Institutioneller Rassismus in Deutschland? Racial Profiling in der Polizeiarbeit


Hausarbeit, 2018

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 InstitutionelleR Rassismus
2.1 Was ist Rassismus ?
2.1.1 Der Begriff der „Rasse“
2.1.2 Alltagsrassismus
2.1.3 Institutioneller Rassismus

3 Rassismus in der Polizeiarbeit
3.1 Racial Profiling und der Verstoß gegen das Grundgesetz
3.2 Die Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt
3.2.1 Der Fall Taio S.
3.2.2 Der Fall Mali T.
3.2.3 Auswertung

4 Zusammenfassung

5 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Die Vereinten Nationen (UN) werfen der Bundesrepublik Deutschland institutionellen Rassismus vor. Zu dieser Feststellung ist eine Arbeitsgruppe der UN für Menschen afrikanischer Abstammung gekommen. In einem Artikel der Wochenzeitung „DIE ZEIT“ vom 27.02.2017 kritisiert ein Expertenteam die aktuelle Lage, insbesondere von Menschen afrikanischer Herkunft in Deutschland und fordert die Regierung auf, Gegenmaßnahmen einzuleiten. Besonders das praktizierte „Racial Profiling“ müsse durch Änderungen der Gesetze vom Gesetzgeber verboten werden (vgl. Abdi-Herrle 2017).

Diese Studienarbeit soll näher auf dieses aktuelle und wichtige Thema eingehen und einen anschaulichen Einblick auf die Lage in Deutschland geben.

In Kapitel 2 werden grundlegende und zentrale Begrifflichkeiten, wie der Begriff der „Rasse“ und des „Rassismus“ erklärt, voneinander abgegrenzt und differenziert dargestellt. Auch eine Unterscheidung der Begriffe „Alltagsrassismus“ und „Institutioneller Rassismus“ wird beschrieben.

Im darauffolgenden Kapitel wird das Konzept des „Racial Profiling“ in der Polizeiarbeit näher beleuchtet. Es wird dabei auch auf die Vereinbarung mit dem Grundgesetz in der Bundesrepublik Deutschland eingegangen. Anschließend wird die „Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt“ vorgestellt. Danach folgen ausgewählte Fälle, die die umstrittene Methode in der Polizeiarbeit veranschaulichen soll.

Abschließend werden die gewonnenen Erkenntnisse – auch in Bezug auf die Soziale Arbeit – zusammengetragen.

"Niemand wird mit dem Hass auf andere Menschen wegen ihrer Hautfarbe, ethnischen Herkunft oder Religion geboren. Hass wird gelernt. Und wenn man Hass lernen kann, kann man auch lernen zu lieben. Denn Liebe ist ein viel natürlicheres Empfinden im Herzen eines Menschen als ihr Gegenteil“

(Mandela 1997, S. 833) .

2 InstitutionelleR Rassismus

Der Begriff des Rassismus ist allgegenwärtig und wird geradezu inflationär benutzt. Doch was bedeutet eigentlich Rassismus? Was ist der Unterschied zwischen dem Alltagsrassismus, den wir vielleicht auf der Straße oder im Internet erfahren und dem Rassismus, der institutionell und strukturiert abläuft?

2.1 Was ist Rassismus ?

Es gibt unzählige Definitionen von Rassismus. Die wohl allgemeingültigste und verbreitetste ist die vom Internationalen Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (ICERD)[1] vom 21. Dezember 1965. Dieses Übereinkommen wurde „von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet und ist der erste weltweite, internationale Vertrag, der den Schutz der Menschen gegen jede Form rassistischer Diskriminierung sichern soll“ (Bundesministerium für Familie, Frauen, Senioren und Jugend 2017). Am 04.01.1969 ist dieser Vertrag in Kraft getreten und wurde von der Bundesrepublik Deutschland rechtsgültig aufgenommen (vgl. ebda).

In Artikel 1 Abs. 1 heißt es:

„In diesem Übereinkommen bezeichnet der Ausdruck ‚Rassendiskriminierung´ jede auf der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung, dem nationalen Ursprung oder dem Volkstum beruhende Unterscheidung, Ausschließung, Beschränkung oder Bevorzugung, die zum Ziel oder zur Folge hat, dass dadurch ein gleichberechtigtes Anerkennen, Genießen oder Ausüben von Menschenrechten und Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder jedem sonstigen Bereich des öffentlichen Lebens vereitelt oder beeinträchtigt wird“

(Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz 2017 , S.28) .

In dieser Definition sind mehrere Aspekte interessant und zeigen die Dimensionen des Rassismus auf. Die ethnische Herkunft und das äußere Erscheinungsbild dürfen hier keine Merkmale sein, um Menschen in ihren Grundrechten und in ihren Lebensbereichen zu beschneiden oder auch zu bevorzugen. Es gilt demnach der Grundsatz der Gleichheit und der Gleichberechtigung. Werden dennoch Unterschiede gemacht oder finden Bevorzugungen und Benachteiligungen – aufgrund der Herkunft und/oder dem äußeren Erscheinungsbild - statt, dann kann man von Rassismus bzw. Rassendiskriminierung sprechen.

Besonders hervorzuheben ist, dass der Begriff der „Rasse“ benutzt wird. Dieser Begriff ist bis heute wissenschaftlich nicht haltbar und kann nicht genügend begründet bzw. festgestellt werden (vgl. Arndt 2012, S. 16f.).

2.1.1 Der Begriff der „Rasse“

Im vorherigen Kapitel wurde der Rassenbegriff bereits erwähnt und zeigt auf, dass dieser umstritten bzw. zweifelhaft ist. Der Begriff der „Rasse“ stammt ursprünglich aus der Tier- und Pflanzenwelt und wurde dann im 15. und 16. Jahrhundert auf den Menschen adaptiert (vgl. Arndt 2012, S.16; Tißberger 2017, S.23). Im Lauf der Jahrhunderte erfüllte die Unterteilung der Menschen in höhere und mindere Wesen, verschiedene Funktionen. Besonders die Legitimation von Machtverhältnissen, z. B. in der NS- und Kolonialzeit und die damit verbundene „legitimierte“ Ausbeutung, Verfolgung und Unterdrückung von „minderwertigen“ Menschen war ein positiver Effekt, den sich die herrschende Elite damals zu Nutze machte. Die Annahme, dass es unterschiedliche Wertigkeiten zwischen den „Rassen“ gibt, war also ein gutes Argument, um die Gräueltaten zu rechtfertigen (vgl. Tißberger 2017, S.34f.).

Nach dem heutigen Stand der Wissenschaft, scheint es obsolet zu sein über Rasseneinteilungen bei Menschen zu reden, denn: Die Unterschiede der DNA von Mensch zu Mensch sind verschwindend gering. Genauer gesagt hat jeder Mensch 99,7 – 99,9% identisches Genmaterial. Zudem gibt es innerhalb von ethnischen Gruppen meist mehr genetische Unterschiede als außerhalb.

D. h. konkret, dass die Gene eines Afrikaners oft mehr mit den Genen eines Europäers übereinstimmen, als mit denen eines anderen Afrikaners (vgl. Henderson 2010, S. 98).

Zusammenfassend kann man sagen, dass der Rassenbegriff eine Art Floskel ist, die wissenschaftlich wenig belastbar ist. Der amerikanische Biologe Richard Lewontin sagt sogar, dass die Rasseneinteilung keinen „sozialen Wert“ hat und sich auf „die gesellschaftlichen und zwischenmenschlichen Beziehungen höchst zerstörerisch aus[wirkt]“. Er fordert deshalb eine Abschaffung der Rasseneinteilungen, weil sie „keine genetische oder taxonomische[2] Bedeutung haben“ (Richard Lewontin zitiert in: Henderson 2010, S. 96).

„Race does not exist. But it does kill people“

(Guillaumin 1995, S. 107).

2.1.2 Alltagsrassismus

Der Alltagsrassismus hat viele Facetten und begegnet den betroffenen Menschen in vielen unterschiedlichen Situationen, z. B. im Bus, im Fußballstadion, in der Schule oder am Arbeitsplatz. Die Formen reichen von der direkten Beleidigung und Entwürdigung bis hin zu unüberlegten Aussagen und Handlungen. Der Alltagsrassismus ist somit nicht immer auf den ersten Blick erkennbar und läuft daher für viele Unbeteiligte unsichtbar ab. Er läuft auch deshalb unsichtbar ab, weil die Mehrheit der Gesellschaft für das Thema Rassismus nicht ausreichend sensibilisiert worden ist. In jeder Gesellschaft gibt es eine gemeinsame Übereinstimmung über Vorstellungen, die eine spezielle ethnische Gruppe hat. Dies liegt v. a. auch an unserer Sozialisation und ist daher eng verbunden mit unseren Erfahrungen im familiären und schulischen Umfeld. Werden also beleidigende, rassistische Ausdrücke und Handlungen im nahen Lebensumfeld der Menschen als „normal“ legitimiert, so gelten sie auch als gesellschaftlich akzeptiert, allgemeingültig und werden meist über Generationen hinweg übernommen (vgl. Nguyen 2014).

Der Alltagsrassismus geht daher von einzelnen Menschen und/oder Gruppen aus, die entweder bewusst oder unbewusst handeln. D. h., dass es auf der einen Seite Menschen gibt, die zielgerichtet andere Menschen herabstufen und auf der anderen Seite Menschen, die andere Menschen aus Gewohnheit bzw. Unwissenheit und ohne „schlechten Hintergedanken“ diffamieren. Der alltägliche Rassismus spielt sich deswegen oft auch spontan und situativ ab.

2.1.3 Institutioneller Rassismus

Anders als beim Alltagsrassismus sprechen wir beim institutionellen Rassismus von einer strukturellen Erscheinungsform, die nicht von einzelnen Personen ausgeht, sondern von verschiedenen staatlichen Einrichtungen, die mit ihren Maßnahmen einen „Zustand rassistischer oder ethnischer Diskriminierung bewirken“ (Fereidooni 2011, S. 24). Das bedeutet, dass die Institutionen Maßnahmen vollziehen, die einzelne Personen und Gruppen benachteiligen. Im Gegensatz zum Alltagsrassismus, der meist über einzelne Handlungen zum Ausdruck kommt, definiert sich der institutionelle Rassismus durch organisierte und wiederholende Prozesse eines staatlichen Organs (vgl. ebda).

Auch in der staatlich kontrollierten und überwachten Polizeiarbeit gibt es eine Methode, die bestimmte Menschengruppen offensichtlich benachteiligt. Das „Racial Profiling“ soll nun im folgenden Kapitel vorgestellt und erklärt werden und einen Zusammenhang zur institutionellen Diskriminierung herstellen.

3 Rassismus in der Polizeiarbeit

In den Medien hört, liest und sieht man immer wieder Beiträge, die kritische Polizeieinsätze zeigen. Auch offensichtlich rassistisch motivierte Vorgehensweisen seitens der Polizei kann man dabei beobachten. Die Debatten und Diskussionen danach sind meist groß angelegt und werden kontrovers diskutiert. Wie nach dem Fall Michael Brown in Ferguson/USA am 09.08.2014. Der 18-jährige war mit seinem Freund unterwegs und wurde von der Polizei angehalten. Sein Freund berichtete, dass Michael Brown seine Hände zur offensichtlichen Ergebung hochnahm und anschließend von einem Polizisten mit sechs Schuss erschossen wurde.

Der Tod des schwarzen jungen Erwachsenen löste in der Kleinstadt gewalttätige Demonstrationen aus, die über eine Woche lang anhielten (vgl. Witte 2014). Dieser Fall zeigt, dass es offenkundig Rassismus in der amerikanischen Polizeiarbeit gibt. Unterstrichen wird das durch mehrere Todesfälle, die davor und danach publik wurden. Eine Chronik der unzulässigen Tötungen von Schwarzen Menschen durch Polizisten bietet Linde (2015). Dort werden über 15 Fälle in den USA von 1991 bis Juli 2016 aufgeführt.

Natürlich sind Tötungen und Ermordungen die Spitze des Rassismus und daher auch öffentlich bekannt. In der Bundesrepublik Deutschland sind diese Dimensionen noch lange nicht erreicht und die Polizei sollte daher auch zurecht Anerkennung bekommen. Dies sieht auch Schicht (2013, S.32) so, da „die Polizei in Deutschland einen Spitzenplatz beim Schutz und beim Respektieren der Menschenrechte ein[nimmt]. Kann dies jedoch ein Grund sein, sich mit dem Erreichten zufrieden zu geben?“

Die nachfolgenden Punkte dieses Kapitels sollen veranschaulichen, warum es auch im Menschenrechtsstaat Deutschland ein gefährliches Potenzial für rassistische Entwicklungen in der Polizeiarbeit gibt.

3.1 Racial Profiling und der Verstoß gegen das Grundgesetz

Der Begriff kommt ursprünglich aus den Vereinigten Staaten von Amerika, in der die Praxis des Racial Profiling mittlerweile sehr kritisch gesehen wird.[3] Im deutschen Sprachgebrauch würde man „verdachtsunabhängige Personenkontrolle“ als Synonym verwenden (vgl. Sow 2009, S. 131). Eine geeignete Definition bietet Cremer (2013, S.4):

„Mit ‚Racial Profiling´ wird die Methode bezeichnet, das physische Erscheinungsbild, etwa Hautfarbe oder Gesichtszüge, einer Person als Entscheidungsgrundlage für polizeiliche Maßnahmen wie Personenkontrollen, Ermittlungen und Überwachungen heranzuziehen“.

Entscheidend für eine polizeiliche Kontrolle ist demnach das äußere Erscheinungsbild. U. a. die Hautfarbe spielt dabei eine zentrale Rolle, die Polizeibeamte als Argument für eine Kontrolle hernehmen. Demzufolge könnte man davon ausgehen, dass Schwarze Menschen generell mehr verdächtigt werden, als Weiße Menschen. Wenn dem so ist - und mehr Schwarze Menschen als Weiße Menschen kontrolliert werden - dann heißt das im Umkehrschluss auch, dass vermutlich mehr Straftaten innerhalb der schwarzen Bevölkerung aufgedeckt werden und der Anteil der Schwarzen Straftäter steigt (vgl. Sow 2009, S. 132).

Grundlegend in diesem Zusammenhang ist aber, warum die Polizei kontrolliert. Geschieht dies nur aufgrund der Hautfarbe oder der Herkunft einer Person, so ist das in Deutschland nach Artikel 3 Abs. 3 Grundgesetz verboten. Dieser besagt:

„Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“

(Deutschland 2017, Art. 3 Abs. 3) .

Dies sieht auch Matthias Bäcker, Professor für öffentliches Recht an der Universität Mainz so. Es darf niemand nur wegen seiner Hautfarbe kontrolliert werden. Allerdings muss man unterscheiden, da die Polizei bei der Täterbestimmung gewisse Anhaltspunkte braucht. Wenn z. B. Zeugen einen Bankräuber als Schwarzen Menschen identifizieren und diese Beschreibung bei der Polizei angeben, dann dürfen die PolizistInnen gezielt nach Schwarzen Menschen fahnden (vgl. Matthias Bäcker zitiert in: Schulz 2017).

Wenn also konkrete Verdachtsmomente und Täterbeschreibungen vorliegen, darf die Polizei gezielt nach diesen Kriterien fahnden. Gegen diesen Punkt ist wohl auch nichts einzuwenden, da die Polizei eine gewisse Basis braucht um handlungsfähig zu sein. Außerdem ist das öffentliche Interesse und der Sicherheitsgedanke der Bevölkerung von gewichtiger Bedeutung, wenn es um die Aufdeckung einer Straftat geht.

Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat hierzu bereits 2012 ein Urteil zugunsten des Klägers bestätigt. Ein 26-jähriger Schwarzer Deutscher, wurde auf einer Zugfahrt von Kassel nach Frankfurt am Main von zwei Bundespolizisten angesprochen und aufgefordert, sich auszuweisen. Der Mann hatte den Eindruck, dass die Polizisten ihn nur wegen seiner Hautfarbe kontrollierten und klagte. Das Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz gab dem Kläger in zweiter Instanz recht und verwies auf den Artikel 3 Abs. 3 des Grundgesetzes.[4]

3.2 Die Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt

Die Kampagne für Oper rassistischer Polizeigewalt (KOP) wurde 2002 gegründet und ist ein Zusammenschluss von AktivistInnen, die unterschiedliche Hilfen für Opfer rassistisch motivierter Polizeigewalt anbietet. U. a. durch finanzielle und persönliche Unterstützung bei Gerichtsverfahren (vgl. Kampagne für Opfer Rassistischer Polizeigewalt 2016, o. S. Buchrücken).

Die KOP hat sich zum Ziel gesetzt, institutionellen Rassismus und das Racial Profiling in Deutschland zu bekämpfen.

Dies soll dadurch gelingen, dass die breite Masse über diese Thematik informiert wird und die einzelnen Betroffenen, professionelle Beratung und juristische Unterstützung bekommen. Zudem will die Kampagne die verdächtigen Polizisten zu ihrer Verantwortung ziehen und sie zur Rede stellen.

Die KOP besteht aus ehrenamtlichen AktivistInnen und finanziert sich ausschließlich über Spenden und Erträge aus Veranstaltungen. In Berlin, Bremen und Kiel gibt es derzeit Anlaufstellen, die über E-Mail und/oder Telefon erreichbar sind (vgl. Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt o. J., o. S.).

Im folgenden Teil werden zwei ausgewählte Fälle vorgestellt, die die KOP dokumentiert hat. Sie sollen zur Anschaulichkeit und zum besseren Verständnis der Thematik dienen.[5]

3.2.1 Der Fall Taio S.

Vorfall: Am 3. März 2015 steht Taio S. nachmittags in Berlin-Neukölln vor einem Wettbüro und raucht eine Zigarette, als eine Gruppe von Menschen, gefolgt von Polizeibeamt_innen, an ihm vorbeirennt. Eine Polizistin fragt Taio S. nach seinem Ausweis und durchsucht ihn, wobei er seine Hose auf offener Straße bis zu den Knien herunter lassen und seine Schuhe ausziehen muss. Man findet nichts.

Kurze Zeit später kommt eine zweite Beamtin auf Taio S. zu, zeigt ihm mehrere Gegenstände, darunter eine Pall Mall Zigarettenpackung, und fragt, ob er die Gegenstände kenne. Er verneint dies, woraufhin die Beamtin sinngemäß bemerkt, dass alle Afrikaner Dealer seien. Taio S. wird aufgefordert ein Papier zu unterschreiben, was er verweigert. Die Beamtin packt ihn an der Jacke und wiederholt ihre Forderung. Dann werden ihm sein Geld und seine Aufenthaltspapiere abgenommen und er bekommt das, von ihm nicht unterschriebene, Protokoll ausgehändigt, darauf vermerkt: »Pall Mall Schachtel mit einem Druckverschlusstütchen mit grüner Btm[6] -Suspektiv-Substanz.« Taio S. sollte gezwungen werden einen Sachverhalt zu unterschreiben, der unwahr war.

3.2.2 Der Fall Mali T.

Vorfall: Es ist der 24.12., Heiligabend. Mali T., einer der Flüchtlinge, die am Oranienplatz leben, ist gegen 21:00 Uhr mit dem Fahrrad unterwegs und wird von der Polizei angehalten. Er wird nach seinen Papieren gefragt, woraufhin er der Polizei seine gültigen Papiere aushändigt. Für ihn scheint die Sache damit geklärt. Trotzdem nimmt ihn die Polizei zu seiner Verwunderung mit auf ein Polizeirevier, begründet ihm das damit, dass er sich illegal in Deutschland aufhalten würde, nimmt ihm Handy und Papiere ab, nimmt seine Fingerabdrücke und sperrt ihn über Nacht in eine Zelle ohne Bett ein. Mit der Begründung, dass am Heiligabend niemand Zuständiges vor Ort wäre, wird ihm verweigert, sich zu äußern oder weitere Fragen zu stellen. Am nächsten Morgen wird er ohne weitere Erklärungen oder Verhör entlassen. Seine Papiere bekommt er nicht zurück. Stattdessen bekommt er einen Brief, dass er sich bis zum 02. Januar bei der Ausländerbehörde melden soll. Trotz großer Angst vor einer möglichen Abschiebung, geht Mali T. am 02. Januar zur Ausländerbehörde und bekommt dort seine Papiere nach langer Wartezeit vollständig ausgehändigt. Als er den Sachbearbeiter fragt, was denn der Grund für seine Festnahme gewesen wäre, sagt dieser, dass er aus dem Festnahmeprotokoll keine Rechtsgrundlage feststellen könne.

[...]


[1] Original: International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination

[2] Die biologische Einordnung bzw. Klassifizierung von Objekten in eine Kategorie

[3] Donald Trump hat sich während des Wahlkampfes 2016 für das Racial Profiling ausgesprochen. Nachzulesen im Artikel der Wochenzeitung „DIE ZEIT“ unter: http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-06/usa-donald-trump-orlando-racial-profiling (Abruf am 10.01.2018)

[4] OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 29.10.2012, Aktenzeichen 7 A 10532/12.OVG , OVG Rheinland-Pfalz 2012, Pressemitteilung Nr. 30/2012

[5] Die Falldokumentationen befinden sich auf der Internetseite der KOP (www.kop-berlin.de) und sind als PDF-Datei unter https://kop-berlin.de/files/documents/chronik.pdf einsehbar

[6] Betäubungsmittel

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Institutioneller Rassismus in Deutschland? Racial Profiling in der Polizeiarbeit
Hochschule
Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2018
Seiten
17
Katalognummer
V416035
ISBN (eBook)
9783668658523
ISBN (Buch)
9783668658530
Dateigröße
473 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Institutioneller Rassismus, Racial Profiling, Alltagsrassismus, Polizeiarbeit, Polizeigewalt
Arbeit zitieren
Patrick Reng (Autor:in), 2018, Institutioneller Rassismus in Deutschland? Racial Profiling in der Polizeiarbeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/416035

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