Erkenntnisse des Neuromarketings im Rahmen der Preisinformationsbeurteilung

Eine kritische Analyse des gegenwärtigen Forschungsstands


Bachelorarbeit, 2016

56 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abstract

Abkürzungsverzeichnis

Darstellungsverzeichnis

1 Einführung
1.1 Problemstellung und Relevanz des Themas
1.2 Zielsetzung und Fragestellungen
1.3 Aufbau der Arbeit

2 Theoretische Grundlagen der Preisinformationsbeurteilung
2.1 Überblick Behavioral Pricing
2.1.1 Abgrenzung zur klassischen Preistheorie
2.1.2 Phasen und Konzepte der Behavioral Pricing-Forschung
2.2 Preisinformationsbeurteilung
2.2.1 Schwellenpreise
2.2.2 Referenzpreise
2.2.3 Preisorientierte Qualitätsbeurteilung
2.2.4 Preisfairness

3 Neuroökonomische Grundlagen
3.1 Begriffsdefinitionen und -abgrenzungen
3.2 Messmethoden
3.3 Neuroökonomische Konzepte
3.3.1 Belohnung
3.3.2 Bestrafung
3.3.3 Entscheidung

4 Forschungsübersicht des Neuromarketings im Bereich der Preisinformationsbeurteilung
4.1 Systematisierung der empirischen Neuromarketingstudien
4.2 Studien
4.2.1 Konstruktübergreifende Studien
4.2.2 Schwellenpreise
4.2.3 Referenzpreise
4.2.4 Preisorientierte Qualitätsbeurteilung
4.2.5 Preisfairness

5 Zentrale Erkenntnisse des Neuromarketings im Rahmen der Preisinformationsbeurteilung
5.1 Theoretische Erkenntnisse
5.2 Zusammenfassung und Diskussion der Forschungsergebnisse

6 Chancen und Grenzen des Neuromarketings im Rahmen der Preisinformationsbeurteilung

7 Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

Anhang wurde aus urheberrechtlichen Gründen für die Publikation entfernt

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Darstellungsverzeichnis

Darst. 1: Vergleichsprozesse der Preisbeurteilung

Darst. 2: Systematisierung der Neuromarketingstudien im Bereich der Preisinformationsbeurteilung

Darst. 3: Emotionsmodell nach LeDoux

Abstract

Psychologische Preiseffekte führen dazu, dass Preise von Konsumenten unterschiedlich beur- teilt werden. Die verhaltensorientierte Forschungsdisziplin Behavioral Pricing thematisiert die kognitiven Prozesse der Preisinformationsbeurteilung, welche die Preiswahrnehmung- und beurteilung umfasst und durch psychologische Effekte beeinflusst wird. Dabei stoßen empiri- sche Untersuchungen an ihre Grenzen, da der menschliche Wahrnehmungsprozess im Gehirn überwiegend unbewusst abläuft und mit den traditionellen Methoden nicht messbar ist. Die junge Forschungsdisziplin Neuromarketing sieht ihr Potential darin, unbewusste Prozesse im Gehirn mithilfe neurowissenschaftlicher Messmethoden darzustellen, um auf diese Weise der Konsumentenverhaltensforschung neue Einblicke zu gewähren. Das Ziel der vorliegenden Arbeit besteht darin, basierend auf einer Analyse der bisherigen Neuromarketingstudien im Rahmen der Preisinformationsbeurteilung, zu überprüfen, inwieweit das Neuromarketing mit seinen Erkenntnissen dem Behavioral Pricing einen Mehrwert bietet. Dem neurowissenschaft- lichen Forschungsstand im Zusammenhang mit der Preisinformationsbeurteilung zufolge, werden, nach Ansicht der Autorin, Theorien des Behavioral Pricing bestätigt und um neuro- wissenschaftliche Darstellungen ergänzt. Dem Neuromarketing kann bislang jedoch kein re- volutionärer Mehrwert zugesprochen werden, da es neben dem Potential unbewusste Prozesse im Gehirn abzubilden, nach wie vor inhaltlichen und methodologischen Limitationen der noch relativ jungen Hirnforschung unterliegt.

Psychological effects of pricing lead to a different price information evaluation by customers. The behavior-oriented research discipline behavioral pricing investigates the cognitive pro- cesses of price information evaluation, more specifically the perception and evaluation of prices which, in turn, are influenced by psychological effects. Empirical studies reach their limit because the human process of perception is largely unconscious which is not able to be measured by using the traditional methods. The emergent research discipline Neuromarketing sees its potential in investigating unconscious processes of the human brain by using neuro- scientific methods to allow deeper insights into consumer behavior for the consumer research. The task of this thesis is to analyze previous Neuromarketing studies in relation to price in- formation evaluation. In addition, the aim is to examine to what extent Neuromarketing offers added value to behavioral pricing research. Based on the neuroscientific state of research in relation to price information evaluation, the author comes to the conclusion that findings of Neuromarketing confirm theories of the behavioral pricing and expand them by neuroscien- tific views. However, Neuromarketing cannot be considered to possess revolutionary added value because, along with its potential of measuring unconscious processes, it still faces content-related and methodological limitations of the relatively young brain research.

1 Einführung

1.1 Problemstellung und Relevanz des Themas

Preise haben einen hohen Stellenwert in der Wirtschaft, da sie über vielfältige Funktionen verfügen. Ob als Gegenwert für eine Leistung oder als Orientierungsgröße für den Wettbe- werb: Preise sind für Unternehmen ein wirkungsvolles Instrument, den Absatz effektiv zu steuern. Aus diesem Grund ist es umso wichtiger, den Preis eines Produktes oder einer Dienstleistung optimal zu gestalten und zu positionieren, da er aus Konsumentensicht ein wichtiges Kriterium für die Kaufentscheidung darstellt (vgl. Simon 2015, S 17).

Als zentrales Problem im Rahmen einer Kaufsituation gilt, dass der Preis eines Produktes vom Kunden als nicht angemessen beurteilt wird, was dazu führen kann, dass der gewünschte Absatz nicht generiert wird (vgl. ebd.). Daher besteht ein wichtiges Ziel der Preispolitik darin, den Preis so zu gestalten, dass er aus Kundensicht positiv wahrgenommen und bewertet wird. Hierbei spielen eine Reihe psychologischer Preiseffekte eine Rolle, die großen Einfluss auf die Wahrnehmung und Beurteilung von Preisen nehmen können (vgl. Pechtl 2014, S. 26). Derartige psychologische Preiseffekte werden bislang von Unternehmen zwar eingesetzt, ba- sieren aber weniger auf theoretischem Verständnis (vgl. Simon/Fassnacht 2009, S. 14).

Der verhaltensorientierte Ansatz Behavioral Pricing, der seinen Ursprung in der psychologi- schen Forschung hat, thematisiert, basierend auf dem Stimulus-Organism-Response-Modell (S-O-R), die kognitiven Prozesse der Preisinformationsbeurteilung, welche die Wahrneh- mung, Informationsverarbeitung und die daraus resultierende Beurteilung von Preisen um- fasst (vgl. Homburg/Koschate 2005a, S. 384ff.). Es liegen zahlreiche empirische Befunde vor, die sich mit der Phase der Preisinformationsbeurteilung beschäftigt haben und den Versuch unternahmen, Theorien dieses Forschungsfeldes zu validieren (vgl. ebd., S. 386f.). Dennoch stoßen die empirischen Untersuchungen an ihre Grenzen, da der menschliche Wahrneh- mungsprozess im Gehirn stattfindet und zum größten Teil unbewusst abläuft. Derartige un- bewusste neuronale Verarbeitungsprozesse sind mit den traditionellen Forschungsmethoden (z. B. Befragung) nicht messbar (vgl. Scheier/Held 2006, S. 15ff; Roth 2015, S. 103).

Seit Ende der 1990er Jahre hat sich eine neue Forschungsrichtung entwickelt, die durch den Einsatz neurowissenschaftlicher Messmethoden darauf abzielt, Vorgänge in der nicht sichtba- ren „Black Box“ des Konsumenten vor, während und nach einer ökonomischen Entschei- dungssituation zu analysieren, um somit der Verhaltensforschung neue Erkenntnisse zu lie- fern: die Neuroökonomie (vgl. Schilke/Reimann 2007, S. 248f.). Ein Teilgebiet der Neu- roökonomie stellt das Neuromarketing dar, welches insbesondere die neuronale Wirkung ab- satzpolitischer Maßnahmen untersucht (vgl. Koschnik 2007, S. 3). Im Jahre 2007 beteuerte der deutsche renommierte Neurowissenschaftler Dr. Christian Elger in einem Interview (vgl. Westermann 2007): „Das Neuromarketing ist ein wichtiger zusätzlicher Baustein im Marke- ting.“ Die Begeisterung rund um das Thema Neuromarketing wird dennoch in der Literatur nicht von jedermann geteilt. Während beispielsweise Dooley (2013) mit seinem Buch „Brain- fluence“ über 100 Ideen schreibt, wie man Konsumenten mit Erkenntnissen des Neuromarke- tings zum Kaufen verführen kann, treten andere, wie beispielsweise Esch und Möll (2009, S. 35), der jungen Disziplin nüchterner entgegen und warnen vor „[...] Scharlatanen [...], die auf den Modezug des Neuromarketing[s] aufspringen und Erkenntnisquantensprünge verspre- chen“.

Trotz der gespaltenen Meinungen bezüglich des Neuromarketings lässt es sich jedoch nicht abstreiten, dass sich das neobehavioristische S-O-R-Paradigma in Konsumentenuntersuchungen als begrenzt nutzbar herausgestellt hat, da unbewusste intrapersonale Vorgänge im Gehirn mit den gängigen Forschungsmethoden nicht messbar sind (vgl. Koschnik 2007, S. 11). Da das menschliche Verhalten jedoch überwiegend durch die unbewussten Prozesse des Gehirns beeinflusst wird, scheint die Hinzunahme neurowissenschaftlicher Messmethoden nicht gänzlich abwegig (vgl. ebd.; Fuchs 2015, S. 51).

1.2 Zielsetzung und Fragestellungen

Der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit wird auf der Preisinformationsbeurteilung liegen. Im Hinblick auf die kontroverse Diskussion rund um die junge Forschungsdisziplin Neuro- marketing sowie die anscheinende Möglichkeit, intrapersonale Verarbeitungsprozesse mittels neurowissenschaftlicher Verfahren fundierter erklären zu können, liegt es nahe, den aktuellen Forschungsstand des Neuromarketings im Bereich der Preisinformationsbeurteilung zu sys- tematisieren und objektiv herauszufiltern, welche zentralen Erkenntnisse bislang erlangt wer- den konnten. Das Konzept der Preisinformationsbeurteilung umschließt nach einer Systemati- sierung von Homburg und Koschate (2005a, S. 384) die Konstrukte Schwellen- und Refe- renzpreise, preisorientierte Qualitätsbeurteilung sowie die Preisfairness. Mithilfe der bisheri- gen Neuromarketingstudien soll analysiert werden, wie diese Konstrukte neuronal korrelieren.

Basierend auf den gewonnenen Ergebnissen gilt es, in der vorliegenden Arbeit folgende Forschungsfragen zu beantworten:

Welche Erkenntnisse konnten empirische Neuromarketingstudien im Rahmen der Preisinformationsbeurteilung bisher erlangen?

Inwiefern bereichern die gewonnenen Erkenntnisse bestehende Theorien der verhaltensorientierten Preisforschung?

1.3 Aufbau der Arbeit

Die vorliegende Arbeit ist in sieben Kapitel unterteilt. Der erläuterten Problemstellung und Relevanz des Themas sowie der definierten Zielsetzung und Fragestellungen folgen im zwei- ten Kapitel die theoretischen Grundlagen der Preisinformationsbeurteilung. Dabei wird insbe- sondere der Fokus auf den bisherigen Forschungsstand der in Kapitel 1.2 erwähnten Kon- strukte sowie auf eine Erläuterung der jeweils zugrunde liegenden Theorien des Behavioral Pricing gelegt. Im dritten Kapitel werden die wichtigsten Grundlagen der Neuroökonomie respektive des Neuromarketings zusammengefasst. Hierbei muss erwähnt werden, dass auf- grund der Kürze der vorliegenden Arbeit keine Einführung in das menschliche Gehirn gege- ben werden kann. Im Anhang befindet sich eine Zusammenfassung von Derouiche (2011) über den Aufbau und die neuroökonomisch relevanten Funktionen des Gehirns. Sofern ver- merkt, dienen sie zu einem besseren Verständnis sowie zur Vertiefung der jeweiligen neuro- wissenschaftlichen Inhalte. Basierend auf den neuroökonomischen Grundlagen wird im vier- ten Schritt eine Systematisierung und Zusammenfassung der empirischen Neuromarke- tingstudien, welche die Preisinformationsbeurteilung als Untersuchungsgegenstand einschlie- ßen, erfolgen. Im fünften Kapitel werden zunächst die allgemeinen theoretischen Erkenntnisse der Neuromarketingstudien zusammengefasst, um darauf basierend zu analysieren, inwieweit wissenschaftlicher Konsens mit weiteren verhaltensorientierten Auffassungen herrscht. An- schließend werden die Ergebnisse der vorgestellten Studien zusammengefasst und diskutiert. Hierbei wird überprüft, inwieweit die Erkenntnisse bestehende Theorien des Behavioral Pri- cing bereichern. Das Kapitel endet mit einem Zwischenfazit sowie einer Auflistung bestehen- der Forschungsfragen im Rahmen der Preisinformationsbeurteilung, die das Neuromarketing bisher nicht beantworten konnte. Im vorletzten Kapitel werden die Potentiale und Limitatio- nen des Neuromarketings, insbesondere im Bereich der Preisinformationsbeurteilung, be- leuchtet und diskutiert. Das siebte und letzte Kapitel enthält ein Fazit, in dem die wichtigsten Aspekte der vorliegenden Arbeit kurz zusammengefasst werden. Im Anschluss erfolgt ein Ausblick hinsichtlich der weiteren Entwicklung des Neuromarketings im Bereich der Preis- forschung.

2 Theoretische Grundlagen der Preisinformationsbeurteilung

2.1 Überblick Behavioral Pricing

2.1.1 Abgrenzung zur klassischen Preistheorie

Der klassischen Ökonomie bzw. klassischen Preistheorie liegt die Annahme zugrunde, dass die Kaufentscheidung von Konsumenten rational begründet ist. Der Anbieter strebe stets da- nach, seinen Gewinn zu maximieren, wohingegen der Nachfrager sich, gemäß des Modells homo oeconomicus, bemühe, seinen eigenen größtmöglichen Nutzen zu sichern (vgl. Ol- brich/Battenfeld 2014, S. 103; Simon 2015, S. 80). Weiterhin wird vorausgesetzt, dass beide Parteien über umfassende Informationen verfügen. Somit wird dem Nachfrager unterstellt, er kenne das gesamte Angebot und sei demnach in der Lage eine zutreffende Preisbeurteilung vorzunehmen. Der Anbieter hingegen kann mithilfe der Preis-Absatzfunktion die Reaktion der Kunden auf unterschiedliche Preise einschätzen und voraussagen (vgl. Simon 2015, S. 80). Die Preis-Absatzfunktion gilt in der klassischen Preistheorie als ein Verfahren, das die Reaktion der Nachfrager auf variierende Preise mithilfe von Befragungs- und Verkaufsdaten ermittelt (vgl. Simon/Fassnacht 2009, S. 91). Das Verfahren der Preis-Absatzfunktion lässt sich mit dem Stimulus-Response-Modell (S-R-Modell) begründen, d. h., der Stimulus Preis führt zu einer bestimmten Absatzmenge (Response) (vgl. ebd., S. 145). Der Nobelpreisträger Herbert A. Simon äußerte Ende der 70er-Jahre Zweifel gegenüber der Annahme, Verbraucher verhielten sich rational und verfügten über vollständige Informationen. Ihr Ziel sei es nicht, nach der Maximierung des eigenen Gewinns bzw. Nutzens zu streben, sondern nach Zufrie- denheit (vgl. Simon 2015, S. 80).

Das junge verhaltensorientierte Forschungsgebiet Behavioral Pricing, das zum größten Teil auf psychologischen Theorien basiert, thematisiert die kognitiven Prozesse des Konsumenten, welche von der klassischen Preistheorie nicht beachtet werden (vgl. Homburg/Koschate 2005a, S. 384). Die verhaltenswissenschaftliche Preisforschung unterstellt, dass nach dem Preis (Stimulus) das individuelle Verhalten des Konsumenten starken Einfluss auf die Ab- satzmenge (Response) nimmt und beispielsweise durch subjektive Wahrnehmung und Emoti- onen gekennzeichnet ist (vgl. Simon/Fassnacht 2009, S. 145). Das klassische S-R-Paradigma lässt sich demzufolge um eine weitere Komponente zum S-O-R-Modell erweitern. Dass das klassische S-R-Modell im Bereich des Preisverhaltens aus Konsumentensicht nur unzu- reichend ist, wurde von einer Vielzahl empirischer Untersuchungen bereits intensiv erforscht und belegt. Es folgten Erkenntnisse, dass Preise oftmals relativ anstatt absolut bewertet werden und situative Faktoren eine bedeutende Rolle bei der Preiswahrnehmung spielen. Auch die Preiskenntnis, bereits getätigte Erfahrungen mit Preisen und das Vertrauen zu einem Anbieter bilden auschlaggebende Determinanten für die Preiswirkung und anschließende Kaufentscheidung (vgl. Simon/Fassnacht 2009, S. 145f.).

Auch wenn beide Forschungsdisziplinen im ersten Augenblick widersprüchlich erscheinen, handelt es sich nach Homburg und Koschate (2005a, S. 348) beim Behavioral Pricing und seinen verhaltenswissenschaftlichen Theorien „[...] um eine Perspektive, die die klassische Preistheorie ergänzt“.

2.1.2 Phasen und Konzepte der Behavioral Pricing-Forschung

Es liegt eine Vielzahl von empirischen Untersuchungen vor, die sich mit verschiedenen Preis- verhaltenskonstrukten beschäftigten (vgl. Pechtl 2014, S. 31). Homburg und Koschate (2005a, S. 385f.) unternahmen den Versuch einer Systematisierung der bisherigen Arbeiten und stüt- zen sich dabei auf den kognitiven Informationsverarbeitungsansatz, der wiederum auf der Theorie basiert, „[...] dass menschliches Erleben und Verhalten nur auf der Grundlage von Annahmen über interne (kognitive) Strukturen und Prozesse erklärbar ist“ (Schaper 2014, S. 326). Die Übertragung der Theorie auf das Behavioral Pricing definieren die Autoren als „in- tegrativen Bezugsrahmen“ (Homburg/Koschate 2005a, S. 386) und differenzieren drei unter- schiedliche Phasen in diesem Zusammenhang (vgl. ebd.): Die erste Stufe umfasst die Preisin- formationsaufnahme und schließt zentrale Prozesse ein, wie das Preisinteresse und die Preis- suche. Die nächste Stufe wird von den Autoren als die Preisinformationsbeurteilung be- schrieben, welche die Phase der Preiswahrnehmung und Preisbeurteilung umfasst. Innerhalb dieser Phase werden wiederum eigenständige psychologische Preiskonstrukte unterschieden, die dazu führen können, dass Preise differenziert beurteilt werden (vgl. ebd.). Nach Homburg und Koschate (2005a, S. 389) handelt es sich im Rahmen der Preisinformationsbeurteilung um Konzepte zu Preisschwellen und Referenzpreisen sowie zur preisorientierten Qualitäts- wahrnehmung und Preisfairness. Das Resultat der Preisinformationsbeurteilung wird als Preisurteil verstanden und lässt sich im engeren Sinne in Preisgünstigkeits- und Preiswürdig- keitsurteil unterteilen (vgl. Simon/Fassnacht 2009, S. 168). Preisgünstigkeitsurteile werden allein anhand des Preises getroffen und resultieren aus einem Preisvergleich ähnlicher oder gleicher Produkte, die beispielsweise in anderen Geschäften zu unterschiedlichen Verkaufs- preisen erhältlich sind (vgl. Diller 2008, S. 139). Preiswürdigkeitsurteile erscheinen hingegen mehrdimensional, da neben dem Preis auch die Qualität als Bewertungsfaktor hinzugezogen wird (vgl. Simon/Fassnacht 2009, S. 168). Die dritte und letzte Phase im Rahmen der Syste- matisierung von den Autoren Homburg und Koschate (2005a, S. 386) wird als die Preisin- formationsspeicherung bezeichnet und nimmt Bezug auf die Frage, in welchem Ausmaß Konsumenten sich an Preise bereits gekaufter Produkte erinnern (vgl. Homburg/Koschate 2005b, S. 502).

2.2 Preisinformationsbeurteilung

Da der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit sich ausschließlich mit der Preisinformationsbe- urteilung befasst, wird nachfolgend ein Überblick über die vier Konstrukte Schwellenpreise, Referenzpreise, preisorientierte Qualitätswahrnehmung und Preisfairness gegeben. Basierend auf einer Definition des jeweiligen Konstrukts sowie einer Erläuterung der zugrunde liegen- den Theorien wird zusätzlich der Versuch unternommen aufzuzeigen, welchen Beitrag empi- rische Untersuchungen im Rahmen der jeweiligen Konstrukte bisher leisten konnten.

2.2.1 Schwellenpreise

Das Konzept der Preisschwellen basiert auf der Annahme, dass das Über- bzw. Unterschreiten bestimmter Preise zu einer Veränderung der Preiswahrnehmung und Preisbeurteilung führt. Kunden greifen häufig zu Preisskalen, deren Kategorisierung auf vereinfachten Eigenschaf- ten, wie z. B. teuer, normal oder billig, basieren (vgl. Diller 2008, S.128). Die Schnittpunkte der jeweiligen Kategorien, bei denen sich die Preisbewertung beim Konsumenten ändert, werden Preisschwellen genannt (vgl. ebd.). Das Konzept der Preisschwellen findet seinen Ursprung in der Psychophysik und basiert auf Annahmen des Weberschen Gesetzes (vgl. Monroe 1973, S. 74). Dem Weberschen Gesetz liegt die Annahme zugrunde, „[...] dass die Größe einer Unterschiedsschwelle sich proportional zur Intensität des Ausgangsstimulus ver- hält“ (Simon/Fassnacht 2009, S. 152). Würde ein Getränk, das ursprünglich 8 Euro kostete, um 2 Euro reduziert werden, müsste bei einem Ursprungspreis von 12 Euro ein Nachlass von 3 Euro gewährt werden, um einen vergleichbaren Wahrnehmungseffekt zu erzielen. Folglich ist festzuhalten, dass je größer der Ausgangsstimulus ausfällt, desto größer die Veränderung des Stimulus ausfallen muss, damit eine Preisdifferenz intensiver wahrgenommen werden wird (vgl. ebd., S. 152f.)

Preisschwellen lassen sich in absolute und relative Preisschwellen unterteilen (vgl. Diller 2008, S. 128). Absolute Preisschwellen werden als die oberen und unteren Schnittpunkte be- zeichnet, deren Überschreiten bzw. Unterschreiten dazu führt, dass das Produkt nicht gekauft wird. Liegt der Preis oberhalb der Preisschwelle, so wird der Konsument das Produkt nicht kaufen, da der Preis nicht mehr im Rahmen seines Budgets ist. Bei Unterschreiten der absolu- ten Preisuntergrenze wird die Ablehnung des Kaufs eines Produkts möglicherweise mit man- gelnder Qualität assoziiert (vgl. ebd.). Relative Preisschwellen beziehen sich vielmehr auf die eigentliche Bewertung der Preise innerhalb des persönlich tolerierten Preisbereichs. Wird eine relative Preisschwelle überschritten, so führt dies dazu, dass sich die Preisbewertung vom Konsumenten schlagartig ändert und der Preis schlechter bewertet wird (vgl. Hom- burg/Koschate 2005a, S. 389). Relative Preisschwellen werden oftmals mit gebrochenen Prei- sen (Endziffer von Eins bis Neun) in Verbindung gebracht. Es wird zudem häufig beobachtet, dass Konsumenten dazu tendieren gebrochene Preise eher abzurunden als aufzurunden (vgl. Trommsdorf 2009, S. 93). Stiving und Winer (1997, S. 58ff.) erklären solch ein Verhalten mit dem Level-Effekt. Der Level-Effekt beschreibt das Phänomen, dass Konsumenten Preise von links nach rechts lesen und aufgrund einer begrenzten Aufnahme- und Verarbeitungsfähigkeit von Informationen lediglich die ersten Zahlen besser im Gedächtnis bleiben (vgl. Stiving/Winer 1997, S. 58ff.). Des Weiteren unterstellen Stiving und Winer (1997, S. 60) ei- nen Image-Effekt, wenn der letzten Ziffer eines Preises eine besondere Bedeutung zugewie- sen wird. Hierbei unterscheiden die Autoren zwischen einem Preis-Image-Effekt und einem Qualitäts-Image-Effekt. Ein Preis-Image-Effekt liegt vor, wenn die Endung eines gebroche- nen Preises einen Indikator für einen Nachlass darstellt. Ein Qualitäts-Image-Effekt bei einem gebrochenen Preis suggeriert hingegen die minderwertige Qualitätswahrnehmung seitens des Konsumenten (vgl. Stiving/Winer 1997, S. 60).

Es existiert eine Vielzahl von empirischen Befunden, deren Ergebnisse bezüglich der Existenz und Wirkung von gebrochenen Preisen nicht übereinstimmen (vgl. hierzu Gedenk/Sattler 1999, S. 35f.). Einige Untersuchungen verzeichneten eine positive Auswirkung von gebro- chenen Preisen auf die Kaufentscheidung, wohingegen andere Untersuchungen das Gegenteil belegten (s. Gedenk/Sattler 1999, S. 36). Pechtl (2014, S. 55) sieht die Uneinheitlichkeit der Ergebnisse in der Heterogenität von Preisschwellen begründet, die bei jedem Konsumenten individuell ausgeprägt sind. Diller (2008, S. 130) weist auf die kontinuierliche Verwendung eines gebrochenen Preises seitens der Anbieter hin, wodurch sich eine Preisschwelle entwi- ckeln kann. Dementsprechend sei „[...] das Phänomen der Preisschwelle vielleicht das Ergeb- nis einer self fulfilling prophecy“ (Kaas/Hay 1984, S. 345, zit. nach Diller 2008, S. 130). Eine aktuellere Untersuchung von Wadhwa und Zhang (2015) setzt ihren Schwerpunkt auf die Herstellung eines Zusammenhangs zwischen gebrochenen und runden Preisen. Somit fanden sie heraus, dass gebrochene Preise beim Konsumenten positiver wirken, wenn die Kaufinten- tion rational begründet ist. Bei emotionalen Käufen sei es empfehlenswert, auch den Preis in einer einfachen Optik (runder Preis) zu gestalten, da der Konsument sich in diesem Moment von seinen Gefühlen leiten ließe und kognitive rationale Prozesse weniger dominierten (vgl. Wadhwa/Zhang 2015, S. 1172).

2.2.2 Referenzpreise

Innerhalb der verhaltensorientierten Preisforschung hat sich das Konzept der Referenzpreise als wesentlicher Schwerpunkt entwickelt und schließt das Phänomen ein, dass Konsumenten Preise relativ anhand von Referenzpreisen beurteilen (vgl. Homburg/Koschate 2005a, S. 394). Biwas und Blair (1991, S. 1) definieren Referenzpreise wie folgt: „ A reference price can be defined as any price in relation to which other prices are seen.“ Als Vergleichsfaktor wird innerhalb des Beurteilungsprozesses auf intern und extern gespeicherte Referenzpreise zu- rückgegriffen (vgl. Kopetzky 2016, S. 23). Externe Referenzpreise umfassen nach Diller (2008, S. 123) alle Preisinformationen, die im Zusammenhang mit dem tatsächlichen Preis wahrgenommen werden. Hierzu können beispielsweise Preise vergleichbarer Produkte, Preis- empfehlungen vom Hersteller oder aus dem Bekanntenkreis, aber auch Kontextinformationen auf dem Produkt (z. B. Gegenüberstellung von Preisen) zählen (vgl. Diller 2008, S. 123). In- terne Referenzpreise entstehen aus bereits getätigten Käufen gleicher oder vergleichbarer Produkte und werden im Rahmen der bevorstehenden Kaufentscheidung aus dem Gedächtnis abgerufen (vgl. ebd., S. 124). Den Konzeptualisierungen der Referenzpreise liegen unter- schiedlichen Theorien aus der Psychologie zugrunde (vgl. Homburg/Koschate 2005a, S. 395):

Die Adaptionsniveautheorie (Helson 1964) impliziert, dass Beurteilungen aus einem Vergleich des gegenwärtigen Stimulus mit Erfahrungen aus der Vergangenheit (Adaptionsniveau) resultieren (vgl. Simon/Fassnacht 2009, S.154). Im Bereich des Behavioral Pricing lässt sich das Adaptionsniveau auf den internen Referenzpreis übertragen, welcher die Preiswahrnehmung und -beurteilung beim Konsumenten beeinflusst (vgl. ebd.).

[...]

Ende der Leseprobe aus 56 Seiten

Details

Titel
Erkenntnisse des Neuromarketings im Rahmen der Preisinformationsbeurteilung
Untertitel
Eine kritische Analyse des gegenwärtigen Forschungsstands
Hochschule
Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin
Note
1,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
56
Katalognummer
V415453
ISBN (eBook)
9783668660151
ISBN (Buch)
9783668660168
Dateigröße
596 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Neuromarketing, Preispolitik, Behavioral Pricing, Neuroökonomie, Neuromarktforschung, Marketing, Schwellenpreise, Referenzpreise, Preisorientierte Qualitätsbeurteilung, Preisfairness, Gehirn, Preise, Preiswahrnehmung, Emotionen, Kognitionen
Arbeit zitieren
Michelle Lenz (Autor:in), 2016, Erkenntnisse des Neuromarketings im Rahmen der Preisinformationsbeurteilung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/415453

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