Stilistische Variation des deutschen Wortschatzes in Wörterbüchern der Gegenwart

Vergleich zwischen bedeutenden Wörterbüchern der Gegenwart


Seminararbeit, 2017

17 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Gegenstand

2. Stilistik und Lexikographie
2.1. Damals und heute
2.2. Die Markierungskategorien der Gegenwart

3. Korpus und Methode

4. Ergebnisse
4.1. Schwierigkeiten stilistischer Markierungen
4.2. Abweichungen in verschiedenen Auflagen
4.3. Abweichungen in verschiedenen Wörterbüchern

5. Konklusion

1. Gegenstand

Eine Situation, die jede/r Lesende kennt: Während einer spannenden Lektüre trifft man plötzlich auf Wörter, die man nicht kennt und nicht versteht oder auf Wörter, die zwar bekannt sind, aber trotzdem nicht ganz verständlich. In beiden Fällen benötigt man hier - wenn die Lektüre erfolgreich sein soll - bestimmte Informationen zu den jeweiligen Wörtern. Helfen kann in diesem Fall beispielsweise ein allgemeines einsprachiges Bedeutungswörterbuch: So wird man im „Deutschen Universalwörterbuch“ des Dudenverlags (Duden-UW) darüber informiert, dass man unter einem Leichter ein kleines, flaches Wasserfahrzeug, welches zum Entladen von Seeschiffen verwendet wird, versteht. Weiteres findet sich die Erklärung, dass abfallen - mit Bezug auf das Segeln - bedeutet, den Kurs so zu ändern, dass der Wind voller in das Segel fällt. Der/die Leser/in wird zudem darüber informiert, dass die beiden Wörter Leichter und abfallen eine Gemeinsamkeit haben, nämlich den Hinweis „Seemannssprache“, mit dem die Zugehörigkeit der Wörter zu bestimmten Sondersprachen - abgegrenzt von der Allgemeinsprache - angezeigt wird. Betrachtet man nun weiter etwa das Wort Job im „Handwörterbuch der deutschen Gegenwartssprache“ (HDG) von 1984 und dasselbe Wort im Duden-UW aus dem Jahr 1989, dann entdeckt man bestimmte in Klammern gesetzte Zusätze, die die stilistische Bewertung von Wörtern und ihre angemessene Verwendungsweise angeben. Jedoch sind in den beiden unterschiedlichen Wörterbüchern zugleich verschiedene Zusätze, sogenannte Markierungsprädikate oder Markierungen, für das gleiche Wort angegeben. (vgl. Ludwig 1995: 284) Anders als im Duden-UW, wo der Zusatz „umgangssprachlich“ zu lesen ist, findet man im HDG den Hinweis „salopp“. Mit diesem Beispiel möchte ich zeigen, worauf das Augenmerk der vorliegenden Proseminararbeit gerichtet ist: auf der Untersuchung der Stilkennzeichnungen des deutschen Wortschatzes in unterschiedlichen Wörterbüchern und Auflagen. Aufgrund bereits vorhandener Forschungen über stilistische Abweichungen zwischen deutsch-deutschen Wörterbüchern (vgl. Braun 1981: 171) - bei denen eine Obergrenze von 70% erläutert wird - ließ sich für meine Untersuchung folgende Frage formulieren: Wie groß sind die Abweichungen der Stilkennzeichnungen zwischen verschiedenen Wörterbüchern und zwischen verschiedenen Auflagen gleicher Wörterbücher? Zu Beginn wird zunächst der theoretische Rahmen das Verständnis der Markierungspraxis von lexikalischen Einheiten in deutschen Wörterbüchern erleichtern. Weiteres werde ich auch auf das verwendete Korpus eingehen und die gewählte Methode meiner Untersuchung erläutern. Zuletzt werden die Ergebnisse in Form einer Beschreibung und Interpretation der Tabellen vorgestellt und erörtert, die auf der Grundlage der gewonnenen Daten erstellt werden konnten.

2. Stilistik und Lexikographie

2.1. Damals und heute

Die lexikographische Methode, den in Wörterbüchern verzeichneten deutschen Wortschatz mit Hilfe verschiedener stilistischer Kategorien zu klassifizieren, ist in der germanistischen Lexikographie nichts Neues. Bereits der deutsche Bibliothekar Johann Christoph Adelung, dessen wohl fundamentalstes Werk sein „Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart“ (1774–1786) ist und der deutsche Schriftsteller Joachim Heinrich Campe mit seinem „Wörterbuch der Deutschen Sprache“ (1807-1811) beschäftigten sich mit der stilistischen Markierung der Lexeme in einsprachigen synchronen Wörterbüchern. (vgl. Ludwig 1995: 281) Adelung verwendet ein System aus fünf Klassen, um so den besonderen Wert lexikalischer Einheiten zu bestimmen: die „höhere oder erhabene Schreibart“, die „edle Schreibart“, eine „Sprechart des gemeinen Lebens und vertraulichen Umgangs“, eine „niedrige Sprechart“ und die „ganz pöbelhafte Sprechart“. (vgl. ebd.) Bei Campe hingegen findet man „Wörter der höheren Schreibart“ und „niedrige Wörter“ mit weiteren spezifischen Differenzierungen. Insgesamt präsentiert und beschreibt er ausführlich in der Vorrede 14 Zeichen, die zur stilistischen Markierung und Anmerkung „landschaftlicher, veralteter und neugebildeter Wörter“ (ebd.: 282) notwendig sind. Anders als Adelung erwähnt er zudem die Wörter, die - ähnlich wie heute - nicht markiert sind, da sie allgemein üblich sind. Die Einteilungen von Adelung und Campe bildeten somit sicherlich bereits in der Vergangenheit einen wichtigen Ansatz zur stilistischen Bewertung des deutschen Wortschatzes und sind daher stark vergleichbar mit so genannten Stilschichten bzw. Stilebenen heutiger Wörterbücher. Auch gegenwärtige Angaben wie „abwertend“ oder „scherzhaft“, die zu den Stilfärbungen z ählen, kommen bereits in den alten Wörterbüchern vor. (vgl. ebd.: 281f)

2.2. Die Markierungskategorien der Gegenwart

Die systematische stilistische Zuordnung lexikalischer Einheiten zu den bereits erwähnten Kategorien Stilschichten oder Stilebenen und Stilf ärbungen bzw. Gebrauchsangaben beginnt mit dem Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache“( WDG) von 1961 und findet sich schließlich leicht abgewandelt in weiteren Wörterbüchern der Gegenwart, wie etwa dem Duden-UW oder dem HDG, wieder. (vgl. Ludwig 2009: 1583) Sowohl stilistische Fachliteratur als auch linguistische Nachschlagewerke zeigen jedoch immer abweichende Definitionen für die erwähnten Termini auf. Im Folgenden daher die wohl treffendsten:

Definition von Stilebene (HDG 1984: 22 zit. n. Ludwig 2008: 1583):

„[Eine Stilebene ist] eine innerhalb eines Kommunikationsbereichs wegen ihrer Eignung bevorzugte Möglichkeit der Sprachverwendung.“

Definition von Stilfärbung (HDG 1984: 23 zit. n. Ludwig 2008: 1585):

„[Eine Stilfärbung ist] eine innerhalb eines Kommunikationsbereichs in Verbindung mit der Stilebene wegen ihrer Eignung bevorzugte Möglichkeit spezieller Sprachverwendung. Stilfärbungen drücken spezielle Nuancen aus, mit ihnen werden zusätzliche Gebrauchshinweise gegeben.“

Weiteres bezeichnet die Stilforscherin Elise Riesel Stilschichten, auch als diastratische Markierungen bekannt, als „eine Skala von Ausdrucksschattierungen, deren Nullpunkt die normalsprachliche Basis bildet“. (Knipf-Komlósi 2006: 183) Dabei handelt es sich um Wörter, die in Wörterbüchern nicht besonders gekennzeichnet sind, da sie einen neutralen Wert haben und somit allgemein üblich sind. Ein genauerer Blick in ein Wörterbuch zeigt zudem, dass genau diese Wörter den „überwiegenden Bestandteil unseres Wortschatzes bilden“. (ebd.: 184) Lexeme, die zu einer anderen Schicht als der neutralen gehören, werden folglich mit Hilfe der entsprechenden Markierungen entweder oberhalb dieser als „gehoben“, „bildungssprachlich“ oder „dichterisch“ eingeteilt oder unterhalb der normalsprachlichen Ebene als „umgangssprachlich“, „salopp“, „derb“ oder „vulgär“ eingeteilt. (vgl. Duden-UW 2011: 18f) Nicht in jedem Wörterbuch sind auch genau diese Markierungen zu finden, denn die Zahl der Stilebenen schwankt zwischen vier und acht Schichten. Dies wird im Kapitel 3, wenn es um das Korpus der Untersuchung geht, nochmal verdeutlicht. Stilfärbungen, auch diaevaluative Markierungen genannt, geben zusätzliche Informationen zur Sprecherintention und zu Wörtern, die nach Möglichkeit eher vermieden werden sollten. (vgl. Ludwig 2008: 1585) Weiteres kann mit Hilfe dieser Markierungen die „emotional-wertende Einstellung des Textverfassers […] ausgedrückt“ (Fleischer/Michel/Starke 1993: 116) werden. Je nach Emotion, können die Wertungen dann in eine positive oder eine negative Richtung gehen, wie z.B. die Markierungen „abwertend“, „scherzhaft“, „spöttisch“ oder „verhüllend“ zeigen.

3. Korpus und Methode

Im Folgenden gehe ich nun auf das Korpus und die Methode meiner Untersuchung ein. Nach sorgfältiger Überlegung welche beiden Nachschlagewerke am geeignetsten für meine Untersuchung wären, fiel die Entscheidung auf zwei stets aktuelle einsprachige Bedeutungswörterbücher: das im Jahr 1966 von Gerhard Wahrig begründete „Deutsche Wörterbuch“ (Wahrig-DW) und das bereits in der 8. Auflage erschienene „Deutsche Universalwörterbuch“ (Duden-UW) des bekannten Dudenverlages. Die Idee war es, einen Vergleich zwischen den möglichst aktuellsten Auflagen der beiden Nachschlagewerken anzustellen, um somit mögliche Abweichungen in diastratischen und eventuell auch diaevaluativen Markierungen zu den eingetragenen Lexemen zu überprüfen. Da schon Braun (1981), wie zu Beginn dieser Arbeit bereits kurz erwähnt, bei solch einem Vergleich im WDG und Duden-GWB festgestellt hat, dass die Untergrenze der Abweichungen bei 30% und die Obergrenze bei 70% liegt (vgl. Ludwig 1995: 289), habe ich bei meiner Untersuchung ebenfalls eindeutige Differenzen erwartet. Weiteres erschien mir interessant zu untersuchen, ob auch zwischen unterschiedlichen Auflagen der gleichen Wörterbücher Abweichungen auftreten können. Nach einer weiteren längeren Recherche habe ich mich daher schlussendlich für folgende vier Wörterbücher entscheiden:

WAHRIG - Deutsches Wörterbuch in der 4. Auflage (1986)

Brockhaus WAHRIG - Deutsches Wörterbuch in der 9. Auflage (2011)

DUDEN - Deutsches Universalwörterbuch in der 2. Auflage (1989)

DUDEN - Deutsches Universalwörterbuch in der 7. Auflage (2011)

Es war mir leider nicht möglich alle lexikalischen Einheiten in den Wörterbüchern miteinander zu vergleichen, denn dies hätte den Rahmen (alleine das Duden-UW 1986 umfasst mehr als 120.000 Stichwörter und Redewendungen) dieser Proseminararbeit gesprengt. Daher habe ich mich nach dem Zufallsprinzip für die Wortstrecken abnehmen-abschießen und schmettern-Schnake entschieden und kam somit auf immerhin 247 Wörter, die ich für meine Untersuchung nutzen konnte. Da der Wandel des deutschen Wortschatzes ein unaufhaltbarer Prozess ist, bin ich davon ausgegangen, dass die meisten Wörter in den neueren Auflagen meiner gewählten Lexika in den älteren Versionen gar nicht enthalten sind. Aus diesem Grund nahm ich für die Untersuchung das älteste Werk heran - das Wahrig-DW in der 4. Auflage - und kopierte die Wörter der jeweiligen Wortstrecke in meine Tabelle. Die Wörter wurden in eine Spalte eingetragen und daneben kamen die einzelnen stilistischen Markierungen unter die Spalte mit dem jeweiligen Wörterbuch. (siehe Anhang) Zur Erleichterung bei den Eintragungen arbeitete ich mit folgenden Abkürzungen: k.M. = keine Markierung, n.e. = nicht eingetragen und dto. bei gleichen Einträgen. Bei der Untersuchung fand ein Vergleich zwischen den beiden Auflagen des Duden-UW, zwischen den beiden Auflagen des Wahrig-DW und zwischen dem Duden-UW (2011) und dem Wahrig-DW (2011) statt. Bewertet wurden alle eindeutigen diastratischen Abweichungen und die Angabe einer diaevaluativen Markierung bei nur einem der beiden verglichenen Werke und einer Nullmarkierung beim anderen Werk wurde ebenfalls als Abweichung verzeichnet. Weiteres habe ich auch die nicht eingetragenen Wörter herangezogen und als Abweichungen bewertet, da die Streichung eines Lexems für mich auch eine Art stilistische Markierung darstellt, nämlich im Sinne von „veraltet“ und daher nicht mehr in Verwendung.

Gleich zu Beginn meiner Untersuchung fiel mir jedoch zunächst einmal eine Gemeinsamkeit auf: Alle gewählten Lexika beinhalten auf den ersten Seiten neben dem Vorwort auch spezielle Hinweise zur Benutzung des Wörterbuches. Dort finden sich Informationen zur Wortwahl, zur Anordnung der Lexeme, zum Aufbau des Wörterbuchartikels und auch Erklärungen der einzelnen Angaben, wie z.B. grammatische Angaben, Angaben zur Rechtschreibung, Betonung und Aussprache, etymologische Angaben oder auch die für diese Arbeit relevanten Angaben zum Stil. Auf letzteres möchte ich nun etwas genauer eingehen, um zu zeigen, dass bereits hier einige spannende Abweichungen zwischen den Wörterbüchern auftauchen und um das verwendete Korpus der Untersuchung übersichtlicher zu erläutern. Allgemein sei hier noch gesagt, dass sowohl diastratische als auch diaevaluative Markierungen in allen Wörterbüchern verwendet werden, jedoch keines sie in den einleitenden Seiten definiert hat. Weiteres fehlen Informationen über die methodische Vorgehensweise der Bewertung lexikalische Einheiten, um folglich zu der Zuordnung zu den Stilschichten oder Stilfärbungen zu gelangen.

WAHRIG - Deutsches Wörterbuch in der 4. Auflage (1986)

Das Wahrig-DW (1986: 11) bezeichnet das Buch aufgrund der „vielen Redewendungen“ zu Beginn sogar als „Stilwörterbuch“ und beschreibt weiter die folgenden vier Stilschichten unter der Überschrift „Angaben zum Stil“ nur überblicksmäßig:

1) Hochsprachliche Begriffe: Wörter, die im ganzen deutschen Sprachraum verwendet werden und somit auch keine speziellen Hinweise benötigen (Nullmarkierungen)

2) Umgangssprache (umg.): Lexikalische Einheiten, die in einer lockeren Konversation eingesetzt werden, „Volkstümlicher als die Hochsprache“ (ebd.) und keine strenge Regelung der Grammatik - jedoch nicht vulgär

3) Vulgärsprache (vulg.): Wörter, die sich auf „Nahrungsmittelaufnahme und -ausscheidung“ und das „Geschlechtliche“ (ebd.: 12) beziehen, unterliegen einem gewissen Tabu

4) Dichtersprache (poet.): Nicht empfohlene Wörter, da sie in der Umgangssprache lächerlich wirken und als bereits abgenutzt gelten

In diesem Lexikon findet man also vier Markierungsprädikate, wobei das erste eine Nullmarkierung ist, d.h. es gibt keine spezifische Kennzeichnung neben dem Stichwort. Weiteres wird auf die Einschränkungen des Sprachgebietes, Sondersprachen und Fachsprachen hingewiesen. Diese werden hier noch gemeinsam mit den Stilebenen angegeben, in späteren Auflagen jedoch als eigene Bereiche, was sie ja auch eigentlich sind, aufgelistet.

[...]

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Stilistische Variation des deutschen Wortschatzes in Wörterbüchern der Gegenwart
Untertitel
Vergleich zwischen bedeutenden Wörterbüchern der Gegenwart
Hochschule
Universität Salzburg
Note
2,0
Autor
Jahr
2017
Seiten
17
Katalognummer
V417387
ISBN (eBook)
9783668668690
ISBN (Buch)
9783668668706
Dateigröße
651 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wörterbücher, Stilistik, Variation und Wandel, Sprachwissenschaft
Arbeit zitieren
Adela Alekic (Autor:in), 2017, Stilistische Variation des deutschen Wortschatzes in Wörterbüchern der Gegenwart, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/417387

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Stilistische Variation des deutschen Wortschatzes in Wörterbüchern der Gegenwart



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden