Alternative Geldtheorien für eine faire Wirtschaftsordnung


Hausarbeit, 2016

24 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Geschichte des Geldes
2.1 Die Anfänge
2.2 Die Brakteatenzeit
2.3 Normen und Werte: Der Zins
2.4 Die Entstehung des Bankwesens
2.5 Geld im 20. Jahrhundert

3. Konzeptionen von Währungssystemen
3.1 Das klassische Geld
3.2 Komplementärwährungen
3.2.1 Silvio Gesell und die natürliche Wirtschaftsordnung
3.2.2 Die schweizerische WIR-Bank
3.2.3 Das Wunder von Wörgl
3.2.3 Die schwedische JAK-Bank
3.3 Regionalwährungen
3.3.1 Theoretisches Wissen
3.3.2 Praktisches Wissen (Chiemgauer und Havelblüte)

4. Schlussbetrachtung

5. Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Volumen der Derivate und des weltweiten BIP

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle:crunchthenumbers.net (http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2013/01/31/derivate-erste-explosionen-im-umfeld-der-700-billionen-dollar-bombe/)

Abbildung 2: Sparpunkte im JAK-System

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle:Kennedy 2011: 40Abbildung 3: Vergleich eines Kredits im Bank- und JAK-System

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle:Kennedy 2011: 41

Abbildung 4: Netzwerk Regiogeldwissen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle:Thiel, Christian 2011: Das „bessere Geld“, S. 1611. Einleitung

Im Rahmen des Seminars „Am Ende des Wachstumsimperativ“ bei Dr. Raphaela Kell beschäftigte sich das Plenum mit unserer heutigen Wirtschaftsordnung und insbesondere mit den damit verbundenen Wachstumszwängen. Ein wichtiges Kapitel in der Diskussion stellt das Finanzsystem dar, speziell die Auswirkungen von Zins und Zinseszins auf die ungerechte Umverteilung des Kapitals.

Im Kontext der Weltwirtschaftskrise 2009 ist die Kritik an der Art und Weise der Krisenbewältigung durch die EZB oder Federal Reserve Bank in den USA in den öffentlichen Medien zunehmend in den Fokus getreten. Die Ausweitung der Geldmenge durch die sogenannte Niedrigzinspolitik und die staatliche Rettung von privaten Banken mit öffentlichen Mitteln zeigen auf, dass unser globales Finanzsystem mittlerweile mit Summen arbeitet, die jeglichen Bezug zu der realen Wirtschaftsleistung abgestreift haben.

Unser Finanzsystem ist so komplex aufgebaut, dass die Bevölkerung es nicht verstehen kann. Schon Henry Ford sagte zu Lebzeiten: „Würden die Menschen das Geldsystem verstehen, hätten wir eine Revolution noch vor morgen früh.“

Diese Arbeit stellt die Wirkungen des Zinses in den Mittelpunkt. Zins und Zinseszins wird als gegeben vorausgesetzt. Viele betriebs- und sogar volkswirtschaftliche Ausbildungen lehren den Effekt von Zins und Zinseszins als unumgänglich. Gesellschaftsrelevante Auswirkung wie der Wachstumszwang, die Umverteilung, das exponentielle Wachstum der Geldmenge und die Beschleunigung des Schuldenzuwachses bleiben außen vor (vgl. Kennedy 2011: 51). Diese systembedingten Folgen sind nicht Teil der staatlichen (Aus-) Bildung, werden nicht kritisch reflektiert oder hinterfragt (vgl. Kennedy 2011: 13).

Über die Recherche bezüglich der Kritik und des Aufbaus des Finanzsystems hinaus wurde ich auf Gegenentwürfe und alternative Modelle aufmerksam. Es stellt sich die Frage, mit welchen Mitteln oder Werkzeugen man diesem System entgegentreten kann. Das Hauptaugenmerk liegt auf Bewegungen und Modellen, die von „unten“, also aus der Gesellschaft, kommen. Vielversprechende und zukunftsträchtige Modelle sind dabei die der alternativen Zahlungsmittel. Diese reichen von Parallelwährungen wie den Bitcoins, dem WIR-System in der Schweiz bis hin zu etlichen Regionalwährungsinitiativen. Ich konzentriere mich in dieser Arbeit zum einen auf die Etablierung unseres heutigen Systems und zum anderen auf Gegenentwürfe wie der JAK-Bank, der „Natürlichen Wirtschaftsordnung“ und dem daraus konstruierten Wörgler Schilling und darüber hinaus den Regionalwährungen, die die Strukturfehler unseres heutigen Geldsystems beheben wollen (vgl. Thiel 2011: 26).

Betrachtet man die Geschichte des Geldes, so ist erkennbar, dass die Geldsysteme ständigen Veränderungen und Prozessen ausgesetzt waren. Geschichtswissenschaft wird betrieben, um aus der Vergangenheit zu lernen. So ist es auch mit dem Geld. Indem ich historische Konstrukte mit denen der Gegenwart vergleiche, versuche ich, den Mehrwert komplementärer Währungssysteme herauszuarbeiten. Das Geldsystem hat sich im Laufe der letzten Jahrhunderte zu Gunsten der Kapital besitzenden Bevölkerungsschicht entwickelt. Welche aktuellen und historischen Entwürfe von Komplementärwährungen bringen der Mehrheit der Gesellschaft einen Nutzen?

Im ersten Kapitel gebe ich einen Überblick über die Geschichte und Entstehung des Geldes, damit erkennbar wird, dass es durchaus andere Entwürfe von Geldsystemen gab. Es gab auch Epochen des gesellschaftlichen Handelns und Zusammenlebens, in denen andere Konzeptionen des Geldes als das heutige herrschten. Die Erkenntnis daraus ermöglicht dann die Akzeptanz der Konzeption neuer Währungssysteme, die auf anderen Normen und Werten aufgebaut sind als das gegenwärtig herrschende System. Diese Konzeptionen lege ich im zweiten Abschnitt an einigen aktuellen sowie geschichtlichen Beispielen dar.

Führende Experten auf dem Gebiet der Komplementärwährungen sind Margret Kennedy und Bernhard Litaer, die auf den finanztheoretischen Untersuchungen Helmut Creutz‘ aufbauen. Christian Thiel legte 2011 eine umfangreiche Dissertation zum Thema Regionalwährungen vor. Zudem gibt es zahlreiche Publikationen, die sich mit der aktuellen Finanzkrise und Lösungsansätzen beschäftigen. Ein übersichtliches Werk schrieben Koller und Seidel 2014.

2. Die Geschichte des Geldes

2.1 Die Anfänge

Die Menschheitsgeschichte ist ein ständiger Prozess der Wandlung. Der Handel von Waren ist mindestens genauso alt wie die Verschriftlichung selbst. Auch das Geld unterlag ständigen Veränderungen: „Am Anfang der Geschichte des Geldes standen das Natural- und Warengeld: Muscheln, Salz, getrocknete Fische, […] seltene Steine […]dienten als Zahlungsmittel“ (Thiel 2011: 30). Darauf folgte das Metallgeld: Schon 1700 v. Chr. wurde in der Geschichte von Babylon erwähnt, dass es Geld in Form von Edelmetallen gab. Aus dem Jahr 640 v. Chr. sind die ersten Münzprägungen überliefert, was einen Quantensprung in der Organisation menschlichen Zusammenlebens darstellte: Die im anatolischen Königreich Lydien geprägten Münzen wurden von anliegenden Völkern kopiert und führten infolgedessen besonders in Griechenland zu einer Phase von Wohlstand und Reichtum. Das römische Imperium stelle das erste Weltreich dar, dessen Organisation auf Geld basierte, dessen Untergang allerdings auch auf die Geldpolitik zurückzuführen sei, wie Thiel darlegt.

2.2 Die Brakteatenzeit

Die wohl längste Hochkonjunktur der Geschichte zwischen 1150 und 1450 war dem Umstand geschuldet, dass der Magdeburger Erzbischof Wichmann sogenannte Brakteaten – einseitig geprägte Silbermünzen – zweimal im Jahr widerrufen ließ. Die Intention Wichmanns war, regelmäßig und flächendeckend Steuern einzutreiben, indem man für vier abgegebene Münzen nur drei neue zurückbekam. In dieser Zeit wurden die meisten aller deutschen Städte gegründet. Durch gut bezahlte, ehrliche Handwerksarbeit wurden Städte wie Lübeck errichtet. Aufgrund der halbjährlich stattfindenden Erneuerung der Münzen war es unmöglich, sein Geld zu horten – es sei denn man nahm einen Wertverlust seines Vermögens von 25% in Kauf. Der so erzeugte Druck, sein Geld auszugeben, bewirkte eine ständige Nachfrage, was wiederum Arbeitsplätze schuf (vgl. Benjes1995: 12). Dieser Effekt stellt im Wesentlichen das Prinzip der Umlaufsicherung – wie es in heutigen Regionalwährungen angewendet wird – dar.

2.3 Normen und Werte: Der Zins

Die Erhebung von Zinsen ist ein typisches Phänomen der Neuzeit. Anders formuliert: Die gesetzliche Erlaubnis der Erhebung von Zinsen auf verliehenes Geld im 16. Jahrhundert „war ein wichtiger Meilenstein in der Geschichte des Geldes und für die Entfaltung unternehmerischen Denkens, das uns aus dem Mittelalter in die Neuzeit katapultieren sollte“ (Koller/Seidel 1995: 26).

Schon Aristoteles vertrat die Ansicht, dass die Bereicherung durch Zinsen kein ehrlich verdientes Geld sei: „Diese Art des Gelderwerbs ist am meisten gegen die Natur.“

So kam es in der Geschichte immer wieder zu Zinsverboten: Im Mittelalter wurde mit dem zweiten Laterankonzil von 1139 ein ausdrückliches Zinsverbot erlassen, das erstmals im Jahr 1543 dann wieder per Gesetz durch Karl V. für niederländische Kaufleute ausgesetzt wurde. Der Zwist um den Zins zwischen der Kirche auf der einen und der weltlichen Kraft auf der anderen Seite zeigte sich in dem Ausschluss von Bankiers von dem kirchlichen Abendmahl in den Niederlanden (vgl. Thiel 2011: 32 f.).

Jede der großen drei Weltreligionen positionierte sich klar zum Zins: Das Judentum untersagte die Erhebung von Zinsen gegenüber Gläubigen der eigenen Glaubensgemeinschaft. Zudem fand alle sieben Jahre ein Jubeljahr statt, in dem die Schulden erlassen worden sind. Alle 49 Jahre wurden alle Schuldsklaven befreit und privater Grundbesitz zurück an die Gemeinschaft gegeben (vgl. Kennedy 2011: 49; Koller/Seidel 2014: 26).

Auch im Islam ist der Zins umstritten. Der Koran verbietet strikt die Zinserhebung sowie Zinszahlung. Ein gutes Beispiel dafür gibt es in Schweden: Vertreter der dort lebenden Muslime empfehlen die Nutzung der JAK-Bank, die keine Zinsen erhebt. Geistliche in Saudi-Arabien raten von Banken ab, die Zinsen verlangen. Allerdings wird das Zinsverbot in der arabisch-muslimischen Welt oft mit pragmatischen Lösungen umgangen, indem man offiziell keine Zinsen erhebt, sondern die Zahlungen auf andere Wege vollzieht (vgl. Brückner 2015).

2.4 Die Entstehung des Bankwesens

Das heutige moderne Bankwesen hat seinen Ursprung in Italien. Die Händler der damaligen Handelszentren wie beispielsweise Pisa, Florenz oder Venedig, schufen Netzwerke von England bis zum Kaspischen Meer. Diese organisierten sich, um weltweit Handelsmissionen zu finanzieren. Die Bankiers wechselten die verschiedenen Währungen, transferierten und verwahrten Geld, vergaben Darlehen und gaben sogar sogenannte „Wechsel“ aus, die wie Bargeld akzeptiert wurden. Mit dieser zunehmenden Professionalisierung im Geldwesen tat sich eine ganz neue Qualität des ökonomischen Denkens auf, die sich durch die Erfindung der doppelten Buchführung am Anfang des 16. Jahrhunderts belegen lässt. Jeder Gegenstand und jede Tätigkeit wurde in einem abstrakten Geldwert aufgeführt und begründete damit die moderne Vorstellung von Gewinn (vgl. Thiel 2011: 32).

Allerdings hemmte die Edelmetallknappheit die wirtschaftliche Entwicklung Europas. Mit der Entdeckung Amerikas 1492 veränderte sich nicht nur der Horizont der Europäer aus geographischer Sicht, sondern erweiterte auch die ökonomischen und monetären Handlungsmöglichkeiten. Über die Kolonialmacht Spanien verbreitete sich eine bedeutende Menge an Edelmetall in Europa. Überall entstanden neue Währungen mit einer Vielzahl an Münzen. Diese erste massive Ausweitung der Geldmenge zog gleichzeitig auch eine erhebliche Inflation nach sich. Zwischen 1500 und 1600 sind die Preise um 400% gestiegen, was im Endeffekt die armen Bauern am härtesten getroffen und eine Veränderung der sozialen Lage bedeutet hat. Eine neue Mittelschicht an Kaufleuten und neue auf Geld basierende Berufe wie Makler und Versicherungsagenten sind entstanden (vgl. Thiel 2011: 33).

In den Handelszentren Amsterdam und London entstanden 1613 mit den Aktienbörsen auch die ersten Banknoten. Diese waren eine Quittung für eingelagertes Gold. Schnell erkannten die Bankiers, dass niemals alle Kunden gleichzeitig ihr Gold nachfragten. So kamen sie auf die Idee, mehr Quittungen auszugeben, als Gold eingelagert war: Die Geldschöpfung. Im 18. Jahrhundert gab es dann einige Experimente mit Papiergeld. Der Schotte John Law hat 1716 Banknoten in Frankreich ausgegeben, die angeblich durch Gold und Immobilien gedeckt waren. Allerdings stellte sich heraus, dass er mehr als doppelt so viele Scheine wie es Münzen gab ausgegeben hat. Die erste Spekulationsblase der Wirtschaftsgeschichte platzte.

Die wirtschaftliche Integration war nicht mehr aufzuhalten. Die wichtigsten Schritte waren die Vereinheitlichung des Geldwesens durch das metrische System, die endgültige Etablierung der Banknoten, die Modernisierung und staatliche Monopolisierung des Bankwesens im Kredit- und Giralgeld-System sowie die Einführung des internationalen Goldstandards. Durch letzteres brach im 19. Jahrhundert die weltweit größte Jagd nach Gold und Silber seit der Eroberung Amerikas aus, was verheerende Auswirkungen auf den Umgang mit indigenen Völkern auf den außereuropäischen Kontinenten hatte (vgl. Thiel 2011: 34 ff.).

2.5 Geld im 20. Jahrhundert

„Der Goldstandard war das erste universale, globale Währungssystem, das praktisch alle Menschen vereinte“, so Thiel (Thiel 2011; 35 ). Der Bezug auf „alle“ erscheint übertrieben, aber ohne Zweifel war dieses Geldsystem das dominante Werkzeug der westlichen Industrienationen, um deren Interessen in aller Welt wahrzunehmen.

In der von Krisen und Kriegen geprägten ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gerieten die Länder in eine Finanzierungsnot der Kriegswirtschaft, weshalb sich einige Länder von dem Goldstandard lösten. Deutschland versuchte die Kriegsschulden durch eine Ausweitung der Geldmenge schnellstmöglich abzubauen, geriet dadurch aber in eine starke Inflation. Die Weltwirtschaftskrise 1929 und der Zweite Weltkrieg waren Zeiten von unsicherer Geldpolitik, in denen auch erste Experimente mit alternativen bzw. regionalen Währungssystemen durchgeführt wurden. Diese Experimente arbeiteten wichtige Erkenntnisse heraus, auf die sich die Theorie und Praxis der heutigen Komplementärwährungen beziehen (siehe Kapitel 3).

[...]

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Alternative Geldtheorien für eine faire Wirtschaftsordnung
Hochschule
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen  (Institut für Politische Wissenschaften)
Veranstaltung
Am Ende des Wachstumsimperativs
Note
1,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
24
Katalognummer
V414621
ISBN (eBook)
9783668652231
Dateigröße
921 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Regionalwährung, Geld, Zins, Postwachstum
Arbeit zitieren
Nico Riedemann (Autor:in), 2016, Alternative Geldtheorien für eine faire Wirtschaftsordnung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/414621

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