Das Lachen als Stilmittel - Plessners Theorie über das Lachen als Wegweiser durch Tschechows Dramen.


Seminararbeit, 1998

16 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Zur Problematik des Lachens bei Tschechow

3. Plessners Theorie über das Lachen

4. Lachen als Stilmittel

5. Ausblick

6. Schluß

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die folgenden Ausführungen widmen sich der Untersuchung des Lachens in Tschechows Dramen und konzentrieren sich dabei auf das von Tschechow in seinen Regieanweisungen vorgesehene Lachen der Protagonisten. Das Lachen der Zuschauer bleibt unberücksichtigt.

Um das Phänomen des Lachens bestimmen zu können und damit die Bedeutung dieses Phänomens für Tschechows Dramenliteratur, bietet sich Helmuth Plessners Untersuchung zur Anthropologie „Lachen und Weinen. Eine Untersuchung der Grenzen menschlichen Verhaltens“[1] an. Diese Abhandlung über das Lachen durch einen Philosophen des 20. Jahrhunderts, die 1941 erschien, ist deswegen von Bedeutung für das Lachen bei Tschechow, weil sie nicht nur das Lachen auf seinen Ausdruckscharakter hin untersucht, sondern es in enge Beziehung zum Weinen setzt. Und diese enge Beziehung scheint den beiden Phänomenen auch in Tschechows Dramen gegeben zu sein.

Die Beschränkung der Analyse auf die vier „großen“ Dramen „Die Möwe“, „Onkel Wanja“, „Drei Schwestern“ und „Der Kirschgarten“ ist nicht zwingend notwendig, aber sinnvoll, um mit einer überschaubaren Auswahl von Handlungslinien und Zitaten arbeiten zu können. Gleichzeitig ist in dieser Auswahl noch genug Untersuchungsmaterial vorhanden, um den verschiedenen Aspekten des Themas gerecht zu werden.

Zunächst ist zu klären, in welcher Form das Lachen Eingang in die Dramen Tschechows gefunden hat, welche Konsequenzen sich daraus für ein Verständnis dieses Phänomens ebenso wie für mögliche Inszenierungen ergeben haben und welche Mißverständnisse und Umdeutungen entstehen können.

Anschießend wird Plessners Theorie vorgestellt. Schwerpunkt der vorliegenden Abhandlung ist es, ihre Erkenntnisse in Bezug zu Tschechows Dramaturgie zu setzen und damit ein System in Tschechows „Verwendung“ des Lachens zu entdecken. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen für mögliche Inszenierungen werden in einem Ausblick behandelt.

2. Zur Problematik des Lachens bei Tschechow

Zwei von Tschechows vier großen Dramen („Die Möwe“ und „Der Kirschgarten“) tragen den Untertitel „Komödie“. „Onkel Wanja“ nennt Tschechow im Untertitel lediglich „Szenen aus dem Landleben“; die „Drei Schwestern“ sind mit dem schlichten Untertitel „Drama“ versehen.

Nirgends taucht ein Begriff wie „Tragödie“ auf.

Häufig werden die Figuren von Tschechow als lachend beschrieben.

Dabei birgt die Handlung in allen genannten Stücken reichlich Konfliktstoff und Probleme der Lebensbewältigung.

Das mag dazu geführt haben, daß eine Tschechow-Inszenierung häufig elegische und sehr ernsthafte Töne anschlägt, wobei sich der jeweilige Regisseur auf eine lange Tradition berufen kann, die ihren Ursprung bei keinem geringeren als Stanislawsky und dem „Moskauer Künstlertheater“ hat.[2]

So ist auch eine landläufige Auffassung von Tschechows dramatischen Werken zu erklären, die in Tschechow kaum einen „Lustspielautor“ sieht, dessen Stücke in erster Linie „erheitern“ und „zerstreuen“.

Aber so einer Lesart seiner Dramen sollte der von Tschechow gewählte Untertitel „Komödie“ auch wohl kaum Vorschub leisten.[3]

Das Lachen der Tschechowschen Dramenfiguren verweist auf eine Bedeutung, die über die oberflächliche Interpretation vom Lachen als Ausdruck der Freude, überschäumender Lebensfreude gar, hinausreicht.

Inhalt der Dramenhandlung sind ernste, existenziell bedeutende Themen, die die Beteiligten nicht selten in Krisen stürzen. Dennoch lachen gerade diejenigen, deren Leben in eine für sie schwierige, unbeantwortbare Lage gekommen ist. Vor dem Hintergrund der jeweiligen Situation ist dieses Lachen kaum ein Ausdruck reiner Freude.

Aber im Unterschied zu den genannten Stellen finden sich auch Regieanweisungen, in denen angegeben ist: „lacht vor Freude“.[4]

Diese Unterscheidung und Tschechows Vorbehalt gegen Stanislawskys „allzu lyrische Inszenierung“[5] des „Kirschgarten“, die er für unpassend hielt, weil er seine Dramen selbst als „komisch, sehr komisch“[6] empfand, weisen darauf hin, daß eine voreilige Einordnung des Lachens in Tschechows Dramen seinen Intentionen nicht gerecht wird.

Lachen als Ausdruck der Freude einzuordnen, vereinfacht den Gegenstand zu sehr. Vielmehr läßt sich die Hypothese aufstellen, daß das Lachen von Tschechow als Stilmittel eingesetzt wird, um damit zugleich die problematischen Situationen, in denen sich seine Protagonisten befinden, darzustellen und ihren Umgang mit diesen Situationen. Dadurch ist es ihm möglich, die Protagonisten und ihre Lebenssituation zu thematisieren, ohne dies zum Bestandteil des Dialoges und damit zum Gegenstand einer Diskussion der Beteiligten machen zu müssen.

3. Plessners Theorie über das Lachen

Eine „Theorie des Lachens“, die sich gerade der Einseitigkeit verwehrt und das Lachen als Phänomen in seiner Vielschichtigkeit zu fassen versucht, bietet Helmuth Plessners Untersuchung „Lachen und Weinen“[7].

Er untersucht beide Phänomene gemeinsam auf Grund der Parallelität ihrer Voraussetzungen und gewisser Gemeinsamkeiten in der Entwicklung ihres Auftretens; die eigentliche Verbindung der beiden sieht er in ihrem Charakter „als Reaktionen auf eine Grenzlage“[8], die zur Voraussetzung die Existenz des Menschen in einer „exzentrische[n] Position“[9] hat.

[...]


[1] Plessner, Helmuth: Lachen und Weinen. Eine Untersuchung der Grenzen menschlichen Verhaltens. 4. Auflage 1941. In: ders.: Gesammelte Schriften. Band 7. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1982.

[2] vgl. Hensel, Georg: Spielplan, 4. Auflage, München: List, 1992,

[3] ebda.,

[4] z.B. Tschechow, Anton: Der Kirschgarten, in: ders.: Drei Schwestern und andere Dramen, Übs. Andrea Clemen, Frankfurt am Main: Fischer, 1996, oder ders.: Onkel Wanja, ebd.,

[5] Hensel, Georg: Spielplan, 4. Auflage, München: List, 1992,

[6] ebda.

[7] Plessner, Helmuth: Lachen und Weinen, 2. Aufl., 1941,in: ders.:Gesammelte Schriften, Bd. 7, Frankfurt a.M.:Suhrkamp, 1982.

[8] ebda.,

[9] ebda.,

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Das Lachen als Stilmittel - Plessners Theorie über das Lachen als Wegweiser durch Tschechows Dramen.
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Institut für Theaterwissenschaft)
Veranstaltung
A.P.Tschechow. Dramaturgie und Inszenierungen
Note
1,3
Autor
Jahr
1998
Seiten
16
Katalognummer
V4155
ISBN (eBook)
9783638125796
ISBN (Buch)
9783638777148
Dateigröße
485 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Helmuth Plessner, Die Möwe
Arbeit zitieren
M.A. Sibylle Meder Kindler (Autor:in), 1998, Das Lachen als Stilmittel - Plessners Theorie über das Lachen als Wegweiser durch Tschechows Dramen., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/4155

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