Veränderungen in der römischen Herrschaft über Judäa nach dem ersten Jüdischen Krieg


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

25 Seiten, Note: 1,2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung und Fragestellung

II. Quellenlage (-kritik) und Forschungsgeschichte
a) Quellenlage (-kritik)
b) Forschungsgeschichte

III. Organisatorische Veränderungen der römischen Herrschaftsausübung
a) Regelung der Verhältnisse in Judäa
b) Die Judensteuer

IV. Unruhen in der Diaspora und der Aufstand von 115 bis 117 n. Chr

V. Ergebnis

VI. Literatur- und Abkürzungsverzeichnis
a) Quellen
b) Forschungsliteratur

I. Einleitung und Fragestellung

Die Zerstörung des herodianischen Tempels in Jerusalem ist sicherlich als ein Wendepunkt in der Geschichte Judäas zu betrachten, was sich auch darin niederschlägt, daß bis in die Zeit der Kreuzzüge dieses Datum den Startpunkt einer lokalen Zeitrechnung in Palästina markierte. In der Tat gab es als Folge des ersten jüdischen Aufstandes eine Reihe von Veränderungen sowohl innerhalb der jüdischen Gesellschaft, die zum Teil bis heute nachwirken, als auch in den Maßnahmen, die von römischer Seite ergriffen wurden, um die Ordnung in Judäa aufrechtzuerhalten und einem erneuten Aufbegehren vorzubeugen.[1] Als kurzfristige Folgen sind hier vor allem die Zerstörung von Städten, Dörfern und Festungen, sowie der Verlust zahlreicher Menschenleben zu nennen.

Uns interessieren nun die langfristigen Folgen, die der erste Aufstand für die Juden hatte. Es können hier zunächst die Maßnahmen der Juden und die der Römer voneinander abgegrenzt werden. Erstere zielten auf einen Fortbestand der jüdischen Gesellschaft und Kultur nach dem römischen Sieg ab und liefen mit dem Entstehen des rabbinischen Judentums auf eine radikale Umgestaltung in der Organisation der Glaubenspraxis hinaus, die Auswirkungen bis in die heutige Zeit hat.[2] Letztere dienten in erster Linie der Festigung der römischen Herrschaft über die Juden. Die Betrachtung der langfristigen Folgen des ersten Aufstandes soll nun, auf die Maßnahmen von römischer Seite beschränkt, unter der Frage geschehen, welche organisatorischen Veränderungen sich im Zeitraum zwischen den beiden Aufständen in der Herrschaftsausübung über die Juden feststellen lassen und wie diese zu werten sind. Hierbei müssen auch die jüdischen Diasporagemeinden berücksichtigt werden, denn diese waren von einigen Maßnahmen ebenfalls betroffen und durchaus nicht unbeeinflußt von Ereignissen im jüdischen Kernland. Häufig gibt es über die dortigen Verhältnisse detailliertere Quellen als für Judäa selbst. In diesem Kontext ist der jüdische Aufstand wichtig, der von 115 bis 117 n. Chr. in großen Teilen der Diaspora wütete. Es sollen die Ursachen, der Verlauf und die Folgen kurz skizziert, sowie der Frage nachgegangen werden, ob es hier Impulse für Judäa gab, die auf den 15 Jahre später in Judäa ausbrechenden Bar Kochba Aufstand hindeuten.

II. Quellenlage (-kritik) und Forschungsgeschichte

a) Quellenlage (-kritik)

Die Quellenlage zu den Verhältnissen in Judäa zur Zeit zwischen den jüdischen Aufständen ist insgesamt als schwierig zu betrachten, was nicht zuletzt daran liegt, daß es keine Quelle mit einem umfassenden Überblick über diese Epoche gibt. Ein Gesamtbild muß somit aus einer Vielzahl von literarischen Fragmenten bei verschiedenen Autoren, sowie papyrologischen, numismatischen und epigraphischen Befunden zusammengesetzt werden.

An jüdischen Quellen gibt es die rabbinische Literatur, namentlich Mischnah und den babylonischen Talmud, in denen ausführlich die Entstehung des rabbinischen Judentums, die wohl als eine der weitreichendsten Konsequenzen nach dem ersten jüdischen Aufstand zu nennen ist, behandelt wird.[3] Dieser Aspekt ist jedoch in unserem Kontext nicht von Belang. Zur römischen Herrschaft ist die jüdische Überlieferung gerade für den hier relevanten Zeitraum zwischen dem Ende des ersten und dem Beginn des zweiten jüdischen Krieges eher bruchstückhaft. So gibt es einige Hinweise auf römische Verwaltungspraktiken und Gesetzgebung in Judäa, wie z. B. in Bezug auf Landbesitz, ökonomische und politische Bedingungen der Juden, sowie Erwähnungen des „Krieges des Qitos/Kitos“[4], die im Zusammenhang mit den Aufständen in der Diaspora stehen. Die rabbinische Überlieferung ist vor allem dadurch schwer zu interpretieren, daß Hauptgegenstand dieser Texte kulturelle und rechtliche Aspekte des Judentums sind. Die historischen Fragmente, die sich darin, vor allem in Hinblick auf die Beurteilung Roms und der Römer, finden, sind jedoch vielfach nicht als verläßliche Fakten, sondern im Gegenteil eher als sehr subjektive Berichte mit einem „wahren Kern“ anzusehen. Dies liegt vor allem auch daran, daß die rabbinischen Patriarchen (Nasi) in Jabneh/Jamnia, die ja von Rom anerkannt waren, bei ihren Beherrschern im denkbar günstigsten Licht dastehen wollten.[5]

Für die Maßnahmen der römischen Provinzialverwaltung im Zeitraum nach dem ersten Kriege in Judäa, wie z. B. die Regelung des Landbesitzes von Juden, ihre rechtliche Stellung und die Judensteuer, besitzen wir somit vor allem Berichte bei römischen Autoren. Flavius Josephus bietet in einigen Passagen[6] im sechsten und siebten Buch seines zwischen 79 und 81 n. Chr. in griechischer Sprache publizierten „Jüdischen Krieges“ Hinweise auf die Regelung des Landbesitzes in Judäa unmittelbar nach dem Krieg und die Judensteuer. Eine von ihm selbst erwähnte aramäische Urfassung für die Parther und Babylonier ist uns nicht überliefert. Die griechische Übersetzung richtet sich vornehmlich an entsprechend gebildete römische Adressaten.[7] Bei der Betrachtung von Josephus Bericht sollte jedenfalls berücksichtigt werden, daß er Kriegsgefangener und später Protegé der Flavier war. Er schrieb sein Werk zwar nicht in deren Auftrag, legte es aber nach der Fertigstellung Vespasian und Titus vor, die den Wahrheitsgehalt bestätigten. Es läßt sich bei ihm eine deutlich apologetische Tendenz ausmachen, die sich darin äußert, als Verursacher des Aufstandes einzelne jüdische Fanatiker herauszustellen und damit den Rest der Bevölkerung zu entlasten, sowie das flavische Kaiserhaus zu verherrlichen. Obwohl er nicht als neutraler, außenstehender Beobachter gelten kann, sind seine Angaben insgesamt durchaus als zuverlässig zu betrachten, zumal er selbst, zunächst auf jüdischer und später auf römischer Seite, an den Kampfhandlungen teilnahm.[8]

Sueton berichtet an einer Stelle in den „Kaiserviten“ darüber, wie unter Domitian festgestellt wurde, ob jemand unter die Pflicht fiel, die Judensteuer zu zahlen. Er war bekanntermaßen hoher kaiserlicher Beamter unter Hadrian (ab epistulis) mit Zugang zu Archivinformationen, die durchaus in sein Werk einflossen. Auch wenn bei Sueton eine starke moralisierende Tendenz erkennbar ist und einige Teile der Kaiserbiographien den Charakter von Hofklatsch aufweisen, mindert dies den Wert der Quelle nur unwesentlich. Im Gegenteil wird dadurch ein recht lebendiges Bild der Persönlichkeiten der einzelnen Kaiser gezeichnet. An der für uns relevanten Stelle in der Biographie Domitians berichtet Sueton, wie er selbst sagt, aus eigener Erfahrung in seiner Jugend. Wie gut Suetons Erinnerung in diesem Falle ist, kann nicht mit Sicherheit beantwortet werden. Wir können allerdings auch nicht ausschließen, daß er bewußt übertreibt, um Domitians Judenfeindlichkeit zu unterstreichen.[9]

Cassius Dio, der im letzten Jahrzehnt des zweiten und in den ersten drei Jahrzehnten des dritten Jahrhunderts schrieb, überliefert an einigen wenigen Stellen in zweien seiner Bücher (67 und 68) zur römischen Geschichte, die im Übrigen nur fragmentarisch auf uns gekommen sind, Details in Bezug auf die Judensteuer und den Aufstand in der Diaspora. Dio hat für sein Werk nach eigener Aussage zehn Jahre lang recherchiert und weitere zwölf Jahre mit dem Schreiben verbracht. Er erweist sich vor allem für den bei ihm vollständig tradierten Zeitraum von 68 v. Chr. bis 47 n. Chr. als ergiebige und zuverlässige Quelle, wobei teilweise auch seine Vorlagen rekonstruiert werden konnten. Neben Cassius Dios historiographischen Anspruch tritt allerdings noch ein literarischer, der sich vor allem in Gestalt von eingefügten Reden äußert. Chronologische Unklarheiten innerhalb des Werkes, die die Interpretation erschweren können, werden vor allem durch eine Vermischung verschiedener Ordnungsprinzipien bewirkt. So ist es zwar grundsätzlich annalistisch konzipiert, andererseits wirken aber auch andere Kriterien ein, die laut Birley auf griechische Theorien zur Geschichtsschreibung zurückgehen. Für die verlorenen Teile gibt es immerhin Auszüge von Ioannes Xiphilinos aus dem 11. Jahrhundert und Ioannes Zonaras aus dem 12. Jahrhundert.[10]

Bei Eusebius, einem christlichen Autor des ausgehenden dritten bis Mitte des vierten Jahrhunderts n. Chr., finden wir in seiner „Kirchengeschichte“ Aussagen zu Zwangsmaßnahmen gegen Juden unter Vespasian, Domitian, sowie Trajan und ebenfalls zum Aufstand in der Diaspora. Hauptanliegen der Kirchengeschichte ist es, die Geschichte der apostolischen Nachfolge nachzuzeichnen, wobei ihm die Verfolgungen nach Aussage von Veh als eine Art von „Leitmotiv“ dienten. Die Kirchengeschichte ist somit nach Veh als ein Werk mit eher unhistorischem Anspruch zu charakterisieren: es handelt sich vielmehr um eine Heilsgeschichte, in der durch die Hilfe Christi letztlich ein gutes Ende herbeiführt. Die Kirche als der „beständige Kern“ ist von „einer unbeständigen Schale umgeben, den geschichtlichen Ereignissen“. Die historischen Fakten bei Eusebius sind jedoch häufig mittels Quellenexzerpten belegt. Sie sind damit nachvollziehbar und in den meisten Fällen durchaus zuverlässig.[11]

[...]


[1] Smallwood, Jews, S. 331.

[2] Die Veränderungen innerhalb der jüdischen Gesellschaft und Kultpraxis werden im Übrigen in unserem Kontext nicht behandelt. Für einen Überblick siehe Avi-Yonah, in: RE (Suppl.) 13, Sp. 397f; Neusner, ANRW II 19.2, S. 3-41; Schäfer, in: ANRW II 19.2, S. 41-100; Schäfer, History, S. 133-139; Schürer, History, S. 521-527 Sicker, Rome and Jerusalem, S. 169f; Smallwood, Jews, S. 348-350.

[3] Stemberger, ANRW II 19.2, S. 382-386.

[4] Speziell zu den Diaspora-Aufständen siehe BT jSukka V, 55a-b; BT Mischnah Sota IX, 14. Für eine Zusammenstellung der Fragmente vgl. Büchler, Conditions, S. 29-68; Stemberger, in ANRW II 19.2, S. 358-361.

[5] Büchler, Conditions, S. 8; Smallwood, Jews, S. 331; Stemberger, in: ANRW II 19.2, S. 358-361 u. 382-386. Eine umfassende Untersuchung der relevanten rabbinischen Quellen findet sich in Büchler, Conditions, S. 29-68. Zur Etymologie und Zuordnung des Qitos/Kitos vgl. Rokeah, in: Scripta Hierosolymitana 23, S. 79-84.

[6] Jos. Bell. Jud. VI, 113-117; VII, 216-218, 409-421 u. 437-442.

[7] Jos. Bell. Jud. I, 1-3. Vgl. Schürer, History I, S. 47; Schürer, History III.1, S. 186; Smallwood, Jews, S. 417f.

[8] Büchler, Conditions, S. 3; Schürer, History I, S. 43-48; Tcherikover, in: CPJ I, S. 78f; Wandrey, in: DNP 5, Sp. 1089-1091.

[9] Suet. Dom. 12.2. Sallmann, in: DNP 11, Sp. 1084-1088; Schürer, History I, S. 67f.

[10] Dio Hist. 67, 14; 68, 30.1-2; 68, 32, 1-3. Birley, in: DNP 2, Sp. 1014f; Schürer, History I, S. 65f. Unklar muß einstweilen noch die Datierung des von Cassius Dio selbst auf 22 Jahre angesetzten Entstehungszeitraumes der „Römischen Geschichte“ bleiben. Für einen Überblick über die vorliegenden Theorien und weiterführende Literatur siehe Barnes, in: Phoenix 38, S. 240f.

[11] Eus. Hist. Ecc., III, 12; 19-20.6; 32, 1-6 IV, 2. Rist, in: DNP 4, Sp. 310f; Veh, in: Eus. Hist. Ecc., S. 31-42.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Veränderungen in der römischen Herrschaft über Judäa nach dem ersten Jüdischen Krieg
Hochschule
Universität Münster  (Seminar für Alte Geschichte)
Veranstaltung
Die römische Herrschaft über Judäa
Note
1,2
Autor
Jahr
2004
Seiten
25
Katalognummer
V41431
ISBN (eBook)
9783638396950
ISBN (Buch)
9783638652582
Dateigröße
519 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Veränderungen, Herrschaft, Judäa, Jüdischen, Krieg, Herrschaft, Judäa
Arbeit zitieren
Magister Artium Christian E. Schulz (Autor:in), 2004, Veränderungen in der römischen Herrschaft über Judäa nach dem ersten Jüdischen Krieg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/41431

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