Romantik als aktuell in der Schöpfung. Deshalb ist dieRomantik die neue Wirklichkeit. Schöpferische Kraft ahnt das. KeineTeamarbeit kann es erfassen. Ein Ausschuss kann es lediglich alsGeschenk von inspirierten einzelnen empfangen. Im Reich derorganischen Architektur muss die menschliche Phantasie die rauheSprache der Struktur in angemessen humane Ausdrücke der Formübertragen, statt unbelebte Fassaden zu drechseln oder mit denKnochen der Konstruktion zu klappern.“23 Wright bringt hier zumAusdruck, dass die Mechanisierung des Bauens, welche durch dieIndustrialisierung immer weiter fortschritt zu seiner Zeit, im Dienst derschöpferischen Architektur stehen sollte und nicht anders herum. Die

Mechanisierung darf die Architektur nicht bestimmen, soll sie jedochfördern. Andernfalls wird keine große Architektur entstehen. Romantikbezieht sich dann auch nicht auf einen zeitlichen Abschnitt, dervergangen ist, sondern bildet die Wirklichkeit und die Aktualität ab, da sieTeil der Schöpfung ist. Schöpfung ist laut Wright nicht an eine Zeitgeknüpft. Wie Wright den Begriff Romantik interpretiert, sehe ichwiedermal als eine Rückführung seiner These des menschlichen Bauens.Die Romantik als die Schöpfung zu sehen, gibt dem Begriff eine neueDimension. Es drückt eine Qualität aus, wie der Begriff Schönheit aucheine Qualität ausdrückt.

Weiterhin machte sich Wright starke Gedanken über die Tradition. „Ich wollte echte neue Formen verwirklichen, die dem Geist der großenTradition entsprachen, und stellte fest, dass ich sie selber schaffenmußte. Ich mußte nicht nur Formen finden, die den alten (natürlichen)und den neuen (synthetischen) Baustoffen angemessen waren, sondernich mußte sie so entwerfen, daß die Maschinen (oder das Verfahren), diesie herstellen sollten, sie besser machen konnten und würden als alles,was mit der Hand schaffen konnte.“24

Dieser Ansatz knüpft stark an Wrights These, dass ein Gebäude alsGanzes gesehen werden muss, an. Er kam zu dem Entschluss, dass dieTradition viele Traditionen haben kann, wie auch die Wahrheit vieleTraditionen haben kann.25 Er vergleicht die Tradition mitGattungsprinzipien in der Natur. „Die Gattung Vögel kann als Schwärmeunendlich verschiedener Vögel von fast unvorstellbarer Vielfaltdavonfliegen: sie alle sind lediglich abgeleitet.“26 Auf die Traditionübertragen, bedeutet dies also, dass es nicht die eine wahrhafte Traditiongibt, sondern Schwärme von Traditionen, welche unvorstellbar vieleTraditionen hervorbringen können. Jedoch immer der ursprünglichenTradition abgeleitet. Fast schon zukunftsweisend sehe ich diesen Aspektseiner theoretischen Überlegungen. Starres beharren auf eine Traditionist nicht zeitgemäß und ist für die heutige Zeit völlig irrelevant. So beweistWright auch hier wieder, dass Aspekte seiner Theorien auch für unsereZeit anwendbar ist oder man sie neu interpretieren kann und vielleichtauch sollte.

Die Ornamentik spielt in der Karriere von Frank Llyod Wright von Beginnan eine wichtige Rolle. Sein Lehrmeister Sullivan gilt als starkerVerfechter der Ornamentik. Sullivan hatte für sich ein System derOrnamentik entwickelt, welches nicht wie die Ornamente aus frühererZeit aufgesetzt waren. Wright bezeichnet den neuen Umgang mitOrnamenten als das „integrierte Ornament“ und als „das Naturmuster derechten Konstruktion“.27

[...]


1 vgl. Seminarbeschreibung IFAG Uni Stuttgart

2 Vgl. Frank Lloyd Wright - The essential, Critical Writings on Architecture, Bruce Brooks Pfeiffer, veröffentlicht 2008, S.80 ff.

3 Vgl. Frank Lloyd Wright - Die Zukunft der Architektur, Albert Langen & Georg Müller, veröffentlicht 1966, S.247 ff. & 260

4 Vgl. Frank Lloyd Wright - The essential, Critical Writings on Architecture, Bruce Brooks Pfeiffer, veröffentlicht 2008, S.23 ff.

5 vgl. Frank Lloyd Wright - Das Natürliche Haus, Albert Langen & Georg Müller, veröffentlicht 1954, S. 16

6 vgl. Frank Lloyd Wright - Das Natürliche Haus, Albert Langen & Georg Müller, veröffentlicht 1954, S. 15 ff.

7 vgl. Frank Lloyd Wright - Das Natürliche Haus, Albert Langen & Georg Müller, veröffentlicht 1954, S. 16 ff.

8 vgl. Frank Lloyd Wright - Das Natürliche Haus, Albert Langen & Georg Müller, veröffentlicht 1954, S.18

9 vgl. Frank Lloyd Wright - Das Natürliche Haus, Albert Langen & Georg Müller, veröffentlicht 1954, S. 17 f.

10 vgl. Frank Lloyd Wright - Das Natürliche Haus, Albert Langen & Georg Müller, veröffentlicht 1954, S. 18 ff.

11 Siehe: Frank Lloyd Wright - Das Natürliche Haus, Albert Langen & Georg Müller, veröffentlicht 1954, S. 19

12 Siehe: Frank Lloyd Wright - Das Natürliche Haus, Albert Langen & Georg Müller, veröffentlicht 1954, S. 19

13 Vgl.: Frank Lloyd Wright - Das Natürliche Haus, Albert Langen & Georg Müller, veröffentlicht 1954, S. 19

14 Vgl.: Frank Lloyd Wright - Das Natürliche Haus, Albert Langen & Georg Müller, veröffentlicht 1954, S. 23

15 Siehe: Frank Lloyd Wright - Das Natürliche Haus, Albert Langen & Georg Müller, veröffentlicht 1954, S. 19 f.

16 Siehe: Frank Lloyd Wright - Das Natürliche Haus, Albert Langen & Georg Müller, veröffentlicht 1954, S. 45

17 Vgl. Frank Lloyd Wright - Das Natürliche Haus, Albert Langen & Georg Müller, veröffentlicht 1954, S. 23

18 Vgl. Frank Lloyd Wright - Das Natürliche Haus, Albert Langen & Georg Müller, veröffentlicht 1954, S. 19

19 Vgl.: Frank Lloyd Wright - Das Natürliche Haus, Albert Langen & Georg Müller, veröffentlicht 1954, S. 26-27

20 Vgl.: Frank Lloyd Wright - Das Natürliche Haus, Albert Langen & Georg Müller, veröffentlicht 1954, S. 33 f.

21 Vgl. Frank Lloyd Wright - Das Natürliche Haus, Albert Langen & Georg Müller, veröffentlicht 1954, S. 34

22 Vgl. Frank Lloyd Wright - Das Natürliche Haus, Albert Langen & Georg Müller, veröffentlicht 1954, S. 34 ff.

23 Vgl. Frank Lloyd Wright - Die Zukunft der Architektur, Albert Langen & Georg Müller, veröffentlicht 1966, S.247 ff. & 260

24 Vgl. Frank Lloyd Wright - Das Natürliche Haus, Albert Langen & Georg Müller, veröffentlicht 1954, S. 27

25 Vgl. Frank Lloyd Wright - Die Zukunft der Architektur, Albert Langen & Georg Müller, veröffentlicht 1966, S.247

26 Vgl. Frank Lloyd Wright - Die Zukunft der Architektur, Albert Langen & Georg Müller, veröffentlicht 1966, S.247 ff.

27 Vgl. Frank Lloyd Wright - Das Natürliche Haus, Albert Langen & Georg Müller, veröffentlicht 1954, S. 63

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Zu Frank Lloyd Wrights Architektur. Return to the human scale
Hochschule
Universität Stuttgart  (Institut für Architekturgeschichte)
Veranstaltung
Seminar
Note
1,7
Autor
Jahr
2018
Seiten
27
Katalognummer
V418533
ISBN (eBook)
9783668698185
ISBN (Buch)
9783668698192
Dateigröße
11034 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Frank Lloyd Wright, Bauanalyse, Human Scale
Arbeit zitieren
Isabelle Forschner (Autor:in), 2018, Zu Frank Lloyd Wrights Architektur. Return to the human scale, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/418533

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