Steuerspareffektbedingte Kapitalkostensenkung


Diplomarbeit, 2004

69 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungs- und Symbolverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Gang der Untersuchung

2. Grundlagen der Besteuerung von Kapitalforderungen im Privatvermögen
2.1 Die Trennung von Frucht und Stamm
2.2 Der Begriff der Finanzinnovation
2.3 Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG
2.3.1 Kapitalforderungen mit zugesagtem Entgelt und zugesagter Kapitalrückzahlung
2.3.2 Kapitalforderungen mit ungewissem Entgelt und zugesagter Kapitalrückzahlung
2.3.3 Kapitalforderungen mit zugesagtem Entgelt und ungewisser Kapitalrückzahlung
2.3.4 Irrelevanz der Bezeichnung und zivilrechtlichen Gestaltung für die steuerliche Beurteilung
2.4 Einkünfte aus Kapitalvermögen bei Übertragungsgeschäften nach § 20 Abs. 2 Nr. 4 EStG
2.4.1 Das Kriterium der Emissionsrendite
2.4.1.1 Auf- und abgezinste Kapitalforderungen
2.4.1.2 Abgetrennte Kapital- und Zinsforderungen
2.4.1.3 Kapitalforderungen ohne Stückzinsberechnung
2.4.1.4 Kapitalforderungen mit Erträgen in unterschiedlicher Höhe oder für unterschiedlich lange Zeiträume
2.4.2 Steuerliche Behandlung von Kapitalforderungen ohne Emissionsrendite mit Kapitalerträgen in ungewisser Höhe
2.4.2.1 Floating Rate Notes
2.4.2.2 Hochzins- und Umtauschanleihen
2.4.3 Das Verhältnis zwischen § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG und § 20 Abs. 2 EStG

3. Die Besteuerung von Zertifikaten
3.1 Funktionsweise und Merkmale von Zertifikaten
3.2 Ausgewählte Zertifikate-Modelle
3.2.1 Garantie-Zertifikate
3.2.1.1 Beschreibung
3.2.1.2 Besteuerung
3.2.2 Nichtgarantie-Zertifikate
3.2.2.1 Beschreibung
3.2.2.2 Besteuerung
3.2.3 Lock-in-Zertifikat von Goldman Sachs
3.2.3.1 Beschreibung
3.2.3.2 Besteuerung
3.3 Ökonomischer sowie einkommensteuerrechtlicher Vergleich mit konventionellen Kapitalanlagen

4. Thesenförmige Zusammenfassung

Anhang

Quellenverzeichnis

Abkürzungs- und Symbolverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Stripped Bonds

Abb. 2: Auszahlungsprofil Garantie-Zertifikat

Abb. 3: Auszahlungsprofil Index-Diskont-Zertifikat

Abb. 4: Auszahlungsprofil DoubleChance-Zertifikat

Abb. 5: Auszahlungsprofil Lock-in-Zertifikat

Abb. 1 (Anhang): Interne Struktur (1) des Index-Diskont-Zertifikats

Abb. 2 (Anhang): Interne Struktur (2) des Index-Diskont-Zertifikats

Abb. 3 (Anhang): Interne Struktur des DoubleChance Zertifikats

Abb. 4 (Anhang): Mögliche Strukturierung des Lock-in-Zertifikats

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Erwartete Renditen Kapitalkosten bei Diskont-Zertifikat

Tab. 2: Geforderte erwartete Nachsteuerrendite aus der Struktur

Tab. 3: Gestiegene Kapitalkosten aufgrund der Struktur

1. Einleitung

1.1 Problemstellung

Auf dem Kapitalmarkt existiert eine große Vielfalt von Finanzprodukten, die den Anforderungen der Kapitalanleger angepasst sind. Neben den Aspekten der Sicherheit und Liquidität spielt bei der Kapitalüberlassung von Seiten der Privatinvestoren die Forderung nach einer risikoadäquaten Rendite sowie die Steueroptimierung eine wichtige Rolle.[1] Im Zusammenhang mit den letztgenannten Faktoren ist für den privaten Anleger dabei die Maximierung der Rendite nach Steuern ausschlaggebend, da Erträge aus Kapitalanlagen grundsätzlich steuerpflichtig sind. Folglich sind Kapitalanlagen aus Sicht des Kapitalgebers, die einer im Vergleich zu anderen Kapitalanlagen günstigeren Besteuerung unterliegen, auch mit geringeren Renditen konkurrenzfähig. Demgegenüber fokussiert der Kapitalnehmer seine Bestrebungen darauf, eine Anlage zu kreieren, die den Anforderungen der Kapitalgeber entspricht und die zugleich eine Minimierung der Kapitalkosten für die Kapitalbeschaffung ermöglicht, um so einen maximalen Unternehmenswert zu schaffen.[2] Konstruiert der Kapitalnehmer eine Kapitalanlage, die die Nachsteuerrendite beim Kapitalgeber optimiert, erzielt er damit zugleich eine Senkung seiner Kapitalkosten. Dies führt immer wieder dazu, dass sog. Finanzinnovationen entwickelt werden, durch die eine Besteuerung – zu Lasten des Fiskus – umgangen werden soll.

Vorbehaltlich der §§ 17, 23 EStG wird der durch Realisierung von Vermögen erzielte Gewinn im Privatvermögen einkommensteuerlich grundsätzlich nicht besteuert. Werden Entgelte für die Kapitalüberlassung auf die Vermögensebene verlagert, können die Kapitalgeber somit nichtsteuerbare Erträge erzielen. Aufgrund der schrittweisen Erweiterung des § 20 EStG werden inzwischen jedoch wirtschaftlich der Ertragsebene zuzuordnende Erträge als Einkünfte aus Kapitalvermögen erfasst, selbst wenn sie zivilrechtlich auf der Vermögensebene liegen. Aufgrund dieser gesetzlichen Regelungen ist eine Verlagerung von Entgelten für die Kapitalüberlassung auf die Vermögensebene nur dann erfolgreich, wenn die Kapitalanlage rechtlich wie wirtschaftlich keiner bloßen Kapitalüberlassung entspricht. Diese Gegebenheit versucht die Kreditwirtschaft durch die Emission von Zertifikaten zu nutzen. Es handelt sich dabei um Wertpapiere, die die Tatbestandsmerkmale des § 20 EStG und damit die Besteuerung verfehlen sollen.

1.2 Gang der Untersuchung

In dieser Arbeit wird untersucht, ob mit Zertifikaten eine Finanzinnovation gefunden wurde, durch die eine Verlagerung von Zinseinkünften auf die Vermögensebene möglich ist und die damit zugleich sowohl eine Reduzierung der Steuerbelastung beim Privatanleger als auch eine Senkung der Kapitalkosten beim Kapitalnehmer im Vergleich zu herkömmlichen Kapitalanlagen impliziert. Da in diesem Zusammenhang die steuerliche Behandlung entscheidend ist, wird zunächst der Frage nachgegangen, welche Tatbestandsmerkmale der § 20 EStG umfasst und ob Zertifikate von diesen erfasst werden.[3]

Die vorliegende Diplomarbeit stellt deshalb im Kapitel 2 die derzeit geltenden Grundlagen der Besteuerung von Kapitalforderungen des Privatanlegers dar. Hierbei wird erläutert, welchen Prinzipien die Besteuerung von privaten Kapitaleinkünften folgt und wie der Begriff der Finanzinnovation innerhalb dieser Untersuchung verstanden wird. Es wird anschließend aufgezeigt, welche Tatbestandsmerkmale und die daraus resultierenden Rechtsfolgen sich aus dem aktuellen § 20 EStG als Grundlage für die Besteuerung von Kapitalforderungen und damit auch für Zertifikate ergeben. Der Schwerpunkt wird hier auf den Regelungen des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG sowie den Vorschriften des § 20 Abs. 2 EStG gelegt. Sodann wird die Verknüpfung von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu § 20 Abs. 2 EStG hergestellt, wobei die Frage beantwortet wird, ob § 20 Abs. 2 EStG lediglich § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG ergänzt oder ein eigenständiger Besteuerungstatbestand ist.

Kapitel 3 widmet sich der Wirkungsweise und Besteuerung von exemplarisch ausgewählten Zertifikate-Modellen. Anhand der Darstellung der steuerlichen Behandlung wird abschließend analysiert, ob eine Investition in Zertifikate aus Sicht der Privatanleger im Vergleich zu anderen rechtlich weniger komplexen Kapitalanlagen Vorteile bietet. Darüber hinaus orientiert sich die Analyse auch daran, inwieweit bei bestimmten Zertifikate-Modellen die Reduzierung der Kapitalkosten des emittierenden Instituts möglich ist und ob in diesem Fall Zinseinkünfte auf die Vermögensebene verlagert worden sind.

Den Abschluss der Ausarbeitungen bildet eine thesenförmige Zusammenfassung, die in Kapitel 4 die wichtigsten Untersuchungsergebnisse festhält.

2. Grundlagen der Besteuerung von Kapitalforderungen im Privatvermögen

2.1 Die Trennung von Frucht und Stamm

Der Einkommensteuer unterliegen ausschließlich die in § 2 Abs. 1 EStG genannten Einkünfte. Das deutsche Einkommensteuerrecht ist dabei geprägt durch den sog. Einkünftedualismus. So ist neben dem für betriebliche Einkünfte geltenden Prinzip der Reinvermögenszugangstheorie für den Bereich der privaten Einkünfte die Quellentheorie maßgeblich.[4] Bei der Quellentheorie handelt sich um eines der Grundprinzipien des deutschen Einkommensteuerrechts. Da sie die Basis für die vorliegende Arbeit darstellt, erfolgt hier eine kurze Erläuterung.

Einkommen resultiert entsprechend quellentheoretischer Überlegungen demnach nur aus eindeutig identifizierten und dauerhaft vorhandenen Einkommensquellen und wird als Zufluss von Geld- oder Gütereinheiten aus diesen stetig bzw. regelmäßig fließenden Quellen verstanden.[5] Dieser Theorie entsprechend gehören lediglich die „laufenden Einkünfte“, im Rahmen der Quellentheorie auch als Früchte bezeichnet, nicht aber der ihrer Erzielung dienende Vermögensstamm (Quellvermögen) zur grundsätzlich steuerbaren Einkommenssphäre. Wertsteigerungen sowie Substanz- oder Wertverluste des Vermögensstamms sind somit von der Steuerbarkeit ausgeklammert. Als Gründe hierfür werden der fehlende Entgeltcharakter von Wertsteigerungen, die geringe Bedeutung von Vermögensstammänderungen und das unregelmäßige Auftreten angeführt.[6]

An diesem Grundsatz der Trennung von Frucht und Stamm orientieren sich die Überschusseinkünfte. Diesen sind auch die nachfolgend zu untersuchenden Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG zuzurechnen. Für die Kapitaleinkünfte ist dabei eine Unterscheidung zwischen der grundsätzlich steuerlich irrelevanten Ebene wie Kapitalanlage, Vermögen oder Stamm einerseits und dem steuerbaren Bereich des (Kapital-) Ertrags bzw. der Frucht andererseits erforderlich.[7]

Unter den „laufenden Erträgen“ i.S.d. Quellentheorie werden hier nicht nur die kontinuierlich entrichteten Zinsen[8] verstanden; sie können auch zu Beginn der Kapitalüberlassung für die gesamte Nutzungsdauer berechnet und vom Kapital abgezogen oder durch Übertragung realisiert werden.[9] Einzig die wirtschaftliche Betrachtungsweise, wonach die Frucht ein Entgelt für die befristete private Nutzungsüberlassung von Geldvermögen[10] darstellt, ist dabei entscheidend für die Steuerbarkeit.[11] Demgegenüber bleibt eine Veränderung der Vermögensebene, d.h. des Stamms, grundsätzlich steuerfrei und wird lediglich unter bestimmten Umständen abgeschöpft.[12] Erfüllt § 22 i.V.m. § 23 EStG die erforderlichen Voraussetzungen, sind die realisierten Veränderungen des Stammvermögens als sonstige Einkünfte bzw. Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften steuerbar. Beträgt also der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung bei Wertpapieren weniger als ein Jahr, ist die Voraussetzung für eine steuerliche Erfassung von Wertsteigerungen des Vermögensstamms gegeben.[13]

Vor diesem Hintergrund der Trennung von Frucht und Stamm spielen die sog. Finanzinnovationen eine bedeutende Rolle. Nachfolgend wird daher der Begriff der Finanzinnovationen kurz skizziert.

2.2 Der Begriff der Finanzinnovation

Im Bereich des Finanzsektors ist eine große Bandbreite möglicher Klassifikationen innovativer Finanzinstrumente vorzufinden.[14] Da für die Besteuerung in erster Linie Finanzproduktinnovationen von Bedeutung sind, beschränkt sich die folgende Betrachtung auf diese Kategorie. Es sei erwähnt, dass der Begriff „Finanzinnovation“ kein steuerrechtlicher Begriff und somit auch nicht im EStG definiert ist.[15] Als Finanzinnovationen werden allgemein neuartige, bisher an den Finanzmärkten noch nicht angebotene oder zumindest in der Kombination ihrer Merkmale nicht verfügbare Anlage-, Finanzierungs- bzw. Sicherungsinstrumente sowie spezielle Finanzdienstleistungen bezeichnet.[16] Vor dem Hintergrund des Einkommensteuerrechts können produkttechnisch vermeintlich unbedeutende Abweichungen der Ausstattungsmerkmale von einem Standardprodukt[17] u.U. erhebliche Unterschiede in der Besteuerung beim Anleger begründen. Sie können deshalb aus steuerlicher Sicht als Finanzinnovation angesehen werden, obwohl sie keine Neuentwicklungen i.e.S.[18] darstellen. Innovationsauslösende Faktoren sind vorrangig Änderungen gesetzlicher Rahmenbedingungen, insbesondere steuerrechtliche Regelungen.[19] Diesbezüglich können sich – aufgrund der Bedeutung der Besteuerung als Hauptkostenfaktor einer privaten Geldanlage – spezifische Kapitalkostenbelastungen und deutliche Rentabilitätsgefälle zwischen den durch die Regulierung erfassten und den neuen noch unregulierten Kapital­anlagealternativen ergeben. Finanzinnovationen stellen also im Rahmen eines dynamischen Anpassungsprozesses eine Reaktion auf diese geänderten Rahmenbedingungen dar.[20]

Kapitalnutzungserträge sind nach § 20 EStG im Privatvermögen steuerbar, während dies im Gegensatz dazu bei echten Veräußerungsgewinnen im Zusammenhang mit Kapitalforderungen, wie bereits unter Gliederungspunkt 2.1 erwähnt, nur in Sonderfällen[21] der Fall ist. Für die Erträge bedeutet dies infolgedessen, dass der steuerbare Nutzungsertragsbereich vom nicht steuerbaren Vermögensertragsbereich abzugrenzen ist. Im Rahmen dieser Arbeit werden unter Finanzinnovationen Kapitalmarktprodukte, insbesondere Schuldverschreibungen, verstanden, die das Ziel verfolgen bzw. verfolgten, steuerbare Nutzungserträge in nicht steuerbare Wertzuwachsleistungen umzuqualifizieren.[22] Als Beispiel für eine solche Finanzinnovation galt bis zur Einführung des StRefG 1990 der Zerobond. Aufgrund der fehlenden gesetzlichen Regelung konnte durch diese Anlageform im Vergleich zu konventionellen Kuponanleihen bis dato eine höhere Nachsteuerrendite beim Anleger bei gleichzeitiger Kapitalkostensenkung auf Seiten der Bank erzielt werden. Der Gesetzgeber hat in Folge der steigenden Zahl von Finanzinnovationen mehrfach, durch Einführung und Erweiterung von steuerrechtlichen Regelungen, reagiert, die in der aktuellen Fassung des § 20 EStG mündeten. Welche Nutzungserträge hiervon betroffen sind, wird im weiteren Verlauf des Kapitels 2 ausführlich dargestellt.

2.3 Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG

Durch das Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz vom 21.12.1993 (StMBG)[23] wurde der Begriff der Kapitaleinkünfte erheblich erweitert. Mit dieser Neuregelung begegnete der Gesetzgeber Bestrebungen, seit der Einführung der Kapitalertragsteuer die Zinsabschlagsteuer durch immer neue Varianten von Finanzinnovationen zu unterlaufen.[24] Das Einkommensteuergesetz definiert seither in § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1, dass zu den Einkünften aus Kapitalvermögen „Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art“ gehören, „wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder gewährt worden ist, auch wenn die Höhe des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt.“

Unter dem Begriff „Erträge“ ist in Bezug auf die Überschusseinkunftsarten zunächst der steuerrechtliche Begriff „Einnahmen“ gem. § 8 EStG zu verstehen.[25] Erträge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 sind nur die Einnahmen, die durch die Kapitalüberlassung selbst veranlasst sind und vom Nutzer des Kapitals gezahlt werden.[26] Durch die Verwendung des Begriffs „Erträge“ werden von dieser Norm folglich nicht nur Zinsen, sondern auch alle Vermögensmehrungen erfasst, wenn sie bei wirtschaftlicher Betrachtung ein Entgelt für die Kapitalüberlassung darstellen.[27] Somit werden alle Erträge aus Finanzinnovationen, bei denen eine (teilweise) Verlagerung der Erträge in den Bereich nicht steuerbarer Kursgewinne erfolgen soll, nun steuerlich erfasst.[28] Auf eine Unterscheidung der Begriffe Entgelt und Ertrag kann an dieser Stelle aufgrund ihrer Inhaltsgleichheit verzichtet werden.[29] Weiterhin ist hier die Systematik der Trennung zwischen Frucht und Stamm zu erkennen. Lediglich die Erträge sollen der Besteuerung unterliegen, nicht hingegen die Veränderung der Kapitalforderung.[30]

Für das Entstehen von Erträgen, die das Eintreten der Steuerbarkeit bewirken, ist nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zunächst allgemein das Vorliegen einer Kapitalforderung erforderlich.[31] Die Formulierung „sonstige Kapitalforderungen jeder Art“ macht deutlich, dass diese Gesetzesregelung einen Auffangtatbestand zu den Tatbeständen des § 20 Abs. 1-6 und 8 EStG bildet.[32] Eine Kapitalforderung im einkommensteuerrechtlichen Sinne besteht dabei in der Überlassung von Kapital aufgrund eines Rechtsverhältnisses,[33] das nicht zur Qualifikation des überlassenen Kapitals als Eigenkapital beim Empfänger führt, aber hinsichtlich dessen dennoch kein unbedingter Rückzahlungsanspruch bestehen muss.[34] Eine Kapitalforderung ist somit jede auf Geldleistung gerichtete Forderung, unabhängig von der Überlassungsdauer oder dem Rechtsgrund des Anspruchs.[35]

Für die Steuerbarkeit einer Kapitalforderung ist alleine darauf abzustellen, dass sie allein auf Grund ihrer Beschaffenheit die in § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG genannten und in den nachfolgenden Gliederungspunkten beschriebenen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt. So geht aus der Gesetzesformulierung und –be­gründung[36] hervor, dass Kapitalertrag aus einem Kapitalnutzungsverhältnis, der eine Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG auslöst, nur dann vorliegt, wenn

- die Kapitalrückzahlung und das Entgelt sicher sind (siehe 2.3.1),
- die Kapitalrückzahlung sicher und das Entgelt ungewiss ist (siehe 2.3.2) oder
- die Kapitalrückzahlung ungewiss und das Entgelt sicher ist (siehe 2.3.3).[37]

Im Folgenden werden diese Fallunterscheidungen hinsichtlich der Besteuerung von Anleihen genauer betrachtet. Es wird dabei erläutert, welche Merkmale bzw. Tatbestandsvoraussetzungen für die Besteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG relevant sind und welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben.

2.3.1 Kapitalforderungen mit zugesagtem Entgelt und zugesagter Kapitalrückzahlung

Diese Kapitalanlageformen werden auch als festverzinsliche Wertpapiere bezeichnet. Unter der Zusage der Kapitalrückzahlung versteht man die im Vorhinein getroffene Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner über die Rückzahlung des Kapitals an den Anleger.[38] Analog verhält es sich bei der Zusage einer Entgeltzahlung für die Nutzungsüberlassung von Kapital.

Zunächst sind konventionelle Schuldverschreibungen unter diese Fallgruppe zu subsumieren. Diese „klassischen“ festverzinslichen Wertpapiere, wie Industrieobligationen, Bundes- oder €-Auslandsanleihen, weisen eine über die Laufzeit gleichmäßige Verzinsung auf. Daneben existieren aber auch Kapitalforderungen mit einer ungleichmäßigen Verzinsung,[39] die bei Wertpapieren wie z.B. Kombizins-, Step-up- und Gleitzinsanleihen[40] auftritt. Die Einlösung der Zinsscheine als Früchte der Kapitalüberlassung führt in beiden Fällen immer zu Einnahmen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG.[41] Die Rückzahlung des Vermögensstamms in Form des Nominalbetrages führt nicht zu steuerlichen Einnahmen.

§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG gilt sowohl für laufend vergütete als auch für Kapitalerträge, die erst bei Einlösung zufließen; diese Vorschrift erfasst allerdings nur den Ersterwerber, der das Wertpapier bis zum Ende der Laufzeit innehat.[42] So sind auch Anleiheformen, die ab- oder aufgezinst ausgegeben werden, während der Laufzeit keine Zinsen vergüten und bei Fälligkeit zu einem vorher festgelegten Rücknahmebetrag getilgt werden, in diese Fallgruppe einzuordnen.[43] Der nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG steuerpflichtige Kapitalertrag ergibt sich hier aus der Differenz zwischen niedrigerem Emissions- und höherem Rücknahmekurs am Lauf­zeitende. Somit stellt die positive Kursdifferenz den Ausgleich für den entgehenden laufenden Zins als Entgelt für die Kapitalüberlassung dar. Es werden dabei alle Vermögensmehrungen erfasst, wenn sie bei wirtschaftlicher Betrachtung Entgelt für die Kapitalüberlassung darstellen.[44] Aufgrund der gemeinsamen Vereinnahmung von Zins und Zinseszins zusammen mit der Kapitalforderung durch den Anleger kommt es jedoch zu keiner ausdrücklichen Trennung zwischen Kapitalstamm und Frucht. Im Ergebnis sind aus wirtschaftlicher Sicht die Zinserträge einer normalen Kuponanleihe und der Abschlag/Aufschlag bei abgezinsten/aufgezinsten Kapitalforderungen in gleicher Weise Entgelt für die Kapitalüberlassung.[45]

Analog zu den abgezinsten Kapitalforderungen ist bei der Einlösung von Schuldverschreibungen zu verfahren, die mit einem außerhalb der Staffel des BMF-Schreibens vom 24.11.1986[46] liegenden Abschlag auf den Nennwert emittiert werden. Die steuerliche Behandlung von Optionsanleihen wird in diesem Zusammenhang kontrovers diskutiert und nachfolgend dargestellt. Aufgrund der Entscheidung des BFH vom 16.5.2001, I R 102-00, ergibt sich die Möglichkeit, die Besteuerung von niedrigverzinslichen Optionsanleihen durch entsprechende Strukturierung der Anleihebedingungen zu gestalten. Nach h.M. ist der Gesamtausgabebetrag für eine Optionsanleihe in einen Preis für den Anleiheteil und einen Preis für das Optionsrecht aufzuteilen. Der sich ergebende Differenzbetrag zwischen dem rechnerischen Ausgabebetrag des Anleiheteils und dem Rückzahlungsbetrag der Optionsanleihe stellt Entgelt für die Kapitalüberlassung dar,[47] fließt im Zeitpunkt der Rückzahlung der Optionsanleihe zu und stellt für den Durchhalter Kapitalertrag nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG dar. Die Gegenansicht vertritt die Auffassung, dass das Optionsrecht eine Gegenleistung für den Verzicht des Anleihegläubigers auf eine marktübliche Verzinsung darstellt und im Zeitpunkt der Ausgabe der Optionsanleihe zufließt. Gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG ist dieser Zinsersatz zu versteuern.[48] Unabhängig davon sind in beiden Fällen die laufend aus dem Kupon gezahlten Zinsen im Zuflusszeitpunkt steuerbar.

2.3.2 Kapitalforderungen mit ungewissem Entgelt und zugesagter Kapitalrückzahlung

Neben den Forderungen mit einer festen gleichmäßigen oder ungleichmäßigen Verzinsung werden auch die Kapitalforderungen von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG erfasst, bei denen, neben der Zusage der Rückzahlung des zur Nutzung überlassenen Nennkapitals, die Höhe der Erträge von einem ungewissen Ereignis abhängen.[49] Die Sicherheit der Höhe der Entgelte ist in diesem Zusammenhang deshalb keine Tatbestandsvoraussetzung, sondern ausschließlich Sicherheit dem Grunde nach. Sicherheit dem Grunde nach meint in dem hier verwendeten Sinn, dass der Steuerpflichtige aufgrund einer Zusage durch den Kapitalnehmer oder aufgrund der wirtschaftlichen Beschaffenheit der Kapitalanlage ein Entgelt erhält und der Erhalt diese Entgelts von keinem Ereignis abhängig ist, wohl aber die Höhe des Entgelts von einem Ereignis abhängen kann.[50]

Dies ist z.B. bei den verschiedensten Variationen von Floating Rate Notes (Floater) und Reverse Floatern der Fall. Diese Wertpapiere mit unterschiedlich langen Laufzeiten, bei denen die Verzinsung in regelmäßigen Abständen dem aktuellen Kapitalmarktzins[51] angepasst wird, bezeichnet man auch als zinsvariable Anleihen. Die Zinsanpassung erfolgt bei diesen Kapitalforderungen entweder unmittelbar oder in Abhängigkeit von einem Referenzzins. Gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG sind die laufenden Zinsen aus solchen Wertpapieren steuerpflichtig.[52]

Weiterhin sind in diesem Zusammenhang Indexanleihen zu nennen, die neben einer indexierten Kapitalrückzahlung auch eine Rückzahlungsgarantie aufweisen.[53] Der sich bei Fälligkeit der Indexanleihe ergebende Mehrbetrag über die Rückzahlung des überlassenen Kapitalvermögens hinaus, stellt hier für den Anleger einen Kapitalertrag nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG dar.[54] Die in diesem Zusammenhang relevanten Garantie-Zertifikate und deren Besteuerung werden in Gliederungspunkt 3.2.1 detaillierter erläutert.

Anzumerken ist, dass nach Auffassung der Finanzverwaltung – entgegen dem Wortlaut des Gesetzes – auch die Zusage einer nur teilweisen Rückzahlung ausreicht.[55] Eine Kapitalrückzahlung liegt dann nicht vor, wenn die gesamte Rückzahlung ausschließlich von der ungewissen Entwicklung eines Index abhängt und ein Totalverlust möglich ist.[56]

2.3.3 Kapitalforderungen mit zugesagtem Entgelt und ungewisser Kapitalrückzahlung

Die Rückzahlung des überlassenen Kapitals muss für das Vorliegen von steuerpflichtigem Kapitalertrag nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG nicht zugesagt worden sein. Ein steuerpflichtiger Kapitalertrag ist nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG bereits dann gegeben, wenn für die Überlassung von Kapitalvermögen zur Nutzung lediglich ein Entgelt zugesagt wird, die vollständige Rückzahlung des überlassenen Kapitalvermögens jedoch nicht zugesichert bzw. geleistet worden ist. Für den Inhaber einer solchen Schuldverschreibung beinhalten diese Anlageformen neben einer meist über dem Marktzinsniveau liegenden Verzinsung ein Rückzahlungsrisiko, da der Rückzahlungsbetrag von der Entwicklung eines Indexes, meist einer bestimmten Aktie oder einem Aktienkorb, abhängt.[57] Die jährlich anfallenden Zinsen werden durch § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG erfasst. Eine Rückzahlung des überlassenen Kapitalvermögens unter dem Nennbetrag führt zu negativen Einnahmen. Zu solchen Kapitalforderungen gehören Aktien- bzw. Hochzinsanleihen. Das Pendant sind Umtauschanleihen, die bei Rückzahlung in Aktien regelmäßig zu positiven Erträgen führen.

Das Tatbestandsmerkmal „wenn die Höhe des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt“ ist nur dann relevant, wenn die Rückzahlung des Kapitals nicht zugesagt ist, aber ein Entgelt dem Grunde nach. Die Höhe dieses Entgeltes ist wiederum ungewiss. Sofern nämlich die Kapitalrückzahlung dem Grunde nach zugesagt ist, sind ohnehin alle sicheren oder ungewissen Erträge steuerbar.[58] Von praktischer Bedeutung ist das vorgenannte Tatbestandsmerkmal etwa bei Indexanleihen bei denen sowohl der Rückzahlungsbetrag als auch die während der Laufzeit gezahlten Nutzungsentgelte von der Höhe eines Indexes abhängig sind. Dabei ist die Rückzahlung nicht zugesagt, wohl aber ein Nutzungsentgelt dem Grunde nach. Das Nutzungsentgelt ist jedoch im vorhinein bezüglich der Höhe unbestimmt.[59] Die sich ergebenden Zinszahlungen unterliegen gleichfalls der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG.

2.3.4 Irrelevanz der Bezeichnung und zivilrechtlichen Gestaltung für die steuerliche Beurteilung

Neben den bisher erläuterten Fallunterscheidungen (2.3.1 – 2.3.3) erfolgt darüber hinaus eine Besteuerung von Erträgen aus sonstigen Kapitalforderungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 EStG unabhängig davon, wie die Kapitalanlage bezeichnet und wie sie zivilrechtlich ausgestaltet ist. Mit dieser Regelung sollen Gestaltungen erfasst werden, die wirtschaftlich die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG erfüllen, zivilrechtlich jedoch nicht als Kapitalüberlassung in Form einer Kapitalforderung gelten.[60]

Deshalb ist hier die Formulierung Kapitalanlage auch umfassender als der Begriff Kapitalforderung. Bei den im Satz 2 angesprochenen Sachverhalten liegt keine Kapitalforderung i.S. des ersten Satzes der Vorschrift vor, d.h., es wird insbesondere zivilrechtlich kein Kapital zur Nutzung überlassen. Durch den Bezug auf den ersten Satz („Dies gilt…“) müssen jedoch auch hier Erträge aus Kapitalforderungen vorliegen. Die Verwendung des Begriffs der Kapitalanlage ist verknüpft mit folgender Überprüfung: Steht hinter einer zivilrechtlich frei zu gestalteten Kapitalanlage wirtschaftlich eine Kapitalforderung im einkommensteuerrechtlichen Sinne, sind die Erträge bei Vorliegen der Tatbestandsmerkmale (Rückzahlung eines bestimmten Betrages oder bestimmter Ertrag) aus dieser Kapitalanlage durch § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG steuerlich zu erfassen. Kapitalforderungen stellen somit im einkommensteuerrechtlichen Sinne alle Kapitalanlagen dar, die unabhängig von ihrer zivilrechtlichen Gestaltung eine Kapitalüberlassung beinhalten, die beim Kapitalnutzer kein Eigenkapital darstellt.[61] Es ist also allein auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise[62] abzuzielen.

In Zusammenhang mit Satz 2 kommt des Weiteren dem Tatbestandsmerkmal aus Satz 1 „oder gewährt worden ist“ Relevanz zu. Hiermit sollen die Fälle erfasst werden, in denen ohne eine ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung die Rückzahlung des überlassenen Kapitals oder die Leistung eines Entgelts aufgrund der Ausgestaltung der Kapitalanlage sicher ist.[63] Für das Vorliegen der Gewähr der Kapitalrückzahlung soll es nach allgemeiner Auffassung auf den Zeitpunkt der Emission ankommen.[64] Eine nachträglich erfolgende Gewährung, also nicht von Anbeginn sichere Kapitalrückzahlungen, genügt demnach nicht, um von einer Kapitalforderung mit Gewähr der Kapitalrückzahlung im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu sprechen.[65] Kapitalertrag i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG wird demnach - wie in der Gesetzesbegründung ausgeführt - nicht erzielt, wenn weder die Rückzahlung des Kapitalvermögens noch ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens sicher sind.[66]

Dadurch fallen insbesondere Wertpapierkombinationen wie Capped oder Range Warrants sowie versicherte Indexzertifikate unter bestimmten Bedingungen bei ihrer (gemeinsamen) Einlösung unter die Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG.[67] Hinsichtlich der Besteuerung von Capped Warrants weichen die Auffassungen der Finanzverwaltung und der Literatur dahin gehend von einander ab, wann die Steuerbarkeit greift. So sieht die OFD Kiel[68] eine Steuerpflicht schon dann als gegeben, wenn die Optionsscheine getrennt erworben und anschließend gemeinsam verkauft bzw. ausgeübt werden. Nach Ansicht der Literatur ist die Steuerbarkeit erst dann erfüllt, wenn die aufeinander abgestimmten Optionsscheine gemeinsam „aus einer Hand im Paket“[69] gekauft und später ausgeübt werden. Die Zahlungsströme entsprechen dann wirtschaftlich denjenigen eines Zerobonds. Werden hingegen die einzelnen Komponenten des Capped Warrants isoliert erworben, ergibt sich kein der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG unterliegendes Rechtsgeschäft.[70] Gleiches gilt für den Fall, dass die gegenläufigen Optionsscheine von einander getrennt veräußert werden. Eine etwaige Vermögensmehrung führt dann bei diesen Spekulationspapieren nicht zu steuerpflichtigem Kapitalertrag.[71]

Ferner betrifft diese Vorschrift z.B. als „Optionsscheine“ bezeichnete Wertpapiere, die mit dem Optionsgeschäft im üblicherweise verstandenen Sinn nichts gemein haben. In diesem Fall kann hier weder eine Option ausgeübt noch können Wertpapiere erworben bzw. veräußert werden. Es werden bei diesen „Optionsmodellen“ reine Geldzahlungsansprüche verbrieft, die bei Eintritt bestimmter Bedingungen über die Rückzahlung des überlassenen Kapitalvermögens und ggf. eine bestimmte, von vornherein feststehende Mindestverzinsung hinausgehen und zu steuerpflichtigem Kapitalertrag nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG führen. Wirtschaftlich betrachtet handelt es sich bei diesen „Optionsscheinen“ oder aber auch bei Zertifikaten um Anleihen mit ungewissem Kapitalertrag (ausführlicher dazu auch im Gliederungspunkt 3.).[72]

Bezüglich § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 ist § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG anzuführen. Hier heißt es, dass zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen auch besondere Entgelte und Vorteile gehören, die neben den in Abs. 1 bezeichneten Einnahmen oder an deren Stelle gewährt werden. Abs. 2 Nr. 1 kommt dabei aber nicht die Bedeutung eines eigenständigen Besteuerungstatbestandes zu. Er bringt vielmehr einen allgemeinen Grundsatz im Steuerrecht zum Ausdruck, dass es weder auf die Bezeichnung der Erträge noch darauf ankommt, ob sie in offener oder verschleierter Form gewährt werden. Die Regelung stellt klar, dass zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen alle Vermögensmehrungen gehören, die unabhängig vom jeweiligen Rechtsgrund bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise Entgelt für die Kapitalnutzung sind. Veräußerungsgeschäfte sind nicht Gegenstand der Regelung.[73] Diese sind allein in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2-4 geregelt und werden im Folgenden detailliert dargestellt.

2.4 Einkünfte aus Kapitalvermögen bei Übertragungsgeschäften nach § 20 Abs. 2 Nr. 4 EStG

Aus der Veräußerung von Kapitalforderungen erzielte Einnahmen, die wirtschaftlich als Fruchtziehung zu beurteilen sind, wurden anfangs nur bei Zerobonds durch die Einfügung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG im Rahmen des StRefG 1990 erfasst. Eine deutliche Erweiterung erfolgte durch das StMBG mit dem Ziel, steuervermeidende Gestaltungen durch Finanzinnovationen einzuschränken. Insbesondere die Versuche, mittels Übertragungsgeschäfte steuerpflichtige Nutzungsentgelte in steuerfreie Wertzuwächse umzuwandeln, wurden unterbunden.[74] Die grundsätzliche Trennung von steuerfreien Wertzuwächsen im Privatvermögen einerseits und steuerpflichtigen Kapitaleinkünften andererseits wurde jedoch beibehalten.[75] Der Gesetzgeber hat mit der durch das StMBG eingefügten Neuregelung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG so die Erfassung von verdeckten Zinserträgen bei Finanzinnovationen gesetzlich abgesichert.[76] Er wollte klarstellen, „dass Vorteile, die unabhängig von ihrer Bezeichnung und ihrer zivilrechtlichen Gestaltung bei wirtschaftlicher Betrachtung für die Überlassung von Kapitalvermögen zur Nutzung erzielt werden, zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören“.[77] Ausschließlich § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG entscheidet darüber, ob nach den Emissionsbedingungen eines Finanzproduktes hieraus Einnahmen aus Kapitalvermögen erzielt werden. Daher kommt § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG zunächst nur die Funktion zu, für die dort geregelten Fälle der Übertragung die für die Besteuerung relevante Bemessungsgrundlagen zu bestimmen.[78] Während demzufolge § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG mit seiner Tatbestandsumschreibung der Einnahmen aus Kapitalvermögen den endeinlösenden Ersterwerber im Blickfeld hat, erfasst die Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG die besitzzeitanteilige Besteuerung im Falle der Übertragung einer Gruppe Finanzprodukte, die durch eine nicht stetige oder ungleichmäßige Auszahlung gekennzeichnet sind.[79] So kann bei Finanzinnovationen im Veräußerungspreis ein Veräußerungszinsertrag enthalten sein, der nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG zur Besteuerung herangezogen wird.[80] Dabei werden jedoch nur bestimmte Veräußerungsgewinne, die der Gesetzgeber als Kapitalerträge ansieht, besteuert. Erfüllt ein Veräußerungsvorgang also keinen der in § 20 Abs. 2 Nr. 4 EStG genannten Tatbestände, entsteht daraus auch kein steuerpflichtiger Kapitalertrag.[81] Somit werden die Besteuerungstatbestände des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG durch die Regelungen des § 20 Abs. 2 EStG ergänzt.

[...]


[1] Vgl. Wahl (2000), S. 13.

[2] Vgl. Schmidt/Terberger (1997), S. 240.

[3] Da die Zinsabschlagsteuer § 43 EStG lediglich eine Vorauszahlung auf die Einkommensteuer darstellt, soll sie im Rahmen dieser Arbeit nicht gesondert berücksichtigt werden.

[4] Vgl. Korn (2001), S. 1508.

[5] Vgl. Lang, in: Tipke/Lang/Seer (2002), Steuerrecht, § 9, Rz. 50, S. 221.

[6] Vgl. Krawitz (1996), S. 1267-1269.

[7] Vgl. Korn (2001), S. 1507 f., m.w.N.

[8] Zinsen stellen ein gewinn- und umsatzunabhängiges Entgelt für die Überlassung von Kapital dar.

[9] Vgl. Krawitz (1996), S. 1268.

[10] Vgl. Geurts (2003), in Bordewin/Brandt, § 20 EStG Rz. 1.

[11] Vgl. Korn (2001), S. 1507 f.

[12] Vgl. Heinicke (2004), in Schmidt, § 20 EStG Rn. 3; § 22 EStG Rn. 2.

[13] § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1-4 EStG.

[14] Hierbei unterscheidet man zwischen den Bereichen Finanzprodukt-, Finanzmarkt- und Finanzprozessinnovationen, vgl. Krawitz (1996), S. 1266.

[15] Vgl. Harenberg (2002), S. 12151.

[16] Vgl. Eller (1995), S. 17.

[17] Z.B. Emittent, Nennwert, Laufzeit, Währung und insbesondere Verzinsung sowie Rückzahlung; vgl. Harenberg (2002), S. 12151.

[18] Vgl. Bierfelder (1989), Innovationsmanagement, S. 2.

[19] So z.B. das StRefG, das StMBG oder das StÄndG 2001.

[20] Vgl. Krawitz (1996), S. 1266.

[21] § 17 (wesentliche Beteiligung), § 23 (Veräußerungsgewinn) EStG. Hiervon soll im Rahmen dieser Arbeit abstrahiert werden.

[22] Vgl. Heinicke (2004), in Schmidt, § 20 EStG, Rn. 170.

[23] BStBl. I 1994, S. 50.

[24] Vgl. Wagner (2002), S. 300.

[25] Vgl. Korn (2001), S. 1508.

[26] Vgl. Schumacher (Erträge aus privaten Kapitalforderungen, 1996), S. 133.

[27] BFH, Urt. v. 2.3.1993, VIII R 13/91, BStBl. II 1993, S. 602 f.

[28] Vgl. Harenberg, in Herrmann/Heuer/Raupach, § 20 EStG Rn. 201.

[29] Vgl. Schumacher (Erträge aus privaten Kapitalforderungen, 1996), S. 133.

[30] Vgl. Lohr (2000), S. 644.

[31] Vgl. Bödecker/Geitzenauer (2003), S. 1211.

[32] BFH, Urt. v. 12.9.1985, VIII R 306/81, BStBl. II 1986, S. 252.

[33] Denkbar sind jedoch auch Kapitalforderungen, die nicht auf einem Rechtsgrund beruhen; vgl. BFH v. 25.10.1994, VIII R 79/91, BStBl. II 1995, S. 126.

[34] Vgl. Schumacher (Erträge aus privaten Kapitalforderungen, 1996), S. 131.

[35] Vgl. Heinicke (2004), in Schmidt, § 20 EStG, Rz. 160.

[36] Vgl. BT-Drs. 12/6078, S. 122.

[37] Vgl. Geurts (2003), in Bordewin/Brandt, § 20 EStG, Rn. 333 f.

[38] Vgl. Schumacher, (Erträge aus privaten Kapitalforderungen, 1996), S. 135 f.

[39] Diese Anleihekonstruktionen zählen zu den festverzinslichen Wertpapieren, obwohl die jährlichen Zinszahlungen in ihrer Höhe variieren. Sie sind jedoch bereits im Emissionszeitpunkt festgelegt und fixiert. Vgl. dazu Wagner/Wangler (1992), DB, S. 2405.

[40] Zur Charakteristika dieser Kapitalanlagen vgl. Scheurle (1994), S. 445.

[41] Vgl. Harenberg/Irmer (2003), Rn. 796, S. 266.

[42] Vgl. Stuhrmann (2004), in Blümich § 20, Rn. 293.

[43] Ab- und aufgezinste Kapitalforderungen sind u.a. Zero-Bonds, Finanzierungsschätze, Unverzinsliche Finanzierungsschätze, Sparbriefe, Bundesschatzbriefe Typ B.

[44] BFH, Urt. v. 2.3.1993, VIII R 13/91, BStBl. II 1993, S. 602 f.

[45] Vgl. Krawitz (1996), S. 1271, m.w.N.

[46] BMF-Schreiben vom 24.11.1986, IV B 4 – S 2252 – 180/86, BStBl. I 1986, S. 539.

[47] Dies gilt jedoch nur, wenn der Differenzbetrag außerhalb der Disagio-Staffel liegt, s.o.

[48] Vgl. Haisch (2001), S. 1968-1970.

[49] Vgl. Harenberg/Irmer (2003), Rn. 802.

[50] Vgl. Korn (2001), S. 1508.

[51] Beispielsweise LIBOR oder EURIBOR, die auch als Referenzzinssätze bezeichnet werden.

[52] Vgl. Harenberg/Irmer (2003), Rn. 807; siehe auch: Fleischmann (1996), S. 2579.

[53] Vgl. Harenberg/Irmer (2003), Rn. 804.

[54] Vgl. Scheurle (1994), S. 446.

[55] Vgl. BMF-Schreiben vom 16.3.1999, IV C 1 – S 2252 – 87/99, BStBl. I 1999, S. 433.

[56] Vgl. BMF-Schreiben vom 14.1.1998, IV B 4 - S 2252 - 2/98, DB (1998), S. 497.

[57] Vgl. Scheurle (1994), S. 446.

[58] Vgl. Geurts (2003), in Bordewin/Brandt, § 20 EStG, Rn. 347.

[59] Vgl. Schumacher (Erträge aus privaten Kapitalforderungen, 1996), S. 135.

[60] Vgl. Schumacher (1996a), S. 1506.

[61] Vgl. Schumacher (1996a), S. 1506.

[62] Vgl. Beschluss des BVerfG v. 27.12.1991, BStBl. II 1992, S. 212 f.

[63] BMF, Schreiben vom 14.1.1998 – IV B 4 – S 2252 – 2/98, DB 1998, S. 497.

[64] Vgl. Hamacher (2000), S. 2399; Lohr/Kanzler (1998), S. 2340.

[65] Bödecker/Geitzenauer (2003), S. 1212.

[66] Vgl. Geurts (2003), in Bordewin/Brandt, § 20 EStG, Rn. 346. Siehe auch BT-Drucksache 12/6078, S. 122.

[67] Vgl. Delp (2003), S.1595-1597.

[68] OFD Kiel vom 7.3.2002, S – 2252 A – St 231.

[69] Dies ist auch dann der Fall, wenn zwei unterschiedliche, jedoch kooperierende Emittenten gemeinsam einen Capped Warrent auflegen.

[70] Vgl. Delp (2003), S. 1595.

[71] Vgl. Scheurle (1994), S. 447.

[72] Vgl. Scheurle (1994), S. 446 f.

[73] Vgl. Geurts (2003), in Bordewin/Brandt, § 20 EStG, Rn. 400 f., m.w.N.

[74] Vgl. Korn (2001), S. 1509 m.w.N.

[75] Vgl. Schultze/Spudy (2001), S. 1144.

[76] BMF-Schreiben vom 14.07.2004, IV C 1 - S 2252 - 171/04, BStBl. I 2004, S. 611.

[77] BT-Drucks. 12/5630, S. 59.

[78] Vgl. Geurts (2003), in Bordewin/Brandt, § 20 EStG, Rn. 458; a.A.: Haisch (2002), S. 247.

[79] Vgl. Geurts (2003), in Bordewin/Brandt, § 20 EStG, Rn. 455.

[80] Vgl. Delp (2002), S. 171.

[81] Vgl. Schumacher (Erträgen aus privaten Kapitalforderungen, 1996), S. 168 f.

Ende der Leseprobe aus 69 Seiten

Details

Titel
Steuerspareffektbedingte Kapitalkostensenkung
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
69
Katalognummer
V41598
ISBN (eBook)
9783638398312
Dateigröße
576 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Steuerspareffektbedingte, Kapitalkostensenkung
Arbeit zitieren
Kai Brinkmann (Autor:in), 2004, Steuerspareffektbedingte Kapitalkostensenkung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/41598

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