Bildung durch den Bildschirm? Der Einsatz von Webinaren im Rahmen des betrieblichen Bildungsmanagements

Am Beispiel von Beschäftigten in akademischen Auslandsämtern / International Offices / Referaten für Internationales


Hausarbeit (Hauptseminar), 2017

43 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1 EINLEITUNG

2 E-LEARNING IN DER BETRIEBLICHEN BILDUNG
2.1. E-Learning in der Betrieblichen Bildung - eine Bestandsaufnahme
2.2. E-Learning-Formen
2.2.1. Blended Learning
2.2.2. Datenträger (CBT)
2.2.3. Online-Kurse / Webinare
2.2.4. E-Mail-Austausch
2.2.5. Tutorielle Betreuung (E-Tutoring/Online-Tutorials)
2.2.6. Intranet-Kurse
2.2.7. Newsgroups
2.2.8. Mobile Learning
2.3. Zwischenfazit

3 ERHEBUNG
3.1. Methodisches Vorgehen
3.1.1 Untersuchungsdesign
3.1.2 Erhebungsinstrument
3.2. Auswertung
3.2.1 Soziodemografische und berufliche Erhebung
3.2.2. E-Learning und Webinare in der individuellen Wahrnehmung
3.2.3. Webinare als Bestandteil betrieblichen Bildungsmanagements
3.2.4. Individuelle Erfahrungen (optionaler Antwortteil)

4 FAZIT UND AUSBLICK

LITERATURVERZEICHNIS

ANHÄNGE

1 EINLEITUNG

Kompetenzentwicklung, Arbeitsbezogenes Lernen oder Produktivitätssteigerung durch konti- nuierliche Weiterbildung - die Kenntnisse und die Fähigkeiten der Mitarbeiter1 eines Unter- nehmens stehen sprichwörtlich für den Erfolg oder den Untergang desselbigen. Daher kommt der Generierung, der Sicherung und der stetigen Reflexion von Wissen eine bedeutende Rolle im Kontext betrieblicher Bildung zu. Schließlich können (strategische) Unternehmensziele nur mit dem Wissen realisiert werden, das die Beschäftigten selbstorganisiert so einsetzen, dass Probleme des Kunden gelöst werden können. Daher gilt es, den gegenwärtigen Wissensstand der Beschäftigten als strategische und qualitätsbezogenen Aufgabe zukünftiger Bildungsarchi- tekturen zu sichern und auszubauen.2 Betriebliches Bildungsmanagement kann hierbei sinnvoll unterstützen, da es die Formen und Inhalte der betrieblichen Qualifizierung analysiert, plant, lenkt, gestaltet und bewertet und somit auf konkrete Maßnahmen und Konzepte betrieblicher Bildungsarbeit abzielt.3

In Zeiten von digitalen Medien, Blended Learning-Angeboten und sich stetig weiterentwickeln- den technischen Möglichkeiten von Anbietern und Nutzern4 ist der Einsatz von E-Learning- Formaten aus der Weiterbildungspraxis von Unternehmen nicht mehr wegzudenken. Anders als bei interaktiven, jedoch offline stattfindenden Lernformen, die via CD oder DVD angeboten werden (sogenanntes Computer Based Training), sich schnell aktualisierenden, jedoch textlas- tigen Wikis oder auch kostenintensiven Blended Learning-Angeboten ist bei Webinaren eine stetig steigende Veranstaltungs- und Nutzerzahl zu beobachten.5 Hierbei handelt es sich grob vereinfacht um die Durchführung von Seminaren über das Internet, wobei Vorträge und Prä- sentationen live über das Internet übertragen werden. Ein wichtiger Vorteil für Unternehmen in der Nutzung von Webinar-Angeboten liegt vor allem in der Reduzierung von Reisekosten oder Abwesenheitszeiten, da diese im Vergleich zu Präsenzseminaren ausnahmslos digital stattfinden. Denn „im Gegensatz zum traditionellen Tagesseminar, das in starr vorgegebener Reihenfolge am Stück durchgezogen wird, werden im Webinar kompakte Trainings- oder Un- terrichtsthemen in mehrere zeitversetzte ‚Lehrhäppchen‘ verpackt.“6 Zudem sind sie schneller realisierbar und haben in der Regel eine kurze Dauer, wodurch eine erhöhte Aufmerksamkeit und ein größerer Lernerfolg im Vergleich zu einer ganztägigen Veranstaltung erreicht bzw. nachlassende Konzentration seitens der Teilnehmer vermieden werden kann.

Im Fokus der geplanten Arbeit soll daher der Einsatz von Webinaren im Kontext von betriebli- chem Bildungsmanagement stehen. Das grundlegende Erkenntnisinteresse zielt auf die Frage ab, inwiefern Webinare zur betrieblichen Bildung beitragen (können)? Darüber hinaus ist es von besonderem Interesse, wie Arbeitnehmer die Nutzung von Webinaren für ihre individuelle innerbetriebliche Wissens- und Kompetenzentwicklung einschätzen? Inwiefern lässt sich ein Nutzen für die Teilnehmer ausmachen? Ebenfalls muss danach gefragt werden, wie die Mitar- beiter den Stellenwert von Webinaren im Vergleich zu anderen Formen der betrieblichen Bil- dung einschätzen.

Leider existieren bislang nur wenige vereinzelte empirische Studien zum Einsatz von Webina- ren in Unternehmen. Eine Untersuchung von Katrin Keller verdeutlichte bereits 2008 die Not- wendigkeit von netzbasierten und arbeitsbezogenen Medien im Weiterbildungsbereich, da sie feststellte, dass „durch Vernetzung und netzbasierte Lernformen andere Möglichkeiten und Perspektiven unter anderem auch im Arbeitsprozess [entstehen], die die bisherigen Lehr und Lernformen ergänzen“.7 Eine Studie der Hochschule Schmalkalden zur Nutzung und Akzeptanz von Webinaren aus dem Jahr 2010 hat beispielsweise ergeben, dass fast 60 % aller Befragten mit dem Begriff „Webinar“ nichts anfangen konnten. Auch wurde deutlich, dass tendenziell Personen ab 30 Jahren reale Berührungspunkte mit Webinaren hatten. Dies erklärt sich wo- möglich dadurch, dass Webinare in der Ausbildung oder im Studium noch keine Verwendung finden und daher Arbeitnehmern8 über 30 Jahren durch den aktiven Einsatz im Arbeitsleben eher bekannt ist.9 Eine weitere, etwas aktuellere Studie verdeutlicht hingegen die wachsende Verbreitung von Webinaren. So konstatiert die vom MMB-Institut für Medien und Kompetenz- forschung in Auftrag gegebene Studie „E-Learning im Mittelstand“ von 2013, dass mehr als die Hälfte der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) bereits aktiv E-Learning Formate wie Webinare nutzt und binnen der nächsten drei Jahre weitere Investitionen im Bereich digitales Lernen geplant sind.10 Interessant ist dabei die festgestellte inhaltliche Fokussierung von Webi- nar-Angeboten. Mitarbeiter sehen das Potenzial eher in der Vermittlung von Themen rund um neue Medien, rechtliche Rahmenbedingungen, Finanzen und IT, während Unternehmen bzw. Personalentscheider Webinare als probates Mittel zur Steigerung von Führungs- und Sozial- kompetenzen ausmachen.11

Die vorliegende Untersuchung möchte auf den bislang erschienenen Studien aufbauen und anhand einer onlinegestützten Erhebung zum Einsatz von Webinaren im Rahmen der betriebli- chen Bildung einen aktuellen Beitrag zur Erfassung der gegenwärtigen Nutzung von E-Learning- Formen in Unternehmen und öffentlichen Institutionen leisten. Als Zielgruppe dieser Arbeit sollen die Mitarbeiter von International Offices, akademischen Auslandsämtern oder Referaten für Internationales in deutschen Hochschuleinrichtungen fungieren. Dieser Personenkreis hat insbesondere durch die enge Zusammenarbeit mit dem Deutschen Akademischen Austausch Dienst (DAAD), als zentralem Förderer weltweiter Mobilitäten auf Studierenden- und Lehrebe- ne sowie Anbieter einer hohen Anzahl von Webinaren, Zugang zu einem weltweit agierenden und vernetzten Expertenkreis. Durch die in den Webinaren durchgeführten Online- Präsentationen zu verschiedensten Themenbereichen des Arbeitsalltags der Zielgruppe mit verschiedenen Partizipationsmöglichkeiten, z.B. in Form von Chats oder Sprachbeiträgen, be- stehen zugleich interaktive Möglichkeiten der betrieblichen Weiterbildung. Darüber hinaus arbeitet der DAAD eng mit GATE-Germany, einem gemeinsamen Konsortium aus DAAD und der HRK (Hochschulrektorenkonferenz) zusammen, das sich selbst als den „größten und erfah- rensten Dienstleister für internationales Hochschulmarketing in Deutschland“ bezeichnet und anhand von über 180 durchgeführten Webinaren seit 2012 mit über 11.500 Teilnehmern eine ideale Expertise für die geplante Erhebung darstellt.12

Das Kernelement dieser Arbeit bildet eine onlinegestützte Erhebung bei Mitarbeitern akademi- scher Auslandsämter, International Offices sowie Referaten für Internationales, aus der schließlich Erkenntnisse zum Einsatz von Webinaren in der betrieblichen Bildung gewonnen werden sollen. In diesem Rahmen wurden über einen Zeitraum von zwei Wochen insgesamt 184 Personen aus der genannten Personengruppe mit Hilfe eines Online-Fragebogens befragt, dessen Antworten die notendige empirische Grundlage für die vorliegende Untersuchung bie- ten soll. Um die gleichsam notwendige theoretische Grundlage zur Einordnung der vorliegen- den Untersuchung zu ermöglichen, wird im Folgenden eine Betrachtung von betrieblichem E- Learning im Allgemeinen sowie vorhandenen E-Learning-Formen angestrebt. Darauf aufbau- end schließt sich eine ausführliche Darstellung der Erhebungs- und Analysemethoden sowie der Erhebungsergebnisse an, die schließlich im Fazit überblicksartig zusammengefasst werden.

2 E-LEARNING IN DER BETRIEBLICHEN BILDUNG

2.1. E-Learning in der Betrieblichen Bildung - eine Bestandsaufnahme

Das Erlangen von Wissen ist zu keiner Zeit abgeschlossen, da Kenntnisse und Fähigkeiten in nahezu allen Berufszweigen ständig aktualisiert und möglichst schnell ergänzt werden müs- sen.13 Schließlich gibt es „keine Kompetenzen ohne Wissen im engeren Sinne und Fähigkeiten sowie Qualifikationen.“14 Wissen kann in diesem Rahmen per definitionem für die Kombination von Daten und Information, unter Einbeziehung von Expertenmeinungen, Fähigkeiten und Erfahrung, mit dem Ergebnis einer verbesserten Entscheidungsfindung angesehen werden.15 Ferner bietet sich mit Blick auf die betriebliche Bildung die Unterscheidung von Wissen im en- geren Sinn und im weiteren Sinn an, da sich daraus unterschiedliche Lernprozesse ableiten lassen. Das Wissen im engeren Sinne, das in Unternehmen primär für Informations-, Fach- oder Sachwissen („wissen was“) steht, muss konsequenterweise durch zusätzliches motivatorisches Wissen und prozedurales Wissen ergänzt werden. Denn nur durch die Einbeziehung von Nor- men und Werten („wissen warum“) sowie Prozesswissen („wissen wie“) gelingt es, komplexe Problemstellungen im Arbeitsalltag zu bewältigen. Daneben steht das Wissen im weiteren Sin- ne, das entsteht, wenn die Menschen Informationen wahrnehmen, bewerten und mit subjek- tiven Erfahrungen in Beziehung setzen und durch Emotionen und Motivationen ergänzen.

Ähnlich verhält es sich auch mit dem Prozess des Lernens. Während formales Lernen eher „auf die Vermittlung festgelegter Lerninhalte und Lernziele in organisierter Form gerichtet [ist]“ und „auf ein angestrebtes bzw. vorgegebenes Lernergebnis [zielt]“, indem es „in einem organisier- ten […] Rahmen stattfindet“, „vorwiegend an didaktisch-methodischen Kriterien orientiert ist“ und „Lernziele und Lerninhalte ausgewiesen werden und die Lernergebnisse überprüfbar sind“, steht informelles Lernen für ein erfahrungsbasiertes Lernen, das seinen sprichwörtlichen Vokabelschatz aus den Arbeitshandlungen des Einzelnen zieht.16 Hierbei wird ein Erfahrungs- wissen generiert, das in der stetigen Abfolge von Handlung - Erfahrung - Reflexion und deren kontinuierlicher Wiederholung ausgebaut und verstetigt wird. Der Prozess des Lernens bleibt also flexibel, unstatisch, situativ und dabei gleichzeitig individuell. Analog zum Begriff des le- benslangen Lernens, das u.a. darauf abzielt, berufliche Qualifikationen fortlaufend zu verbes- sern oder sich ggf. beruflich neu zu orientieren17, kommt den aufgezählten Prozessmerkmalen des Lernens speziell in formellen und informellen Arbeitsprozessen ein besonderes Gewicht zu. Denn „gerade für Erwachsene sind Aspekte wie Eigenaktivität, Interessenbezug, Eigenverant- wortlichkeit, Integration gemachte Erfahrungen und bestehender Überzeugungen sowie Bezug zu konkreten Situation im Arbeitsprozess besonders wichtig.“18

E-Learning19 ergänzt diese Lernformen dahingehend, dass Lernprozesse nicht mehr traditionell, bspw. durch persönliche vis-á-vis-Formate oder durch analoges Selbstlernen, stattfinden, son- dern durch multimediale und (tele-)kommunikative Technologien unterstützt werden.20 E- Learning kann folglich als technologiebasiertes bzw. virtuelles Lehr- und Lernsystem verstan- den werden, wobei gleichsam eine Unterscheidung in stationär oder mobil, lokal oder verteilt, statisch oder dynamisch, synchron oder asynchron und individuell oder kollaborativ vollzogen werden kann.21 Dies bedeutet nicht weniger, als dass E-Learning in seinen verschiedenen Er- scheinungsformen überwiegend zeitlich uneingeschränkt an einem Arbeitsplatz oder ortsun- gebunden auf dem Smartphone, aber auch allein oder in Gruppenform stattfindet. Für die folgenden Ausführungen wird daher der obigen Definition von Seufert und Mayr gefolgt, die E- Learning summierend als Oberbegriff für sämtliche Bereiche des Lernens mithilfe elektronische Medien verwenden.22

Um den bereits erwähnten Wissenszuwachs und insbesondere das kontinuierliche Lernen der Mitarbeiter zu fördern, setzen Unternehmen seit vielen Jahrzehnten auf die Möglichkeiten der betrieblichen Weiterbildung. Allerdings hat sich angesichts stetig zunehmender Weiterbil- dungskosten, die durch steigende Teilnehmergebühren sowie einen immer größer werdenden Anteil von nicht weitergebildeten Mitarbeitern eines Unternehmens verursacht wurden, die Situation ergeben, dass in den 1980er/1990er Jahren vorwiegend Großunternehmen die Ein- satzmöglichkeiten von E-Learning im Rahmen der eigenen Mitarbeiterqualifizierung prüften. Der Grundgedanke war hierbei „der Wunsch, die Kosten für den wachsenden Bedarf an Aus- und Weiterbildung deutlich zu senken und die sich abzeichnende Kostenexplosion zu vermei- den“.23 Interessant ist zudem der schon früh sichtbare Unterschied zwischen einzelnen Bran- chen beim Einsatz von E-Learning. Während bei Finanzdienstleistungsunternehmen wie Versi- cherungen oder Banken sowie Unternehmen in der EDV-, Kommunikations- und Medienbrache aufgrund der vorhandenen Medien- und IT-Kompetenz und vorhandenen technischen Ausstat- tung mit PC-Arbeitsplätzen schon früh auf elektronische Lehr- und Lernformen gesetzt wurde, erfolgte eine ähnliche Entwicklung im Bereich der Ernährung oder des Einzelhandels nur sehr zögerlich. Die vorhandene Infrastruktur für elektronische Weiterbildung war einfach so gering vorhanden, dass Lernmaßnahmen in diesen Branchen lange auf traditionelle Weise in Form von tageweisen Mitarbeiterschulungen in Präsenzform erfolgten.24 Erst langsam stiegen die Unternehmen auf den Einsatz elektronischer Lehrmedien um, etwa durch Disketten, CD-ROMs usw., die lokal an PCs genutzt wurden, damit der Lernende die jeweiligen Inhalte allein für sich mit punktueller Unterstützung von Lehrenden bearbeiten konnte. Neben dem Arbeitnehmer, der zeitgleich als Zielobjekt des E-Learning fungiert, hat sich daher auch die Rolle des Lehren- den weiterentwickelt. Lehrende sind nicht mehr nur Vermittler von Kenntnissen und Fähigkei- ten, die durch tageweise Präsenzschulungen vermittelt und trainiert wurden, sondern unter- stützen als digital agierende Berater, Gestalter, Begleiter, Moderatoren oder Lernprozessbe- gleiter das eigenständige, individuelle und bedürfnisorientierte Lernen der Mitarbeiter. Deut- lich wird dies insbesondere in den verschiedenen E-Learning-Formen, die im weiteren Verlauf dieser Arbeit noch vorgestellt werden.

Anfang der 2000er Jahre erlebte das betriebliche E-Learning nach einer gewissen Ernüchterung der Vorjahre, die u.a. auf mangelnde Akzeptanz des Mediums und den damit angezweifelten Lernerfolg zurückzuführen waren, einen gewissen Boom. So stellte eine durch die FH Göttin- gen durchgeführte Befragung von 350 führenden Unternehmen in Deutschland fest, dass 88 % E-Learning-Programme für die Fort- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter einsetzen.25 Bereits für 2004 wurden Umsätze im E-Learning-Bereich von bis zu 50 Mrd. EUR prognostiziert, da „viele Hardware- und Softwareproduzenten […] im E-Learning einen lukrativen neuen Markt mit interessanten Wachstumsmöglichkeiten [sahen].“26 Neben diesen finanziellen Vorteilen für Anbieter von E-Learning-Formaten bleibt in Hinblick auf die allgemeine Bereitschaft der be- trieblichen Weiterbildung durch Unternehmen allerdings zu konstatieren, dass die betriebli- chen Ausgaben für primär ortsgebundene und nicht digitale Weiterbildungskurse in EU- Staaten in der jüngeren Vergangenheit eher rückläufig sind. Im europäischen Vergleich lag Deutschland im Jahr 2011 tendenziell eher im Mittelfeld, weit hinter den skandinavischen aber auch einigen osteuropäischen Ländern.27 Somit ist eine Umorientierung auf E-Learning- Angebote aus Unternehmenssicht nicht nur nachvollziehbar, sondern erscheint anhand der bereits erläuterten Vorteile auch ratsam. Einer der deutschlandweiten Vorreiter des betriebli- chen E-Learning war bspw. die deutsche Telekom, die mit der Einführung des Tochterunter- nehmens „Telekom Training“ eigene digitale Lernplattformen zur Weiterbildung entwickelte, die nicht nur den eigenen Mitarbeitern zur Verfügung gestellt wurden, sondern im weiteren Verlauf auch mittelständischen und global agierenden Unternehmen.28

Aber auch Hochschuleinrichtungen griffen den Trend des E[lektronischen] Lernens auf, was dazu führte, dass 2003 fast die Hälfte aller US-amerikanischen Campus-Universitäten, so u.a. Columbia oder Harvard, eigene E-Learning-Angebote bewarben, um ihre Lehre dadurch welt- weit vertreiben zu können. Aktuell ist zudem eine immense Steigerung von E-Learning- Angeboten insbesondere im Bereich des Studierendenmarketings von Hochschulen zu be- obachten. Denn gerade E-Learning-Formate wie MOOCs (Massive Open Online Courses), d.h. Online-Vorlesungen, die sich an einen weltweiten Nutzerkreis richten29, können zu einer erfolg- reichen Markenbildung und internationalen Reputation einer Universität beitragen.30 Dass auch deutsche Universitäten diesen Trend erkannt haben, beweist das Angebot von GATE- Germany, welches neben fachlicher Beratung und technischer Unterstützung interessierten Hochschuleinrichtungen die Gelegenheit bietet, durch Webinare Kontakt mit potentiellen Be- werbern im Ausland aufzunehmen und für Fragen unmittelbar zur Verfügung zu stehen.31 Bei- spielhaft fungiert an dieser Stelle der virtuelle Informationstag „Virtual Information Fair“ der Universität Mannheim, der seit 2014 eintägige englischsprachige virtuelle Informationsmessen für bestimmte Masterprogramme anbietet, um das eigene Kursangebot insbesondere interna- tionalen Studieninteressierten vorzustellen.32 Als vielversprechenden Beleg für die wachsende Bedeutung von E-Learning in Hochschuleinrichtungen in Form der bereits erwähnten MOOCs soll zudem das Angebot der Technischen Universität München genannt werden, das durch ihre Online-Vorlesungen bereits über 100.000 Nutzer aus nahezu allen Ländern der Welt registrie- ren konnte.33

Zusammenfassend bleibt zu konstatieren, dass E-Learning, bedingt durch die stetige Verbesse- rung technischer Möglichkeiten und gleichzeitige Entwicklung nutzerfreundlicher sowie an- wendungsorientierter Programme, gegenwärtig eine wachsende Bedeutung im betrieblichen Bildungsmanagement einnimmt. Das Potenzial des E-Learning für die betriebliche Bildungsar- beit sowie der damit verknüpften beruflichen Kompetenzentwicklung scheint durch Unter- nehmen wie Anbieter für entsprechende Formate auf jeden Fall erkannt worden zu sein. Die damit einhergehende Dynamik, die durch das Zusammenspiel technischer Innovationen und didaktisch-methodischer Verbesserungen entsteht, hat für das Erscheinen diverser E-Learning Formen gesorgt, die im Folgenden überblicksartig skizziert werden sollen.

2.2. E-Learning-Formen

2.2.1. Blended Learning

Hinter dem Konzept des Blended Learning verbirgt sich ein onlinebasiertes Lernsystem, das anwendungsorientierte Workshops und mehrwöchige Phasen des selbstgesteuerten Lernens miteinander verknüpft. Hierbei findet eine optimale Vernetzung über das Internet in Verbin- dung mit „klassischen“ Lernmethoden und -medien, die in begleitenden Präsenzphasen ange- boten werden, statt. Gleichzeitig hat Blended Learning den Vorteil, dass „dabei […] Wis- sensaufbau und Qualifizierung mittels Web-Based Trainings mit Wissensmanagement, Trai- ning, E-Tutoring und E-Coaching zielgruppengerecht kombiniert [wird].“34 Als nachteilig hat sich bei Blended Learning-Angeboten allerdings die Abhängigkeit von notwendiger technischer Infrastruktur herausgestellt, da für eine bedarfsgerechte Nutzung schnelle Internetverbindungen notwendig sind. Darüber hinaus sind entsprechende Angebote nicht unbedingt kostengünstiger im Vergleich zu regulären „Trainings“, auch wenn sich die Kosten für An- und Abreise, Unterkunft und Verpflegung erheblich reduzieren.

2.2.2. Datenträger (CBT)

Das Lernen mit Datenträgern, wie CD-ROMs, Disketten usw. steht im Fokus des sogenannten Computer-Based Trainings (CBT). Der Lernende ist hierbei aufgefordert, in einer konstruierten multimedialen Lernumgebung den vorgegebenen Lerninstruktionen zu folgen. Nachteilig ist hierbei, dass der Nutzer extrem autark ist, da er nicht auf Lerninhalte einwirken oder mit anderen Lernenden kommunizieren kann. Zudem ist die Produktion entsprechender CBTs, die aufgrund ihrer Erscheinungsform zwangsweise unveränderbare Informationen anbieten, extrem aufwendig und mit hohen Kosten verbunden.35

2.2.3. Online-Kurse / Webinare

Onlinekurse oder Webinare beschreiben Seminare oder virtuelle Klassenräume, die ausnahms- los digital stattfinden, da Vorträge, Beiträge und Präsentationen zur Wissensvermittlung über das Internet übertragen werden. Es gibt in der Regel einen Vortragenden und viele Zuhörer, das sogenannte One-to-many-Prinzip. Der Vortragende sitzt vor seinem Bildschirm und teilt diesen über eine Software mit allen am Webinar teilnehmenden Personen. Diese sehen auf ihren Bildschirmen den Vortrag und können den Präsentierenden durch eine Kamera beobach- ten, der mit Hilfe von Mikrofonen oder einem Headset die Informationen auch hörbar über- mittelt. Während des Webinars kann es durch ein Umschalten von Vortragsansicht zu Vortra- gendenansicht und umgekehrt durch den Moderator zu einer etwas lebendigeren Präsentati- onsform des Themas bzw. der Inhalte kommen. Über bestimmte virtuelle Tools wie Chats, Umfragen, dem Whiteboard, einer Applaus- und Handhebefunktion können die Teilnehmer aktiv am Geschehen partizipieren und das virtuelle Seminar mit Anmerkungen, Fragen oder virtuellen Gesten zusätzlich beleben. Webinare finden entweder als Präsentation oder als Trai- ning statt, d.h. Inhalte können präsentiert bzw. vorgestellt (z.B. durch einen Vortrag über die neuesten Entwicklungen im Bildungssektor) oder durch den Nutzer via Bildschirm verfolgt und eingeübt werden (z.B. ein Online-Training für eine dienstlich zu nutzende Software).

Dem One-to-many-Prinzip steht das Many-to-many-Prinzip gegenüber. Hierbei treffen sich Menschen in einem virtuellen (Webinar-)Raum, um in einer Gruppe miteinander zu kommuni- zieren bzw. sich auszutauschen. Diese Form des Webinars kann am ehesten mit einem virtuel- len Meeting verglichen werden, da alle Teilnehmenden die gleichen Rechte der Teilnahme besitzen und sich optisch wie akustisch in die Diskussion einbringen können. Der Vorteil ist hierbei die flexible und vor allem spontane Gestaltung der virtuellen Sitzung und Einbeziehung von Personen, die weltweit verstreut sind und via Internet am Meeting teilhaben können.

Analog zur Definition von Her- mann-Ruess/Ott, die beide ge- nannten Prinzipien unter dem Deckmantel der Webkonferen- zen subsummieren (siehe Bild rechts), lässt sich demnach fest- halten, dass Webinare aufgrund ihrer Form der One-to-many-Präsentation eher dazu geeignet sind, Inhalte vorzustellen bzw. zu trainieren.36 Insbesondere im Bereich der betrieblichen Bildung ist dieses Format deutlich besser zur Vermittlung von Wissen geeignet, da die Webinar-Teilnehmer durch einen Vortra- genden auf das eigentliche Geschehen oder Thema fokussiert sind und nicht durch gleichzeitig sprechende Personen abgelenkt werden. Allerdings können die aufgezählten Tools wie z.B. die vorhandene Chatfunktion oftmals störend wirken, da Fragen oder Kommentare ungefiltert und asynchron eingeblendet werden und somit ablenken. Allerdings kann genau diese Art der vor- tragsbegleitenden Kommunikation auch recht fruchtbar sein, wenn die Kommentare durch einen zusätzlichen Moderator, der das Webinar technisch begleitet oder administriert, gefiltert bzw. parallel beantwortet werden. Dadurch kann es zu einem (vielleicht auch beabsichtigten) Austausch über die zuvor vorgestellten Informationen kommen, was durchaus parallel vom Präsentierenden begleitet bzw. kommentiert werden kann. Webinare erlauben somit die „Ge- staltung kooperativer Lehr-Lern-Szenarien über verschiedene Kommunikationswege.“37 Auf- grund des direkten Kontakts zwischen Lehrendem und Lernenden können die Lernprozesse individuell betreut werden und auch praktische Übungen der Teilnehmenden einschließen.38

Ein Webinar dauert in der Regel ca. eine Stunde39.

[...]


1 Für eine bessere Lesbarkeit werden in dieser Arbeit vorwiegend die männlichen Bezeichnungen wendet. Selbstverständlich sind damit immer beide Geschlechter gemeint.

2 Vgl. Keller, K. (2008): Netzbasiertes Lehren und Lernen in der betrieblichen Weiterbildung. Eine Fallstudie am Beispiel der Telekom, Wiesbaden, S.4f.

3 Vgl. Dehnbostel, P. (2016): Betriebliches Bildungsmanagement, Oldenburg, S.13.

4 Zum Beispiel in Form von leistungsfähigeren Endgeräten wie PCs, Notebooks oder auch Internetverbindungen, deren Verbindungsraten mittlerweile einen krassen Gegensatz zu Geschwindigkeiten aus den 1990er oder 2000er Jahren darstellen.

5 Vgl. die in 2013 durchgeführte Studie vom „Management Circle“: Karriere und Weiterbildung - Ergebnisse der ersten deutschen repräsentativen Umfrage zur Bedeutung, Akzeptanz und Nutzen von Webinaren, http://www.hrnetworx.info/hr-blog/item/95-webinar-studie-berufliche-weiterbildung-zeit-und- gesundheitsmanagement-werden-wichtiger, Zugriff: 1.2. 2017.

6 http://www.business-wissen.de/artikel/betriebliche-weiterbildung-dem-webinar-gehoert-die-zukunft/, Zugriff: 1.2. 2017.

7 Keller (2008), S.356.

8 Vgl. Fußnote 1.

9 Vgl. Studie der Fachhochschule Schmalkalden zur Nutzung und Akzeptanz von Webinaren, http://www.multi- media-marketing.org/dateien/webinar-studie.pdf, Zugriff: 1.2.17.

10 Vgl. Studie des MMB-Instituts für Medien und Kompetenzforschung, https://www.haufe-akademie.de/ down- loads_ shop/documents/32080.pdf, Zugriff: 1.2.17.

11 Ebd.

12 Bezogen auf die Webinar-Reihen „Hochschulmärkte weltweit“, die seit 2012 durchgeführt wird und in 24 Webina- ren insgesamt 1.483 Teilnehmer erreicht hat, sowie „Marketing via Webinar“, die ebenfalls seit 2012 durchgeführt wird und in 156 Webinaren ca. 10.000 Teilnehmer über Studienmöglichkeiten in Deutschland informiert hat. Vgl. auch: http://www.gate-germany.de/werbung-fuer-studienprogramme/marketing-via-webinar.html, Zugriff: 1.2.17.

13 Keller (2008), S.356.

14 J. Erpenbeck/ W. Sauter (2013): Kompetenzentwicklung in einer Welt fühlender Computer, kluger Wolken und sinnsuchender Netze, Berlin, S.28.

15 European Commission, Directorate (2004): Europäischer Leitfaden zur erfolgreichen Praxis im Wissensmanagement, Brüssel.

16 Vgl. Dehnbostel, P. (2016), S.57f.

17 Hanft, A. (2008): Bildungs- und Wissenschaftsmanagement, München, S.16.

18 Keller (2008), S.355.

19 „Das junge Wort E-Learning gehört zur Familie der E-Begriffe (engl.: e-terms), die gleichzeitig auch als Marketing- Begriffe fungieren: Mit seinem Aufkommen wird also im Hinblick auf die Erfordernisse des Absatzmarktes ein Wort e-isiert und damit interessant und verwendungsfähig gemacht.“ Vgl. Treumann, K./Ganguin, S./Arens, M. (2012): E- Learning in der beruflichen Bildung. Qualitätskriterien aus der Perspektive lernender Subjekte, Wiesbaden, S.38.

20 Vgl. Seufert, S./Mayr, P. (2002): Fachlexikon E-Learning. Bonn, S.45f.

21 Vgl. Back, A./Bendel, O./Stoller-Schai, D. (2001): E-Learning im Unternehmen. Grundlagen - Strategien - Methoden - Technologien. Zürich.

22 Seufert/Mayr (2002), S.45.

23 Dittler, U. (2011): E-Learning: Lernen, Wissen und Bildung auf dem Weg in die Postmedialität, in: Ders.: E- Learning. Einsatzkonzepte und Erfolgsfaktoren des Lernens mit interaktiven Medien, München, S.4.

24 Vgl. Ebd.

25 Dichanz, H. (2004): E-Learning unter den Bedingungen virtueller Lehr-Lern-Systeme - ein konzeptioneller Rahmen, in: Praxis Beispiel (2004): E-Learning in Unternehmen: Konzepte - Einsatzmöglichkeiten - Qualitätskriterien, Düssel- dorf, S.6.

26 Ebd., S.8.

27 Behringer, F. (2011): Betriebliche Weiterbildung in Europa, in: Wirtschaftsdienst (2011), Sonderheft, Hamburg, S.17.

28 Vgl. die Website des TT-Angebots: https://www.training.telekom.de/internet/index.html, Zugriff: 4.2.2017 sowie die umfangreiche Fallstudie zum netzbasierten Lernen am Beispiel der Telekom von Katrin Keller - Keller (2008).

29 Vgl. auch den Erfahrungsbericht der TU9, die 2014/15 einen MOOC zum Thema „German Engineering“ anboten: Pscheida, D./ Lissner, A./ Hoppe, C./Sexauer, A. (2015): MOOCs als Instrument des hochschulübergreifenden Marketings und der Studienorientierung, Graz, S.125-136.

30 GATE-Germany (2016): Weltweit und Virtuell - Praxisbeispiele aus dem Digitalen Hochschulmarketing, Bonn, S.14.

31 Vgl. die Website von GATE-Germany: http://www.gate-germany.de/marketingservices/marketing-via- webinar.html, Zugriff: 4.2.17.

32 Ebd., S.35f.

33 Besonders bemerkenswert ist beispielsweise ein Kurs, der fast 23.000 Teilnehmende überwiegend aus dem außereuropäischen Ausland verzeichnen konnte. Vgl. Ebd., S.58f.

34 Erpenbeck, J./Sauter, S./Sauter, W. (2015): E-Learning und Blended Learning. Selbstgesteuerte Lernprozesse zum Wissensaufbau und zur Qualifizierung, Wiesbaden, S.29.

35 Vgl. Hanft (2008), S.18f.

36 Hermann-Ruess, A. / Ott, M. (2014): Das gute Webinar. Das ganze Know How für bessere Online-Präsentationen, ein Praxisratgeber: Online präsentieren und Kunden gewinnen, Wiesbaden, S.9f.

37 Schwärzel, K. (2013). Von Onlinetutorials, Webinar und Open Online Course: Moderne Schulungskonzepte für wissenschaftliche Bibliotheken im digitalen Zeitalter, in: Barnat, M. et al. (2013): Junge Hochschul- und Mediendidaktik. Forschung und Praxis im Dialog, Hamburg, S.139.

38 Höhner, K. (2014): Der Einsatz von Webinaren bei der Vermittlung von Informationskompetenz an wissenschaftlichen Bibliotheken, in: Perspektive Bibliothek 3.2., Heidelberg, S.64f.

39 https://www.online-seminars.de/was-ist-ein-webinar/, Zugriff: 13.3.2017.

Ende der Leseprobe aus 43 Seiten

Details

Titel
Bildung durch den Bildschirm? Der Einsatz von Webinaren im Rahmen des betrieblichen Bildungsmanagements
Untertitel
Am Beispiel von Beschäftigten in akademischen Auslandsämtern / International Offices / Referaten für Internationales
Hochschule
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg  (Centrum für Lebenslanges Lernen)
Veranstaltung
Betriebliches Bildungsmanagement
Note
1,0
Autor
Jahr
2017
Seiten
43
Katalognummer
V413647
ISBN (eBook)
9783668648999
ISBN (Buch)
9783668649002
Dateigröße
1682 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Webinare, E-Learning, Betriebliches, Bildungsmanagement, Akademisches, Auslandsamt, International, Student, Office, Universität, Universitäten, Erhebung, Untersuchung, Fragebogen, SPSS, Blended, Learning, BlendedLearning, Online-Kurse, Mobile, Betrieb, BetrieblicheBildung, Betriebs- und Wirtschaftspädagogik, BWL, Management, Webinar
Arbeit zitieren
M.A. Roman Behrens (Autor:in), 2017, Bildung durch den Bildschirm? Der Einsatz von Webinaren im Rahmen des betrieblichen Bildungsmanagements, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/413647

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