Mit welchen habituellen Herausforderungen werden BildungsaufsteigerInnen aus benachteiligten Milieus konfrontiert, wenn sie aus unteren in obere Soziallagen aufsteigen?


Hausarbeit, 2018

13 Seiten, Note: 1,7

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Definitionen
Habitus nach Pierre Bourdieu
Soziale Ungleichheit

Die Kapitalsorten nach Bourdieu

Herausforderungen
Habitustransformation
Nebenwirkungen

Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Einleitung

In den letzten Jahren ist die Tendenz der Bildungsaufsteiger*innen in Deutschland gesunken (Wurm 2012). Trotzdem wird immer wieder der Spruch „Jeder ist seines Glückes Schmied“ verwendet und sogar als gut gemeinter Ratschlag erteilt. Doch hängt der Bildungserfolg wirklich noch von der eigenen Leistungsbereitschaft ab? Oder „fällt der Apfel [doch] nicht weit vom Stamm“?

In der Soziologie beschäftigen sich vor allem seit Bourdieus Erkenntnissen zum Sozialen Raum viele Wissenschaftler mit dieser Frage. Nicht selten werden dabei die Zusammenhänge zwischen der sozialen Herkunft und dem Bildungserfolg untersucht. Dabei liegt der Fokus oftmals auf Individuen, die sich zwischen höheren und niedrigeren Positionen bewegen, diese sozialen Auf- und Abstiege werden auch Soziale Mobilität genannt (Hradil 2016, S. 253). Bereits im Jahr 2000 zeigten die Untersuchungen der internationalen Schulleistungsstudie PISA, dass (in Deutschland) ein Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und erworbenen Kompetenzen besteht (Stanat et al. 2002, S. 11ff). Das heißt, Kinder, deren Eltern einen hohen gesellschaftlichen Status aufweisen, erreichen in der Regel ein höheres Kompetenzniveau, als Kinder aus der Arbeiterklasse (Stanat et al. 2002, S. 11ff). Aber warum ist das so? Und kann angesichts dieser Tatsache dann überhaupt noch von Chancengleichheit im Bildungssystem gesprochen werden?

Doch trotz der abfallenden Tendenz von Bildungsaufsteiger*innen, gibt es dennoch Menschen, die gegen alle Erwartungen einen Bildungsaufstieg von der unteren in die obere Schicht schaffen. Aber was passiert während des Aufstiegs mit der Persönlichkeit? Mit welchen habituellen Herausforderungen werden die Bildungsaufsteiger*innen während und nach dem Aufstieg konfrontiert?

Ziel dieser Hausarbeit ist es, diese Fragen mithilfe der theoretischen Konzepte Pierre Bourdieus zu klären und beantworten. Dazu sollen im ersten Kapitel die wichtigsten Begriffe definiert werden. Daraufhin folgen die Kapitalsorten nach Bourdieu, die wichtig zu erläutern sind, um das nachfolgende Kapitel besser verstehen zu können. In dem Kapitel geht es um die Herausforderungen und Nebenwirkungen, mit denen es Bildungsaufsteiger*innen während und nach dem Aufstieg zu tun haben. Dabei habe ich mich sehr an der Literatur von Aladdin El-Mafaalani orientiert. Schlussendlich ist am Ende der Hausarbeit noch eine kurze Zusammenfassung zu finden.

Definitionen

Um eine hinreichende Untersuchung der Forschungsfrage vollziehen zu können, bedarf es im ersten Schritt eine Klärung der zentralen Begriffe. Dazu möchte ich in diesem Kapitel die drei wichtigsten Begriffe: Habitus, Soziale Ungleichheit und kulturelle Passung klären, sodass der Leser ein klares Verständnis für diese Begrifflichkeiten im weiteren Verlauf der Hausarbeit hat. Zunächst beginne ich mit dem wichtigsten Begriff: dem Habitus.

Habitus nach Pierre Bourdieu

Die Habitustheorie nach Pierre Bourdieu wird je nach Untersuchungsschwerpunkt unterschiedlich interpretiert. Für diese Hausarbeit möchte ich aufgrund der vorgeschriebenen Länge lediglich auf die wichtigsten Merkmale des Habitus eingehen.

Der Habitus (Mehrzahl: Habitus) stellt eine allgemeine Grundhaltung gegenüber der Welt dar. Genauer genommen bezeichnet er verinnerlichte Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata, also ein komplexes Produkt aller Erfahrungen, die ein Leben lang (unbewusst) gemacht werden. Daher ist der Habitus keine angeborene Disposition, sondern eher auf praktische Funktionen in der Umwelt ausgerichtet (Wulf und Zirfas 2014, S. 155ff). Grundsätzlich wird der Habitus als eher träge angesehen („Hysteresis“), allerdings ist er auch veränderbar, sofern äußere Lebensumstände neue Umgangsstrategien nötig machen, dazu zählen beispielsweise ein Bildungsaufstieg oder auch körperliche Veränderungen (Möller 2015, S. 112).

Habitus können darüber hinaus durch unterschiedliche Charaktere und Besonderheiten der Person oder anderen sozialen Ungleichheiten individuell geprägt sein, zusätzlich ist der Habitus auch körpergebunden. Das heißt, auch die körperliche Verfassung, so wie Haltung, sagen viel über den Habitus des Einzelnen aus. Besondere Merkmale können Gesten, Sprechweisen, Akzent, Aussprache, Falten und Ticks sein (Möller 2015, S. 112). Der Mensch kann sich dem Habitus niemals entziehen.

Eine erweiterte Form ist, nach Bourdieu, der „klassenspezifische Habitus“. Dieser vereint die Denk-, Wahrnehmungs- und Handlungsmuster aufgrund einer ähnlichen sozialen Herkunft. Der Mensch wird durch die Lebensverhältnisse klassifiziert (Möller 2015, S. 113). Dazu gehören auch strukturelle Bedingungen wie Einkommen, Geschlecht, Alter und Berufsstand. Durch diese Bedingungen wird die Praxisebene im sozialen Raum geprägt (Abels 2010, S. 211). Zur Unterscheidung der Klassenlagen dienen die zur Verfügung stehenden Kapitalsorten, auf diese gehe ich in dem folgenden Kapitel („2. Kapitalsorten nach Bourdieu“) näher ein.

Der Erwerb des Habitus findet während der Sozialisation[1] innerhalb der Herkunftsfamilie statt. Die Wahrnehmung der sozialen Umwelt wird hier vorstrukturiert (Fuchs-Heinritz und König 2011, S.121). Da die Familien bereits in klassifizierten Strukturen eingebettet sind, werden die gesamten Denk- und Bewertungsmuster (unbewusst) primär von Kindheit an geprägt. Dies beeinflusst vor allem die Art und Weise, wie die Welt strukturiert, bewertet und interpretiert wird. Der dadurch erzeugte Habitus gewährt ein sicheres und fragloses Bewegen innerhalb der bekannten Welt und ermöglicht es auch, darin erfolgreich zu handeln. Das Elternhaus sorgt damit für einen dem Milieu entsprechenden Rahmen und lässt alternatives Handeln nur schwerer zu (El-Mafaalani 2014, S. 20f; Fuchs-Heinritz und König 2011, S. 58ff).

Alles in einem stellt der Habitus die Verinnerlichung gesellschaftlicher Verhältnisse dar. Er macht den Einzelnen innerhalb seiner Klassenlage kompetent (Bourdieu 2005, S. 113).

Soziale Ungleichheit

Wie auch viele andere Begriffe in den Sozialwissenschaften, hat die Soziale Ungleichheit verschiedene Erscheinungsformen und ist in seiner Ursache und Bedeutung sowohl komplex, als auch vielfältig. Es ist für diese Arbeit wichtig zu Erfahren um welche Form der Sozialen Ungleichheit es sich handelt, da bei einem Bildungsaufstieg vor allem die Sozialen Ungleichheiten die Aufsteiger*innen vor eine große Herausforderung stellen.

In dieser Hausarbeit stütze ich mich an die Definition von Stefan Hradil. Er verbindet soziale Ungleichheit in gesellschaftlichen Kontexten mit verschiedenen Ressourcen (Gütern), die als wichtig und notwendig empfunden werden.

„„Soziale Ungleichheit“ liegt dann vor, wenn Menschen aufgrund ihrer Stellung in sozialen Beziehungsgefügen von den „wertvollen Gütern“ einer Gesellschaft regelmäßig mehr als andere erhalten.“ (Hradil und Schiener 2005, S. 30)

Demzufolge beschreibt Soziale Ungleichheit ungleiche Zugänge zu sozialen Positionen und Ressourcen. Diese verschiedenen Zugänge sind oftmals das Resultat von ungleicher Verteilung von Gütern aufgrund von sozialer Merkmale. Soziale Merkmale können zum Beispiel das Geschlecht oder die soziale oder ethnische Herkunft sein (Hradil 2016, S. 248).

Hradil bezeichnet die Güter (Bourdieu: Kapital) als sehr wertvoll, weil sie in unserer Gesellschaft notwendig sind, um Einfluss, Wohlstand, Prestige, Gesundheit oder Autonomie zu erlangen. Um die o.g. Ressourcen zu erlangen, bedarf es eines geregelten Einkommens, eines Bildungsabschlusses oder auch nützlicher sozialer Kontakte. Besitzt ein Mensch viele dieser wertvollen Güter, so scheint er/sie in unserer Gesellschaft bessergestellt zu sein. Menschen mit einer geringen Menge an wertvollen Gütern haben dagegen nur bedingt die Möglichkeit einen höheren Lebensstandard zu erreichen (Hradil und Schiener 2005, S. 28ff). Denn durch die ungleiche Verteilung haben Menschen aus unteren Soziallagen nur eine geringe Menge an wertvollen Gütern, die ihnen zu einem Aufstieg oder höherem Ansehen verhelfen können. Sie besitzen in der Regel geringe finanzielle Mittel oder soziale Kontakte aus höheren Kreisen (Hradil 2016, S. 248). Es bestehen dadurch kaum Möglichkeiten mit den vorhandenen Gütern aus dem bekannten Milieu zu „entkommen“. Soziale Ungleichheit ist folglich überindividuell[2], daher sind Bildungsaufsteiger*innen bereits früh gezwungen mit den Problematiken zu kämpfen, diese sozialen Prozesse zu durchbrechen und eine „Überlebensstrategie“ zu entwickeln um neue (wertvolle) Güter zu erlangen. Die Ungleichheiten in der Ressourcenausstattung der Herkunftsfamilie kanalisieren zusätzlich die Bildungsverläufe [ihrer Kinder] (Allmendinger 2013, Becker 2009, Böttcher und Klemm 2000, Bourdieu und Passeron 1971, 2007; Kramer 2011a, Maaz et al. 2013, Solga 2005, Sünker 2007, Vester 2006 u. a. aus: Möller 2015, S. 21).

Die Kapitalsorten nach Bourdieu

Bourdieu berücksichtigt in seinem Konzept sowohl die vertikale, als auch die horizontale Dimension sozialer Ungleichheit[3]. Dafür ist das Kapital eine entscheidende Bestimmungsgröße.

Der Kapitalbegriff beschreibt eine Gesamtheit an „Gütern“, die sowohl materiellen Besitz, als auch Bildung und Verfügung über soziale Netzwerke umfassen. Er unterscheidet neben dem ökonomischen auch das kulturelle, soziale und symbolische Kapital. Alle Kapitalsorten können Profite erwirtschaften und sind gewissermaßen ineinander verbindbar (Bourdieu 1983, S. 185).

Soziale Ungleichheit entsteht durch eine ungleiche Verteilung von Kapital (s.o.).

Die Schwierigkeiten, die Aufsteiger*innen der unteren Soziallage während ihres Bildungsganges bewältigen müssen, sind allerdings nicht nur durch ein geringes Startkapital bedingt, sondern auch indirekt durch ihren klassenspezifischen Habitus. Dieser wiederrum wird vor allem von einer defizitären Ausstattung mit den verschiedenen Kapitalsorten beeinflusst (Fuchs-Heinritz und König 2011, S. 184ff).

Daher müssen sowohl das Habitus Konzept, als auch die einzelnen Kapitalsorten im Rahmen dieser Arbeit berücksichtigt werden.

[...]


[1] Sozialisation wird als Erwerb von Normen, Regeln und angepasstem Verhalten verstanden (Korte und Schäfers 2006).

[2] Nicht kurzzeitig beeinflussbares Verhalten und Denken des Einzelnen aufgrund einer Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe (vgl. edb.).

[3] horizontale = bloße Unterschiede; vertikale = Besser- bzw. Schlechterstellungen (Hradil 2012).

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Mit welchen habituellen Herausforderungen werden BildungsaufsteigerInnen aus benachteiligten Milieus konfrontiert, wenn sie aus unteren in obere Soziallagen aufsteigen?
Hochschule
Fachhochschule Dortmund
Note
1,7
Jahr
2018
Seiten
13
Katalognummer
V414391
ISBN (eBook)
9783668651210
ISBN (Buch)
9783668651227
Dateigröße
525 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Habitus, Bourdieu, El-Mafaalani, Aufstieg, Bildung
Arbeit zitieren
Anonym, 2018, Mit welchen habituellen Herausforderungen werden BildungsaufsteigerInnen aus benachteiligten Milieus konfrontiert, wenn sie aus unteren in obere Soziallagen aufsteigen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/414391

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